$ Die Anfänge der seminaristischen Bildung in den alten Schulen toren dem Ergebnis seine Zustimmung nicht versagen können, das Friedrich Paulsen mit den Worten auspricht: „Und was die Disputationen anlangt, so dürfte das Mittel- alter über ihren Wert sich schwerlich in einer Täuschung befunden haben. Sie waren ohne Zweifel geeignet, eine große Präsenz des Wissens und eine erstaunliche Geübt- heit im Auffassen von Argumentationen hervorzubringen“ '). Dabei bemerkt Paulsen, daß er in der scholastischen Philo- sophie und ihrem Unterrichtsbetrieb zu wenig bewandert sei, um eine Rettung jener mittelalterlichen Einrichtungen versuchen zu können (ebd. 36). 2. Auf den Wert und die Weise der Disputationsübungen wollen wir jetzt nicht näher eingehen?). Wie die Leiter und Lehrer der mittelalterlichen Universitäten sahen auch die Vertreter der alten Schule seit dem sechzehnten Jahrhundert in diesen Übungen ein Hauptmittel, nicht bloß um die Präsenz des Wissens und die Geübtheit im Auffassen zu ‚fördern, sondern auch um das Wissen zu vertiefen und eine fruchtreiche Selbsttätigkeit und Mitarbeit der Studie- renden zu erzielen. Freilich war diese Selbsttätigkeit frei von dem modernen Ehrgeiz, neue Wahrheiten zu finden und diese „eigengemachte Weisheit“ vom Katheder herab feilzubieten. Innerhalb des Wissensgebietes, das zunächst im Vordergrund des Interesses stand, wird man jedoch auch die spekulative tiefere Begründung und Weiterbildung einer Lehre und die Anwendung der Prinzipien auf neue Fälle und Verhältnisse und eine allseitigere Lösung der entgegenstehenden Schwierigkeiten als eine fruchtreiche Art von produktiver wissenschaftlicher Tätigkeit bezeichnen dürfen. Gerade dazu boten aber die Disputationen den Studierenden die mannigfachste Anregung und Förderung. 3. Man unterschied mehrere Arten von Disputationen je nach der größeren oder geringeren Feierlichkeit des Aktes. 1) Fr. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts 1? 38. — Über die Entwicklung der akademischen Disputation an den Universi- täten vgl. Ferd. Hichler in: Sammlung bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten, hgb. von Karl Dziatzko, 11. Heft (Leipzig 1898) p. 36 f. 2) Vgl. darüber n. 19 im 5. Kapitel p. 57—61.