32 Wir sahen, daß das Moratorium vor allem auch dazu dient, die Gesamtheit der von allen Banken gewährten Kredite nicht plötzlich zu re duzieren. Wenn also dieser Kaufmann etwa 10.000 Kronen benötigt, so würde es sich darum handeln, zu bewirken, daß sie den Schuldnern nicht gekündigt werden müssen. Dies kann in der Weise etwa erfolgen, daß die Zahlung an den Rohstofflieferanten nicht in Noten oder Metall geld erfolgt, sondern nur durch Ueberschreibung in den Büchern der Bank. Dem Rohstofflieferan ten müßte eventuell ein neues Konto eröffnet werden. Man könnte sich aber auch denken, daß alle großen Banken, die Notenbank an der Spitze, ein Konsortium bilden, das für alle Einlagen ge meinsam haftet und Ueberweisungen von Konto zu Konto zuläßt, mit der ausdrücklichen Bestim mung, daß eine Barabhebung nicht erfolgen darf. Das heißt, das Moratorium würde nur insoferne Geltung haben, als man diesem Banksystem Geld entziehen will, nicht aber insoweit man innerhalb des Banksystems Girozahlungen leistet. Es würde ge wissermaßen nur Schecks zur Verrechnung, nicht aber Schecks zur Barabhebung ausgestellt werden dürfen. Die Gesamtheit der Gelder, welche bei dem Banksystem als Einlagen vorhanden sind, bliebe konstant. Wenn jeder verpflichtet wäre, solche Zahlungen anzunehmen und sich die zwangs weise Eröffnung eines Kontos gefallen lassen müßte — da ja nicht jeder, dem gezahlt wird, bereits Kontoinhaber sein würde — und der Staat diese Zahlungen mit seiner Autorität deckt, hätten wir es mit staatlich organisiertem uneinlös lichem Girogeld zu tun. Erfahrungen dieser Art hat man im Jahre 1907 während der nordamerikanischen Krise ge macht, die auch wir zu spüren bekamen. Damals schloß sich eine Gruppe von Banken zusammen und schuf ein Garantiesystem, welches eigene Zertifikate ausgab. Während aber dieses unein lösliche Girogeld, das als Privatgeld zu bezeich nen wäre, nur unvollständig mit Metall gedeckt war, — der Rest war durch die Forderungen der Banken gedeckt — gab es im 17. Jahrhundert bei der Bank von Amsterdam vollständig mit Metall gedecktes, uneinlösliches Girogeld. Wer Wechselschulden über eine bestimmte Summe zu zahlen hatte, mußte dies in der Weise tun, daß er, falls er nicht bereits ein Konto bei der Bank von Amsterdam besaß, durch Hinterlegung von Silber eines erhielt. Durch Giroüberweisung konnte er dann die Wechselschuld begleichen. Der Emp fänger konnte über das Geld giromäßig verfügen, aber er durfte das Silber nicht beheben. Wohl aber konnte er sein Konto einem Dritten ver kaufen. Auf diese Weise wollte man in den Niederlanden die kommerziellen Zahlungen mög lichst konzentrieren. Da es für den internatio nalen Verkehr sehr wichtig war, in Amsterdam ein Konto zu haben, konnte es Vorkommen, daß Amsterdamer uneinlösliches Girogeld mit einem Agio gegenüber dem gewöhnlichen Gelde notierte. Das uneinlösliche Girogeld ist gar keine so sonderbare Geldsorte, wie viele glauben, sind wir doch in Oesterreich-Ungarn an uneinlösliches Zeichengeld gewöhnt, da wir doch uneinlösliche Noten besitzen. Prinzipiell sind diese beiden Geld typen durchaus gleichartig. Das uneinlösliche Girogeld hat nur den großen Vorteil, daß man es genau in seiner Zirkulation kontrollieren kann, was gerade in Kriegszeiten von erheblicher Wichtigkeit ist. Seine Deckung ist faktisch nach geltendem Recht freilich eine anders geartete. Vor allem bestehen für dasselbe keine Deckungs vorschriften. Während die österreichisch-ungarische Bank ihr Notengeld mit 2 /s in Metall decken muß, hat sie bezüglich der Girokonten keine besondere Verpflichtung. Dies ist eigentlich eine gewisse Inkonsequenz, da die Girokonten ebenso wie die Notenemission durch Wechseldiskontierung vergrößert werden können. Diskontiert einer einen Wechsel bei der Bank, so kann er die ihm zu kommende Summe sich entweder bar auszahlen oder aber seinem Girokonto gutschreiben lassen. Diese verschiedene Behandlung von Girogeld und Notengeld kann es der österreichisch-ungarischen Bank in Kriegszeiten ermöglichen, der Regierung größere Kredite in Form von Girogeld zu ge währen, wenn sie dies auf dem Wege der Noten emission nicht kann. Sie vermag dies zu tun, ohne die formellen gesetzlichen Bestimmungen zu verletzen, was ja vielfach als ein großer Vorteil empfunden wird. Der Ausbau des Giroverkehrs ist so von großer Bedeutung für den Kriegsfall, und es ist durchaus im Interesse der Heeresverwaltung ge legen, das Girowesen möglichst auszubauen. In welcher Weise dies geschehen kann, ist eine Detailfrage. Es kann dabei die österreichisch ungarische Bank mitwirken, oder aber die Post sparkasse, welche durch ihre weite Verbreitung viele Vorteile aufweist. Wie man im Kriegsfälle die Giroüberweisung bis zur Armee hinausträgt, welche Rolle dabei die Feldpost pielen könnte, will ich hier nicht weiter erörtern; der Hinweis auf diese Probleme mag genügen. Wenn es zur Schaffung uneinlöslichen Giro geldes im Kriegsfälle kommen sollte — wobei selbstverständlich zunächst nur an solche Zah lungen zu denken ist, die größere Be träge ausmachen — würde wohl vor allem die Postsparkasse herangezogen werden, da ja das Postsparkassenkonto durch die Ein lagenbüchel weitesten Kreisen vertraut ist. In welcher Weise die Spareinlagen in Girokonten umzuwandeln wären und in welchem Ausmaße, ist ebenfalls eine Detailfrage. Jedenfalls sehen wir, daß die Basis für eine Popularisierung des uneinlöslichen Girogeldes wohl gegeben erscheint. Durch die Einführung des uneinlöslichen Girogeldes wird die Menge des für Zahlungen