2 Herrschen und zwingen verträgt sich nicht mit der Wissenschaft. Die Wissenschaft kann also niemals dienendes Glied der Verwaltung sein. Bisher war sie es in besonderer Beziehung auf die Statistik. Daraus resultiert denn auch die ständige Beeinflussung und oft sogar Vergewaltigung der Statistik, die Herabwürdigung zu einem rein subalternen Organe des Staates und seiner Verwaltung. In einer Reihe von Staaten ist diese Periode der unterge ordneten Stellung der Statistik im Staatsorganismus zum Teil be reits überwunden. Die Statistik ist aber trotz alledem noch nicht frei und unabhängig gestellt. Es gibt mit geringer Ausnahme weder eine methodische Ausbildung in der Statistik auf den Uni versitäten und daher auch keine Lehrstühle, noch einen besonderen praktischen Vorbereitungsdienst in der Statistik und daher keine statistische Laufbahn und keine besondere Klasse statistischer Be amten in der Hierarchie des Beamtentums. Die geringe Ausbil dung und Schätzung der Statistik ist im Grunde nichts weiter als ein Reflex der mangelnden logischen Schulung des Einzelnen und der geringen Denkfähigkeit des Volkes. Die Wissenschaft muß dermaleinst die höhere Einheit, die oberste Kategorie im Staatenleben der Völker werden; denn nur die Wissenschaften vermögen die Grundlinien des Lebens zu geben. Verwaltung ist eine Kunst, keine Wissenschaft 1 ). Wenn daher die Statistik Wissenschaft sein will, wenn sie die Stellung im Staate haben will, die ihr gebührt, dann kann sie niemals Funktion der Ver waltung sein, wie ihr das bisher selbst von hervorragenden Stati stikern wie Mischler 2 ) und v. Mayr 3 ) vindiziert worden ist. Das ergibt aber auch schon die einfachste staatsrechtliche Über legung. Träger des Staatswillens ist stets das Staatsoberhaupt. Im Ministerialsystem der Staaten der Gegenwart fungieren die Minister, also die obersten Beamten im Staate und der Staatsbehörden, als im Grunde völlig vom Staatsrepräsentanten abhängige Subalterne. Eine Verquickung der Statistik mit der Verwaltung durch Unter ordnung ist einfach eine Unmöglichkeit oder eine Lüge, denn wissenschaftliches Forschen kann nie den Willenskundgebungen einer Person unterliegen, deren Interesse doch ausschließlich nur ein praktisches, keinenfalls aber ein wissenschaftliches ist. In *) Vgl. Cuno: Theorie und Praxis bei der Ausbildung der Regierungsreferendare. Preußisches Verwaltungsblatt. Jahrg. XXXIII, Nr. 32. 11. Mai 1912, S. 529. 2 ) Vgl. Allgemeine Grundlagen der Verwaltungsstatistik. Stuttgart 1892, S. 21. 3 ) Statistik und Verwaltung. Allg. Statist. Archiv, Bd. I, S. 40.