1 Deutsche Kreditpolitik 1919—1922. Kreditbedarf versuchen, an den organisierten Leihkapitalmarkt heran- zukommen, indem sie sich in eine Kapitalgesellschaft (Aktiengesellschaft) umwandeln. Bei diesem Umwandlungsvorgang (Gründung) leisten die deutschen Banken in weitem Maße hilfreiche Hand. Sie sind bereit, den Betrieben das Kapital, das sie vom Kapitalmarkt (für langfristige Leihkapitalien) aufzunehmen gedenken, gewisssermaßen vorzustrecken, indem sie ihnen in dem Augenblick Kredit gewähren, wo sie das Geldkapital (zur Ver- besserung, Vervollständigung und Erweiterung der Betriebseinrich- tungen) benötigen. Die Banken erwarten, daß die Rückzahlung dieser Kredite in einem nicht zu fernen Zeitpunkte aus den Kapitalien erfolgt, die mittels Ausgabe von Aktien oder Obligationen am Kapitalmarkt beschafft werden sollen. Die gleichen Zwischenkredite gewähren die Banken auch an bestehende Aktiengesellschaften, ebenfalls in der Hoffnung, daß die Rückzahlung aus einer späteren Kapitalerhöhung erfolgen soll. Da es für die Gewißheit dieser Rückzahlung sehr darauf ankommt, die Absatzmöglichkeit der Aktien, Kuxe, Obligationen richtig einzuschätzen, diese aber von mancherlei Voraussetzungen (Rentabilität des Betriebes, Lage des Geld- und Kapitalmarktes, allgemeine wirt- schaftliche Lage) abhängig ist, die nur schwer im voraus zu ergründen sind, so ist bei dieser Art von Kreditgewährung die Gefahr von Kapital- verlusten wie der Festlegung von Bankmitteln besonders groß. Schmerz- liche Erfahrungen haben bei den deutschen Banken zur Befolgung des Grundsatzes geführt, daß der Umfang dieser — quasi — langfristigen Kredite in einem bestimmten Verhältnis zum Eigenkapital der Bank stehen bzw. nur einen Teil von diesem ausmachen soll. So ergibt sich die interessante Erscheinung, daß zwar der Bankkredit grundsätzlich nur zur Deckung des Bedarfes an kurzfristigem Kredit zur Verfügung steht, daß aber in sehr vielen Fällen der kurzfristige Bankkredit zugleich das Durchgangstor zum Kapitalmarkt, dem Markt für langfristige Leihkapitalien, darstellt, die Vermittlungs- und Schöp- fungstätigkeit der Banken also auch auf dieses Gebiet übergreift. Das schließt nicht aus, daß sich die Betriebe auch unmittelbar an den Ka- pitalmarkt wenden können, was jedoch in Deutschland nicht als Regel anzusehen ist. II. Deutsche Kreditpolitik 1919—1922%). A. Der „Kredit“bedarf der Unternehmungen. In der Nachkriegszeit macht sich bei den Betrieben ein gewaltig an- steigender Kreditbedarf bemerkbar. Oder ist es etwa ein Kapitalbedarf ? Soweit die Betriebe eine Erweiterung oder Verbesserung ihrer Anlagen 1) Schmollers Jahrbuch 47. Jahrgang (1924), S. 163—205.