14 Studium und Lektüre Freilich ist der Schluß von der Bedeutung des Autors und seiner sonstigen Schriften auf den Charakter eines fraglichen Werkes nicht immer untrüglich und deshalb nicht immer berechtigt. „Quandoque bonus dormitat Homerus.“ In der Regel wird man aber von einem guten Baume auch gute Früchte erwarten können und umgekehrt. Daher ist es auch für das Quellenstudium von der größten Wich- tigkeit, sich stets eine genaue Personen- und Sachkennt- nis über die in Betracht kommenden Autoren zu ver- schaffen. Wie sehr in dieser Beziehung oft gefehlt wird, selbst wo es sich um ganz bekannte Personen der Gegenwart handelt, zeigen zahlreiche Beispiele zur Genüge. In der von Emil Schürer und Adolf Harnack (jetzt A. Titius und H. Schuster) herausgegebenen „Theologischen Literaturzeitung“ bemerkte z. B. Professor Viktor Schultze von Greifs- wald gelegentlich einer Besprechung des vierten Bandes von Pastors Geschichte der Päpste: „Das Urteil über Luther kann bei einem dem Jesuitenorden angehörenden Historiker nicht überraschen“ (31 [1906] 323). Der verstorbene Tübinger Professor Franz Xaver von Funk wird von Kanonikus Salvatore di Bartolo mit dem Beisatz „dell’ Ordine dei Minori“ bedacht (Giudizi sovra i Criteri teologici [Torino 1891] 37). Prof. Esser von Bonn muß sich im Katholik 87 (1907, 2) 185 Anm. dagegen wehren, daß er von E. Vacandard in der Revue du Clerge francais 50 (1907, 2) 114 ff in den-Ordensstand versetzt wird. Ich selbst erhielt schriftliche Anfragen und Komplimente über das „Lehrbuch der Kirchengeschichte“ des genannten Professors von Funk, das man mir zuteilte. Es würde doch nicht gerade tiefe Studien erfordern, um solch krasser Unkenntnis der Personalien eines Autors abzuhelfen, 6. Bei den Darstellungen, die sich ausführlich mit dem Gegenstand der eigenen Arbeit beschäftigen, ist es zweck- mäßig, an erster Stelle die zuletzt erschienenen durchzunehmen. In der Regel wird ja in diesen der größte Teil der früheren Veröffentlichungen berücksichtigt sein. Wenngleich dadurch die eigene Einsicht in diese frü- heren Schriften nicht überflüssig wird, so schärft doch die Lesung des späteren Werkes den Blick und stellt das Auge so ein, daß es nicht mehr so leicht auf neben- sächlichen oder gar ganz abgetanen Dingen unnütz haften bleibt. 54