Dritter Abschnitt: Allgemeine Lage und Lebensbedingungen der Münchener Industrie. München hat nach all dem Gehörten im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl mehr gewerbliche Arbeiter wie seine Schwesterstädte Nürnberg und Augsburg, welche von alters her als Industriestädte bekannt waren. Zur eigentlichen In dustriestadt ist München nach Ansicht Vieler gleichwohl nicht geschaffen. Es fehlte auch im allgemeinen, wie dies Dr. von Borscht, das langjährige Oberhaupt der Stadt, in seinem Auf sätze über Münchens Zukunft sagt, der Bevölkerung die Ver anlagung dazu den für die industrielle Entwicklung unver meidlichen Konkurrenzkampf mit jener zähen Energie durch zuführen, die allein einen nachhaltigen Erfolg sichert. Dieselbe Macht der Tradition, die unter dem Zepter des Hauses Wittels bach in den alten Reichsstädten Nürnberg und Augsburg auf industriellem Gebiete die alte, auf Selbsthilfe beruhende, Reich tum und Einfluß verbürgende Tatkraft wieder aufleben ließ, hielt bei dem Münchener die von seinen Vätern ererbte Meinung aufrecht, daß bei den günstigen Verhältnissen, die ihm die Eigenschaft seiner Heimat als. königliche Residenzstadt bot, behagliches Genießen bei bescheidenem Wohlstände ohne harte Anstrengung dem Streben nach Reichtum unter gleichzeitiger Überspannung der Kräfte vorzuziehen sei. So kam es, daß Nürnberg und Augsburg die Brennpunkte des industriellen Lebens in Bayern wurden, in München aber der Boden für eine allgemeine gewerbliche Entwicklung im Großen fehlte. Unter den bürgerlichen Gewerbetreibenden gab es auch vor über 100 Jahren in München nur je einen Barometermacher, Brillen- und Geigenmacher, Goldschläger, Hammerschmied,