Der Zyklus der Konjunktur. Das Studium der Einwendungen, die mir bekannt geworden sind, hat mich in meiner Überzeugung befestigt. Nur zwei will ich er- wähnen. Da ist zunächst die Einwendung, meine Theorie sei lediglich eine „Psychologie der Krisen“. Diese Einwendung ist von kompe- tentester und von mir hochgeschätzter Seite so urban vorgebracht wor- den, daß ich ihren wahren Inhalt selbst schärfer formulieren muß, wenn der Leser sehen soll, worum es sich dabei handelt. „Krisen- psychologie‘ bedeutet nämlich etwas ganz Bestimmtes und Andres, als z. B. ‚„Wertpsychologie‘“‘: Sie bedeutet die Darstellung jener tragisch-komischen Verirrungen der geängstigten Geschäftswelt, die wir bei jeder Krise beobachten und besonders beobachteten. Als Krisentheorie wäre sie also entweder die Basierung einer wissen- schaftlichen Erklärung auf offenbare Begleit- und Folgeerscheinun- gen (Panik, Pessimismus, Richtungslosigkeit) oder, nur um einen Grad weniger schlimm, auf vorhergehende „Haussestimmungen‘‘, „Gründungsfieber‘* usw. Eine solche Theorie ist leer, eine solche Er- klärung erklärt nichts. Aber so liegt mein Fall nicht: Nicht nur spreche ich überall von äußerem Verhalten, so daß „Psychologie“ in meinem Gedankengang nut in einem Sinn gefunden werden kann, in welchem sie in jeder, und sei es der „objektivsten‘“, Behauptung über wirtschaftliches Geschehen impliziert wäre, sondern ich erkläre — ob nun sachlich zutreffend oder nicht — das Phänomen des Kon- junkturenwechsels lediglich aus einem objektiven, automatisch ab- rollenden Zusammenhang, nämlich aus der Wirkung der neu auf- tretenden Unternehmungen auf die Lebensbedingungen der vorhande- nen, welcher Zusammenhang aus den im zweiten Kapitel dargelegten Tatsachen folgt. Da ist sodann die Einwendung, die in Loewes Formulierung lautet: Meine Theorie erkläre die Periodizität der Krisen nicht?. Diese Ein- wendung verstehe ich nicht. Mit ‚„Periodizität‘‘ kann man zwei Dinge meinen. Einmal die bloße Tatsache, daß jedem „Aufschwung“ eine „Depression‘“ folgt, jeder „Depression“ ein „Aufschwung‘‘. Das aber „erklärt‘ meine Theorie doch. Sodann die konkrete Länge des Zyklus: Das aber kann keine Theorie ziffernmäßig erklären, weil das natür- 2 In der Festschrift für Brentano 1925, II, S. 351. 319