2 Die Wirkungen der Geldvermehrung auf die Kaufkraft sind übrigens nicht an das Zeichengeld gebunden, sie können auch bei vollwertigem Geld auftreten. Es wäre durchaus denkbar, daß z. B. die Goldausbeute derart zunimmt, daß in Oester reich-Ungarn durch die vermehrten Prägungen von Zehn- und Zwanzig-Kronenstücken die Kauf kraft des Geldes abnimmt. Wir besitzen in dieser Beziehung bereits wichtige Erfahrungen. In den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts wurde in Oesterreich jedem, der Silber in die Münze brachte, dasselbe ausgeprägt, das heißt, er erhielt für eine bestimmte Menge Silber eine bestimmte Anzahl Silbergulden, so wie man heute für ein Kilo gramm Gold in der Münze 3274 K in Goldmünzen österreichischer oder ungarischer Prägung erhält. Als nun Ende der Siebzigerjahre in London der Silbermarkt mit Silber überflutet wurde, sank plötzlich der Silberpreis, u. zw. so tief, daß es sich rentierte, in London mit österreichischem Geld Silber zu kaufen und es in Wien ausprägen zu lassen. Man erhielt für 100 Gulden mehr Silber in London, als in 100 österreichischen Gulden Silber enthalten war. Wie erklärt sich diese Erscheinung? Sie ist nur dann verständlich, wenn man sich vor Augen hält, daß die Kaufkraft eines Geldstückes nicht an seinen Metallgehalt ge bunden ist, sie kann ebenso groß sein, wie die Kaufkraft des Stückes Metall, das in der Münze enthalten ist, sie kann aber auch weit größer sein. Ich betone nachdrücklich, daß diese An schauung von der Unabhängigkeit der Kaufkraft auch des frei ausprägbaren Geldes von seinem Metallgehalt nicht etwa rein theoretischen Unter suchungen ihren Ursprung verdankt, sondern Ende der siebziger Jahre empirisch beobachtet wurde. Die Kaufkraft des Silberguldens in Oester reich-Ungarn war mit dem gesamten Preisniveau verknüpft, mit der Eigenschaft als Zahlungsmittel zu dienen, insbesondere also auch als Schulden tilgungsmittel. Silbergulden waren daher gesucht, während man mit ungeprägtem Silber in Oester reich-Ungarn bei Zahlungen nichts anfangen konnte. Eine Zeit lang wurde denn auch das oben geschilderte Geschäft gemacht, man kaufte für Gulden Silber und prägte es aus. Im allgemeinen geschah dies wohl auf dem Umwege, daß man in Wien englische Devisen kaufte und für diese dann Silber aus London bezog. Dies dauerte aber nicht lange, da der Staat die freie Ausprägung sistierte, d. h. für rohes Silber wurde kein be stimmter Preis mehr seitens der Münzstätte be zahlt. Warum tat das der Staat? Weshalb ließ er nicht die Silberimporteure weiter verdienen, zumal er selbst Prägegebühren erhielt? Der Grund ist u. a. darin zu suchen, daß die Aufrechterhal tung der freien Prägung zu einer Senkung der Kaufkraft des Guldens führen mußte. Vor der großen Silberausbeute hatte der Silbergulden, welcher als internationales Zahlungsmittel, wie heute das Gold, Verwendung finden konnte, häufig ein Agio gegenüber dem Papiergulden. Als nun die starken Silberausprägungen einsetzten, ver schwand dies Agio, da ja die Kanfkraft des Silberguldens größer war als die Kaufkraft des in ihm enthaltenen Rohsilbers. Silbergulden und Papiergulden standen nun al pari. Zu einem Dis agio der Silberguldens, das von Bedeutung hätte sein können, konnte es aber nicht kommen, da nicht einzusehen wäre, warum man silbernes Zeichengeld niedriger einschätzen sollte als pa pierenes Zeichengeld. Aber es blieb noch immer die Möglchkeit übrig, daß die Kaufkraft beider Geldsorten gegenüber ausländischem Gelde und gegenüber den inländischen Waren sinken konnte. Der gesamten Warenmenge standen von Tag zu Tag größere Geldmengen gegenüber, die durch die freie Ausprägung immer weiter ver mehrt wurden. Freilich, ins Unendliche hätte dieser Prozeß nicht angedauert. Schließlich wäre die Kaufkraft des österreichischen Geldes so tief gesunken, daß die Kaufkraft des in einem Silber gulden enthaltenen Rohsilbers mit der des Gul dens zusammengefallen wäre. Gleichzeitig mit der Kaufkraftsenkung des Silberguldens in Oester reich-Ungarn wäre eine Erhöhung des Silber preises in London infolge der Ankäufe erfolgt, so daß beide Bewegungen einander entgegenge kommen wären. Dre Staat hätte durch die Aufrechterhaltung der freien Silberausprägung eine Verschiebung der Einkommensverhältnisse zugelassen, die Schuldner hätten gewonnen, die Gläubiger ver loren. An sich könnte ja eine solche Veränderung einmal im Interesse des Staates gelegen sein, aber nur selten wird ein Staat so schwerwie gende Veränderungen von äußerlichen Einflüssen abhängig machen wollen, wie es in diesem Falle die Ereignisse auf dem Londoner Silbermarkt ge wesen wären. Es hätte übrigens bei den ange deuteten Umwälzungen nicht sein Bewenden ge habt. Durch die Bemühungen englische Devisen in Wien zu kaufen, um dafür in London Silber zu erhalten, trieben die Silberimporteure die eng lischen Devisenpreise in die Höhe, was allen jenen schadete, die aus England Maschinen oder Rohstoffe beziehen und sich nun eng lisches Geld beschaffen mußten, um diese Im porte zu bezahlen. Englisches Geld erhielten sie aber durch Ankauf englischer Devisen, deren Preis durch die Silberausprägung in die Höhe ging. Dadurch würden anderseits aber wieder die Exporteure gewinnen, sowie alle jene, welche im Inlande jene Waren erzeugten, die man sonst aus England zu importieren pflegte. Jede Erhöhung der englischen Devisenpreise wirkte ähnlich wie ein Schutzzoll. Wir sehen aus diesem Beispiel, welche Folgen kriegswirtschaftliche Maßnahmen nach sich ziehen, die auf eine Vermehrung der Geldmenge hinaus laufen. Ich konnte aus dieser Fülle von Neben wirkungen nur einige wenige exemplifikativ herausgreifen.