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hatte unrecht, als er sagte, daß zurückgebliebene Gesellschaften der
Regierung mehr bedürften als die vorgeschritteneren. Die Notwendig
keit, die Einsicht in das öffentliche Wesen zu erhöhen, die moralischen
Kräfte zu organisieren und die gemeinsamen Geschäfte zu erledigen
(nach Mill die Aufgaben der Regierungen), steigt mit der Differen
zierung der Gesellschaft und mit der Ausdehnung der wirtschaftlichen
Aktivität des Staates. Die Aufgabe der Regierung ist nicht, den Ein
zelnen zu unterrichten, ohne Regierung auszukommen, sondern ihn in
dem Zusammenwirken mit dem Staate zu unterweisen.
Der Staat ist die politische Persönlichkeit der Gesellschaft, zu dem
Zwecke gebildet, durch Gesetzgebung und Verwaltung den öffent
lichen Willen in der politischen Sphäre durchzusetzen. Weit davon
entfernt, daß das Ende des Klassenkampfes zwischen Proletariat und
Bourgeoisie, die Eroberung der öffentlichen Gewalt durch das Volk,
die Übernahme der Kontrolle über den Boden und das Kapital durch
die Gesellschaft den Staat überflüssig machen werden, wird dadurch
seine Notwendigkeit nur noch akzentuiert, weil mit erweitertem kol
lektiven Streben und erhöhter kollektiver Verantwortlichkeit ein Or
gan, das in gemeinsamen Angelegenheiten den Willen aller zum Aus
druck bringt, für die Fortdauer der Gesellschaft notwendig sein wird.
Das hervorragendste Charakteristikum dieses Staates im Gegensatz
gegen den liberalen Staat, von dem wir uns jetzt allmählich entfernen
und den die früheren Sozialisten im Auge hatten, als sie über den Staat
schrieben, wird sein, daß er als ein Organ betrachtet werden wird, durch
das der Einzelne seinen Willen ausdrücken und die Verwirklichung
seiner Persönlichkeit finden kann. Dieser Staat mag den Energien
des Individuums Schranken setzen, aber er wird sie nur in der Weise
kontrollieren, wie die Ufer den Gewässern eines reißenden Stromes
gebieten.
Der Staat wird auf der allgemeinen Zustimmung beruhen und die
allgemeine Erfahrung ausdrücken. Er wird deshalb auf das Stimm
recht der Erwachsenen gegründet sein. Es wird die historische Er
fahrung akzeptieren, daß die wirtschaftliche Freiheit eine der Bedin
gungen bürgerlicher und geistiger Freiheit ist. Deshalb wird er durch
Unterwerfung jener ökonomischen Kräfte, die Monopole und wirt
schaftliche Knechtschaft möglich machen, das Privateigentum be
schützen. Aus diesem Grunde wird der Grund und Boden in einer