29 Fremde des Rückgrates einer in sich gefestigten Familie, sie werden vom platten Lande her in eine völlig fremde, ihnen unverständliche Welt der Bildung und Gesittung gestellt, sie Hausen mit den An gehörigen einer sozialen Klasse, die sie nicht als geistig und moralisch ebenbürtig betrachtet und nur als körperlich Dienende einschätzt, unter einem Dache zusammen. Die Dienstmädchen bilden daher aus den aufgezählten sozialen Gründen einen so gewaltigen Bestandteil unserer großstädtischen Prostitution. Die moderne Prostitution ist im wesentlichen eine städtische Er scheinung, die auf der massenhaften Anhäufung von Mitgliedern der verschiedensten sozialen, namentlich der großbürgerlichen und proletarischen Klassen an einem Orte beruht. jS? 3. Kapitel. Der soziale Schuldbetrag der Prostitution. I. Vom sozialen Parasitentum der Dirnen und ihrer Ausbeuter. Eine großstädtische Anschlagssäulc ladet aufdringlich zu rauschenden Ballfestlichkciten ein. Rotleuchtcndc, mit Vorhängen versehene Fenster locken zu übermütigen Bacchusfesten mit „feschen" Mädchen. Auf den Straßen ganze Hcercszüge aufgeputzter, ge schminkter Halbweltdamen. In den Plüschstühlen der „Wiener Cafes" drehen und wenden sich gefallsüchtig die älteren Jahrgänge der Prostitution. In den Villenquartieren der Creme der Gesellschaft steht da und dort ein pikantes Dämchen gähnend am Fenster. Geldsummen von berauschender Größe steigen vor unseren Augen Bei dem Anschauen all der brüchigen Halbwcltkultur unserer Groß städte auf. Aus dem Unglück schiffbrüchiger weiblicher Wesen wächst eine kapitalistische Wucherpflanze von wunderbarer Größe empor. Aus wirklichen Wracks holt man noch kalifornische Goldschätze. Und wie viele Hände und Arme strecken sich nach diesen Reichtümern aus! Hände eleganter Hoteliers und herabgekommcner, versoffener Zu hälter! Das vielgehetzte Wild der Prostitution wird heute in unseren Großstädten von Zimmervermietern, von Pfandleihern, Tanzsaal- besitzern, von Möbelverleihern, von Oberkellnern, Zuhältern usw. förmlich ausgeweidet. Der Staat sanktioniert das Gewerbe der Prostitution, aber er bestraft unter Umständen den, der die Betriebs stätte zur Ausübung der staatlich anerkannten Profession verleiht. Aus der Gefahr, die über dem Haupte des Zimmervermieters bei jeder Vermietung von Wohnungen an Prostituierte schwebt, leitet