Achtzehntes Kapitel. Die Entwicklung der Maifeier in Berlin. der Beschluß des Pariser intenrationalen Sozialistenkongrefses von 1889, der die Arbeiter aller Länder aufforderte, am I.Mai jedes Jahres für den gesetzlichen Arbeiterschutz zu demonstrieren, in Deutsch land zum erstenmal zur Ausführung gebracht werden sollte, kam cs darüber zu dem schon im zweiten Band geschilderten Konflikt mit den „Jungen". Weniger dramatisch gestalteten sich die Dinge im Jahre 1891 bei der ersten Ausführung des Pariser Beschlusses nach dem Erlöschen des Ausnahme gesetzes. Erst in ihrer Folge kam es zu jener Zuspitzung des Gegensatzes, die den Austritt eines Teiles der „Jungen" aus der Partei herbeiführte. Aber ganz ohne Zwiespalt ging es auch bei der Maidemonstration des Jahres 1891 nicht zu. Der Parteitag von Lalle, der erste Kongreß der Partei unter dem gemeinen Recht, hatte in Sachen der Maidemonstration an seinem letzten Tage eine von Liebknecht beantragte Resolution angenommen, wonach die Maidemonstrationen zwar im allgemeinen am 1. Mai stattfinden, dort aber, wo der Arbeitsruhe sich Lindernisse in den Weg stellten, die Llmzttge, Feste im Freien und ähnliche Veranstaltungen auf den ersten Sonntag im Mai angesetzt werden sollten. Da aber im Jahre 1891 starker Geschäftsdruck herrschte, beschlossen, als die Zeit der Ausführung herannahte, die sozial demokratische Reichstagsfraktion und der Parteivorstand mit allen gegen eine Stimme, den Genossen allgemein die Verlegung der Maifeier auf den ersten Sonntag im Mai zu empfehlen, und diesem Rat wurde in Berlin insoweit Folge gegeben, daß am 1. Mai von Demonstrationen durch Ver lassen der Arbeitsstellen nur wenig zu merken war. Die große Mehrheit der sozialistischen Arbeiter Berlins hielt zwar am alten Datuin fest, begnügte sich aber mit der Feier am Abend. In gegen vierzig, meist sehr stark besuchten Versammlungen ward am Abend des I. Mai 1891 in Berlin für die Arbeiterfordcrungen demonstriert. Jedoch fanden auch noch am 2. und 3. Mai große Demonstrationsversammlungen statt, da nicht alle Vereine geeignete Lokale für den Abend des 1. Mai hatten erlangen können oder sonst ver hindert waren, diesen Zeitpunkt zu wählen. Bei alledem ging es indes auch im Jahre 1891 nicht ganz ohne Arbeits- ruhe und Feier am Vormittag des 1. Mai ab. Im Norden Berlins, im sechsten Berliner Reichstagswahlkreis, fand am Vormittag des 1. Mai im