126 stellung und der zu geringen Fühlung mit dem Proletarierelend." Auer antwortete aufs neue in längerer Rede, zum Teil unter lebhaften Zwischen rufen von seiten der Opposition, für die sodann Eugen Ernst, Wilh. Werner, E. Börner und P. Litfin das Wort nahmen, bis nach Mitter nacht noch einmal Vertagung beschlossen wurde. Am 9. September kam man im Kolberger Salon ein drittes Mal zusammen, und hier verlas Ignaz Auer, nachdem zuerst Karl Wildberger von der Opposition gesprochen hatte, jenes Verzeichnis der aus dem Flugblatt der Opposition heraus zulesenden Anklagen, das später dem Erfurter Parteitag als Grundlage für die Auseinandersetzung mit der Opposition vom Parteivorstand mit der Parole unterbreitet wurde: Beweisen oder zurücknehmen! Dann ging Auer die Anklagen im einzelnen durch, Vertreter der Opposition antworteten ihm, und erst nach 1 Ahr nachts konnte endlich die Debatte geschlossen werden. Mit großer Mehrheit — ungefähr tausend gegen etwa hundert Stimmen — fand eine von A. Iacobey beantragte Resolution Annahme, die folgenden Wortlaut hatte: „Die heutige Versammlung erklärt: 1. Die Befürchtung, daß die sozialdemokratische Partei durch die bisher geübte Taktik einer Versumpfung entgegengeht, entbehrt jeder Begründung. 2. In Erwägung, daß innerhalb der sozialdemokratischen Partei von jeher die freie Meinungsäußerung gewaltet hat, ist die Versammlung der Ansicht, daß dieselbe auch ferner bestehen wird. Dagegen erkennt die Versammlung eine organisierte Opposition, falls eine solche bestehen sollte, nicht an, nachdem die Zwecklosigkeit einer solchen in den letzten drei Versammlungen deutlich nachgewiesen ist." Gleichfalls mit großer Mehrheit ward eine von Karl Poffmann beantragte Resolution angenommen, die erklärte, daß das Recht der Kritik das wichtigste Recht des einzelnen Genossen und die unentbehrliche Trieb feder der Weiterentwicklung der Gesamtpartei sei, jeder Mißbrauch dieses wertvollsten, unentbehrlichsten und schwerwiegendsten Rechts aber die Partei aufs ttesste schädige und es daher „aufs schärfste zu verurteilen sei, daß von Parteigenossen Behauptungen persönlich verleumderischen Inhalts ohne genügend vorhandene Beweise in die Welt gesetzt werden, gleichviel ob dieselben sich sofort als unwahr Herausstellen oder, noch schlimmer, wenn der Betreffende nicht in der Lage ist, ihre Anwahrheit sofort beweisen zu können". Die Versammlung erwarte, schloß die Resolution, daß die Partei- genossen „sich ihrer Verantwortlichkeit der Partei gegenüber wieder voll bewußt werden und sich aller Behauptungen enthalten, von deren Tat sächlichkeit sie sich nicht vorher überzeugt haben". And von einer dritten Resolution — Antragsteller Duchateau — ward der erste Teil, der der Fraktion „das vollste Vertrauen der Versammlung" aussprach, wiederum mit allen gegen etwa hundert Stimmen angenommen, während der zweite Teil, der die Erwartung aussprach, daß die Fraktion die Wünsche der Opposiüon prüfen und auf dem Erfurter Parteitag zum Gegenstand der Beratungen machen werden, keine unbestrittene Mehrheit erlangen konnte. Das war unter den gegebenen Amständen ein bedeutsamer Sieg der Parteileitung. Mit dem gleichen Resultat endete vier Tage darauf — am 13. September — eine nach dem Feenpalast einbemfene allgemeine Partei-