4 Die Anfänge der seminaristischen Bildung in den alten Schulen Eine gewisse Berechtigung wird man diesem Urteil nicht absprechen können; denn wer wollte leugnen, daß diese auf das modernste eingerichteten Bauten den Stempel des Fortschrittes der Neuzeit offen an der Stirne tragen? Und auch da, wo ein stiefmütterlich bedachtes Seminar nur ein schlechtes Lokal sein eigen nennt und über wenig glänzende Lehrmittelsammlungen verfügen kann, wird ein gerechter Beurteiler in dem inneren Betrieb und den wis- senschaftlichen Arbeiten des Instituts leicht den gleichen Charakter des modernen Fortschritts erkennen. Trotzdem erweist sich jenes Urteil als unrichtig, wenn es nicht bloß die äußeren Schalen und die gegenwärtige Erscheinungsart, sondern auch den inneren Kern, und das wesentliche Element dieser seminaristischen Bildungsweise als eine Frucht der modernen Kultur betrachten wollte. Auch die alte Schule kannte und liebte und übte in den verschiedensten Weisen das, was wir heute unter dem Namen der seminaristischen Ausbildung zusammenfassen. Freilich, die Pflanze ist gewachsen und zum mächtigen Baume geworden, der seine Äste weithin über die Lande ausstreckt. Doch auch vor mehr als dreihundert Jahren finden wir nicht bloß ein in der Erde still verborgenes und langsam sprossendes Samenkörnlein, sondern schon das junge Fruchtbäumchen, das grünt und blüht und köst- liche Früchte bringt. in den Statuten und Berichten der alten Schulen, die hier hauptsächlich in Betracht kommen, begegnen uns drei Arten von Übungen und Anstalten, welche als die alten seminaristischen Einrichtungen bezeichnet werden können. Es sind 1. regelmäßige Übungen der Studie- renden unter Leitung eines Lehrers, die mit den latei- nischen Namen circulus, repetitio, disputatio, actus, problema, casus oder auch scabella bezeichnet oder unter dem gemein- samen Ausdruck academia zusammengefaßt werden. 9. Dazu kommen wissenschaftliche Vereine der Studierenden unter Vorsitz eines Lehrers, welchen vor- züglich der Name academia oder auch collegium eignet.