32 macht. Trotzdem ist seiner Ästhetik, soviel ich sehe, nicht nur das soziologische Element fremd — das lag für die Ästhetik noch im Schoß der Götter — sondern sie ist auch noch so spekulativ, daß sie in dieser Über sicht nur in einer Beziehung Raum finden kann — in ihrem Einfluß auf das Denken in Gebieten, die sich heute mehr und mehr „soziologisieren“ K Das sehen wir gleich an der Ethik der Zeit. Die große Tat war die Eroberung des ethischen Feldes für die Sozialwissenschaften, das Entstehen einer Ethik als Sozialwissenschaft. Aber viele der feinsten Geister gingen nicht den direkten Weg zu diesem Ziel — es wäre ihnen sogar herzlich unsympathisch ge wesen —, sondern sie interpretierten die Sittlichkeit als eine Forderung des ästhetischen Gefühls, sie suchten ihr Wesen im bewußten, harmonischen Ge stalten des Lebens. Nicht besser hätte man den Geist der Zeit erfassen können, und das erklärt den so un glaublich großen Erfolg des brillantesten Vertreters dieser Stellung — Shaftesburys: Weithin und tief wirkte er, durch alle Länder und durch alle Gebiete. Aber eine Theorie der ethischen Tatsachen war das nicht. An der begannen andere zu bauen. Dabei ist es ganz Nebensache für uns, von wo man ausging. Mochte man die Sittlichkeit egoistisch fundieren, wie Mandeville in seinem bizarren Lehrgedicht, oder rein 1 Vgl. jedoch Justis Winckelmann I, p. 200. Ferner sei immer hin betont, daß die starke subjektivistische Strömung in der Ästhetik jener Zeit (Harris, Mendelssohn, Sulzer z. B.) ihrer Natur nach in diese Richtung weist, wie wir das ja heute wieder sehen: Subjek- tivierung, Psychologisierung, Soziologisierung der Ästhetik 1 sind Schritte, die hintereinander auf einem Wege liegen.