I. Das kurze Leben einer viel genannten Theorie. In dieser Art vollzieht sich die tägliche Arbeit des Historikers: auf die eine oder andere Weise hat er immer Veranlassung, von der Vergleichung Gebrauch zu machen. Es wird denn auch allgemein zugestanden, daß ihm der Vergleich, die Ver- wertung von Analogien, nicht nur erlaubt, sondern sogar un- entbehrlich ist, und es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die Erweiterung der Anschauungen gerade deshalb die historische Forschung fördert und belebt, weil sie das vergleich- bare Material vermehrt. Wenn alles dies unbestritten ist, so gehen die Ansichten über das zulässige Maß der Heranziehung der Analogie auseinander. Zunächst wird in der Praxis sich der eine gestatten, was dem andern als zu kühn erscheint. All die versschiedenen Anlagen des menschlichen Geistes, größere oder geringere Phantasie, Kombinationsgabe, das Temperament, die Energie, der größere oder geringere Scharfsinn, auch die wiederholte Übung und gesammelte Erfahrung werden in dem Umfang, in dem der Historiker von der Analogie Gebrauch macht, zum praktischen Ausdruck kommen. Aber neben den Unterschieden der Praxis gibt es auch tiefgehende prinzipielle Differenzen. Es hat nicht an Forschern gefehlt, welchen die Vergleichung, die historische Analogie nicht bloß ein Hilfsmittel, sondern das wichtigste, die vornehmste Methode ist, welche den durch Vergleichung gewonnenen Resultaten das größte Zutrauen schenken und es für erlaubt halten, an ihrer Hand die Anschauungen, die man aus der Interpretation der unmittelbaren Nachrichten gewinnt, ohne weiteres zu korrigieren. Der Kreis dieser Forscher ist groß und gliedert sich in mannig- faltige Gruppen, die sich teilweise auch wiederum noch durch stärkere und stärkste Betonung der vergleichenden Methode untersscheiden. Die vergleichende Sprachwissenschaft (im Schleicherschen Sinne) geht auf die Rekonstruktion prähisstorischer Sprach- zustände aus, sucht die prähistorischen Grundformen zu rekon- struieren, aus denen die überlieferten Formen entstanden sind. Sie verfolgt das Ziel, aus Übereinstimmung und Abweichung §