38 würfe hat er mit dem spöttischen Zeugnis „Poesie" bedacht. In dieser Bedeutung mag das Wort auch für Schön gelten; denn ein ideales Denken über Staat und Staatsregierung war allerdings dem Manne eigen, den Ranke den, wenn auch nicht wissenschaftlich, so doch praktisch vielleicht be deutendsten Schüler Kants genannt hat. Das Bündnis zwischen preußischem Staat und deutschem Geistesleben, wie es dem Zeitalter der Erhebung seine innere Größe gibt, kommt in Schöns Individualität zu besonderem Aus druck; das verleiht ihm eine repräsentative Bedeutung, die dadurch nicht gemindert wird, daß wir uns vielfach an den Ecken und Kanten seiner Natur stoßen. Es ist ja nicht der Erkenntnistrieb, der seine Beziehung zur Philo sophie vermittelt, und um den Umkreis und die Tiefe ihrer theoretischen Probleme zu erschöpfen, gingen ihm wohl die eindringende Verstandes schärfe und die kritische Besinnung ab. Aber von den sittlichen Kräften des deutschen Idealismus hat er wirksame Antriebe empfangen und ihre Haupt gedanken sich anzupassen gewußt. Die Idee der Würde und Freiheit des Menschen ist unzweifelhaft von Einfluß gewesen bei der Abfassung des Entwurfs zu dem Edikt, das die Erbuntertänigkeit aufhob. Und hinter dem Satze „Du mußt, was Du sollst", den Schön, bisweilen nicht ohne Pose, als seinen Wahlspruch verkündet und als Ansporn zu ungewöhnliche» Lei stungen verwertet hat, steht die hohe Auffassung der Pflicht, die der neu deutschen Sittenlehre den Stempel aufdrückt. Dem Einfluß Fichtes, der auf die preußischen Reformer noch unmittelbarer als Kant int Sinne dieser Lehre gewirkt hat, ist Schön, der seit seiner Studienzeit dem Philosophen in Freundschaft verbunden war, besonders zugänglich gewesen. Der Verkehr rnit Fichte, so hat er später bekannt, habe in ihm die Neigung geweckt, „bei jeder Sache den höheren Gesichtspunkt zu finden und zu halten." Das gerade hob ihn weit über die Routiniers hinaus. Was er tat, stand im Zu sammenhang einer einheitlichen, tief begründeten Staatsauffassung. Die Suche nach der „reinen Idee", die alles Handeln leiten sollte, konnte freilich auch zu unpraktischen, blutleeren Abstraktionen führen und das „Halten der Gedanken" in starre Konsequenzmacherei ausarten. Vielleicht faßt man den fruchtbarsten Kern und doch auch zugleich die größte Gefahr dieser Natur, wenn man ihre pädagogische Richtung betont. Als Volkserzieher, der in den sittlichen Kräften der Masse den Hebel des Fortschritts erblickt und überall nach den moralischen Wirkungen seiner Maßregeln fragt, hat Schön wohl sein Bestes geleistet. Wie er dem Schul wesen besondere Fürsorge angedeihen ließ, war es seiner Überzeugung nach auch Aufgabe der Gesetzgebung, „daß im Volk sich ein Charakter bilde", daß es sittlich und damit auch wirtschaftlich tüchtig werde. Dieser lebendige Sinn für seelische Werte ist aber verquickt mit schulmeisterlichen Zügen: absprechender Tadelsucht und einer Überschätzung allgemeiner Grundsätze