Kap. I. Die herrschende Lehre vom Lohn. 29 richtig ist, daß der Arbeitslohn von dein Verhältnis zwischen den Arbeit suchenden und dem für deren Beschäftigung bestimmten Kapital abhängt, so müßten hohe Löhne (das Merkmal relativ geringen Arbeitsangebotes) von einem niedrigen Zinsfuß (dem Merkmal verhältnismäßigen Kapital- überflusses), und umgekehrt niedrige Löhne von einem hohen Zinsfüße begleitet sein. Dies ist jedoch nicht der Fall, sondern das Gegenteil! Scheiden wir aus dem Zins das Element der Versicherung aus und betrachten nur den eigentlichen Zins, d. h. den Entgelt für die Benutzung von Kapital, ist es dann nicht überall zu beobachten, daß der Zinsfuß hoch ist, wo und wann die Löhne hoch, und niedrig, wo und wann die Löhne niedrig find? Sowohl die Löhne als der Zinsfuß sind in den vereinigten Staaten höher als in England, am Stillen Ozean höher als in den atlantischen Staaten. Ist es nicht eine notorische Tatsache, daß dorthin, wohin die Arbeiter gehen, um höhere Löhne zu gewinnen, auch das Kapital geht, um höhere Zinsen zu erhalten? Ist es nicht richtig, daß, wo immer die Löhne allgemein fielen oder stiegen, zugleich auch ein ähnliches Steigen oder Fallen im Zinsfüße stattfand? Als z. B. in Kalifornien die Löhne höher als irgendwo sonst waren, war auch der Zinsfuß höher. Ebenso sanken auch Löhne und Zinsfuß in Kalifornien gleichzeitig. Als der übliche Tagelohn 5 Dollar betrug, war der ge wöhnliche Bankzinsfuß 24% P* a - Jetzt, wo der übliche Tagelohn 2—2 1 / 2 Dollar beträgt, hält sich der Diskontosatz gewöhnlich auf ;o bis \2°/ 0 , Diese überall zu beobachtende Tatsache, daß die Löhne in neuen Ländern, .wo das Kapital verhältnismäßig selten ist, höher sind als in alten Ländern, wo das Kapital verhältnismäßig reichlich ist, drängt sich zu unabweisbar auf, um übersehen zu werden. Und obgleich nur sehr obenhin berührt, ist sie doch von den Anhängern der herrschenden Nationalökonomie bemerkt worden. Die Art und weise, wie sie Notiz davon nehmen, beweist, was ich sage, daß sie mit der angenommenen Theorie des Arbeitslohns durchaus unvereinbar ist. Denn Schriftsteller wie Mill, Fawcett und Price geben, wenn sie jene Tatsache zu erklären suchen, im Grunde die Lohntheorie aus, die zu beweisen sie sich in den selben Schriften abmühen. Obgleich sie erklären, daß der Arbeitslohn durch das Verhältnis zwischen dem Kapital und den Arbeitern bestimmt werde, begründen sie die höheren Zinsen neuer Länder durch die relativ größere Güterproduktion. Ich werde weiterhin zeigen, daß die Vor aussetzung falsch ist, daß im Gegenteil in alten und dichtbevölkerten Ländern die Güterproduktion verhältnismäßig größer ist als in neuen schwach bevölkerten Ländern. Für jetzt aber möchte ich nur auf die Inkonsequenz Hinweisen. Denn zu sagen, daß die höheren Löhne neuer Länder in entsprechend größerer Produktion ihren Grund haben, heißt offenbar das Verhältnis zur Produktion, nicht aber das Verhältnis zum Kapital als ausschlaggebend für die Löhne betrachten.