Kap. I. Die herrschende Lehre vom Lohn. 3* mit hohen Löhnen und niedrigen Zinsfuß mit niedrigen Löhnen zu sammenfallen — das Kapital ist anscheinend selten, wenn wenig Arbeits kräfte vorhanden find und anscheinend reichlich vorhanden, wenn es Arbeitskräfte in Überfluß gibt. Alle diese bekannten miteinander zusammenfallenden Tatsachen weisen auf eine Beziehung zwischen dem Arbeitslohn und dem Zinsfuß hin, jedoch eine Beziehung des Zusammengehens und nicht des Gegen satzes. Augenscheinlich sind sie durchaus unvereinbar mit der Theorie, daß der Arbeitslohn durch das Verhältnis zwischen der Arbeit und dem Kapital oder irgendeinem Teile des Kapitals bestimmt werde. wie konnte aber, wird man fragen, eine solche Theorie entstehen? Wie kommt es, daß sie von so vielen Nationalökonomen, von Adam Smiih bis zur Gegenwart, angenommen worden ist? prüfen wir die Gründe, durch welche in den maßgebenden Schriften diese Lohntheorie gestützt wird, so sehen wir sofort, daß sie nicht aus beobachteten Tatsachen hergeleitet, sondern aus einer früheren Theorie deduziert ist, nämlich der Theorie, daß der Arbeitslohn aus dem Kapital entnommen werde, wenn einmal angenommen ist, daß das Kapital die «Duelle der Löhne sei, dann freilich folgt notwendig, daß die Summe der Löhne durch die Summe des zur Beschäftigung von Arbeitern be stimmten Kapitals begrenzt sein muß, und daraus, daß der Betrag, den die einzelnen Arbeiter erhalten können, durch das Verhältnis zwischen ihrer Zahl und dem zu ihrer Bezahlung vorhandenen Kapital bestimmt werden muß.*) Dies Räsonnement ist richtig, aber der Schluß stimmt, wie wir gesehen haben, nicht mit den Tatsachen überein. Die Schuld muß daher an den Prämissen liegen. Sehen wir zu. Die Theorie, daß die Löhne aus dem Kapital entnommen werden, ist, wie ich wohl weiß, eine der fundamentalsten und anscheinend best- begründeten der herrschenden Nationalökonomie, und von all den großen Denkern, die ihre Kräfte dieser Wissenschaft gewidmet haben, als erwiesen angenommen worden. Nichtsdestoweniger glaube ich, daß diese Theorie als ein fundamentaler Irrtum bewiesen werden kann, ein Irrtum, der eine lange Reihe anderer Irrtümer gezeugt hat, welche hochwichtige praktische Schlüsse fälschen. Diesen Nachweis will ich versuchen. Ls ist notwendig, daß er klar und entscheidend ist, *) McLulloch z. B. (Note VI zu Adam Smiths Wea!th of nations) sagt: „Jener Teil des Kapitals oder Reichtums eines Landes, ^ welchen die Arbeitgeber für Arbeit zu zahlen beabsichtigen oder geneigt sind, kann zu einer Zeit viel größer sein als zu einer anderen. Aber welches auch seine absolute Größe sein mag, so ist er augenscheinlich die einzige CZuelle, aus welcher irgendein Teil der Arbeitslöhne entnommen werden kann. Ts ist kein anderer Fonds vorhanden, aus dem der Arbeiter als solcher auch nur einen Schilling ziehen kann. Und hieraus folgt, daß der durchschnittliche Arbeitslohn oder der auf den einzelnen entfallende Anteil des für Lohnzahlung ausgesetzten Nationalkapitals in seiner Isöhe von der Zahl derjenigen, unter welche derselbe verteilt werden soll, ab hängen muß." Ähnliche Zitate könnte man aus allen maßgebenden nationalökono mischen Schriftstellern anführen.