7 Robert Michels: Gufiav Schmoller in seinen Charakterbildern. 8 er sei, obgleich Süddeutscher, schon zu Beginn der sechziger Jahre für die Führung Preußens in Deutschland ein« getreten*). Selbft der längft vergessene Bogumil Goltz wird wieder ans Licht gezogen, und dabei fällt für seine Lands« leute scharfer Tadel ab, daß sie Fremdes, Norddeutsches, nicht verftanden oder doch dazu geneigt hätten, darüber ab« zusprechen**). Schmoller glaubt feft an eine hifto« rische Mission des Preußentums, insbe« sondere des preußischen Königtums, Er tritt in dem vorliegenden Werke, welches einige belangreiche Kapitel über die Sozialpolitik Bismarcks sowie das Lebenswerk des Jenenser Abbe enthält, doch im wesentlichen als Hiftoriker auf; er nennt sich gelegentlich selber einen »preußischen Hiftoriker«. Fried« rieh von Raumer, dessen Tradition Schmoller reservatis reservandis im wesentlichen fortsetzt, schrieb 1830 aus Paris, wo die Julirevolution entbrannt war, einen begeifterten Hymnus auf die preußische Royaute: Daß König und Volk zu einem und demselben Dasein verwachsen könne, daß freie Gaben und Opfer mehr seien als nega« tive Opposition und zu dem Schutz« pfähl des Rechtes die befruchtende Sonne der Liebe hinzukommen könne und müsse, erscheine nur den Fran« zosen unglaublich und unmöglich. »Da fieht das Dasein und Leben des Königs und Volkes in unserem Vaterlande eigentlich doch in einer höherenund heili« geren Region, und Könige und Bürger fragen, gleich Ehegatten, Eltern, Kinder und Geschwifter nicht nach dem Rechte, wo Liebe und Vertrauen herrscht***). *) S. 236. **) S. 139. ♦**) Bericht aus Paris und Frankreich im Jahre 1830 von F. v. Raumer. Leipzig 1851. d. 2, S. 265. Schmoller, der das Aufkommen des vierten Standes erlebt und die harten Gegensätze, die es auch innerhalb des Preußen Volkes hervorgerufen, verfolgt hat, würde derartige Sätze nicht mehr niederschreiben können. Aber seinem Ideal entsprechen sie, und wäre er fiatt Raumer 1830 in Paris gewesen, er hätte zweifellos ganz ähnlichen Gedanken Ausdruck verliehen. Sein politisches Ideal ift eben, was er die Objektivität, das heißt das die Gegensätze aus« söhnende Element der Monarchie nennt, und er hegt ferner das fefte Vertrauen, daß keine Herrscherfamilie dieses Ideal besser in die Welt der Tatsachen ein« zuführen vermöge, als die Hohenzollern. Ja, Preußen gibt Schmoller zufolge den Dynaften auf allen Thronen geradezu das Vorbild eines untadeligen Fürften« hauses*). III. Die gemeinsame Liebe zu Preußen ift es denn wohl auch, die Schmoller der freilich auch besonders zu Treitschke nähere persönliche Beziehungen unter« halten hatte**), zu den Koryphäen der neupreußischen Hiftorikerschule in das Verhältnis des glühenden Bewunderers und überzeugten Verteidigers treten läßt. Denn wenn je Menschen durch Temperament, Methode und Auffassung vom Wesen der Wissenschaft getrennt waren, so der schwäbische National« Ökonom und die Barden von 1866 und 1870. Ebenso abwägend und auf die möglichfte Neutralität und Vorurteils« losigkeit der Wissenschaft bedacht, wie Schmoller Zeit seines Lebens gewesen ift — geht sein Streben doch im Grunde genommen auf eine Versöhnung der Gegensätze — ebenso subjektiv bewußt waren die Treitschke. Sybel und Häußer, *) Schmoller, vgl. S. 16. **) idem. S. 910.