zuwohnen. Der Rekrut war ein junger Irländer, der die erhabene Stunde im voraus feierte, indem er das Trinkverbot bis zur ernst- lichen Gefährdung seines Gleichgewichtes umging, so dass es ihm fast unmöglich war, die vom Vorsitzenden vorgelesene Eides- formel nachzusprechen, was die ganze Versammlung mit lebhafter, aber gelassener Heiterkeit erfüllte. Ziemlich ausgedehnt und streng soll das reguläre Lehrlings- wesen im Baugewerbe, bei den Buchdruckern und Zimmerleuten sein, etwas lockerer und seltener schon bei den verschiedenen Metallarbeiterberufen. Im allgemeinen verhält es sich entsprechend der Stärke der betreffenden Gewerkschaft. In unorganisierten Betrieben wird ein Lehrzeugnis, eine Prüfung oder eine reguläre Lehrzeit gemeinhin nicht gefordert, so dass ein jeder, der das Zeug dazu zu haben glaubt, irgendeine handwerkliche Tätigkeit aus- üben kann, im Betrieb sowohl wie auch als selbständiger Hand- werker. Bei einem Kolonistenvolk, dessen Menschen sich wahllos zusammenfanden, ist dies der gegebene „Urzustand“. Der Farmers- sohn, der auf den väterlichen Äckern den Traktor bediente, geht zur Fabrik und arbeitet als Mechaniker oder etabliert sich im nächsten Städtchen als Schmied oder Tischler und ist das Jahr darauf vielleicht Buchhalter bei der Telegraphenkompanie. Das Berufsständische ist unbekannt, denn auch der gewerkschaftliche Facharbeiter, der seine Berufstätigkeit umzäunt und nach aussen abgrenzt, wird sie selber jederzeit verlassen, wenn Nachfrage und seine Fähigkeit ihn in ein anderes Erwerbsgebiet einladen. 7. Arbeitsnachweis. Wie das Lehrlingswesen, so ist auch die Arbeitsvermittlung grundverschieden, je nachdem es sich um gewerkschaftlich organi- sierte oder nichtorganisierte Betriebe handelt. Im ersteren Falle ist die Stellenvermittlung ziemlich einfach, da der Unternehmer sich tarifvertraglich verpflichtet, Ersatz und Verstärkung seiner Betriebsbelegschaft durch deren gewerkschaftliche Organisation zu beziehen. Dieses Verfahren ist gewöhnlich im Tarifvertrag vor- gesehen, und das „shop committee“ der Vertrauensmänner meldet jeden Bedarf an Arbeitskräften und jede freigewordene Stelle bei seiner Verbandsleitung. Anders verhält es sich mit den unorganisierten Unternehmungen. Die Arten, wie diese ihre Arbeitskräfte beschaffen, sind sehr mannigfaltig. Das nächstliegende ist, dass Meister oder Betriebs- inhaber nach den ihnen persönlich bekannten Leuten greifen. Da- neben bedienen sie sich der Vermittlung durch die Zeitung, und vor allem treibt ein Heer wenig kontrollierter privater Stellenvermittler 449 14: jetzigen Prohibitionsgesetzes gehören viele, die an die Erziehungs- fähigkeit der breiten Volksmassen glauben und mit Betrübnis darauf hinweisen, dass die gutenResultate solcher Erziehungsarbeit in den letzten Jahren vor der Prohibition durch diese gestört oder zerstört worden seien. Sie alle befürworten die mildere Form der Antialkoholgesetzgebung, wie sie Kanada hat und besonders skan- dinavische Länder. Eine solche Gesetzgebung, die von vornherein nur auf eine Restriktion hinwirkt, würde, wie uns drüben oft gesagt wurde, nicht solche Umgehungspraktiken und deren schädliche Folgen erzeugen, vor allem auch nicht der Schnüffelei und wider- wärtigem Angebertum Raum bieten. Denn diese gedeihen mit Selbst- verständlichkeit, wo ein Gesetz besteht, auf Grund dessen man überall Verbrecher wittert. 1992 nahme jener Maschine, die in Amerika bei 9000 Motoren als Tages- produktion (Ford) dem ständigen Zwang weiterer technischer Aus- gestaltung unterliegt, würde in dem Zwickauer Automobilbetrieb nicht nur etwas technisch Wesensifremdes, sie würde auch ein Element der Unrationalität sein. Für 359 Tage im Jahre hätte .sie keine Arbeit. Man kann nicht in der Technik eines Landes vergegenständlichten Geist und Wirtschaftszustand dadurch für sich mobilisieren, dass man in diesem Lande einfach die modernsten Maschinen kauft und mit nach Hause nimmt. Damit wäre dasselbe getan, was Goethe in seinem „Faust“ durch Mephistopheles dem Studenten einredet. Der glaubt ja auch, dass er das Wissen besitze, wenn er es schwarz auf weiss nach Hause trage. Die deutsche Wirtschaft wird nicht dadurch die amerikanischen Produktionsmethoden und Arbeitsresultate er- zielen, dass sie in den Vereinigten Staaten einzelne Maschinen kauft oder besondere und auffällig glückliche Teillösungen der Pro- duktionspraxis kopiert. Maschinen sind nicht Ursache, sondern Folge, sie sind nicht nur Voraussetzungen zur Weiterentwicklung, sie verlangen auch Voraussetzungen. Aus diesen Gründen ist es auch verständlich, dass wir so viele uns bekannte Maschinen und sogar deutsche Maschinen sahen. Es ist tatsächlich so, dass dort, wo die amerikanische Warenproduktion nicht besondere, für uns mehr oder weniger unbekannte Aufgaben entwickelt hat oder gestellt bekommt, sie fechnisch mit den deutschen Produktionsstätten durchaus verwandt ist. Die Bestrebungen der amerikanischen Unternehmer, zu höherer Produktivität, zu optimalen Leistungen zu kommen, liegen auch dort, wo die Betriebe den unsrigen verwandte Aufgaben haben, weniger auf technischem und mehr auf organisatorischem Gebiet. Erst dort, wo sie Aufgaben lösen müssen, bei denen die Kapazität der technischen Apparatur allein bei aller Organisation nicht aus- reicht, erst da legt sich das Schwergewicht auf den Versuch der technischen Lösung. Sie bleibt dann aber immer mit dem organi- satorischen Element eng verbunden. Der Inbegriff der modernsten amerikanischen technischen Orga- nisation ist heute für Deutschland das, was Ford von Detroit aus geschaffen hat. Hier ist eine nähere Darstellung notwendig. Das Auto ist keine einfache Ware, sondern ein ausserordentlich kompliziertes, sowohl im Material wie in der Herstellung auffällig vielgestaltiges Produkt. Man denke daran, dass dabei Eisen, Holz, Leder und Glas, Kupfer für den Magneten, Polsterung für die Sitze, eine Maschine zum Antrieb (der Motor), ein komplettes Kraft- übertragungssystem und viele sonstige Spezialprodukte (Gummi- reifen, Laternen usw. usw.) notwendig sind. Eigentlich ist das Auto überhaupt nichts anderes als das Resultat der Zusammen- 59 Industrieländer gezeigt, wie sie das Arbeitsstatistische Bureau der Vereinigten Staaten an dem Massstabe von London gleich 100 zu- sammengestellt hat: Vergleichsweise Reallöhne zu Berlin, London und Philadelphia im Oktober 1924. London = 100 Indexziffer auf Grund der üblichen Allgemeine durchschnittliche Lebensmittelmengen in Indexziffer x auf Grund der | unter Berück- genden, mngtma There Shen Berlin... ..., 68 60 63 65 Londom ..... 100 100 100 100 Philadelphia ... 205 221 221 220 Nach der obigen Aufstellung war also damals der Reallohn in Philadelphia gegenüber dem in Berlin — selbst unter Be- rücksichtigung der verschieden hohen Mietpreise (vgl. die letzte mit der vorletzten Rubrik) — reichlich das Dreiundeindrittelfache oder genau das 3,38fache. Mag diese Verhältniszahl auch für die amerikanische Stadt etwas zu günstig lauten, so kam sie doch der Richtigkeit ziemlich nahe. Dies wird jeder bestätigen, der Gelegenheit hatte, sich in beiden Städten nach den sozialen Verhältnissen umzusehen. Auch das Verhältnis London zu Berlin war zu jenem Zeitpunkte nach unserer Erfahrung nicht weit von der Tatsächlichkeit entfernt. Seitdem hat sich das Verhältnis um einiges, wenn auch sehr ungenügend, zugunsten Deutschlands geändert. 184 Kuriosum dadurch, dass es gegen die auf Grund derseiben ge- fällten Urteile erster Instanz keine Berufung, sondern nur eine Begnadigung durch den Staatsgouverneur gibt. Letzterer aber soll recht selten Lust haben, die Gefahr eines solchen Aktes auf sich zu nehmen. Wir erstaunten über die Gelassenheit, mit der uns von diesen Zuständen berichtet wurde. Michael Kohlhaas hat in Amerika keine Heimat. Die bürgerliche Rechtfertigung be- steht darin, zu sagen, dass solche Schärfe sich im Prinzip nur gegen eine Art landiremden Bolschewismus und nicht gegen „loyale Bürger“ richtet, was bei einer solchen Klassenjustiz natürlich nicht zutrifft. Der geringe Sinn für abstraktes Recht ist uns drüben gerade im Bereich der sozialen Kämpfe aufgefallen. Wir können die historischen und sonstigen Ursachen dafür hier nicht ent- wickeln. Wer aber das soziale Kapitel in diesem Buch aufmerksam liest, wird sie sich leicht erklären können. 5. Lohnpolitik und Tarifvertrag. In dem Buche eines deutschen Amerika-Entdeckers aus dem Jahre 1925 steht unter dem Kapitel „Lohnhöhe“ zu lesen: „In den Vereinigten Staaten herrscht noch freies Angebot und Nachfrage. Nur 8 Prozent der Lohnfestsetzungen geschehen durch Tarif- vereinbarung. Die Lohnhöhe richtet sich nach der Konkurrenz- fähigkeit, sie steigt und fällt mit der Konjunktur. Tüchtige, ge- rw Facharbeiter sind sehr gesucht. Im Akkord wird gut ver- ient.‘“ Die monumentale Wucht dieser Lapidarsätze, die an die Ger- mania des alten Tacitus erinnern, darf nicht darüber hinweg- täuschen, dass ihre Offenbarungen nur sehr bedingt richtig sind. Man mag zuvörderst sogar die These als richtig hinnehmen, dass nur 8 Prozent der Lohnabmachungen durch Tarifvertrag erfolgen, so hat diese Feststellung doch nur sehr wenig praktische soziale Bedeutung. Tarifliche Lohnfestsetzungen existieren in der Haupt- sache für einen Teil der organisierten Facharbeiter. Dass diese im allgemeinen „sehr gesucht“ sind, ist ausser Zweifel — dass sie nicht alle organisiert sind, ebenfalls. Weil man also mit gelernten Kräften nicht freigiebig wirtschaften kann, wie vielfach bei uns, so ist die natürliche Folge, dass der Lohn nichtorganisierter Fach- arbeiter der gesuchten Kategorien sich ganz notwendigerweise auf der annähernden Höhe des durch die Gewerkschaften vereinbarten Tariflohnes halten muss. Soweit sind es also die Gewerkschaften, welche die Lohnhöhe durch den Tarifvertrag bestimmen — auch für diejenigen, deren Einzelarbeitsverhältnis sich ausserhalb des Vertrages bewegt. Daneben gibt es allerdings auch Fälle, wo das 141 A“ E. Schlussbemerkungen. u a '. Werden allgemein anerkannte wirtschaftliche Geetze verletzt? 9 a) Beispiele. EEE aaa b) Folgen dieser Verletzungen. = Bibliothek a %. Welches sind nach Ansicht der auskunitgebenden”Stelle die wich? tigsten Ursachen für Verluste in dem betreffende \Werk? SS ” Welche Vergleichseinheiten werden gebraucht, u ‚die, Kosten Tal! gemein zu vergleichen? s . 5. Die Vereinigten Staaten in der Weltwirtschaft. In unserem Bericht ist verschiedentlich die weitausgreifende, tief- schürfende und systematische Beobachtung und Kritik der ameri- kanischen Wirtschaft durch ihre Interessenten und durch ihre Regierung erörtert worden. Es bleibt noch übrig, eine dabei bisher nicht berührte Schlussfolgerung zu ziehen. Wir streiften sie schon einmal mit der Bemerkung, dass die amerikanische Wirtschafts- kritik eine. Art „staatssozialistischen Privatkapitalismus“ pflege. Am stärksten tritt das dort in Erscheinung, wo die Wirtschaft der Vereinigten Staaten sich in der Produktion nicht zu einem einfachen, national geschlossenen Ring zu fügen vermag. / Je mehr die Vereinigten Staaten von politischer Unabhängigkeit und von der Uninteressiertheit an Europa sprechen, um so weniger werden sie dabei durch die Tatsachen gedeckt. Die immer wieder aus der Qualität in die Quantität umschlagende Weiterentwicklung der amerikanischen Produktion zwingt den Handel der Vereinigten Staaten auf den Weltmarkt. Dazu kommt, dass die Wechselwirkung jeder grossen Wirtschaft darin liegt, dass im Ausmasse der aus dem Lande hinausgepumpten Warenmengen entsprechende andere Werte angesaugt werden müssen. Deswegen ist die zunehmende Verknüpfung der Vereinigten Staaten mit der Welt zugleich der Zwang der verstärkten Bindung. Die amerikanische Wirtschaft Wird ebenso wie. die europäische zunehmend Gliedwirtschaft, ja Teilwirtschaft. Wie weit diese Entwicklung schon vor sich gegangen Sn dafür ist die Zellstoff- und Papiereinfuhr nach den Vereinigten taaten der klassische Beweis. Es erscheint symbolisch, dass die SS ehn a den amerikanischen Geist und die amerikanische Wirt- Zei Draxis am deutlichsten aufzeigende Warenbranche, das CHUNSSATUCkgeWwerbe, nur leben kann, weil ihm andere Länder den schier Unersättlichen Hunger nach Papier befriedigen. Wären die Vereinigten Staaten mit Zellulose und Papier auf sich selbst an- SCWIESEN, SO Zähe es keine amerikanischen Zeitungen, die Sonntags 150 und 200 Seiten stark sind. S Was für Zellstoff und Papier gilt, das ist ebenso richtig bei Kaffee, eide, Nitraten, Kali, Gummi, Chinin, Jod, Zinn, Hant, einigen RU In Washington rüstete sich indessen. der Bundesvorstand des amerikanischen Gewerkschaftsbundes zur Abreise nach