30 Arbeitslohn und Kapital. Buch E Diese Inkonsequenz ist zwar nicht von den von rnir erwähnten Schriftstellern, wohl aber von einem andern, und zwar einem der am schärfsten denkenden Anhänger der herrschenden Nationalökonomie be merkt worden. Professor Lairnes*) bemüht sich in sehr scharfsinniger weise, die Tatsache mit der Theorie zu vereinbaren, indem er an nimmt, daß in neuen Ländern, wo die Erwerbstätigkeit gewöhnlich aus die Erzeugung von Lebensmitteln und Rohmaterialien gerichtet sei, ein viel größerer Teil des zur Produktion benutzten Kapitals für die Lohnzahlung verwandt werde als in älteren Ländern, wo ein größerer Teil für Maschinen und Materialien verausgabt werden müsse; und daher sei, obgleich das Kapital in neuen Ländern seltener (und der Zinsfuß höher), der zur Lohnzahlung bestimmte Betrag doch faktisch größer und der Arbeitslohn darum höher. Von HOO ooo Dollar bei spielshalber, die in einem alten Lande für industrielle Gewerbe be stimmt sind, würden etwa 80 ooo Doll, für Gebäude, Maschinen und den Ankauf von Rohstoffen nötig sein, so daß nur 20 000 Doll, für Löhne übrig blieben, während in einem neuen Lande von SO ooo Doll., die dem Ackerbau gewidmet sind, nicht mehr als 5000 für Werkzeuge usw. erforderlich seien, und 25 000 für die Bestreitung von Löhnen übrig bleiben würden. Auf diese weise wird es erklärt, daß der Lohnfonds verhältnismäßig groß fein könne, wo das Kapital verhältnismäßig gering fei, und daß hohe Löhne mit hohen Zinfen bfand in Hand gehen. Ich glaube im nachfolgenden beweisen zu können, daß diese Er klärung auf einer vollständigen Verkennung der Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital beruht und sich bezüglich des Fonds, aus dem die Löhne entnommen werden, in fundamentalem Irrtum befindet. Für jetzt jedoch ist es nur nötig, darauf hinzuweisen, daß der Zusammenhang zwischen dem Schwanken des Lohns und der Zinsen in denselben Ländern und denselben Industriezweigen nicht fo zu erklären ist. In der Ab wechselung der sogenannten „guten Zeiten" mit „schweren Zeiten" ist eine lebhafte Nachfrage nach Arbeitskräften bei guten Löhnen stets auch von einer lebhaften Nachfrage nach Kapital bei steifem Zinsfüße begleitet, wenn dagegen die Arbeiter keine Beschäftigung finden können und die Löhne fallen^ dann ist stets Überfluß an Kapital vorhanden, das zu niedrigen Zinsen Anlage sucht.**) Der gegenwärtige Geschäfts druck ist an allen großen Plätzen nicht weniger durch Mangel an Be schäftigung unter den Arbeiterklassen als durch die Anhäufung müßigen Kapitals und durch niedrigen Zinsfuß für unzweifelhafte Sicherheiten gekennzeichnet. So finden wir unter Verhältnissen, die keine mit der herrschenden Theorie vereinbarte Erklärung zulassen, hohen Zinsfuß *) 3 n seinem Merke: Some Leading Principles of Political Economy Newly Ex- pounded. Kap. I. Teil 2. **) Zeiten kommerzieller Krisen sind durch hohe Diskontsätze gekennzeichnet, aber dies ist augenscheinlich nicht ein hoher Satz der eigentlichen Zinsen, sondern eine hohe Versicherungsprämie gegen das Risiko.