— 22 — halten als „Zement bei der Erbauung des Reichsgebäudes und als Mittel zur Unterdrückung der traditionell-zentrifugalen Tendenzen einiger unser kleinen Potentaten und Staaten." So bahnbrechend und geistvoll Lassalles Leistungen auf dem Gebiete der Philosophie, der Rechtsphilosophie und des positiven Rechts waren, ein so wenig origineller Denker war er dagegen als nationalökonomischer und so zialpolitischer Schriftsteller. Hier war er durchaus Eklektiker. „Namentlich durch Marx, Engel, Rodbertus einerseits, die französischen Sozialisten ander seits beeinflußt, geben seine Theorien über Zins, Lohn, Rente, Wert Usw. Gedanken wieder, die vorher schon in besserer und ausgereifterer Weise von anderen ausgesprochen wurden." (Diehl a. a. O. A. 402.) Die Grundlage aller wirtschaftlichen und sozialen Uebel erblickt Lassalle in dem sog. „eher nen Lohngesetz". Ganz zu Unrecht sieht heute noch weithin die öffentliche Tagesmeinung in Lassalle den wissenschaftlichen Entdecker dieses angeblichen Gesetzes. Bereits geraume Zeit vor ihm hatten es der französische Reform minister Ludwig des XVI. Tdrgot Und der englische Nationalökonom David Ricardo (4773—1825) ganz ähnlich formuliert. „Das' eherne ökonomische Gesetz, „welches unter den heutigen Verhältnissen unter der Herr schaft von Angebot und Nachfrage nach Arbeit den Arbeitslohn bestimmt, ist dieses: daß der durchschnittliche Arbeitslohn immer auf den notwendigen Lebensunterhalt reduziert bleibt, der in einem Volke gewohnheitsmäßig zur Fristung der Existenz und zur Fortpflanzung erforderlich ist. Dies ist der Punkt, um welchen der wirkliche Tagelohn in Pendelschwingungen jederzeit herum graviert, ohne sich jemals lange weder über denselben erheben noch unter denselben hinunterfailen zu können. Es kann sich nicht dauernd über diesen Durchschnitt erheben, denn sonst entstünde durch die leichte, bessere Lage der Arbeiter eine Vermehrung der Arbeiterbevölkerung und somit des Angebots von Händen, welche den Arbeitslohn wieder auf und unter seinen früheren Stand herabdrücken würde. Der Arbeitslohn kann auch nicht dau ernd tief unter diesen notwendigen Lebensunterhalt fallen, denn dann ent stehen Auswanderung, Ehelosigkeit, Enthaltung von der Kindererzeugüng und endlich eine durch Elend erzeugte Verminderung der Arbeiterzahl, welche somit das Angebot von ArbeiterhäNden noch verringert und den Arbeitslohn daher wieder auf den früheren Stand zurückführt." (Offenes Antwortschrei ben, S. 15/16.1 Eine lange Zeit galt dieses sog. „Gesetz" in der deutschen Sozialdemo kratie als unerläßliche Wahrheit und dementsprechend als Hauptagitations mittel, bis es Wilhelm Liebknecht selber auf dem Erfurter Kongreß im Jahre 1801 als unhaltbar anerkennen mußte, seitdem ist es aus dem neuen damals beschlossenen Parteiprogramm restlos ausgemerzt worden. Es ist in der Tat völlig unhaltbar, wie heute kaum noch bezweifelt wird, Lohn erhöhungen selbst recht erhebliche brauchen durchaus nicht mit Notwendigkeit zu einer Vermehrung der Ehen und gu einer Steigerung der Kinderzahl zu führen. Im Gegenteil ist es eine der erfreulichsten Kulturerscheinungen der letzten Jahrzehnte, daß sie vielfach, ja durchaus überwiegend die großen Ar beitermassen zu einer besseren Bekleidung, zu besseren gesünderen Wohnun gen und deren behaglicherer Einrichtung und zu einer Steigerung ihres geistigen Gehaltes geführt haben. Der Standard oi life hat sich so in den