dem bevor- stehenden Gewerkschaftskongress in Atlantic-City. Wir wollten ihn aber noch vor seiner Abreise im eigenen Bundeshaus zu Wa- shington begrüssen. So reisten wir nach einem vorläufigen flüchtigen Überblick von New York und nach einem Besuch des etwa 20 Kilo- meter von New York entlegenen Grabes Samuel Gompers, des lang- jährigen Führers der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung, nach Washington, den Bundesvorstand zu besuchen. Hier hatten sich zum Empfang der deutschen Gewerkschaftsabordnung im Bundesbureau versammelt: der Präsident des Bundes, William Green, der Sekretär Frank Morrison, ferner sämtliche Angestellte desBundesbureaus und eine grössere Anzahl Vertreter der einzelnen Gewerkschaften. Wie am Tage unserer Landung von den Vertretern der New Yorker Gewerkschaften, so wurden wir nun auch hier vom Bundesvorstand mit Herzlichkeit empfangen. Da war nichts Ge- künsteltes, alles war einfach und freundschaftlich. In einer herz- lichen Begrüssungsansprache hiess der Bundespräsident die deut- schenBesucher willkommen. Er sicherte uns die volle Unterstützung der amerikanischen Gewerkschaften zur Erleichterung unserer Auf- gaben zu. Er sprach den Wunsch aus, dass diese Aufgaben zum Wohle der deutschen Arbeiterbewegung restlose Erfüllung finden möchten. Kollege Schumann dankte ihm und übermittelte unsere Grüsse. Dann wurden Gewerkschafts- und Wirtschaftsfragen all- gemeiner Natur besprochen. Im Anschluss hieran erfolgte die Be- sichtigung des Bundesbureaus und seiner organisatorischen Ein- richtungen. Der kurze Aufenthalt in- Washington wurde benutzt zu einem Besuch des Botschafters der deutschen Republik, Freiherrn von Maltzahn. In Begleitung Greens und Morrisons fand ferner ein Besuch beim Arbeitsminister der Vereinigten Staaten, Mr. Davis, in den Räumen des Ministeriums statt. In der Unterredung mit dem Arbeitsminister gewahrten wir zum erstenmal, was wir später noch oftmals beobachten konnten, dass die in Amerika hochgestellten Persönlichkeiten mit Vorliebe und Stolz von ihrem Herkommen aus dem Arbeiterstande sprechen. Er ist ein Sprössling der Arbeiter- klasse, Klempner von Beruf, und hielt es für erforderlich, uns das mit besonderer Betonung vorzutragen. Wir begegneten später noch des öfteren solchen Hinweisen bei hohen Beamten in den einzelstaatlichen Behörden, bei Unternehmern, die als Habenichtse ins Land gekommen, vom Glück aber begünstigt wurden, bei Akademikern, die noch in ihren Jugendjahren selbst als Arbeiter geschanzt hatten, und bei all den vielen Geschäftsleuten kleineren Grades, die, aus sozialen Tiefen gekommen, es nun zu einigem Wohlstand gebracht hatten. Verklungen ist längst auch in Amerika w verschwand im allgemeinen infolge jener dauernden Umspülung durch den spezifisch amerikanischen Handel. Es ergab sich dabei nicht eine Vereinheitlichung der Produktion, sondern die Ent- wicklung zur Einheitlichkeit des Geschmacks. Es ist ja auch heute so, dass z.B. die Konfektion, die von New York bis Chicago nicht abgesetzt werden kann und von den Farmern nicht aufgesaugt wird, nach dem Süden zu den Negern wandert. Die Neger der Vereinigten Staaten sind — soweit sie arm sind — in der Mode vielleicht einige Zeit zurück, aber sie haben einheitlich den Mode- begriff des weissen Amerikaners. Die andere Ursache, die die Einheitlichkeit des Warengesichts sehr förderte, ist in anderem Zusammenhang ebenfalls schon erwähnt worden, es ist die Entwicklungstendenz, die nicht zu den Kartellen geführt hat, sondern eher Truste ermöglichte. Kartell in deutschem Sinne bedeutet Erhaltung der unterschiedlichsten Pro- duktionsstätten, das ist ein Zwang gegen die Vereinheitlichung des Gesichts der Ware. In Amerika hat die, wie schon dargestellt, umgekehrte Entwicklung die Vereinheitlichung in der Waren- herstellung— die fälschlich Normisierung genannt wird— gefördert. Diese beiden Tatbestände müssen beachtet werden, wenn man den Grad der Normisierung der Waren in den Vereinigten Staaten objektiv mit der deutschen Warenvielgestaltigkeit vergleichen will. Was ergeben sich nun bei Beachtung jener Einschränkung für Tatsachen? In der Bekleidungsindustrie ist die Vielgestaltigkeitder Produktion ganz wesentlich grösser als bei uns. Jedermann in der Konfektion — nehmen wir z.B. die Damenmäntelschneiderei — sucht jährlich zweimal ein eigenes Modell fertigzubringen. Mit ihm wird zu den grossen Einzelverkaufsgeschäften, den Versandhäusern und Waren- häusern gerannt. Schlägt das Modell ein, so summiert sich natur- gemäss dieses Modell in grosser Masse. Bei der Ausdehnung und dem von Konkurrenzbefürchtungen getriebenen Arbeitstempo der Handelsorganisation wird ein solches Erzeugnis der Damenmäntel- schneiderei durch tausend Kanäle innerhalb weniger Tage weit ins amerikanische Land verbreitet. Die Folge ist, dass die gesamte Damenmäntelkonfektion, die ja ohnehin in ihren Gedankengängen gleichartig ist, in derselben Form produziert. Die Frauen Amerikas sehen dann „ganz einheitlich“ angezogen aus. Man darf nicht ver- gessen, dass die grossen Versandhäuser Millionen von Kunden haben, dass grosse Konfektionsschneidereien wöchentlich Hundert- tausende von Mänteln oder Anzügen oder Kleidern herzustellen vermögen. Es sind rund 150 Millionen Menschen zu bekleiden. Überdies ist die Einheitlichkeit des Geschmacks z.B. inder deutschen Herrenkleidererzeugung trotz des stark handwerklich zersplitterten Gewerbes ausserordentlich stark ausgeprägt. Äusserlich tritt die 60 Die deutsche Gewerkschaftsdelegation bei der American Federation of Labor. Von links nach rechts, untere Reihe: Müntner (Gemeindearbeiter), Morrison (Generalsekretär der A. F. o. L.), Green (Präsident der A.F. o. L.), Schumann (Verkehrsbund), Tarnow (Holzarbeiter); mittlere Reihe: Jochade/(Eisenbahner), Dr. Berger (Bergarbeiter), Scheffel (Eisenbahner), Heinig (AfA-Bund), Wendel (Holzarbeiter), Eggert (ADGB.); obere Reihe: Husemann (Bergarbeiter), Meyer (Arbeiterbank). Furtwängler (ADGB.), Backert (Lebensmittelarbeiter), Dr. Iserland (Verkehrsbund), Plettl (Bekleidungsarbeiter). auch diejenigen, die schon ein Auto besassen. Sie verkauften ihr altes Auto an den Handel der zweiten Hand und bezahlten im wesentlichen mit dem Erlös für den alten Wagen die Anzahlung für einen neuen, besseren und eleganten Wagen, die ja jetzt ebenfalls billiger geworden waren. Diese Art der Auslösung von Produktionssteigerung hat sich überdies in Deutschland, natürlich in wesentlich kleineren Mass- stäben, bei der Entwicklung der Radioindustrie beobachten lassen. Nachdem hier eine allgemeine Bedürfnisbefriedigung in der ge- gebenen Fläche der Massenkaufkraft annähernd erreicht war, ent- wickelte sich ein Bedürfnisreiz und damit eine Bedürfnisbefriedigung in der Richtung der Qualifizierung; sie geht vom Detektor zum Lampenapparat, vom Hörer zum Lautsprecher, zum Verstärker und zum eigenen Bau von Rundfunk-Grossgerät. Der Unterschied zwischen diesem deutschen Beispiel und dem amerikanischen ist, dass in den Vereinigten Staaten einmal die allgemeine Kaufkraft der Bevölkerung viel grösser ist als bei uns, und dass zum anderen das Konsumgewicht von 150 Millionen Menschen, die in der Mentalität uniform sind, sich mit ganz anderer Macht auswirkt. Tatsächlich klagte im Herbst die amerikanische Textilindustrie über Mangel an Beschäftigung, mit der Begründung, dass die Automobil- industrie infolge ihrer Preispolitik das Geld allzu stark anziehe! In den eben geschilderten Tatbeständen liegt ein anderes ameri- kanisches Problem verborgen. Das ist die Frage, ob das allgemein übliche Abzahlungsgeschäft, das sich von Möbeln und Automobilen, Waschmaschinen, Eisschränken und Radioeinrichtungen bis zu Pelzen und Diamanten erstreckt, nicht eines Tages im Kreislauf der Produktion ein Vakuum und damit eine Krise erzwingen wird. Ab- zahlung ist letzten Endes nichts anderes als die Umbildung des Pro- duzentenkredits in einen Konsumentenkredit. Die Gefahr liegt nicht nur in dem riesenhaften Umfang der Kreditgewährung — spekuliert man doch heute sogar in Floridagrundstücken auf Teilzahlung — die eigentliche Gefahr liegt darin, dass auch rasch verschleissende Waren auf Kredit gegeben werden, und dass allzu leicht Kredit- gewährung über die normale Kaufkraft des Konsumenten hinaus entsteht. Es ist sicher volkswirtschaftlich bedenklich, eine Ware auf Ab- zahlung zu verkaufen, deren Preis in so viele Raten zerlegt werden muss, dass er womöglich auch dann noch nicht vollkommen bezahlt wurde, wenn die Ware schon verbraucht ist. (Qualifizierte Mode- artikel.) Ebenso muss es bedenklich erscheinen, wenn so bereit- willig Abzahlungskredit gegeben wird — bekanntlich auch von amerikanischen Warenhäusern —, dass die Möglichkeit sehr nahe liegt, dass über die Kaufkraft (über die Kreditfähigkeit) des Warennehmers hinausgegangen wird. Diese Gefahren scheinen in 68 bahngesellschaften unterhalten Krankenkassen zum gleichen Zweck. Manche Unternehmen finanzieren Schulen, Spielplätze usw. Andere haben Konsumeinrichtungen, wiederum mit dem Ziele, durch die jährliche Gewinnverteilung eine zu starke Fluktuation unter den Arbeitern, namentlich in Zeiten der Hochkoniunktur, zu verhüten. Sogar „Betriebsräte“ — mehr oder weniger freigestellte — fanden wir in gelben Betrieben. Da der Unternehmer sie aber lediglich als ein Werkzeug für seine Behandlung der Belegschaft benützt, So ist klar, dass es sich nur um eine Parodierung des gewerkschaft- lichen Begriffes der Betriebsvertretung handelt. Bemerkenswert ist, dass wir alle diese Einrichtungen in „non union shops“, das heisst in Betrieben mit unorganisierter Arbeiter- schaft kennenlernten, in denen die blosse Organisationszugehörig- keit mit Entlassung gesühnt wird. Soviel müssen es sich die Unter- nehmer — namentlich in Betrieben mit „vollamerikanischer“ weisser Arbeiterschaft — kosten lassen, um die Gewerkschaften aus den Werkstätten fernzuhalten. In den Unternehmungen, deren Belegschaft aus dem vielsprachigen, hilflosen Nationalitäten- gemisch der Neueinwanderer und Negern besteht, ist soviel Zucker- brot selten nötig, und in den „union shops“ mit organisierter Belegschaft sorgen die Gewerkschaften dafür, dass die fehlenden Wohlfahrtseinrichtungen durch entsprechend hohe Löhne reichlich wettgemacht werden. Das Glück der Freiheit von der „sozialen Belastung“ können also auch drüben nur diejenigen Unternehmer einigermassen ungetrübt geniessen, die in der Lage sind, restlos und rücksichtslos mit „Kulturdünger“ zu wirtschaften; — „Volks- genossen“ machen mehr Schwierigkeiten. A * * 3. Sonstige Formen der sozialen Hilfe. Wie der Staat, so haben auch die Gewerkschaften der Union in bezug auf ihre eigenen Einrichtungen einen bedeutend engeren sozialen Wirkungskreis als bei uns. Dies ist abermals leicht erklär- lich, wenn man bedenkt, dass sie — sehr zum Unterschied von den unsrigen — in der Hauptsache nur einen Kreis gehobener Berufs- arbeiter umfassen. In diesem Kreise kann in allen Notfällen das Vorhandensein irgendeiner Summe von Ersparnissen fast mit Sicherheit vorausgesetzt werden. Darauf deutet es hin, wenn z. B. grosse Organisationen beim Ausbruch eines Streiks in Mitglieder- abstimmung beschliessen, dass die Organisation erst nach drei oder gar sechs Monaten des Kampfes eine Streikunterstützung gewährt. So wird auch dem übrigen gewerkschaftlichen Unterstützungs- wesen nicht die weitreichende soziale Funktion zugemessen wie bei uns. Nur sehr wenige Verbände zahlen Arbeitslosenunterstützung 1323 genau wie in Deutschland — ein Zimmer vermieten und dadurch seine Wohnungskosten auf ein Viertel oder weniger von seinen Ein- nahmen reduzieren. Gehört er zu der Einwandererschicht tieferer Kulturstufe (und dazu gehören viele, die diese untersten Einkommen beziehen), so wird er überhaupt keine landesübliche Wohnung, sondern eine der ziemlich billigen Unterkünfte beziehen. Es gibt nämlich auch in Grossstädten, wie New York, Philadelphia usw., schon „Wohnungen“ für 16 und 20 Dollar, die aber allerdings menschlichen Behausungen nicht in allen Stücken völlig ähnlich sehen. Diese Mauerhöhlen bilden die engen quadratischen Höfe der Häuserblocks der Proletarierviertel, haben von aussen Not- gänge aus eisernen Treppen, die bis in die obersten Stockwerke führen, und würden mit ihren grossen, in den Hof hinausschauenden Türöffnungen den Keltengräbern am Bodensee und an der fran- zösischen Nordküste ähnlich sehen, wenn nicht die im Hofe kreuz und quer aufgehängten bunten Wäschestücke wieder an ein festlich drapiertes Bockbierlokal erinnerten. Die höchste Monatsmiete, die für gute Dreizimmerwohnungen mit allen modernen Einrichtungen gezahlt wird, ist in den