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Gruppe von Erwerbsgesellschaften schwerlich auf die Dauer gelingen, jede
Konkurrenz von Außenseitern, bereits bestehenden oder neugeschaffenen
Betrieben auszuschließen. Bei dem in Deutschland herrschenden Wett
bewerb der Unternehmungs formen droht zunächst immer die
Gefahr, daß eine Tariferhöhung von seiten der Aktiengesellschaften durch
konträre Maßnahmen der Gegenseitigkeitsanstalten in ihrer Wirksamkeit
gehemmt wird und schließlich aufgegeben werden muß. Wenn andrer
seits — wie dies z. B. in der Hagelversicherung vorgekommen ist -
die Gegenseitigkeitsvereine durch unverhältnismäßig geringe Prämien die
Versicherungsnehmer an sich ziehen und dann in schadenreichen Jahren
große Nachschüsse fordern müssen, so führt dies wiederum einen Umschlag
zugunsten der Erwerbsunternehmungen herbei. Das historische Hauptver
dienst der Aktiengesellschaften ist bei den meisten Versicherungszweigen darin
zu suchen, daß sie zuerst eine auf sorgfältiger wissenschaftlicher Bearbeitung
des Erfahrungsmaterials aufgebaute zweckmäßige Versicherungspraxis ein
geführt haben, aber die größeren Genossenschaftsbetriebe sind ihnen auf
diesem Wege überall gefolgt und stehen jetzt auf der Höhe der Technik. Die
auf staatlichem Schutz beruhenden öffentlichen Versicherungsanstalten mit
oder ohne Beitrittszwang bilden durchaus ein starkes Gegengewicht gegen
schrankenlose Monopolisierungsbestrebungen der Privatversicherer. Bis in
die Gegenwart hinein zieht sich der Kamps dieser Sozietäten und ähnlicher
durch Staatssubvention bevorrechtigter Anstalten mit den Erwerbsunter-
nchmungen. Da nun aber die privaten Gegenseitigkeitsgesellschaften von
den neuerdings mehr und mehr in den Vordergrund tretenden Verstaat
lichungstendenzen nicht weniger als die Aktienbetriebe bedroht sind und
durch die gesetzliche Regelung ihrer Rechtsverhältnisse zu einer einheitlichen
Stellungnahme genötigt waren, so hat auch hier die Koalitionsbewegung
überall rasche Fortschritte gemacht und sogar nach verschiedenen Richtungen
hin zu einem vertragsmäßigen Zusammenarbeiten mit den Verbänden der
Erwerbsunternehmungen oder zu gemeinsamer Vereins- und Kartellgrün
dung geführt. Schon hierin liegt eine gewisse Gewähr dafür, daß ein
Ueberhandnehmen der auf einseitiger Wahrung des Unternehmerstand-
punktes beruhenden Tarifverschärfungen und eine völlige Beseitigung des
Einflusses der Versicherungsnehmer auf die Bestimmungen des Assekuranz
vertrages in absehbarer Zeit nicht zu befürchten ist. In keinem anderen
deutschen Erwerbszweige hat die Genossenschaftsidee und die damit ver
bundene Ausgleichung des Produzenten- und Konsumenteuinteresses einen
so großen Umfang angenommen wie im Versicherungswesen.
Ein zweiter wichtiger Faktor, welcher zum Schutz und zur Verstärkung
der Interessen der Versicherungsnehmer beiträgt und damit direkt oder
indirekt die Macht der Kartelle beschränkt, ist die r e i ch s g e s e tz li ch e
Regelung des Versicherungsvertrages, die mit dem 1. Januar
1910 in Kraft trat. Das am 30. Mai 1908 verabschiedete Gesetz ordnet
die materiellen Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien in um
fassender Weise und enthält eine große Reihe zwingender Vorschriften, die
durch private Willenserklärung der Kontrahenten nicht abgeändert werden
können. Zahlreiche Mindestforderungen, die in bezug auf eine sachgemäße
Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen gestellt werden mußten, sind
hier durchgeführt, die gegenseitigen Rechte und Pflichten scharf abgegrenzt,
also auch die Gegenleistungen der Versicherer nach Möglichkeit geregelt