442 .Die Grenzen der Geschichte“. das Primäre zum Sekundären. Der landläufigen Lösung gemäß würde das historische Geschehen aus dem metahistorischen ab- zweigen; ein Verhältnis also der realen Auseinanderfolge zwischen dem, was der empirischen Wirklichkeit gleichkommt, und dem, was nur ein verwickeltes Derivat aus ihr ist. Das will sagen, das schlecht hin Gegebene müßte aus seinem eigenen Derivat emporwachsen. Ebensogut könnte die Henne aus einem Ei ge schlüpft sein, das sie selber gelegt hat. Auch die Formel für die Unlösbarkeit unseres Problems läge zum Greifen nahe. Vom Boden der Erfahrungswissenschaft aus ist dieses Problem aus dem einfachen Grunde unlösbar, weil die Grenzen der Geschichte dort zu suchen wären, wo die empirische Wirklichkeit ihren Anfang nähme. Wir können aber von der Erfahrung, die für ihren Teil das schlecht hin Gegebene schon voraussetzt, unmöglich einen Aufschluß darüber verlangen, wie, wann und wo diese Voraussetzung selber erst in Kraft tritt. Vom Boden der Erfahrungswissenschaft aus müßte man also die Grenzen der Geschichte in der Tat als Grenzen unserer Erkenntnis respektieren. Grenzen, die sich nur bei Strafe eines Selbstbetruges überschreiten lassen. Die Metaphysik allein dürfte es wagen, den Weg aus der empirischen Wirklichkeit heraus zu suchen. Wozu es aber führt, wenn die Erfahrungswissenschaft diesem Probleme gerecht zu werden glaubt, in Verkennung seines metaphysischen Charakters, das hat die Kritik der landläufigen „Lösung“ gezeigt. Hinter der Unmöglichkeit, auf die Frage nach den realen Aus läufen des historischen Geschehens eine Antwort zu finden, darf man keineswegs die Behauptung suchen, als ob sich das historische Ge schehen bis ins unendliche in die Vergangenheit hinein erstrecken würde. Darin läge ja doch wieder eine positive Annahme über die zeitliche Position jener Grenzen 1 Es entspricht aber der Unlösbar keit unseres Problems, daß die Grenzen der Geschichte auch in dieser Hinsicht aller gedanklichen Erfassung im Wesen entzogen sind. Wir müssen sie als etwas Unzeitliches ansehen. Sie selber sind nicht mehr in der Form denkbar, in der wir das lückenlose, sich selber genügende System des historischen Geschehens denken. Soweit es also einen Sinn hat, einen neuen Ausdruck dort zu prägen, wo uns nicht die süße Frucht der gewährten, nur die Herbheit einer verwehrten Er kenntnis winkt, könnte man abschließend sagen: die Grenzen der Geschichte, im Sinne jenes vierten Problems, sind trans temporal!