grossen Städten etwa 50 Dollar. Solche Räumlichkeiten bewohnt die besser bezahlte Arbeiterschaft, die also dafür auch einen bedeutenden Bruchteil, im Durchschnitt etwa ein Viertel ihres Einkommens auf- wendet. Würden die deutschen Arbeiter der bestbezahlten Gruppen in gleichartig ausgestatteten Behausungen wohnen, so zahlten sie dafür nominell zwar weniger, jedoch von ihrem Einkommen eine reiche Hälfte, ja selbst drei Viertel, was natürlich eine Unmöglich- keit ist. Die Möbelierung der guten Arbeiterwohnungen ist durchweg reichlicher und besser, „bürgerlicher“, als in Deutschland. Grosse Bedeutung kommt in Amerika dem.Eigenheim zu, das auch sehr viele Arbeiter besitzen. Im Jahre 1920 waren von den 24 351 000 amerikanischen Wohnungen 45,6 Prozent Eigentum der Bewohner und 54,4 Prozent von Mietern bewohnt. Von den elf Millionen Eigenheimen wiederum waren 61,7 Prozent freies, nicht- belastetes Eigentum, während 38,3 Prozent hypothekarisch be- lastet waren. Im selben Jahre (1920) fielen im Durchschnitt auf eine amerikanische Familie 4,3 Personen, auf eine Wohnung 5,1 Personen. Auch für eine Reihe der in Amerika gebräuchlichsten Lebens- mittel haben wir in Milwaukee die Preise festgestellt. Dasselbe tat die Bergarbeiterdelegation in der Stadt Erie in Pennsylvanien. Wir geben hier das Resultat wieder, sowohl in amerikanischen Massen, Gewichten und Geldwerten, als auch umgerechnet in deutsche Pfund usw. und in deutschen Geldwert, und lassen zur Vergleichung sSo- wie zur Vervollständigung unserer eigenen Ermittlungen die 176 physischer Intensität der Arbeitenden, sondern auf anderen Ursachen. Mit dieser Feststellung soll nicht gesagt sein, dass das Arbeits- tempo sowohl in Deutschland wie in den Vereinigten Staaten, vom Standpunkt einer das Opfimum erstrebenden Arbeitswissenschaft oder unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmers, das sei, was es sein sollte oder sein dürfte. In Deutschland und auch in den Ver- einigten Staaten wird ja die Wirtschaft nicht unter dem Gesichts- punkt des Gemeinwohls, sondern nach dem Grundsatz des Privat- proftits betrieben. Wie schon erwähnt, gibt es noch eine andere Auffassung von der Möglichkeit der quantitativen Steigerung der Arbeitsintensität. Man denkt an die schnellere Bewegung der Maschinen und rechnet damit, dass so der Maschinenarbeiter zur grösseren Quantitäts- leistung gezwungen werde. Nach unserer Auffassung ist auch das durchschnittliche Tempo der Maschinen in der Produktion nicht beliebig veränderlich. Die Maschine ist im Produktionsprozess nur ein Glied. Ebensowenig wie sich am menschlichen Organismus die Hand oder irgendein Sinnesorgan willkürlich verändern, aus den gegebenen Pro- positionen bringen lässt, ebenso ist es ausgeschlossen, durch Hyper- trophierung der Maschinerie an irgendeiner Stelle des Produktions- prozesses (Beschleunigung des Tempos einer Maschine) das Leistungsresultat des gesamten wirtschaftlichen Organismus zu verändern. Die Tempi der Maschinen stehen in fester Beziehung zum Grade der qualifizierten Organisation der Wirtschaft. Des- wegen ist es auch falsch, anzunehmen, dass die Erfolge der ameri- kanischen Wirtschaft im rasenden Tempo ihrer Maschinen lägen. Das ungeheuerliche Tempo der amerikanischen Schnellzüge, der Hochbahnen, Strassenbahnen, Automobile und nicht zuletzt der Maschinen in den Fabriken ist eine der zum Axiom gewordenen Be- hauptungen über die Neue Welt. Bei einer näheren Überprüfung zeigt sich, dass in dieser allgemeinen Formulierung viele Irrtümer enthalten sind. Soweit es sich um die Überwindung grosser Entfernungen mit Hilfe von Maschinen handelt, ist das Resultat in den Vereinigten Staaten häufig günstiger als bei uns. Das liegt aber zu einem er- heblichen Teil daran, dass die Voraussetzungen dafür vorhanden sind. Im besonderen nach dem Westen der Vereinigten Staaten hin werden die Stationen der Eisenbahnen ständig seltener, die Gleise ziehen sich in gerader Linie durch das dünn besiedelte Gebiet. Dem- gegenüber hat Deutschland kurvenreiche Eisenbahnstrecken, sich häufende Stationen, die auch für die durchfahrenden Züge wegen ihrer vervielfältigten Gleise und ihrer komplizierten Signalanlagen die Geschwindigkeit herabdrücken. cd metallarbeiter. Streitobijekt ist die Arbeit des Einsetzens und An- schlagens von Türen und Fenstern aus Metall. Diese Arbeit konnte für den Bautischler nicht bestritten werden, solange es sich aus- schliesslich um Produkte aus Holz handelte. Die Furcht vor Feuers- gefahr führt aber in zunehmendem Masse dazu, die Türen und Fenster entweder mit Blech zu überziehen oder ganz aus Hohl- metall anzufertigen. Bei Hochhäusern über eine bestimmte Stock- werkhöhe hinaus wird dies sogar polizeilich vorgeschrieben. Da auch Versicherungsgesellschaften bei Verwendung von Hohlmetall hohe Prämienrabatte gewähren, breitet sich diese Änderung schnell aus. Soweit es sich um die Fabrikation metallener Türen und Fenster handelt, steht der Anspruch der Hohlmetallarbeiter auf diese Arbeit fest. Das Recht auf Einsetzen und Anschlazen im Bau wird aber von den Bautischlern verteidigt, und sie begründen das nicht nur mit der Tradition, sondern auch mit dem Hinweis, dass diese Arbeit, gleichgültig aus welchem Material die Gegen- stände hergestellt sind, eine Arbeitstechnik erfordere, die nur dem gelernten Bautischler zu eigen sei. Da auch andere Baustoffe ihren Charakter verändern, befürchten die Bautischler nicht mit Unrecht eine wesentliche Einschränkung ihrer Arbeitsmöglichkeiten, wenn die Art des Materials entscheidend sein sollte; wird doch neuer- dings auch Wand- und Deckenvertäfelung vielfach aus Kunststoff- platten hergestellt, und dem Parkettboden erwächst eine Kon- kurrenz in Hartgummiplatten. Die Hohlmetallarbeiter hingegen verlangen das Recht auch auf die Montage der in ihren Arbeits- bereich fallenden Gegenstände, also auch der Türen und Fenster. Dagegen wehren sich die Bautischler auf das heftigste, und wo es ihnen nicht gelang, die Hohlmetallarbeiter von der umstrittenen Arbeit fernzuhalten, zogen sie ihre Mitglieder auch von allen anderen Arbeiten auf den betreffenden Bauten zurück; mehr noch, sämtliche Bauten des betreffenden Unternehmers, der häufig eine grosse Gesellschaft ist, die inallen Teilen des Landes Bauten ausführt, wurden sofort gesperrt. Im Jahre 1923 forderte der Arbeitsminister von dem „National Board for Jurisdictional“ eine Entscheidung über diesen Streit. Ständiges Mitglied des National Board war auch der Präsident der Bautischlerorganisation, der aber ganz ent- schieden Einspruch dagegen erhob, dass dieser Streitfall über- haupt verhandelt wurde, da das Recht der Bautischler nicht an- gezweifelt werden dürfte. Als trotzdem das Schiedsgericht in die Verhandlung eintrat, verliess er zum Protest die Sitzung. Das Schiedsgericht fällte dennoch einen Spruch, und zwar zugunsten der Hohlmetallarbeiter. Damit war aber nur Öl ins Feuer gegossen worden; denn die Bautischler ignorierten die Entscheidung und führten ihren Kampf mit verstärkter Energie weiter. Auch der Versuch, durch richterliche Einhaltsbefehle eine Sinnesänderungz 230 >32 Washij 1 X in ; x. eo M Nord “ ae shire Main WG Dakota Ze 1er EN ‚chusetts Oregon Minne- 5 AZ A MasO u x . ; A ws. WS Re La Boston ke: EEE Sy 3 JE Phode Island 0 akota A ; BE. EEZEZ 7a Connect i | King © rn On / ! Towa > APSUF ade 5 re y Neo Le Nebraska Ks zu (u f Evada- / . DR De (WS OO QOwore 3 | Ur > EN SS Su shington mist‘? ; ww “ F K Me Franzis‘ ah, Colorado K © hi N a a cylond Aansas + Missour' u JR © . ; Mi er — Nord- 7 CE 7” "7 Nashvi Carolin a RB Neu Oklah PL Tennes® SO. u S Arizona Mexi ahoma | Arkan- Jutier N. Ai Carolina ES exiko sas E\ GG En 7 m Org ‚£ = zz zZ Texas De Ze Am un En 3 New Orleans ı A nr das Problem der Unorganisierten nicht mehr ausschliesslich deren eigene Angelegenheit ist, sondern den Organisierten selbst höllisch auf den Nägeln brennt. Die Tatsache, dass die modernsten Gross- betriebe zum allergrössten Teil „Non union shops“ sind, bedroht den Lebensnerv der Gewerkschaften. Und diese Gefahr ist im Wachsen. Selbstverständlich haben die führenden Männer der Gewerk- schaften diese Gefahr längst erkannt und sind bemüht, in die Gefilde der Unorganisierten einzudringen. Es scheint aber, als ob bei den organisierten Berufsarbeitern die Bedeutung dieser Angelegenheit noch nicht genügend gewürdigt wird. Das Unternehmertum hat sich sehr raffinierte Mittel ausgedacht, um die Gewerkschaften von den Grossbetrieben fernzuhalten. Früher hat es mehr als einmal offene Vernichtungsfeldzüge gegen die Gewerkschaften geführt und dabei auch nach Möglichkeit versucht, die Hilfe der Staatsgewalt und bestechlicher Richter in Anspruch zu nehmen. Diese Versuche sind gescheitert, und heute hat man sich verfeinerten Methoden zugewandt. Die neuen Methoden laufen darauf hinaus, den Arbeitern begreiflich zumachen, dass sie ohne Gewerkschaften ebensogut und noch besser fahren. Dabei haben die Unternehmer aus den Erkenntnissen der modernen Arbeitswissenschaft einiges gelernt, nämlich dass die Kosten für soziale Betriebseinrichtungen zu den Kapitalanlagen gehören, die sich ausgezeichnet verzinsen. Durch Wohlfahrts- einrichtungen mannigfacher Art verbessern sie die produktionellen Betriebsergebnisse und verschaffen sich obendrein auf billige Art den Ruhm sozialen Verständnisses. Sie gehen aber noch weiter und versuchen den Arbeitern weiszumachen, dass sie eigentlich die wahren Freunde einer industriellen Demokratie sind, die auch den Arbeitern ein Mitbestimmungsrecht gibt. Nur dürften sich die Arbeiter nicht den Gewerkschaften verschreiben, sondern müssten sich betriebsweise mit ihrem Unternehmer zusammentun, um in demokratischer Gemeinschaftsarbeit den Betrieb und damit die Interessen beider Teile zu fördern. Die Unternehmer schrecken nicht davor zurück, nach Art des homöopathischen Heil- und Vor- beugungsverfahrens selbst den Arbeitern in kleinen und unschäd- lichen Dosen das „Gift“ der Organisation einzuspritzen: sie gründen und fördern Betriebsorganisationen, deren Bedeutung uns im eigenen Lande an den gelben Werkvereinen hinreichend bekannt- geworden ist. In dieser Richtung liegt auch das Einsetzen von Be- friebsvertretungen durch die Unternehmer, die ohne die Rücken- stütze einer unabhängigen Gewerkschaft von ihrem Brotgeber völlig abhängig sind, aber dennoch die Fiktion eines demokratischen Betriebssystems hervorrufen. Das Betriebsinteresse wird weiter gefördert durch die Ausgabe von Kleinaktien an die Arbeiter. Diese erkennen nicht, dass, selbst wenn man nicht verhindern würde, dass JARQ können diese sie allzeit über die Klinge springen lassen; anderseits ist die Möglichkeit eigener Willensäusserung für. fortschritt- liche und demokratische Gruppen gross genug, um auch wirkliche Männer des allgemeinen Vertrauens zu politischer Macht zu bringen. Um eine festsitzende Herrenklasse erstarren und kristalli- sieren zu lassen, sind die Verhältnisse zu sehr im Fluss, die neu entstehenden Möglichkeiten noch zu zahlreich, die wirtschaftlichen Gewichtsverschiebungen in dem gewaltigen Raume zu häufig. Auch manche andere, noch später zu betrachtende Umstände verhindern einstweilen die kastenmässige Abschliessung und gegenseitige Fremdheit der Gesellschaftsschichten, Mit dieser und den folgenden Darlegungen möchten wir beileibe nicht den Schein vorgeben, als bestehe in Amerika eine durchweg wünschenswerte Form sozialen Friedens — als bringe persönliche Tüchtigkeit stets den gebührenden Rang und Erfolg. Nur die Tat- sache muss von vornherein festgehalten werden, dass der sozialen Schichtenbegrenzung noch die Schicksalhaftigkeit fehlt, die fort- wirkt von Geschlecht zu Geschlecht. Dieser Umstand erklärt neben anderen, und wohl an erster Stelle, dass der sozialistische Klassen- kampf des kontinentalen Europas drüben keinen Wurzelboden fand. 2. Der wirtschaftliche Erfolg und die soziale Oberschicht. Ungeahnte, kaum vorausberechenbare, im Umfang gewaltige Möglichkeiten wirtschaftlichen Erfolges und sozialen Aufstiegs gibt es in Amerika auch heute noch und durch die beschleunigte Industrialisierung des Landes (die der Krieg ihm aufgezwungen hat) sogar wieder erneut. Wieviel neue Reichtümer entstehen und wieviel von einem Konto aufs andere rollen werden, wenn die pazifische Küste ihren wirtschaftlich-kommerziellen Wettlauf mit dem Osten im jetzigen Tempo fortsetzt, oder wenn eines Tages die grossen Seen mit der Atlantis durch eine Wasserstrasse ver- bunden werden, oder wenn die Rohstoffgewinnungen, namentlich der Kohlenbergbau, die Orte ihres Schwergewichtes wechseln, oder wenn Kansas und Oklahoma erfolgreich fortfahren, ihre