„Die Volksfürsorge". Man kann der Sozialdemokratie das Zeugnis nicht versagen, daß sie ihre Pläne mit einer nacheifernswerten Zähigkeit und her vorragend zielbewußt zu verfolgen versteht. So sind neben die eigent liche politische Partei als wirtschaftliche Schutztruppe die sogen, „freien" Gewerkschaften und die im Hamburger „Zentralverband" zusammen geschlossenen Konsumvereine getreten, deren Wesenseinheit mit der Sozialdemokratie heute niemand mehr ernstlich bestreiten kann. In ihrem Streben nach der politischen Macht genügten diese Kampfmittel den sozialdemokratischen Führern aber schon lange nicht mehr, zumal sie trotz aller Agitation und trotz steigender Wählerzahlen doch einen Stillstand in ihrer Bewegung auf mehr als einem Gebiete feststellen mußten. So suchten sie nach neuen Waffen; eine solche glaubten sie in der Volksversicherung, d. h. der den Lebensverhältnissen der minderbemittelten Volkskreise angepaßten Kapitalversicherung, ge< funden zu haben. Daß sie gerade dieser Gedanke lockte, kann nicht weiter wunder nehmen. Wenn es der sozialdemokratischen Partei glückte, diesen Ver sicherungszweig in eigene Verwaltung zu nehmen, so waren damit alle Grundlagen gegeben, um weitere Massen an sie zu fesseln. Denn einmal ist die Volksversicherung ein Massengeschäft, das gerade in den Kreisen seine Abnehmer sucht, die der Beeinflussung durch die Sozialdemokratie am ehesten zugänglich sind; zum anderen werden die Beiträge in kurzen Fristen in den Häusern der Versicherten ab geholt, so daß den Agenten der Versicherung die Möglichkeit der politischen Beeinflussung in den Häusern der Arbeiter usw. im wei testen Umfange gegeben ist. Diese stille Werbearbeit setzt sich aber viele Jahre hindurch fort; sie begleitet den, der einmal eine solche Versicherung eingegangen ist, oft bis an sein Lebensende, schlägt auch seine Frau, und seine Kinder in ihren Bann und sorgt fo für neuen Nachwuchs. Auch mußte es ein starkes Werbemittel für die Sozial demokratie werden, wenn sie als Versicherungsträger erschien, und die großen Wohltaten einer solchen Einrichtung von hier aus dem Volke zuflössen. Schließlich aber, und diese Erwägung lockte die „Genossen" wohl am meisten, konnte die sozialdemokratische Partei in den Rücklagen gewaltige Geldmittel an sich heranziehen, die zur Förderung allerlei wirtschaftlicher Interessen und damit indirekt der sozialdemokratischen Partei zu verwenden, sie nachher zu hindern niemand in der Lage war. Sobald die „Genossen" aber die Zweckmäßigkeit eines selbstän digen Vorgehens auf dem Gebiete der Volksversicherung erkannt hatten, machten sie sich sofort an die Arbeit, die geeignetste Form dafür zu finden. Hier aber begannen die Schwierigkeiten. Wollte man dem neuen Unternehmen einen Erfolg sichern, so mußte man es in seinen Einrichtungen den alten Volksversicherungsgesellschaften