40 Arbeitern und Löhnen. Gerade bei der Unfallversicherung ist das sozialpolitische Terrain ein überaus ungünstiges. Einzelne Anstalten haben nachgewiesen, daß ganze Bauten verschwiegen und der Versicherung entzogen wurden, daß Millionen Kronen an Barlöhnen und Naturalbezügen zu wenig angegeben wurden, daß die Uneinbringlichkeit der Prämien durch Vorschieben insolventer Personen erzielt worden ist. Manche Anstalt hat es anfangs versucht, mit Hilfe des Strafgerichtes Re- medur zu schaffen. In der Tat erklärte die Generalprokuratur, daß Beitragshinter ziehungen als Betrug zu qualifizieren seien. Das Ministerium des Innern legte aber dem Eifer der Anstalten Zügel an. Es wurde empfohlen, derlei Anzeigen nur nach, sorgfältiger Prüfung zu erstatten. Sie sind dann meist unterblieben. Ein bescheidener Anteil an der ungünstigen Situation der Unfallver sicherungsanstalten muß den hohen, unausgesetzt steigenden Verwaltungskosten zu geschrieben werden. Bei manchen großen Anstalten ist in vielen Richtungen nichts weniger als sparsam gebart worden, zuweilen ist die Verwaltung eine luxuriöse. Gegenüber diesen allgemein als Ursachen der Defizitwirtschaft anerkannten Momenten sucht die Regierung die Verschicdenartigkeit bei der Handhabung des Unsallversicherungsgesetzes, insbesondere bei der Rentenzuerkennung, in den Vorder grund zu rücken. Das will nichts anderes besagen, als daß die Defizitanstalten zu viele und zu hohe Renten gewährt haben und daß durch größere Strenge günstigere finanzielle Resultate zu erzielen gewesen wären und Wohl auch in Zu kunft auf diesem Wege anzustreben seien. An der Hand des amtlichen Materiales läßt sich aber nachweisen, daß die Defizitanstalten sich keineswegs von humanen Intentionen haben leiten lassen. Am allerwenigsten kann dies der Wiener An stalt nachgesagt werden. Belangreicher für die finanziellen Ergebnisse ist das, was man als die Auslese der ungünstigen Risken bei Bestimmung der Versicherungspflicht bezeichnet hat. Gesetzgebung und Verwaltung waren um die Wette bemüht, gerade die von den größten Gefahren bedrohten Betriebsgruppen und Bctriebsteile allein der Unfallversicherung zu unterwerfen, die günstigen Risken dagegen von ihr auszu schließen. Bald geschah dies zur Schonung der schwachen Schultern der Groß grundbesitzer und Großbauern, bald zur Rettung des kleinen Mannes, auch wenn er ein wohlsituierter Fabrikant war, dann wieder wegen der Schwierigkeiten, ab weichende Verhältnisse in der Gesetzgebung zu berücksichtigen. So sind bei der Landwirtschaft nur die maschinellen Betriebe versicherungs pflichtig, woraus ein erhebliches Defizit erwachsen ist. Bei den baulichen Hilfs- gewcrbcn unterliegen die Arbeiter nur dann der Bersichcrungspflicht, wenn sie einen Unfall am Ban erleiden, nicht aber für die Ereignisse in den Werkstätten und auf den Werkplätzen. Große Betriebe werden nicht als Fabriken erklärt, wenn der Unternehmer den Meistertitel führt und Lehrlinge hält. Hier ist auch die Möglichkeit zu Hinterziehungen geboten. Die Sanierungsvorschläge der Regierung. Was nun die Erlassung von Unfallverhütungsvorschristen betrifft, so wird ein solches Recht den Anstalten auch in der Zukunft nicht eingeräumt, im Gegen satze zu Deutschland, wo die Berufsgenosscnschaften durch solche Vorschriften manchenorts nützlich gewirkt haben. Dieses Verhalten der Regierungsvorlage ist ganz unverständlich. Offenbar soll dadurch den Wünschen der Direktoren Rech nung getragen werden, die mit den Unternehmern in keinerlei Konflikt zu kommen bestrebt sind.