Landwirt- schaft westeuropäisch zu intensivieren, kann gegenwärtig noch niemand sagen. Die Wanderungen der Siedlerzeit gehören bis auf geringe Aus- nahmen der Vergangenheit an, allein im Wirtschaftsleben herrscht noch heute eine unaufhörliche räumliche Bewegung und Aus- dehnung. Noch ist nicht jedem Wirtschaftszweig im engen, restlos genutzten Raum sein Fleck zugewiesen, wie bei uns. In 40 Prozent der heute betriebenen Bergwerke — so hat der Staatssekretär Mr. Davis festgestellt — könnte alle verwendbare und absetz- 95 fassungen über die Möglichkeiten, dem Ziel näherzukommen, er- geben. Diese Ideologie liegt sowohl der politischen wie der ge- werkschaftlichen Arbeiterbewegung zugrunde. Hat jene die Auf- gabe, politische Macht zu erobern, um damit auf die Umwandlung der Wirtschaft einzuwirken, so müssen die Gewerkschaften un- mittelbar in der Wirtschaft selbst gleichgerichtete Kräfte zu ent- falten suchen. Diese Zielsetzung schliesst aber nicht aus, dass die Gewerkschaften schon in der Gegenwart alle Kräfte an- strengen, um die Arbeitsverhältnisse so günstig wie möglich zu gestalten. Je besser es ihnen gelingt, für die Arbeiter einen mög- lichst grossen Lohnanteil von den Erträgnissen der Wirtschaft zu erkämpfen, je mehr sie die Herrenrechte der Kapitalisten durch ein Mitbestimmungsrecht in den Betrieben und bei der Wirtschafts- führung verringern, um so mehr führen sie die Entwickelung dem gestellten Ziel entgegen. Wer in dieser Ideologie ein unbedingt notwendiges Erfordernis jeder konsequenten Gewerkschaftsbewegung sieht, wird durch die amerikanische Bewegung enttäuscht sein. Wohl gibt es auch dort Führer und Mitglieder in den Gewerkschaften, die in diesen Ge- dankengängen leben; aber ihre Zahl ist verhältnismässig gering. Die Gewerkschaftsbewegung als solche hat sich offiziell auf keine Theorie verpflichtet, die eine grundsätzliche Umgestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung für notwendig ansieht. Dabei verschliesst sie sich aber keineswegs den Nachteilen, die den arbeitenden Massen aus der geltenden Wirtschaftsordnung erwachsen, und erkennt darin sehr wohl den immanenten Gegen- satz zwischen Kapital und Arbeit. Das tritt deutlich in Erscheinung in der Prinzipienerklärung, die dem Statut des amerikanischen Gewerkschaftsbundes vorausgestellt ist und folgenden Wort- laut hat: „Weil ein Kampf in allen Nationen der zivilisierten Welt zwischen den Unterdrückern und den Unterdrückten aller Länder stattfindet, ein Kampf zwischen den Kapitalisten und Arbeitern, der an Stärke von Jahr zu Jahr zunimmt und unheilvolle Folgen für die Millionen der Arbeitenden haben wird, wenn sie nicht zu gegenseitigem Schutz und Unterstützung ver- bunden sind, darum ziemt es den Vertretern der Berufs- und Arbeiterverbände, die zum Kongress versammelt sind, solche Massnahmen zu treffen und solche Prinzipien unter den gelernten und ungelernten Arbeitern unseres Landes zu verbreiten, durch die sie dauernd vereinigt werden, um sich die An- erkennung der Rechte zu sichern, auf die sie berechtigten Anspruch haben. Darum erklären wir uns für die Gründung eines vollkommenen Bundes, der alle Berufs- und Arbeiterorganisationen in Amerika umfasst, die auf gewerkschaftlicher Grundlage organisiert sind.“ In der Erkenntnis des natürlichen Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit steht also die amerikanische Gewerkschaftsbewegung 202 Banken, die diesem System angeschlossen sind, stehen in direkter Abrechnung mit den grossen amerikanischen Bundesreservebanken, die die Stelle der Reichsbank einnehmen. Der Zahlungs- und Scheckabrechnungsverkehr kann nur durch solche, dem Bundes- reservesystem angeschlossenen Banken getätigt werden. Fast alle amerikanischen Arbeiterbanken sind diesem Bundesreservesystem angeschlossen und sind dadurch ebenso leistungsfähig wie die anderen amerikanischen Banken. Der Anschluss an dieses Bank- system ist zweifellos eine notwendige Voraussetzung für die Weiterentwicklung. Besonders charakteristisch für die Ideologie der amerikanischen Arbeiterbanken ist es, dass, wiederum im Gegensatz zu den euro- päischen, ihr Aktienkapital in der Regel nur zu 51 Prozent den Ge- werkschaften gehört. Die restlichen 49 Prozent sind entweder im Besitz von einzelnen Gewerkschaftsmitgliedern oder bei einigen Banken sogar im Besitz von Privatleuten, die den Wunsch haben, Aktien der Arbeiterbanken zu erwerben. Es sind lediglich Vor- kehrungen getroffen, dass niemand mehr als eine beschränkte An- zahl Aktien besitzen darf, so dass eine Zusammenballung von grösseren Aktienbeständen in einer Hand verhindert wird. Bei der Gründung der amerikanischen Arbeiterbanken war ur- sprünglich beabsichtigt, den Geldeinlegern, also insbesondere den Gewerkschaften und Gewerkschaftsmitgliedern, auch besondere Vorteile zu bieten, und zwar dadurch, dass man ihnen mehr Zinsen zahlte als die andernBanken. Man gründete sogenannte Kooperativ- banken. Der kooperative Gedanke fand darin seinen Ausdruck, dass man die Geldeinleger am Ende des Jahres an den Gewinnen in Form einer nachträglichen Zinszahlung teilnehmen lassen wollte. Die grösste und eine der ältesten der amerikanischen Arbeiter- banken, die der Bruderschaft der amerikanischen Lokomotivführer, hat dieses System durchgeführt. In den letzten Jahren jedoch ist man davon abgekommen, da man erkannte, dass auch die Arbeiter- banken genötigt sind, Kapital zu bilden und die restlose Aus- schüttung der Gewinne die Entwicklung ausserordentlich schwierig macht. Auch die Banken, bei denen dieses System noch besteht, tragen sich stark mit dem Gedanken, eine Änderung herbeizuführen. Die Verwaltung der amerikanischen Banken ist verschieden- artig. Die geschäftlichen Leiter sind fast überall reine Fachleute. Vielfach hat man diese Leiter nur auf Grund ihrer fachlichen Eig- nung eingestellt ohne Rücksicht darauf, ob sie in irgendeiner Form mit der Arbeiterbewegung in Beziehungen stehen. In anderen Fällen wiederum hat man Beziehungen zur Arbeiterbewegung, auch wenn diese nur in einer erklärten Arbeiterfreundlichkeit bestehen, neben der fachlichen Eignung zur Voraussetzung für die Einstellung ge- macht. In einzelnen Fällen sind auch Gewerkschaftsangestellte, 245 Einwanderung und Auswanderung in den Monaten juli bis einschliesslich Oktober und im Monat November 1924 nach Rasse oder Nationalität*) A Einwanderung Auswanderung Rasse oder Nationalität ob November en | November Schwarze (Afrikaner) .......- 402 78 419 106 Armenier euere an An 167 60 59 7 Böhmen und Tschechen.....- 724 138 812 73 Bulgaren, Serben, Montenegr. 225 68 601 131 Chinesen 1 .....000 0 ent 1 186 146 1 457 432 Kroaten, Slowenen ........- 181 61 664 18 Cubaner 471 50 456 126 Bosnier, Dalmatier ......-..- 23 7 181 33 Holländer und Flämen....... 1274 373 516 118 Ostindier ze ne A 28 1 45 7 Engländer ......00.0.001444 4 24 304 5705 3 703 744 Finnen ih ee AK ee 289 86 169 16 Franzosen... 4... 000er Ale 10813 2930 552 100 Deutsche................. 19366 5 612 1349 432 Griechen............000..0004 361 142 3811 558 Hebräet ee Henne 3824 1 204 155 19% Jrländer.. he 16 994 4418 843 91l Norditaliener .......... 0000 706 192 2.976 503 Süditaliener.. 1... .0.uul ne 1576 391 9 730 2283 JAPAN een ler ne Hell 394 81 538 146 N 5 1 18 1 A 132 49 316 9 Magyaren............0.0.00. 406 138 485 40 Mexikaner ............0..00. 9 955 1610 1 156 251 Polen er ae 1 134 339 1916 | 210 Portugiesen 4... 7.4400 u 266 | 64 2.056 578 Rumänen... 0.400 185 39 | 696 | 80 Russen 613 165 357 60 Ruthenen .....0 00 ar er 358 101 40 2 Skandinavier .......00004 8471 1 759 1 242 327 Schöffen. ... 0.0000 nee 12 189 2883 1486 268 SIOwaken.......0.0100 00h ne 192 82 403 9 Spanier ua Met ala kim 284 28 2684 | 544 Südamerikaner ... 0. 1072 142 560 ı 164 Sy RE 157 41 271 46 CA U 24 1 107 7 Walliser re nee 505 103 54 n Weslindier -ı er ee riesen 148 20 214 35 Sonstige. ee le nr 235 3700 243 22 Insgesamt 119639 29345 43340 8 605 Männliche. + 0er er. 05409 1 16226 7 32910) 7058 Weibliche... +..0..07.0 00000 54 200 | 13 119 10 400 1547 *) Monthly Labor Review, Februar 1925, 105 Chemikalien, Quecksilber, bestimmten Gerbextrakten und ver- schiedenen anderen Waren. Der amerikanische Handelsminister, Herbert Hoover, wies in seiner sehr bekanntgewordenen, im Herbst vorigen Jahres gegen die Monopole gehaltenen Rede darauf hin, dass die Vereinigten Staaten Jahr für Jahr /ür mehrere Milliarden Goldmark Waren zu kaufen gezwungen sind, die sie im eigenen Land nicht herzustellen vermögen! Deswegen ist die amerikanische Unabhängigkeit von der Welt- wirtschaft heute bestenfalls nur noch eine Selbsttäuschung. Soweit die Erkenntnis der weltwirtschaftlichen Zwangsbindung vorhanden ist, betrachtet man sie als ein Schwächeelement der amerikanischen Wirtschaft. .Der Wirtschaftsimperialismus, der in den Vereinigten Staaten ausserordentlich stark ist, studiert zurzeit diese Probleme sehr gründlich. Der Handelsminister Hoover meinte in der schon erwähnten Rede, das Problem, dem sich die Welt jetzt gegenüber- sehe, liege nicht nur darin, dass gegenwärtig bereits manche Waren monopolmässig kontrolliert würden, sondern darin, dass noch viele andere Rohstoffe ähnliche Massnahmen für die Zukunft gestatten. Der Wollpreis könne durch das englische Imperium kontrolliert werden, Rohöl, Baumwolle und Kupfer durch die Vereinigten Staaten, Tee und Jute durch Indien, Antimon und Wolfram durch China, Nickel und Asbest durch Kanada. In gleicher Art sei auch eine allgemeine Preisbeeinflussung für Stahl, pflanzliche Öle und eine lange Liste sonstiger Waren möglich. Wenn das auch vorläufig weniger die Gebiete der grossen industriellen Nationen seien, die jene Preiskontrolle ausüben oder auszuüben in der Lage wären, so erscheine doch gar nicht ausgeschlossen, dass jene Methoden aus deren Kolonien auf die Mutterländer übersprängen. Hoover umfasste in seiner Rede, soweit er über die Wirkungen der kapitalistischen Preisbeherrschung durch Monopole sprach, das Problem mit den folgenden Sätzen, die wir hier abdrucken, weil sie einen klaren Einblick in die Gedankenwelt der amerikanischen Wirtschaftsführung gestatten: „Vom ökonomischen Standpunkt aus müssen zwei Parteien im Aus- tauschprozess unterschieden werden — Konsument und Produzent. Hohe Preise ersticken den Konsum; wenn man den Konsum erstickt, so hat dies zwei Wirkungen — eine Verschlechterung im Lebensstandard des Kon- sumenten und, ä la longue betrachtet, eine Verkleinerung der Geschäfte des Produzenten. Der Konsument sucht in einem solchen Falle sofort nach jedem Mittel, das ihm eine bessere Ausnutzung ermöglicht, und er wendet sich ferner, bewusst oder unbewusst, dem Gebrauch von Ersatzmitteln zu. Die Nachfrage nach Ersatzmitteln regt erfinderische Geister an, solche zu entdecken und zu verwerten. Ich spreche nicht etwa von Verfälschung. — Beispielsweise sucht der Kaffeetrinker den letzten Tropfen aus seinen Bohnen herauszuholen und wendet sich ferner zu Tee und Kakao. In Aus- wirkung solcher Tendenzen haben wir unseren Kaffeekonsum während des letzten Jahres um 20 Prozent vermindert. Der Automobilbesitzer flickt 88 solche, zu denen England von jeher in engerer Beziehung stand, wie Indien und Australien, eine grössere Erzeugung als in der Vor- kriegszeit zu verzeichnen haben. . Das gilt auch für Italien, Spanien, Japan und andere Länder. Wenn die Roheisen- und Rohstahlerzeugung der Welt für 1913 und für 1925 mit je 100 dargestellt wird, ergibt sich eine sehr beachtliche Verschiebung der einzelnen Anteile an dieser Er- zeugung. Sie sind in dem Bild 6 graphisch dargestellt. Sowohl für Roheisen wie für Rohstahl ist die Steigerung des Anteiles der Vereinigten Staaten an der Welterzeugung ganz auf- fällig. Für die deutschen und die französischen Anteile gilt, was schon weiter oben über die Verschiebung der rechnerischen Unter- lagen gesagt worden ist. Der Rückgang der englischen Roheisen- produktion in ihrem Anteil an der Welterzeugung ist besonders beachtlich. Die Roheisenerzeugung der Welt war im Jahre 1925 nach den vorläufigen Ziffern um rund sechs Hundertteile geringer als im Jahre 1913, den Verlust tragen England mit 41 Prozent, Deutsch- land mit 6 und Frankreich mit 4 Prozent ihrer Produktion. Die kleinen Länder verloren 48 Prozent ihrer Erzeugung. > Gesteigert haben ihre Roheisen- 198 1925 erzeugung Luxemburg um 98, die Vereinigten Staaten um 17 und Bel- gien um 3 Prozent. Die Rohstahlerzeugung der Welt De war im Jahre 1925 um rund 12 Pro- zent grösser als 1913. Luxemburg Y steigerte seine Produktion um 72, en die Vereinigten Staaten um 40 und GiEN—— Deutschland um 1 Prozent. Zurück- Frankreich‘ gegangen ist die Stähle tnen m