22 Erster Abschnitt. Die Erklärungen der Wirtschaftskrisen. eine absolute Überproduktion für durchaus möglich, aber erst seit dem Bestehen des Systems der freien Konkurrenz. Unter der Herr schaft dieses Systems hat die Menschheit die Herrschaft über die Größe der Gütererzeugung verloren. So steht die Lehre Sismondis im schärfsten Gegensätze zu derjenigen der Hauptvertreter der klassischen Nationalökonomie, welche ja der Meinung gewesen waren, daß gerade dieses System der freien Konkurrenz bewirke, daß allgemeine Störungen im Prozeß der Güterproduktion und -Zirku lation ausgeschlossen seien, daß beide sich vielmehr in voller Harmonie abwickeln müßten. Sehr enge Berührungspunkte mit diesen Lehren Sismondis finden sich dann in den Anschauungen eines der großen deutschen Sozialisten um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Es war Rodbertus gewesen, der ebenfalls eine Unterkonsumtionstheorie, wenn auch mit anderer Begründung, vertreten hat. Der Grundgedanke seiner Lehre ist der, daß bei wachsender Produktivität der Arbeit der Anteil der Arbeiterklasse am Gesamt ertrag der Nation ein immer geringerer werde. Schon im Vorwort seines berühmten ersten sozialen Briefes an v. Kirchmann spricht er dies in voller Deutlichkeit aus, „daß nämlich die Ursachen des Pauperismus und der Handelskrisen in nichts anderem liegen, als daß in der heutigen staatswirtschaftlichen Organisation bei der steigenden Produktivität der Arbeit der Lohn der arbeitenden Klasse eine immer kleinere Quote des Nationalproduktes wird...“ In dem zweiten sozialen Brief an v. Kirchmann sagt er: „Die Armut der arbeitenden Klasse läßt niemals zu, daß ihr Einkommen ein Bett für die anschwellende Produktion abgebe. Das Übermaß von Produkten, das in den Händen der Arbeiter nicht bloß deren Lage verbessern, sondern zugleich ein Gewicht abgeben würde, um den Wert des bei den Unternehmern verbleibenden Restes zu steigern und diesen damit die Bedingung der Fortsetzung ihrer Betriebe in dem bisherigen Umfange zu gewähren, drückt auf seiten der Unternehmer den Wert des ganzen Produktes so tief, daß jene Bedingung verschwindet und überläßt im besten Falle die Ar beiter ihrem gewohnten Mangel.“ In diesen Handels- oder Absatzkrisen erblickt Rodbertus: das Grundübel der herrschenden Wirtschaftsordnung. Die Auffassung von diesem grundlegenden Fehler unserer Wirtschaftsverfassung, diesem engen, wechselseitigen Verhältnis von fallender Lohnquote, Pauperismus und Handelskrisen hat für Rodbertus den Ausgangs punkt gebildet, um damit dieser sozialen Not ein Ende zu machen, eine andere wirtschaftliche Organisation vorzuschlagen, welche auf