44 Pflicht der Großgrundbesitzer ansehn, daß ein Teil der Bodenfläche an die bodenlose Agrar bevölkerung abgegeben werde. Wir sehen denn auch in Rumänien die Bodenreform auf dem Marsche, ebenso in England, wo bekanntlich Lloyd George für sie eintritt. Wenn solche Ideen in Friedenszeiten einen großen Einfluß ausüben, um wie viel mehr in Kriegszeiten, wenn der eine kriegführende Teil durch Versprechungen hin sichtlich zukünftiger Parzellierungen einen Teil der gegnerischen Bevölkerung auf seine Seite zu bringen vermag, sowie man die eigenen Leute durch Versprechungen anzuspornen vermag. Es wurde in der letzten Zeit immer schwerer Kriegs begeisterung zu erregen, weil der Kriegsgewinn für breite Massen nicht unmittelbar genug zutage trat. Am offenbarsten war meist nur, daß die Lieferanten von Kanonen und anderem Kriegs material riesige Gewinne einstreichen konnten. Wenn man wieder, wie ehedem Bauernhufen an die Sieger verteilt, wird der Einzelne, ähnlich wie in alten Zeiten, aus patriotischen und egoistischen Gründen in den Kampf ziehen. Manche öster reichische und ungarische Politiker weisen darauf hin, wie wichtig für Oesterreich-Ungarn die Lösung der Agrarfrage sei, in Bosnien vor allem jene der Kmetenfrage, damit nicht eines Tages die Russen und Serben als Befreier der armen agrarischen Bevölkerung sich einen Anhang im eigenen Lande zu verschaffen wüßten. Nur nebenbei möchte ich die Zerstörungen erwähnen, welche der Krieg zur Folge haben kann. Sie bleiben meist in engen Grenzen und pflegen sich auf einen relativ engen Bereich zu beschrän ken. Zerstörte Häuser und Fabriken pflegen bald wieder neu zu erstehen. Nur wenn ein Land be reits im Niedergang begriffen ist, können solche Zerstörungen dauernde Lähmungen im Gefolge haben. 3. Einfluß auf den Warenabsatz. Durch Kriegserfolge oder entsprechende mili tärische Pressionen kann man aber auch den Warenabsatz fördern. Ein überaus krasses Bei spiel, ist der im XIX. Jahrhundert geführte Opium krieg. Einer der chinesischen Kaiser sah ein, daß sein. Volk unter dem Opiumgenuß zugrunde gehe. Opium wirkt bekanntlich unvergleichlich zerstören der als Alkohol. Er verbot also den Opiumimport. Dadurch wurden vor allem englische Kaufleute betroffen, die das Opium aus Indien importierten. Es wurde nun das Gesetz umgangen und Opium eingeschmuggelt. Dies veranlaßte die chinesische Regierung zu einem energischen Schritt. Es wurde gegen die Schmuggler eingeschritten und eine größere Quantität Opium ins Meer geworfen. Die Engländer intervenierten zugunsten der Schmuggler. Es kam zu einem Notenwechsel. Das Ergebnis war ein Krieg, in welchem die Engländer nicht nur Schadenersatz für die Schmuggler er langten, sondern auch die Opiumeinfuhr durch setzten. Es gab damals zahlreiche englische Poli tiker, welche in diesem Kriegserfolg eine unerhörte Verletzung jeglicher Moral erblickten. Wurde doch eine um dasWohl des Volkes besorgte Regierung gezwungen, die Verseuchung desselben durch ein gefährliches Gift zuzugestehen. Aber ein Staat kann seine Macht noch weiter ausnützen, indem er von einem anderen Staate z. B. geradezu verlangt, daß er bestimmte Waren von seinen Bürgern kaufe. Eine derartige diplo matische Aktion hat Oesterreich-Ungarn den Serben gegenüber unternommen, ln den Forde rungen, welche Oesterreich-Ungarn am 5. April 1906 gegenüber Serbien geltend machte, heißt es: «Um zu einem billigen Ausgleich zu ge langen, stellt daher die österreichisch-ungarische Delegation folgende Forderungen fest: 1. tunlichste Vereinfachung der Tarifsyste matik; 2. sorgfältige Revision des Tariftextes . . . 3. Vereinbarung der künftigen Zollquote . . 4. Sicherstellung des Prinzips, daß bei staat lichen Lieferungen die österreichischen und un garischen Erzeugnisse bei Parität von Preis und Qualität nicht ausgeschaltet werden. Letzteres hätte namentlich zu gelten, bezüglich der eben im Zuge befindlichen Frage der Lieferung von Ge schützen, sowie bezüglich der Zuwendung der Salzlieferungen, in welch beiden Fragen weder Preis noch auch Qualität zu Ungunsten der Er zeugnisse Oesterreich-Ungarns berufen werden können.» Wir sehen, wie die ersten Forderungen sichauf Punkte beziehen, welche in Verträgen seit jeher geregelt werden, Punkt 4 dagegen stellt eine weitgehende Einschränkung der freien Ent schließung dar. In der ersten Hälfte handelt es sich noch um Feststellung eines Lieferungsgrund satzes, im zweiten dagegen um Einführung eines Kaufzwanges. Die Serben waren bereit, in allen Punkten zuzustimmen, nur bezüglich der Anschaffung der Artillerie und des Artilleriematerials weigerten sie sich und erklärten, «durch das fachmännische Gut achten der Artilleriekommission gebunden zu sein». ln einem späteren Schreiben heißt es noch mals: «Die königliche Regierung behält sich daher das Recht vor, die Kanonen- und Muni tionsbestellung dann und dort zu placieren, wann und wo dies die Staatsinteressen erfordern.» Die serbische Antwortnote wies insbeson dere darauf hin, daß die serbische Regierung der österreichischen und ungarischen Industrie Liefe rungen im Betrage von 26 Millionen Dinars in Aussicht stelle, d. h. von 50 0 / o aller bevorstehen den Staatsbestellungen. Bekanntlich folgte ein Zollkrieg, in dem es Oesterreich nicht gelang, den Sieg über Serbien davonzutragen. Wir sehen, was ein Staat heutzutage überhaupt von einem anderen fordern kann. Wir können uns selbstverständlich auch Friedensverträge denken, in denen der eine Staat vom anderen bestimmte Waren zu beziehen sich verpflichtet.