Belgien um 5 Prozent, in Englan Deutschlano um 3, inFrankreich um 1 und in den kleinen Ländern um 42 Prozent. Die nachfolgenden Zahlenreihen England zeigen die Veränderung der Roh- eisen- und Rohstahlerzeugung der Welt insgesamt und in ihrem Anteil = an der Welterzeugung für die Jahre Vereinigte 1913, 1924 und 1925. Staaten Deutschland und die Vereinigten Staaten sind in der Tabelle beson- ders hervorgehoben. Die Steinkohlen -Welterzeugung zeigt das nebenstehende Bild. 924 steht nur darin, dass die bestorganisierten Gruppen der amerika- nischen Bekleidungsarbeiter zu den höchstbezahlten gehören. In der Möbeltischlerei, die einzelne qualifizierte Werkstücke her- stellt, fanden wir in Amerika Betriebe, die entsprechenden deutschen Unternehmungen durchaus glichen. Es handelt sich dabei um den Typ von Produktionsstätten, in denen jeder einzelne Arbeiter einer mehr oder weniger abgeschlossenen Aufgabe gegenübergestellt wird. Hier entscheiden trotz aller Entwicklung der technischen Hilfsmittel, von der Holzbearbeitungsmaschine bis zum Leimkoch- apparat und der maschinellen Bildhauerei, letzten Endes doch die individuelle Fähigkeit und die berufliche Erfahrung des Ar- beiters. In diesen Betrieben war das Arbeitstempo, was die physische Intensität anbelangt, im Vergleich zu entsprechenden deutschen Betrieben in keiner Hinsicht unterschiedlich. Eine Fin- schränkung ist vielleicht in der Richtung zu machen, dass im ame- rikanischen Betrieb dieser Art sich der Arbeiter freier und selbst- bewusster bewegt, als das in Deutschland die Mehrzahl der Unter- nehmer vertragen zu können meint. Wir sahen auch Maschinentabriken, darunter eine, die zu den bedeutendsten Spezialunternehmungen im Bau für Zahnradvor- gelege für Grosskraftmaschinen gehört. Weiter wurde von uns im besonderen der Teil der Fordschen Betriebe beobachtet, in denen Konstruktionsarbeiten (Maschinenbau) geleistet werden. Fbenso wurde von uns die Fordsche Reparaturschlosserei auf die physische Intensität der in ihr Beschäftigten hin angesehen. Überall in diesen Betrieben und Betriebsabteilungen ergab sich das gleiche Bild: Das Arbeitstempo war nicht höher als bei uns in Deutschland, manchmal konnte man eher feststellen, dass ruhiger gearbeitet wurde alsbeiuns. Die Bedienung an den Post- und Eisenbahnschaltern, an den Tischen der Banken, bei den Wechselkassen der Untergrund- bahnen, beim Strassenbahn- und beim Autobusschafiner ist in den Vereinigten Staaten durchaus nicht so „fix“, wie man sich das gar zu gern ausmalen lässt. Die gleiche Einschränkung muss man über- dies für die Bedienung in den Hotels und Restaurants machen. Richtig ist allerdings, dass hierbei eine beachtliche Produktivitätund damit eine gewisse Intensität — wir wollen sie qualitative Inten- sität nennen — durch die Arbeitsmethode erreicht wird. Die höhere Leistung gegenüber dem gleichen Arbeiter in Deutschland wird also von anderen materiellen und organisatorischen Voraus- setzungen her entwickelt. Der Bankkassierer zählt das Metallgeld nicht umständlich mit der Hand auf die Zahlplatte, er tippt auf eine Maschine, aus ihr klappert das Geld in den entsprechenden Einheiten vor die Hand des Kunden. Der geheimnisvolle, mehrfach mit einer Zange zu durchlöchernde oder an den verschiedensten Stellen blau an- 40 4a ya SP & baren Staaten lebt eine ärmliche Farmerbevölkerufig&deren Artfiut oft dadurch zur Beständigkeit verurteilt ist, dags h Abgelegen- heit und folglich die hohen Transportkosten die Schaffung selbst > der einfachsten arbeitsparenden landwirtschaftli hen Maschineries unerschwinglich machen. \ AD a Auch der bestverdienende industrielle Arbeite ‚Ka un {i Mangel an sozialen Einrichtungen durch Krankheit \nkheitS- fälle in der Familie, zeitweise Stellungslosigkeit usw. in Armut geraten, aber sie hat dann — auf alle Fälle in der Vorstellung der Menschen dort und des Betroffenen selbst — mehr den Charakter des Schicksalschlages als des Lebensschicksals. Was hier flüchtig gezeigt wurde, ist der in seinem Ausmasse nicht exakt bestimmbare Rand, mit dem die ältere weisse Einwohner- schicht industrieeuropäischer Herkunft noch (oder schon?) in die Sphären des untersten Proletariats hinabreicht. c) Kinder-, Frauen- und Heimarbeit in der proletarischen Unterschicht. Am meisten Diskussion und Klage hörten wir in Amerika über die Arbeit von Kindern in der Baumwollgewinnung. Ihre Zahl kann hier nicht angegeben werden, da sie in den Statistiken mit unter den landwirtschaftlich beschäftigten Kindern angeführt sind, doch handelt es sich hier bereits um eine Massenerscheinung. Das geht schon daraus hervor, dass die Südstaaten eine unverhältnismässig hohe Zahl von Kindern beschäftigen. Im Gesamtdurchschnitt der Vereinigten Staaten sind 8% Prozent der Kinder zwischen zehn und fünfzehn Jahren beschäftigt. Dagegen in den Südstaaten?) Alabama ........ 241 P-ozent = 84397 Kinder Arkansas 2... ; = 48 140 Georgia 0000.00. 208 —88934 Louisiana 2... 125 =—32274 Mississippi ...... 25,9% =70354 North-Carolina .. 16,6 = 621621 South-Carolina .. 214 =60520 » Tennessee‘ ....:. I =3087 Texas O0 „= 30872 U Im Durchschnitt wird in den Baumwollstaaten mindestens jedes zweite — schwarze und weisse — Proletarierkind vom zehnten Lebensjahre an in dieser Weise kapitalistisch ausgebeutet! Die Beseitigung der Ausbeutung von Kindern und Frauen ist eines der dringlichsten sozialen Probleme der Vereinigten Staaten und beschäftigt ständig den amerikanischen Gewerkschaftsbund. Zum Schutze der Frauenarbeit hat eine Reihe von Staaten des 1) Berufszählung der Vereinigten Staaten vom Jahre 1920, 7 11: Schaftslebens heraus, sich weiter erhalten. Aber die Produktion, die Wirtschaft auch dieser Menschen, ist „amerikanisiert“. So erwuchs das Amerika, wie wir es heute kennen: Vor einem Jahrhundert erst entstanden, ausdehnungsfähig auf ungeheurem Raume, besiedelt mit allen individualistischen Energien der Alten Welt, ohne wirtschaftsgeschichtliche Fesseln, konzentriert auf die Erlangung von Besitz, auf Erfüllung aller Hoffnungen, die sich Menschen nur zu machen vermögen: Dies Land ist optimistisch, optimistisch bis zum Kraftmeiertum. Dieser Stolz wird dadurch noch vergrössert, dass man den Nationalreichtum bewusst und mit Erfolg in die Wagschale der Weltgeschichte zu werfen ver- mochte. Das Alte nicht beachten, an das Neue glauben — das ist Amerika! Die Vereinigten Staaten haben sich zwar eigenartig entwickelt, aber sie konnten sich nicht isoliert gestalten; so ist auch Amerika in der Konstruktion der Wirtschaft und in der sozialen Schichtung mit den Verhältnissen und Zuständen in den kapitalistischen Pro- duktionsgebieten der übrigen Welt durchaus verwandt. Aber die geistige Einstellung ist eine andere. Sie wird aus dem verständlich, was hier gesagt wurde, zumal dann, wenn es mit dem verglichen wird, was über die Gedanken des amerikanischen Gewerkschafters zum Thema Klasse und Klassenkampf im dritten Abschnitt dieses Berichtes gesagt wird. Unsere Darstellung wird dem aufmerksamen Leser, so wenig sie auch erschöpfend zu sein vermochte, doch klargemacht haben, dass es einen schematischen Vergleich zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ebensowenig gibt, wie es unmöglich erscheinen muss, durch mechanisches Übertragen eines Konstruktions- Dartikelchens oder einiger Lebensformen Amerikas die Wirtschaft Deutschlands auf gesündere Wege zu bringen. Ebenso wie einem Sklaven die Freiheit wertlos sein muss, wenn £r sie nicht selbst ersehnt, genau so ist die Gesundung der deutschen und auch der europäischen Wirtschaft nur in dem Masse möglich, wie der Wille dazu in Europa und in unserem eigenen Lande vor- handen ist. Die Beireiung der europäischen Wirtschait aus den Fesseln ihrer Rückständigkeit kann nur ihr Werk selbst sein! Die Gewerkschaften betrachten es als ihre grosse Aufgabe, allen denen, die sich diesen Notwendigkeiten entgegenstellen, schärfsten Kampf ANZUSagen. Zugleich bieten sie allen Arbeitern, auch in fernsten Ländern, die mit ihnen gemeinsam arbeiten wollen, die Hand. 99 Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten arbeitet also nicht nur vom Standpunkt der Gemeinwirtschaft aus ungeheuerlich ver- schwenderisch, sie verschwendet auch vom privatkapitalistischen Gesichtspunkte aus, sie ist weit vom Optimum des ökonomischen Kräfteausgleiches entfernt. Man ist sich dessen in den Vereinigten Staaten weitgehend be- wusst. Deswegen ist die Kritik, auch der amtlichen Stellen, an den erwähnten Mängeln der Wirtschaft viel offener und gründlicher als bei uns. Wie systematisch man dabei vorgeht, dafür sei hier als schlüssiger Beweis jene Untersuchung gestreift, die nach dem Welt- kriege von der Kommission zur „Beseitigung der Verschwendung in der Industrie“ von den vereinigten amerikanischen Ingenieurgesell- schaften durchgeführt wurde. Man untersuchte und stellte erstaun- lich rückhaltlos fest, in welchem Ausmasse die amerikanische Wirt- schaft noch unrationell ist, weil sie überflüssige Verluste nicht zu vermeiden verstehe. Man hat in bewundernswert gründlicher Weise für das ganze Organisationsproblem der Produktionsbetriebe einen umfangreichen Fragebogen zusammengestellt. An der Hand dieser Angaben sind die einzelnen untersuchten Betriebe nach Punkten gewertet worden. Die Berechnungen wurden — und das ist für die Vereinigten Staaten charakteristisch — in drei Verschwendungs- oder Verlustgruppen zusammengefasst. Es wurde summiert, in welchem Ausmasse an den ökonomischen Verlusten der Wirtschaft erstens die Betriebs- leitung, zweitens die Arbeiter und drittens die äusseren Umstände die Schuld tragen. Es ergab sich dabei von den Schuldanteilen an der Unwirtschaft- lichkeit der untersuchten Industrien das folgende Bild: Untersuchte Industrien Leitung OU A N Bekleidungsindustrie ...... Sa 16 9 Bauindustrie Ars re u 21 14 Druckereien A er re 28 f Schuhindustie. re er ET 11 15 Metallindustrie Ka s S y 10 Textilindustrie (0.0... 50 10 40 Diese Resultate sind erstaunlich. Sie zeigen, dass die Organisation der amerikanischen Industrie gründlich unterschiedlich ist, dass so- wohl die äusseren Umstände wie die Arbeiter an den ökonomisch mangelhaften Zuständen verhältnismässig am wenigsten schuld sind. Den Unternehmern wurde nachgewiesen, dass in ihrer Un- tüchtigkeit die Hauptursache der Verschwendung in der amerika- nischen Industrie liege. Die schonungslose Zensur lautete, nach dem Gesichtspunkt, dass der mustergültige Betrieb gleich Null, der theoretisch schlechteste 7? Zi Durchschnittlicher täglicher Lohn des Eisenbahnpersonals zu Anfang 1924*) Grün 6 der Personen Tpelohm Tagelöhner LA. AR 74 557 2,87 Barrierenwärter und Signalisten. ........ 23 243 2,45 Streckenarbeiter. 1.0 0 Er Er 240 515 2,84 Angelernte Hilfsarbeiter ........ A. 12 579 3,88 Werkstatt- und Maschinenhaushilfsarbeiter .. 50 181 3,17 Werkstatt- und Maschinenhaustagelöhner ... 67 717 3,18 Wagenbauer (Werkstattarbeiter) ........ 142 526 5,49 Maschinenschlosser.. . 2... He al 68 845 6,01 Stationsangestellte 1 NEN 19 768 4,88 Telegraphisten, Telephonisten usw........ 27 705 4,97 Wagenführer (Personenzüge) .......... 10 839 6,72 Wagenführer (Güterzüge). . 17 354 6,23 Bremser und Signalisten (Personenzüge). .,/. . 15114 4,62 Bremser und Signalisten (Güterzüge)...... 40 347 4,91 Lokomotivführer (Personenzüge) ........ 13 438 6,30 Lokomotivführer (Güterzüge) .......... 24 299 7,46 Heizer und Hilfsarbeiter (Personenzüge) .... 13 096 4,73 Heizer und Hilfsarbeiter (Güterzüge) ...... 26 559 5,59 Bureaupersonal mit zweijähriger Dienstzeit . = 4,80 Bureaupersonal mit 1 bis 2 Jahren Dienstzeit 3,70 Bureaupersonal mit unter 1jähriger Dienstzeit . 