Siebentes Kapitel. Unzulänglichkeit des gesetzlichen Schutzes gegen persönliche Beleidigungen. Eine alte und weitverbreitete Klage des deutschen Staats bürgers, insbesondere auch des Arbeitgebers, ist der Mangel eines ausreichenden Schutzes gegen Privatbeleidi gungen. Das Gesetz und das Gerichtsverfahren gewähren in dieser Beziehung nicht die nötige Sicherheit gegen Tücke und Bosheit des Beleidigers. Das Gesetz istin der Hinsicht vielmehr ganz mangel haft. Es geht von der offenkundigen Absicht aus, die Privat - beleidigungsklagen möglichst zu erschweren, indem es dem Kläger gewisse lästige Bedingungen für die Anstellung und Verfolgung der Klage auferlegt, dem Angeklagten aber nichts dergleichen zur Pflicht macht, dagegen diesem den weitgehendsten Spielraum bei seiner Verteidigung läßt und ihm gestattet, gegen und über den Kläger aus dessen gar nicht zur Verhandlung stehendem Privatleben und dergleichen Sachen vorzubringen, die den Kläger als Angeklagten, den Angeklagten als Schützer der vom Kläger verletzten Moral erscheinen lassen können. Dazu kommt, daß wenn der Angeklagte mittellos ist, was häufig der Fall sein dürfte, der erfolgreiche Kläger die Kosten zu tragen hatte, die er zur Anstrengung und Durchführung der Klage aufwenden mußte. Der Gesetzgeber hat sich bei seiner den tatsächlichen Verhältnissen so wenig Rechnung tragenden einschlägigen Ent schließung offenbar von sogenannten sozialen Beweggründen leiten lassen, die aber hier am allerletzten zutreffen. Die persön liche Ehre des Staatsbürgers muß nicht, wie es unter unserer Ge setzgebung der Fall ist, als ein ideales Gut betrachtet werden, dem durch unbegründete Beleidigungen ein erheblicher Abbruch nicht getan werden könne, sondern als ein äußerst feiner und daher leicht verletzbarer Gegenstand, der ganz besonderen Schutzes bedarf. Wenn im gewöhnlichen Volk es mit beleidigenden Äuße-