28 III. Abschnitt. zwar auf 72,7 Proz. der Gesamtlänge an, aber die Steigungen liegen auf nur 0,9 Proz. der geneigten Strecke zwischen 1:200 und 1:100; Krümmungen mit 1000—500 m Radius sind ferner nur bei 48 Proz. der gekrümmten Strecke vorhanden. Dem gegenüber weist die von Oran auf das algerische Hochland führende Strecke schon in geringer Entfernung von der Küste auf längerer Strecke mit 1:37 die gleiche Maximalsteigung auf wie die Gotthardbahn. Aus dem oben Gesagten geht hervor, daß auch der Abstieg von einer Höhe für irgendwelche Verkehrsmittel keine Förderung bedeutet. Während wir im Wasser öfters die Ursache einer Beschleunigung der Bewegung eines Schiffes finden, gibt es solche auf dem Lande nicht. Der Grund ist einfach der, daß das Medium, auf dem sich die Bewegung vollzieht, starr ist. Ein solches starres Medium hat zur Folge, daß jede auf seiner Oberfläche ausgeführte Bewegung nur auf Grund eigener Kraft äußerung seinen Ort verändern kann, seine besondere Beschaffenheit vermag also, wie dies im Gebirge der Fall ist, wohl eine Vermehrung, nicht aber eine Ver minderung dieses Kraftaufwandes zu verursachen. Denn der Verminderung des Kraftaufwandes beim Abstieg steht mehr als gleichwertig dessen Vermehrung beim Aufstieg gegenüber, vom Materialverbrauch im erstgenannten Falle ganz abgesehen. In diesem gegenseitigen Verhältnis zwischen Medium und Gegenstand der Bewegung beruht demnach einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen Land-und Wasserverkehr. Immerhin ist mit dieser Eigenart des Landverkehrs auch ein Vorzug vor demjenigen zu Wasser oder gar in der Luft verbunden. Denn in der Starrheit des Mediums liegt auch die Zuverlässigkeit des Landverkehrs begründet. Da der Boden selbst in die Berechnung der Beförderungszeiten als unveränderliche Größe eingesetzt werden kann, so ist damit auch das Innehalten der festgestellten Fahrzeiten namentlich für die mechanisch getriebenen Verkehrsmittel wie die Bahnen bis zu einem hohen Grade gesichert. Haben wir so in Bau und Beschaffenheit des Bodens gewisser maßen feste Größen zu sehen, die sich der idealen Verbindung zwischen zwei Punkten hindernd in den Weg stellen, so steht es anders mit den periodischen Hemmungen, die fast ausschließlich in klimatischen Einflüssen zu suchen sind. Denn letzten Endes sind die bisweilen den Verkehr einschränkenden Hochwässer ja auch nicht anders aufzufassen denn als Folgen von Witterungsereignissen. Die häufigsten und fühlbarsten zeitweisen Störungen, welchen der Landverkehr durch Naturgewalten ausgesetzt ist, sind die infolge von Schneefall eintretenden Unterbrechungen, die oft recht erhebliche Verzögerungen zur Folge haben. So betrug die Verspätung, die der zwischen Berlin und Konstantinopel verkehrende Expreßzug um Neu jahr 1914 allein auf der Fahrt über die Gebirge der Balkanländer erfuhr, nicht weniger als 36 Stunden. Ueberhaupt ist das Gebiet der am häufigsten und regelmäßigsten auftretenden Schneehindernisse stets das Gebirge, und hier ist es in der Tat die absolute Höhe der Paßübergänge und ihre Lage zu den Niederschläge bringenden Winden, die die besondere Beachtung des Geographen verdienen, während für den vorhin behandelten Einfluß des orographischen Baues naturgemäß nur die relativen Höhenunterschiede in Frage kommen.