3,54 * U. S. Railroad Labor Board, Wage Series Report Nr. 4, Februar 1924. **) Die Personenzahlen gelten für 1923. PD 169 grössten Teil noch vollständig unorganisiert, und selbst wenn sich einzelne Angehörige dieser Gruppen einer Gewerkschaft an- schliessen wollen, finden sie häufig keine Möglichkeit dazu. Die Federation hat diesen Übelstand natürlich erkannt und wendet ihm grosse und wachsende Aufmerksamkeit zu. Mehr als die ge- werkschaftlichen Landeszentralen in Ländern, wo das Netz der Organisation zwar auch noch nicht alle Arbeiter, aber doch alle Berufe umspannt, muss sie sich deshalb der Aufgabe unterziehen, direkte Organisierungsarbeit zu leisten. Wir haben bei der inneren Gliederung der Federation gesehen, wie sie sich dazu der Ein- richtungen der direkt angeschlossenen Lokalverbände bedient. In den einzelnen Orten werden von Beauftragten der Federation Anstrengungen gemacht, um die noch unorganisierten Gruppen in Lokalvereinen, teils beruflich abgegrenzt (local trade union), teils gemischt-beruflich (federal labor union) zusammenzubringen. Das Ziel ist, wenn genügend solcher Lokalvereine des gleichen Berufs errichtet sind, sie in Zentralverbänden zusammenzuschliessen. Bis dahin übernimmt für sie die Federation selbst die Rolle eines Zentralverbandes, zieht einen Teil der Beiträge ein und gewährt dafür gegebenenfalls Streikunterstützung. * * 4. Stellung zur Politik und zum Parteiwesen. Für die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben muss die Federation mit dem politischen System ihres Landes rechnen. In den europäischen Ländern ist die Arbeiterklasse bemüht, selbst einflussreiche politische Arbeiterorganisationen zu schaffen, um dadurch direkten Einfluss auf die Gesetzgebung zu bekommen. In den Vereinigten Staaten sind bisher alle solche Versuche fehl- geschlagen, und wir haben den Eindruck bekommen, dass bei der Mentalität der dortigen Arbeiterschaft auch in absehbarer Zeit etwas anderes nicht zu erwarten ist. Die beiden grossen Parteien, die demokratische und die republikanische, ringen um die politische Macht mit wechselndem Glück. Soweit wir das erkennen konnten, legt keine dieser Parteien Wert auf ein ausgeprägtes und bindendes Programm, so dass der Stellungnahme des einzelnen Abgeordneten ein grösserer Spielraum bleibt als unter dem bei uns üblichen Fraktionszwang. In vielen Fragen ist aus der Parteizugehörig- keit des einzelnen Abgeordneten im voraus überhaupt nicht zu erkennen, welche Haltung er schliesslich einnehmen wird. Die persönliche Bearbeitung der Parlamentarier und politisch einfluss- reichen Persönlichkeiten sowohl bei der Abgabe von Wahl- versprechungen wie bei den parlamentarischen Entscheidungen, aber auch in bezug auf die Verwaltungstätigkeit spielt deshalb im öffentlichen Leben Amerikas eine sehr grosse Rolle, und auch die 218 Deutschland stattgefunden hat —, sondern eine Auseinanderziehung eingetreten. Die Krise warf in den Vereinigten Staaten den Preisindex ge- waltig nach unten. Es mussten auch viele Löhne weichen. Dort, wo die Gewerkschaft hinter ihnen stand, ist es zum Teil gelungen, diese rückläufige Bewegung so stark abzubremsen, dass an einzelnen Stellen die Lohnkurve die Indexkurve zu überschneiden vermochte! In diesen Fällen trat eine reale Verbesserung des Lebensstandards (des Sozialniveaus) ein. Bei den Massen der ungelernten (unorga- nisierten) Arbeiter wirkte sich die Wucht des Preisrückschlages in den Löhnen deswegen besonders stark aus, weil zugleich infolge der Agrarkrise die Landwirtschaft viele Hände frei gab und heute noch frei gibt, die in die Industrie zur ungelernten Arbeit drängen. Das wirkt lohndrückend. Aus dieser doppelten Bewegung (Lohn- rückgang aus Preisrückgang und Lohndruck aus Überangebot von Arbeitskräften) blieb es nicht nur bei der grösseren Spannung zwischen den unteren und mittleren Arbeiterschichten, sie hat sich noch vergrössert. Die psychologische Auswirkung dieser Tatbestände ist recht ein- deutig: Je tiefer man in den einzelnen sozialen Arbeiterschichten der Vereinigten Staaten vordringt, um so grösser ist die Un- zufriedenheit, die Verbitterung. Überall wurde bestätigt, dass dieses Grollen derer, die im Schatten leben, heute vernehmlicher ist als vor dem Kriege. Bei uns in Deutschland ist die Not ebenfalls hörbarer als vor dem Kriege. Es mögen andere Ursachen als in Amerika dabei noch mitsprechen, aber es sind die gleichen Wir- kungen wie in den Vereinigten Staaten. Davon kann also nicht gesprochen werden, dass der amerika- nische Arbeiter zufriedener sei als der deutsche Arbeiter, und dass daraus dessen höhere Arbeitsleistung mit erklärt werden könne. Richtig mag sein, dass die Auslösung der Unzufriedenheit bei den deutschen und den amerikanischen Arbeitern von unterschiedlicher Art ist. Drüben herrscht in breiten Arbeiterschichten starke Ver- bitterung darüber, dass ihre Arbeit ihnen nicht die Möglichkeit einer anständigen Behausung — in amerikanischem Sinne — zu gewähren vermag; bei uns ist der Arbeiter verbittert, weil ihm sein Lohn nicht einmal das Geld für die Milch der Kinder und für die notwendigen Stiefelsohlen abwirft, und weil man ihm zugleich noch eine ver- längerte Arbeitszeit zumutet. Was würden unsere deutschen Arbeitgeber sagen, wenn ihre bestbezahlten Arbeiter ebenso wie amerikanische Bauarbeiter oder Tischler nicht einmal mit der44-Stunden-Woche „zufrieden“ wären, sondern die 40-Stunden-Woche diskutierten? Wie man die Frage nach der Stimmung des Arbeiters auch be- trachtet, man kommt auf Grund der deutschen und der amerika- 26 der Strasse wie im Restaurant, und dass die evangelischen und katholischen Kirchen womöglich noch pompöser sind als die übrigen. Es herrscht keinerlei Atmosphäre der Absonderung; es ist keine New Yorker Canal-Street, kein Amerikaner tut einen Seufzer der Erleichterung, wenn er Lincoln-Avenue hinter sich hat, und kein Deutscher fühlt sich in Fremdheit befangen, wenn er aus „seinem“ Viertel heraustritt. Der Deutsche gewöhnt sich nicht nur sehr rasch an die Lebensart des ihm stammverwandten Volkes, er gibt auch bereitwilligst den bescheidenen Lebensstandard seiner Heimat auf und akzeptiert die anspruchsvollere Lebensweise des Amerikaners. Das treibt ihn, wie den Amerikaner selbst, zu höheren Leistungen, aber auch zu erhöhten Ansprüchen als Arbeiter an den Unternehmer. Darum wird er vom amerikanischen Arbeiter nicht als unterbietender Wettbewerber gehasst oder gefürchtet. 2.Die höheren Schichten der Lohn-und Gehaltsempfänger. a) Die gehobene Arbeiterschicht. Dem angelsächsisch-deutschen Arbeiterelement, aus dem sich das Gros der meisten Gewerkschaften zusammensetzt, und das durch diese sich die höheren Löhne erzwingt, sind die südöstlichen Europäer und die Neger ausgesprochenermassen unerwünschte Konkurrenten. Darum gehörten die Gewerkschaften im allge- meinen zu den Befürwortern der Einwanderungsbeschränkung in ihrer jetzigen Form. Dennoch ist die Tatsache unverkennbar und eine ganz natürliche Erscheinung, dass, solange dieser Einwan- dererstrom ungehemmt andauerte, die ansässige Arbeiterschicht des Landes im Ganzen gesehen jeweils um die Grösse der von unten her zufliessenden Schicht sozial gehoben wurde. Diese Nach- füllung neuer Volkselemente verwischte und verschob beständig die Ansätze zu einer schärferen Abgrenzung der Gesellschaftsklassen in europäischem Sinne und hat volkswirtschaftlich eine ähnliche Bedeutung wie für England die auf niederer Stufe der Lebenshal- tung existierenden Kolonialvölker des britischen Weltreichs; nur dass sie zugleich das gesellschaftliche Bild des Landes unmittelbar gestaltete und veränderte. Wie wäre es möglich, dass in dem dünn bevölkerten und doch so rührsamen, produktionswuchtigen Gemeinwesen alljährlich grosse Massen Werktätiger in der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion in Leiter- und Eigentümerstellungen aufsteigen oder sich anderen, einträglicheren Erwerben oder höherem Studium zuwendeten — wenn nicht durch das Einrücken dieser Ersatz- bataillone? In dem Fordschen Unternehmen, das wie ein kunst- volles Modell die Zusammensetzung und Funktion der arbeitenden 1921 in irgendeiner Industrie die Aufträge nachlassey „bel umt uesWe "gen mit dem Zwang des Überflu SeS“ ein eigenarti | ampf um den Markt. 5 pihliothek & In den Warenhäusern wandern die schf er Be zZ bliebenen Waren, im Preise erheblich herab S izt, in das bi Kellergeschoss. Finden sie dort nicht bald ihre äüfer, müss nAie bei weiterem Preisabschlag mitunter noch ein Geschess weiterfach unten. Grundsatz ist auf jeden Fall, möglichst keine „Lädenhüter“ zu behalten. Ladenhüter sind gefährlich, sie sind gefrorenes Kapital, das aus dem raschen Umschlag des Kapitals ausgeschaltet ist. Bei der kurzlebigen, das ganze Volk einheitlich beherrschenden Mode sind viele Waren nach einer beinahe im voraus zu bestimmenden Zeit völlig unverkäuflich, das in ihnen investierte Kapital ist verloren. Sobald die Fabrikanten ein Nachlassen der Bestellungen beob- achten, setzt die Reklame, die Preisnachlässe ankündigt, mit aller Macht ein. Wir erlebten die Preisnachlasskampagne, die im dritten Viertel- jahr 1925 von den amerikanischen Automobilfabriken durchgeführt worden ist. Das ganze Jahr 1924 war für die Automobilindustrie nur ein mittleres Absatzjahr gewesen, 1925 hatte sich noch schleppender angelassen, war aber dann besser geworden, um im August rapid zur erneuten Verschlechterung zu neigen; im August 1923 waren 319 000 Personenautomobile verkauft worden, 1924 deren 255 000, 1925 dagegen nur 222 000 Stück. Angesichts dieser bedenklich stimmenden Tatsache nahm man zuerst an, dass sich der Augenblick ankündige, da die Vereinigten Staaten mit Automobilen im wesentlichen „gesättigt‘“ seien. Man versuchte es aber noch einmal — aus dem Zwang des Produktions- überflusses heraus — mit Preisherabsetzungen, die für manchen Betrieb mörderisch erschienen. Man ging mit den Automobilpreisen um 10 und dann sogar um 20 und 25 Prozent herab. Die Zeitungen, deren Inseratenspalten den grössten Teil der Reklame leisten, füllten sich mit den Annoncen der Automobil- fabriken, die sämtlich ankündigten, dass sie trotz der Verbesserung ihrer Produkte die Preise abgebaut hätten. Das führte über Er- warten Schnell zu einer neuerlichen Hochkonjunktur in der ameri- kanischen Automobilindustrie, die bis jetzt angehalten hat. Es ist aber nicht nur die Gewinnung einer neuen Käuferschicht, die die Konjunktur in der Automobilindustrie neu angekurbelt hat. Nach uns übereinstimmend gemachten Angaben waren es nicht nur diejenigen, die bisher noch kein Auto besessen hatten, die durch den herabgesetzten Preis zum Kauf gereizt wurden, sondern es kauften 67 dem Text unserer Quelle scheint dies allerdings nicht der Fall zu sein, da dort behauptet wird, dass die tatsächlich gezahlten Löhne im grossen und ganzen den nominalen Lohnsätzen entsprechen. Wahrscheinlich sind auch in diesen Stundenlöhnen zuweilen Akkordverdienste mit enthalten, so dass es falsch wäre, sie vor- behaltlos mit den deutschen Tariflöhnen zu vergleichen. Ausser- dem beschränkt sich die Tabelle auf die Darstellung der Löhne von 25 Industrien und Berufen; nicht enthalten sind z. B. der Bergbau, die Eisenbahner, die Ölraffinerien sowie die grossen Wäschereien und die schwer erfassbaren Gewerbe, in denen Heimarbeit und Zwergbetrieb die Lohnverhältnisse undurchsichtig machen. Ferner gründen sich die Angaben auf freiwillige Mel- dungen der einzelnen Unternehmen, von denen diejenigen, welche die schlechtesten Lohnverhältnisse haben, wahrscheinlich die Karten nicht auf den Tisch legen, also die Anfragen überhaupt nicht beantworten. Zieht man dies alles in Berücksichtigung, so sieht die Aufstellung der Tabelle vielleicht als Allgemeinbild etwas zu günstig aus, ohne jedoch eine völlig falsche Idee von den Ver- hältnissen zu geben, zumal die Berichte aus den verschiedensten Staaten stammen, obschon in sehr ungleicher Proportion. Für den industriellen Nordosten des Landes sind diese Angaben, auch wenn man sie als durchschnittliche nominale Lohnsätze nimmt, nach unseren eigenen Wahrnehmungen sicherlich nicht zu hoch gegriffen. Das beweist auch, dass die darin etwa enthaltenen Akkordverdienste das Ergebnis nicht entscheidend verändert haben. Für Deutschland ist eine verwertbare Statistik der tatsächlich, d.h. nach den Lohnlisten gezahlten Löhne überhaupt nicht vor- handen. Wir sind also bei dem Versuch einer Vergleichung auch hier auf die Tarifstatistiken der „Gewerkschafts-Zeitung‘ an- gewiesen. Zwischen den dort angegebenen nominalen Tariflöhnen und den tatsächlich gezahlten durchschnittlichen Stundenlöhnen mag eine gewisse Spanne liegen, wie sie durch Akkordverdienste, Überstundenzuschläge usw. entsteht. Setzt man diese Spanne ije- weils mit 12 Prozent des Nominallohnes ein, so ist sie — im Durch- schnitt einer ganzen Industrie — erfahrungsgemäss reichlich hoch angenommen. Dennoch wollen wir hier diese Annahme machen, um so wenigstens zu einem rohen Vergleichsmassstab für die hier und dort gezahlten Löhne zu gelangen. Der durchschnittlich gezahlte Stundenlohn für gelernte Arbeiter in der Metallverarbeitung ist mit 65,5 Cent oder 275 Pf. das Drei- undeinviertelfache eines der besseren deutschen Metallarbeiter- Tariflöhne oder das nahezu Fünffache der niedrigeren Löhne kleinerer Städte. Rechnet man, der obigen Erwägung gemäss, den deutschen Nominallöhnen je 12 Prozent hinzu, so bleibt der ameri- kanische Durchschnitt immer noch annähernd das Dreifache der 164 Zentralen gezahlt werden, gibt eine Aufstellung der Federation für das letzte Jahr folgenden Aufschluss: Ausgaben der Zentralverbände für Unterstützungen im Jahre 1924/25 Verband Sterbegeld Kranken-| Reise- Werk- | Arbeits- a an A a unter- unter- | .. | Sen yndlaer Wen stützung stützung' sicherung|stützung 8 _ Dollar | Dollar Dollar _‘_ Dollar , Dollar ' DoNar_ Bäcker 14644 3275 116550: - = Besen- u. Bürstenmacher 1800 — ee = Bautischler u. Zimmerer 655310 — | — Bildhauer‘... 