Vorwort, J heute geht aber der wirtschaftliche Aufstieg durch den härtesten Daseinskampf; es gibt keine Legitimation für die Autorität als den Erfolg. Der Ruf nach Persönlichkeiten wird daher nirgends ein lauteres Echo finden als in der Wirtschaft, In der Rechtsprechung hatte die rein begriffliche Einstellung den lebendigen Menschen durch den Typus ersetzt, den man glaubte in bestimmte Richtungen dirigieren zu können. An dem Pulsschlag des Lebens, von dem die Rechtstheoretiker nicht viel wissen wollten, litten diese Typen aber Schiffbruch. Aus der Formalität der Berufsrichter flüchtete man sich mehr und mehr in die Kaufmanns- und Gewerbe- gerichte und in die Kammern für Handelssachen. Man suchte also Abhilfe bei der Wirtschaft, und das mit Recht. Denn die Wirtschaft kann nicht hinter der formalen Rechtskraft ihre Maßnahmen verbergen, Die Wirtschaft wird von den Tatsachen selber kontrolliert. Wer die neuere Rechtsprechung verfolgt, der wird auch hier den Einfluß wirt- schaftlicher Lebensanschauungen nicht nur auf die Auslegung‘ der Gesetze, sondern auch auf die Methoden dieser Auslegung feststellen. Noch deutlicher tritt seit Jahren der Einfluß der Wirtschaft bei der Verwaltung in die Erscheinung. Vertreter der Wirtschaft sitzen in den Kreisausschüssen und Bezirksausschüssen. Besonders kennzeichnend für die Gegenwart ist aber der steigende Einfluß der Handelskammern, die sich zu immer größeren und einflußreicheren Verbänden zusammen- schließen, und die auch von den Behörden mit immer neuen Aufgaben betraut werden, Ein entsprechender Einfluß auf das allgemeine Bil- dungswesen wird sich nicht nur in der Ausgestaltung der Lehrpläne nach der praktischen Seite, sondern vor allem auch in der Betonung der Eigenarbeit und der allmählichen Umgestaltung der Schulen aus reinen Lehranstalten in Einrichtungen zur Heranbildung frei schaffen- der Persönlichkeiten auswirken. Das große wirtschaftliche Gesetz von der möglichst günstigen Ausnutzung aller Kräfte verlangt allgemein einen reibungslos mit den leistungsfähigsten, aber nur mit den not- wendigen, Kräften arbeitenden Staatsbetrieb. Dieser in den angewandten Naturwissenschaften wurzelnde „ener- getische Imperativ‘ ist endlich gleichzeitig ein moralisches Gesetz, und niemand sollte wirtschaftliche Einstellung als solche verantwortlich machen für die Korruptionserscheinungen, die im Wirtschaftsleben stellenweise hervortreten. Wenn der Vorsitzende einer angesehenen Hamburger Kaufmannsvertretung warnend auf den Niedergang der kaufmännischen Moral hinweisen mußte, so gibt es doch andererseits keine Stelle, von der eine wirkungsvollere Abhilfe erwartet werden darf, als die Wirtschaft selber. Denn was hier die Kritik heraus- gefordert hat, konnte letzten Endes doch nur geschehen, nachdem