sondern örtlichen und zeitlichen Umständen zeige. Nament- | lich in Unternehmerkreisen war man in der neueren Zeit vielfach geneigt, diese Tendenz als im „Wesen tarifvertraglicher Lohn- politik‘ liegend anzusehen. Immer wieder erscholl die Klage | über eine allgemeine ‚„‚Lohntreiberei‘, So hieß es in der im Juli | 1924 veröffentlichten Denkschrift „Die Lohnpolitik der deutschen | Arbeitgeber‘): „Jeder Arbeiter vergleicht seinen Tarifvertrag mit ) dem des Nachbarn. Bezirke werden mit einander verglichen; die Lohnpolitik wird auf Bezirks- und Fachlohnniveaus, ja sogar auf | ein Reichslohnniveau eingestellt. Die Gewerkschaftsfunktionäre, die die Forderungen einzubringen und zu vertreten haben, die Schlichtungsausschüsse, vor die die Streitfälle kommen, finden in diesen Lohnniveaus und in den Tarifvertragsvergleichen eine bequeme, vor jeder Verantwortung sichernde Grundlage. Der Hinweis auf die hier und dort geltenden Löhne bildet eine be- liebte Begründung für Schiedssprüche und Verbindlichkeits- erklärungen, auch wenn die Fach-, Betriebs- und Beschäftigungs- verhältnisse der so miteinander verglichenen Arbeitsverträge völlig verschiedengeartet sind‘. Auch A. VoıicrT sprach sich ähn- lich aus: „Die Gewerkschaften hatten ja schon lange eine Nivel- ; lierung der Löhne der Arbeiter erstrebt und durchgesetzt; die Tarifverträge wirkten allgemein in dieser Richtung‘). Indessen scheint die gewerkschaftliche ‚„Gleichmacherei“ doch nur eine vorübergehende Erscheinung gewesen zu sein. Vor dem Weltkriege ist die Nivellierungstendenz nur selten beobachtet worden. Damals nahm man die bedeutenden Lohn- : unterschiede von Beruf zu Beruf, von Ort zu Ort, zwischen Ge- lernten und Ungelernten, Männern und Frauen, Älteren und * Jüngeren als selbstverständlich hin, „und es fiel auch den Ar- beitern und Gewerkschaften nicht ein, durch ständigen Ausblick nach dem Lohn des Nachbars Lohnvergleiche anzustellen und darauf eine praktische Lohnpolitik zu stützen‘), Fest steht ferner, daß die ‚„„‚Gleichmacherei‘ in der neuesten Zeit, etwa seit Beginn des Jahres 1924, in Deutschland zum Stillstand gekommen ist, und daß die „Lohnspannen‘“ in den letzten beiden Jahren *) Heft 7 der Schriften der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberver- bände, Berlin 1924, S, 33. ?) A, VoıcT, Das wirtschaftsfriedliche Manifest, Stuttgart und Berlin 1921, S. 132. 3) Geschäftsbericht der Deutschen Arbeitgeberverbände 1922, S. 127. 181