13 2700 — > = Zigarrenmacher ..... 223278 — ‘162370! 7866| 7958 Stoffhut- u. Mützenmach. - => 8667 — | 4074 Schlafwagenschaffner . 23000 — — 1 — | 5 Diamantarbeiter. .... 2250 — — = 16 204 Flaschenmacher. .... 44245 — =. = -— Bauhilfsarbeiter ..... 28800 — = = — — Hotel- u. Gastwirtsang. 39375 — 41854' — > — Wäschereiarbeiter. ... 2300 — — 2300 — Marmorpolierer ..... 1 500 “ - - —— Steinarbeiter. ...... 4 138 “ - Piano- und Orgelmacher 400 30 N 20 Buchdrucker:. ........ 96953 — - Straßenbahner. ..... 871324 - Dachdecker... 9 400 ® Stereotypeure ...... 10 400 Ofensetizer. .. 2... 2550 2629 Maßschneider ...... 8 668 en — Handelstelegraphisten . 1575 ; — Typographen .....0. 373263 Tapetenmacher... ...... 3200. , Insgesamt || 2 421 073 | 3355 [515519 11 563| 2331 | 30 885 Demnach sind es von den 107 angeschlossenen Verbänden nur 24, die zentrale Unterstützungseinrichtungen eingeführt haben, wovon die meisten nur Unterstützung in Sterbefällen zahlen. Wie schon gesagt, ist dies aber nur ein Auszug aus dem gesamten Unter- stützungswesen, das in der Hauptsache bei den Lokalunionen liegt und deswegen in der obigen Aufstellung nicht enthalten ist. Die A. F. o. L. hat ihren Sitz in Washington und wird geleitet von einem elfköpfigen Vorstand: dem Präsidenten, dem Sekretär, dem Kassierer und acht Vizepräsidenten, die sämtlich vom alljährlich stattfindenden Kongress gewählt werden. Nach dem Tode von Samuel Gompers übertrug der Vorstand die Nachfolgerschaft an William Green, welche Wahl vom nächsten Kongress in Atlantic a 214 Neben einem allgemeinen Gesichtspunkt kann also der niedrigere Lohn der eingewanderten Arbeiter ein ökonomischer Nachteil sein, da er nicht nur eine verminderte Kaufkraft dieser Verbraucher und so eine geringere Güternachfrage bedeutet, sondern den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt hemmt, der für bessere und billigere Erzeugung unent- behrlich ist.“ Wir wissen nicht, ob auch politische Motive für diese Stellung- nahme mit entscheidend waren. Aber auch wenn dies der Fall wäre, würden die allgemeinen Gesichtspunkte, die über die Be- deutung der Lohnhöhe in der Volkswirtschaft geltend gemacht werden, an Richtigkeit nichts einbüssen. In der Tat ist das Hoch- treiben der Löhne, vom kapitalistischen Unternehmertum zumeist als eine gemeingefährliche Bedrohung der Wirtschaft und des Allgemeinwohls bezeichnet, das allerwichtigste Mittel zur Hebung und Verbesserung der Wirtschaft. Umgekehrt sind niedrige Löhne nicht nur ein sozialer, sondern auch ein ökonomischer Fluch. Ungewohnt für uns ist es nur, solche vernünftigen Ansichten bei einer so autorisierten Unternehmerinstanz zu finden. Sie bedeuten die glänzendste Rechtfertigung der Gewerkschaftsbewegung, die damit selbst von ihrem Gegner im sozialen Kampf die wenn auch wohl ungewollte Anerkennung bekommt, dass ihre Tätigkeit für die Hebung der Löhne zu den notwendigsten und wertvollsten Funktionen in der Volkswirtschaft gehört. 9. Das Label. Eine Eigenart der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung ist die Anwendung des „Label“, des gewerkschaftlichen Schutz- zeichens, durch das für den Konsumenten kenntlich gemacht werden soll, ob eine Ware zu gewerkschaftlichen Bedingungen hergestellt worden ist. Die Erfindung dieser Idee wird den Carpenters von San Francisco zugeschrieben, die es im Jahre 1869 in einer Kampagne für den Achtstundentag einführten. Allgemein bekannt wurde dieses Mittel dann aber erst mehrere Jahre später, als die Zigarrenmacher von der Westküste sich seiner bedienten. In diesen Beruf waren chinesische Arbeiter eingebrochen, die von gewissenlosen Fabri- kanten zu unglaublich niedrigen Löhnen, aber auch unter Miss- achtung der einfachsten sanitären Massnahmen ausgebeutet wurden. Angesichts der Gefahr, von dieser Konkurrenz völlig verdrängt zu werden, gingen die Zigarrenmacher von San Francisco dazu über, ihre Erzeugnisse mit einer Schutzmarke zu versehen und im ganzen Lande eine Propaganda zu entfalten, um die Gesundheitsschädlich- keit derjenigen Zigarren, die kein Label trugen und also wahr- scheinlich von den unsauberen chinesischen Kulis hergestellt waren, in das rechte Licht zu rücken. Die Methode eines solchen sanitären 234 R 2 bei uns. Dafür tritt die Berufsolidarität mehr in d Wördersrun® Die amerikanischen Gewerkschaftsmitglieder sid. stolz darauf,‘ dass ihr Verband für ihre Berufsgruppe gute Arbeitsbedinguhgen erreicht hat. Aber es ist ihnen nicht recht einle ıchtend, dass sie“ besondere Anstrengungen machen, ja persönlich Opfer bringem sollten, um auch solchen Arbeitergruppen, die ihnen beruflich fertz stehen, zu den Vorteilen der Organisation zu verhelfen: *Nichtohrie Mitleid, aber doch mit einer gewissen Verachtung blicken sie auf diese Gruppen herab, die nicht organisiert sind und deshalb schlechte Arbeitsbedingungen haben. Warum gründen sie für sich nicht auch Gewerkschaften? Für den deutschen Gewerkschafter ist es eine erstaunliche Be- obachtung, nicht nur dass ganze und grosse Berufsgruppen völlig unorganisiert sind, sondern dass die organisierten Gruppen dieser Tatsache mit ziemlichem Gleichmut gegenüberstehen. Im ganzen gesehen ist das Organisationsverhältnis in den Vereinigten Staaten nicht gut. Im Jahre 1920, als die Mitgliederzahl der Federation mit über 4 Millionen ihren Höhestand erreicht hatte, waren unter Ein- rechnung auch der anderen Gewerkschaften von den mehr als 26 Millionen Lohnempfängern doch nur weniger als 20 Prozent gewerkschaftlich organisiert. Inzwischen ist die Zahl der Arbeiter sicher noch grösser geworden, die der Gewerkschaftsmitglieder aber um 30 Prozent gesunken. Wir haben aber gefunden, dass organisierte Arbeiter, mit denen wir dies besprachen, keines- wegs das Empfinden hatten, als ob dadurch ihre eigenen gewerk- schaftlichen Erfolge nennenswert beeinträchtigt werden könnten, sofern nur ihre eigene Organisation gut beieinander sei. Es scheint, als ob das Interesse vieler Gewerkschaftsmitglieder sich nur auf den eigenen Verband beschränkt und oft nicht über die engere Local union hinausreicht. Das ist ein Übel, das in einem gewissen Grad wohl. in allen Ländern anzutreffen ist, in der amerikanischen Be- wegung aber ganz besonders stark vorherrscht. Wir wissen uns eins mit den Führern der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung, wenn wir in dieser auffallenden Gleichgültigkeit gegenüber der Ge- samtbewegung eine ernsthafte Gefahr auch für diejenigen sehen, die heute noch glauben, genügend geschützt zu sein, wenn nur die eigene Gewerkschaft stark ist. Gerade in den Vereinigten Staaten, wo die Industrialisierung und Mechanisierung des Arbeits- prozesses schnellere Fortschritte macht als irgendwo sonst in der Welt, ist das Problem, die gesamte Arbeiterschaft gewerkschaftlich zu umfassen, besonders dringlich. Die bisherigen Gewerkschaften sind entstanden, wo sie am leichtesten zu errichten und wo am schnellsten sichtbare Erfolge zu erzielen waren, d. h. vorwiegend bei den qualifizierten Arbeitern. Sowohl die Ungelernten als auch die Angestellten in den Bureaus und Verkaufsläden sind zum 217 IV. Lohn und Lebenshaltung in Amerika. Seite — “1. Amerikanische Löhne ....... „1570 2. Preise und Lebenshaltung. — Reallöhne...............u- 172 V. Eine kleine Sonderbetrachtung. Das Alkoholverbot oder die „Prohibition“ ............ -...... 185 VI. Zusammenfassung. 198 Il. Kapitel: Die Gewerkschaltsbewegung in den Vereinigten Staaten... E99 1. Gewerkschaiftliche Auffassungen in Europa und Amerika ...... 201 2. Aus der Entstehungsgeschichte des Gewerkschaftsbundes (American Federation of Labor) ..................00047+ 072 207 3. Umfang, Gliederung und Aufgaben .............-............. . 209 4. Stellung zur Politik und zum Parteiwesen .............0....1 218 5. Kartellgesetz und Einhaltsbefehle ................100.00.00... 022 6. Betonung der Berufsinteressen .............0.0..00000401404000, 226 7. Grenzstreitigkeiten RE Ken nenn u BDO 8. Die Finwanderungsfrage .....e lea nt ner AS 9.Das Label a RT WERE DEE Wahn LO 10. Neuzeitliche Probleme für die amerikanischen Gewerkschaften .. 237 IV. Kapitel: Die Arbeiterbanken 0 DE Schlussbetrachtungen zn N aA 5) Auch ausserhalb des Industriebetriebes findet man nicht die hart- hölzernen Schubladen der standesmässigen Separation. Der „geistige Mittelstand“ reicht mit seinen unteren Finkommen ohne jede Ehrfurchtsdistanz unmittelbar an und unter die Grenze der höheren Arbeiterlöhne, während seine höheren Einkommen gleich- falls einen fast unbegrenzten Spielraum haben. Als Beispiel mag hier angeführt werden, dass die üblichen Gehälter der amerika- nischen Hochschuldozenten eine untere Grenze von etwa 3000Dollar pro Jahr aufweisen, ein Einkommen, das auch die organisierten gelernten Bauarbeiter, Buchdrucker, Giesser und Former erreichen. Bewährte oder berühmte Lehrkräfte dagegen haben, ebenso wie Journalisten von Ruf, sehr grosse Einkommen. (Arthur Brisbane, der kluge und gewandte Leitartikler der Hearst-Zeitungen, hatte, wie man sagt, schon vor 20 Jahren ein Einkommen von 75000 Dollar, und auch die beliebtesten und gelesensten Autoren der vielen wöchentlich oder monatlich erscheinenden Magazine erzielen er- staunlich hohe Einnahmen.) Fast überflüssig zu sagen, dass die Einkommen der in freier Konkurrenz stehenden akademischen Berufe, der Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler usW., erst recht alle Variationen zwischen der Proletariergrenze und den grössten Fabelsummen aufweisen. Im allgemeinen aber kann man sagen, dass „geistige“ Berufe, wo und sofern sie irgendeinem Einkommenschema unterliegen, ge- ringere Unterschiede gegenüber dem Arbeiterlohn zeigen als in unserem Lande. Sahen wir das schon im Falle der akademischen Lehrer, so tritt es noch krasser hervor bei Betrachtung des Landes- durchschnitts der verschiedenen Gehälter der Volksschullehrer, wie sie die nachfolgende Aufstellung für das Jahr 1924 des Research Bulletin (Band III, Nr.1 und 2, 1925) der National Education Association zeigt: Land- und Kleinstadtschulen: Schulen mit 1 Lehrer. .. 755 Dollar liegen unter dem Schulen mit 2 Lehrern . , 743 Dollar | Jahreseinkommen der Landschulen mit 3 und Eisenbahnhilfs- Vgl.Tab.S.169 mehr Lehrern ..... 804 Dollar J arbeiter Dorf- und Kleinstadt- ya anchl dem Jahres- schulen mit 3 und mehr durchschnittslohn in Lehrern. ,;......1114 Dollar J derWollwarenindustrie vgl. Tab.S.183 Städtische Schulen: Entspricht dem Jahres- In Städten mit durchschnittslohn der: 5-10000 Einwohnern .1231 Dollar Papierwarenindustrie 10-30000 Einwohnern . 1354 Dollar Papierfabrikation vgl.Tab.S.183 30-100000 Einwohnern 1528 Dollar Gummiindustrie | EA üb. 100000 Einwohnern 1968 Dollar Zeitungsdrucker U 136 Das Baumwollgebiet der Vereinigten Staaten (schraffiert). Westens und Mittelwestens Mindestlohngesetze für weibliche Arbeitsleistung. Es kommt aber hier wie bei anderen Gesetzen häufig der uns seltsam erscheinende Fall vor, dass eine auf dies Gesetz gestützte Klage abgewiesen wird, weil das Gericht das be- treffende Gesetz als verfassungswidrig erachtet. (In diesem Falle, weil es die persönliche Freiheit und Vertragsfreiheit behindert!) Staatliche Verbotsmassnahmen gegen die Kinderarbeit wurden immer und immer wieder vom Bundesparlament für verfassungs- widrig erklärt — zuletzt im Jahre 1922. Dabei ist das bedenkliche die Zunahme besonders der Kinderarbeit gerade in den letzten Jahren. Es sind heute über eine Million Kinder unter 15 Jahren beschäftigt, darunter auch über ein Viertel Mädchen. Der grösste Teil dieser Kinder — 329 000 — arbeitet in der Landwirtschaft, der zweitgrösste — 17 200 — im Handel, der nächstgrösste — 12 170 — in häuslichen Diensten, und an vierter Stelle steht die Industrie, die etwa 9500 Kinder beschäftigt. Beinahe 7000 Kinder sind mit Bureau- arbeiten beschäftigt. Nicht statistisch erfasst sind die Kinder unter zehn Jahren, die in der Heimarbeit und auch in der Landwirtschaft nicht gerade selten beschäftigt sind. Und den Typ des Zeitungs- jungen, der, müde von der Anstrengung, in der Strassenbahn ein- schläft, wie ihn der englische Schriftsteller H. G. Wells vor andert- halb Jahrzehnten in seinem Buch über Amerika schilderte, gibt es auch heute noch. 118 glossiert: „Wenn nun gar ein Richter sich vergessen würde und dem Parlament die Gesetzgebung untersagt — will jemand be- haupten, dass dem Folge geleistet werden müsste?