21 Kultur in der Seele des Menschen, worin die Zweck mäßigkeit der reinen Formen der Objekte ohne Bezug auf konkrete Interessen des Subjekts (es handelt sich um Zweckmäßigkeit ohne Zweck, wie es Kant genial definiert) auf Grund von reinen Anschauungen (Kon templationen) empfunden wird. Eine das Leben hemmende Lage äußert sich außer in Form eines unbestimmten Unlustgefühls auch im konkreten Bild des Bedürfnisses, welches schon eine gewisse Erkenntnis des Unlust erregenden Objekts und der mutmaßlichen Weise seiner Beseitigung anregt und voraussetzt. Ein Bedürfnis erregt im Menschen not wendigerweise die Begierde zum Mittel der Abhilfe, und dieses Begehren ist die Grundtatsache jeder Willens und Tätigkeitsentfaltung und jeder Erkenntnis über haupt. Darum treibt uns oft genug im Leben das Bedürfnis zur Erkenntnis des Nützlichen und Schäd lichen, des Guten und Bösen. Darin liegt eben die große Bedeutung des Bedürfens und des Leidens, daß erst durch diese unser Willens- und Erkenntnisvermögen angeregt, höhere Daseinsformen hervorgebracht werden. Denn die höhere Daseinsform verwirklichen ist nichts anderes, als das Gleichgewicht zwischen den inneren Kräften des seelischen Lebens, welche sich als Wünsche und Bedürfnisse äußern, und der Konstellation der um gebenden Natur wiederherstellen. Nur auf Grund dieser Gedanken werden die Worte Spinozas verständlich: „Die Erkenntnis des Guten und Schlechten ist nichts anderes als der Affekt der Lust oder Unlust, sofern wir uns derselben bewußt sind.“ (Ethik, IV. Teil.) Aus diesen Worten erhellt, daß das Gute das im eminenten, im tiefsten Sinne des Wortes Lustaffekt Erzeugende ist, das mit den Lebensinteressen des Individuums und des Menschengeschlechts direkt oder indirekt verknüpft ist, das oft nicht erkannt und