II. Kapitel.
Geschichte der Krankenkassen in der Schweiz.
Wenn vielfach behauptet wird, die Krankenkassen seien eine
Erfindung des letzten Jahrhunderts, so muß diese Behauptung
dahin berichtigt werden, daß schon im Mittelalter die Bruder
schaften und Zünfte ihre Mitglieder im Falle von Krankheit unter
stützten. Die Bruderschaften waren anfänglich Organisationen,
welche sich mehr zur Durchführung religiöser Aufgaben konstitu
ierten, später aber auch wirtschaftliche Zwecke verfolgten, so daß
der Ausdruck Bruderschaft gleichbedeutend wird wie Innung,
Gilde und Zunft. Die Krankenunterstützung war nur Nebenzweck
dieser Organisationen, welche, wie in den größeren Städten Deutsch
lands, so auch in einigen der Schweiz, bestanden. Von den heute
noch in unserem Lande existierenden Krankenkassen sind es drei,
deren Gründungsjahr bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Unter
diesen befindet sich die allgemeine Arbeiter-Krankenkasse der
Stadt Luzern, über welche uns nähere Angaben zur Verfügung
stehen. 1
Als „Bruderschaft lediger Mannspersonen“ wurde die Kasse
im Jahre 1560 gegründet. Die Mitglieder hießen „Sodalen“, d. h.
religiöse oder geistliche Brüder. Eine Bestimmung in der Satz
ung der Bruderschaft aus dem 16. Jahrhundert lautete: „Jeglichem
Bruder, wenn er siech wird oder krank, soll man leihen dritthalb
Pfennige täglich, wenn es ihm not tut, hilft ihm aber unser Herr
gott, daß er wieder gesund wird und arbeiten kann, so soll er die
dritthalb Pfennige wieder bezahlen. Tut es ihm länger not und
bedarf er mehr, so solle man ihm leihen auf Pfand; stürbe er, so
soll man bezahlen von dem, was er hinterläßt!“ Auch bei dieser
Bruderschaft war die Krankenunterstützung nur Nebenzweck;
1 F. J. End, die Allgemeine Krankenkasse der Stadt Luzern.