‘“ Es scheint, als ob in der Tat diese Frage in den Vereinigten Staaten ernsthafiter zu betrachten ist, als es Gompers vordem ahnte. Jedenfalls ist durch diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes die Rechts- lage für die Gewerkschaften wieder sehr unsicher geworden, und es ist noch nicht abzusehen, welche Folgerungen sich daraus ergeben können. Nicht nur die Unsicherheit in bezug auf die Antitrustgesetz- gebung, sondern auch das System der richterlichen Einhaltsbefehle gegen die gewerkschaftlichen Kampfaktionen, die auch aus anderen Gründen als dem Antitrustgesetz erlassen werden, bedeuten für die Gewerkschaften eine unausgesetzte Bedrohung, die ungeheuer verbitternd wirkt. Bei ausbrechenden Arbeitskonflikten gelingt es den Unternehmern sehr häufig, solche Einhaltsbefehle zu erwirken, die es den Gewerkschaften unmöglich machen sollen, die für einen Streik erforderlichen Massnahmen, wie Streikpostenstehen, durch- zuführen und die Streikenden zu unterstützen. Zwar ist der Streik an sich gesetzlich nicht verboten. Wenn aber ein Richter glaubt, dass durch die Aktion und die damit ver- bundenen Massnahmen möglicherweise ein Gesetz verletzt werden könnte, fühlt er sich zum Erlass eines Einhaltsbefehls berechtigt. Ist ein solcher Befehl erlassen, gilt die Fortführung von Kampf- massnahmen, auch wenn sie sich durchaus im Rahmen der Gesetz- lichkeit bewegen, als ein ungesetzliches und strafbares Vergehen. Bei der offenkundigen Parteilichkeit mancher Richter kommt dieses Verfahren zuweilen der Aufhebung des Streikrechts vollkommen gleich. Allerdings wird die Willkürlichkeit dieses Rechtszustandes in der Praxis dadurch gemildert, dass die Richter in den Vereinigten Staaten keineswegs so geschlossen hinter den Unternehmer- interessen stehen wie etwa im kaiserlichen Deutschland. Und manche erlassenen Einhaltsbefehle blieben schliesslich unwirksam, weil die Heiligkeit solcher Erlasse von den beteiligten Arbeitern nicht übermässig respektiert wird und die polizeilichen Voll- ziehungsorgane der offiziellen Gerechtigkeit bei solchen Gelegen- heiten nicht immer den Eifer entwickeln, den die bestreikten Unternehmer gern sehen möchten. Wenn deshalb auch der Ge- werkschaftskampf praktisch nicht in dem Masse behindert wird, wie es nach der theoretischen Rechtslage scheinen könnte, so bleibt doch noch genug übrig, um die gewaltige Empörung zu begreifen, die die Arbeiter in dem „freiesten Lande der Welt“ gegen dieses System haben. 995 Durchschnittliche nominelle wöchentliche Arbeitsstunden in verschiedenen Industrien im Juli 1914 und im September 1924 *) Industrien Juli 1914 September 1924 Baumwollindustrie (Süden). ........... 58,3 54,9 Farben- und Lackfabrikation. .......... 53,0 52,3 Holzbearbeitung. „2.0.00. 00 m 56,4 52,7 Chemische Industrie... ee 57,2 51,3 Baumwollindustrie (Norden) ..........- 54,4 50,6 Papier- und Kartonnagenerzeugung. ...... 57,4 50,6 Strumpfwaren- und Trikotagenindustrie . ... 58,1 50,2 MÖöbEHNdUSINE 2 A A a ze a A 54,9 50,1 Giessereien und Maschinenfabriken. ...... 54,7 50,1 Lederindustrie . . „2... 000 4 04 CE 58,4 50,0 Automobilindustrie ....... A 55,0 49,9 Landwirtschaftliche Maschinen .. ...... 54,8 49,8 Fleischfabrikation. +... ar ı 0 a 59,3 49,1 SeidenindustMe 4.20 A Sr ie ern 54,6 48,8 Wolndustne Ele 54,1 48,7 Schuhinduste. a nn OR ER 55,2 48,7 EBilektrische Apparate... 0 He ee 54,1 48,6 Papierwarenindustrie:. ..:. . aan He 55,0 48,3 Gummifabrikation. 2... 0 en eG 52,8 48,0 Buch- und Akzidenzdruck ...... . 0.0 48,7 1 47,5 ZeitUNgSdrUCk en re 49,0 46,4 Von obigen Industrien hat also nur noch die Baumwollindustrie des Südens den Neunstundentag, während alle anderen weniger als neun Stunden arbeiten, *) Quelle: National Industrial Conference Board. Die gewerkschaftliche Arbeitswoche war in den verschiedenen Berufen 1913 bzw. 1924**) Be riwde 1913 1924 Schmiede... os RR em 48 —54 44—48 Kesseischmiede 1. er een rl 48—54 44—54 Mater UP ER 44—53 | 44—48 Bauhilfsarbeiter... 7... 21.0 H ET) Re 44—60 44—50 Bautischler und Zimmerer... 1... ++ 44—53 44—48 Buch- und Akzidenzsetzer (Handsetzer). .... 48 44 Buch- und Akzidenzsetzer (Maschinensetzer). . 45—48 44 Zeitungsselzer en BE 39—48 42—48 Granithauer .. 2 44—48 40—44 Maschinenschlosser 2... 48—60 44—50 Former und Oiessern da 48—50 44—50 AUStreiCHe a ehen 44—53 40—48 Installateure. 05. 0 RR 44—53 40—44 Steinhauer ee 2 CH in 44—48 : Eisenkonstruktionsarbeiter . ........- 44—48 *) U. S. Department of Labor, Monthly Labor Review, September 1925. “n 153 dann am Ausgang an einer Art Sperre entrichtet wird. Infolge dieser Einrichtungen werden die Kosten des Unternehmens für die Bedienung auf ein Unbedeutendes gebracht. In einem gewählteren Lokal, das man in Deutschland ein „bürgerliches Restaurant‘ nennen würde, haben wir für den gleichen heimatlichen Genuss das Doppelte, also 50 Cent gezahlt, weil dort männliche Kellner- bedienung und einige Ausstattung der Räumlichkeit den Betrieb verteuern. Ähnlich verhält es sich mit den Preisen für Wäsche und Kleidung. Man kann stundenlang darüber diskutieren, ob ein bescheidener, fabrikmässig hergestellter Anzug in New York um 5 oder um 10. Prozent oder gar nicht teurer sei als in Berlin; sehr viel teurer als in Deutschland ist gewöhnliche Kleidung auf keinen Fall, während Massware wieder wesentlich teurer ist, da ihr Preis viel Arbeitslohn enthält. Ist also bei einer Lebenshaltung auf tieferer Stufenleiter (wenn man von den gerade auf niederer Stufe sehr verschiedenen, aber auf jeden Fall hohen Mietpreisen absieht) die Kaufkraft des Dollars mindestens der von drei deut- schen Reichsmark gleich, so ändert sich dies, sobald man in höhere Regionen des sozialen Daseins steigt. Der besser bezahlte Arbeiter, der ein Vier- und Fünffaches seines deutschen Berufs- lohnes erhält, gibt von seinem Einkommen einen viel geringeren Bruchteil für blosse Nahrung aus. Seine Kleidung ist bereits von der teureren Art. Er bewohnt die guten Wohnungen, die das Vier- bis Fünffache der gleichwertigen deutschen (nicht von Arbeitern besetzten!) Wohnungen kosten. Er leistet sich ferner vieles von dem, was unter das Konto „Verschiedenes“ fällt und nahezu restlos teurer ist als bei uns, ob es sich um Bücher handelt oder verbotenen Schnaps, Grammophone oder Gaskocher, Radioapparate oder eine Bronzebüste des Generals Dawes. Auch Möbel und Hauseinrich- tungen aller Art, die beim wohlsituierten Arbeiter einen grossen Posten ausmachen, sind teurer als bei uns und auch seit der Vor- kriegszeit‘ stärker im Preise gestiegen als anderer Lebensbedarf, wie unsere Zergliederung des amerikanischen Teurungsindex auf Seite 181 zeigt. Die Kaufkraft eines höheren Verdienstes ist also bei entsprechender Lebensführung geringer. Dafür sind diese Einkommen nominell bedeutend höher als bei uns. So wird die Kaufkraft des Dollars immer geringer, je vielfältiger und an- spruchsvoller die Lebenshaltung ist. Schon für den „bürgerlichen Haushalt‘, dem auch derjenige des besser entlohnten Arbeiters zu- zuzählen ist, gilt der Dollar nur noch etwa das Doppelte, höchstens Zweieinhalbfache der Mark, und geht man in eins der grossen Hotels mit ihren zahlreichen Bedienten und dem fabelhaften Komfort, so ist der Dollar eben noch der Mark gleich. Diese Preisunterschiede auf den verschiedenen Ebenen der Lebenshaltung sind entschieden grösser, und viel grösser, als in Deutschland. 196 Amerika hat auf diesem Gebiete die Entwicklung aus der Betriebs- praxis heraus einen grundsätzlich anderen Weg genommen. Man erstrebt die Zerlegung der Arbeitsvorgänge und die Automatisierung der Maschinen, der Arbeiter gibt dann, wenn er mehrere Maschinen zugleich beobachtet, nicht vermehrte physische Kraft aus, seine Funktionen nähern sich einer Art Aufsichtstätigkeit. Hier wird natürlich auch bei einer quantitativen Häufung der Auf- sichtspunkte hohe Intensität der Arbeit erzwungen. Etwas anderes, als was auf diesem Gebiete in Deutschland üblich ist, sahen wir in den Vereinigten Staaten nicht. Die Zulagebeschäftigungen, die in Deutschland sehr üblich sind, die Nebenarbeiten, die auch vom qualifiziertesten Arbeiter verlangt werden und teilweise eine erhebliche quantitative Intensivierung der Arbeit ergeben, obwohl sie die Produktivität der Hauptarbeit herabdrücken, fanden wir in modernen amerikanischen Betrieben überhaupt nicht. Das amerikanische Werkstattprinzip geht darauf hinaus, den Arbeiter auf seine Hauptfunktion zu konzentrieren, ihm Nebenarbeiten abzunehmen. Von einer Tendenz, den quantitativen Leistungseffekt des Arbeiters dadurch zu erhöhen, dass er ver- schiedenerlei Arbeiten ineinanderzuschachteln hat, konnten wir demnach in Amerika nichts feststellen. Über die Lohnmethoden — Akkord, Prämie — als Mittel zur quantitativen Leistungssteigerung ist im zweiten Teile des Berichts ausführliches Material gegeben. Es erübrigt sich deswegen, hier auf diese Frage im einzelnen einzugehen. Zusammengefasst sei nur gesagt, dass die amerikanischen Lohnmethoden im wesentlichen den deutschen Lohnmethoden durchaus verwandt sind. Wenn auch ınit irgendwelchen, gern tayloristisch genannten Prämiensystemen hier oder dort Reklame gemacht wird — in Beziehung zur Gesamt- wirtschaft, zu den allgemeinen Entlohnungsmethoden handelt es sich dabei um Einzelfälle, wie etwa in Deutschland bei den Arbeiter- gewinnbeteiligungen und ähnlichen Versuchen. Unsere Betrachtungen zeigten bisher schon, dass die höhere Leistung der amerikanischen Wirtschaft und auch der zweifelsfrei im allgemeinen höhere Leistungseffekt des amerikanischen Arbeiters nicht auf grössere physische Intensität seiner Arbeit zurückzuführen ist. Immer wieder sind wir bei unseren vorstehenden Untersuchungen auf die Unterschiedlichkeit der Produktionsmethoden gestossen, die andere Leistungseffekte ergeben. Diese Produktionsmethoden und im besonderen ihre technischen Grundlagen seien nunmehr erörtert. A8 Höchste und niedrigste Kleinhandelspreise der vorstehenden Tabelle Cent |Pfennig Cent Pfennig Prozent Rindfleisch: beste Qualität... ...... 2327 | 151 53,3 ‚246 63 billigste Qualität ....... 10,8 | 50 | 19,4 | 90 80 Schweinekotelette ....... 31,6 | 146 42,2 | 195 34 Speck in Scheiben ....... 41,3 | 191 57,4 ‚265 39 Schinken in Scheiben ..... 49,0 |226 || 61,0 282 ı 25 Hammelkeule;. ..... 38,1 [153 1419 194 27 An 832,8 [152 044,3, 205 35 Lachs (konserviert). ...... 27,7 |128 | 37,4 173 35 Mi 10,0 | 37 | 19,0 ı 70 90 Butter... er WORT ka 349 61 Oelmargarine .......... 26,9 | 124 | 37,6 174 40 Nussmargarine .......,.. 25,7 [119 | 33,9 157 82 Ki 33,0 |152 | 40,1 185 22 Biete a SA E92 207 44 Brot... 04 ae 80a [108 SO 35 MEERES area BEN 42 Weisse Bohnen... 5... 26140 | 5 58 45 KarloHein ee ea ‘4 6,4% ‚94 193 Zucker (gemahlen) .. .....: 8 129 9 4 Dee ea Se 98,8 | 456 5 Kalte... 8 [540249 ; PHAMMER A SL late 4 Apfelsinen. ........... 48,5 |204 ‘ı 68,5 |288 j 180 zusammen. Taschenuhren, Gaskocher, Oberhemden, Modeschuhe, illustrierte Zeitschriften, Fleisch-, Gemüse- und Früchtekonserven sind in etlichen der gebräuchlichsten Typen übers ganze Land ver- breitet und werden zuweilen von einer einzigen Firma millionenfach hergestellt. Henry Ford allein liefert in wenigen Typen über die Hälfte der in einem Jahr in ganz Amerika gekauften Automobile. Ein anderer Unternehmer verstand es, durch Behendigkeit und ge- schickte Reklame (die ihm pro Jahr eine Million Dollar kostete) sich zum Hauptlieferanten seines Volkes für den allerorten und zu jeder Tageszeit gekauten Zuckergummi zu machen. Er thront heute zu Chicago als einer der reichsten Bürger der Stadt, und so gründet sich die Macht vieler Geldkönige auf solchen Massenabsatz. 3. Die Einwanderung. Für die soziale Betrachtung bedeutungsvoller als die soeben kurz aufgezeigte Bewegung und Beweglichkeit in den Schichten des Mandels und der Unternehmungen sind die Flüssigkeit und die Be- wegung in jener Masse, die wir als „die Arbeiterklasse“ bezeichnen. Es sei hier nämlich vorweg erwähnt, dass es in den Vereinigten Staaten ernst zu nehmende und durchaus nicht eben „reaktionäre“ Soziologen und Volkswirtschafter gibt, die bestreiten, dass die Arbeiterschaft der Vereinigten Staaten eine Klasse im europäischen Sinne darstelle: eine Vielheit von Menschen annähernd gleicher Lebenslage und Lebensgewohnheit, für die ausserdem in ihrer Ge- samtheit ihr Schicksal als unterste und ärmste Schicht des Volks- ganzen ein unentrinnbares sei, und die gar in dieser Erkenntnis einen gemeinsamen Geist und Willen entwickele. Vielleicht lassen die nachfolgenden Betrachtungen uns erkennen, inwieweit diese Auffassung richtig oder unrichtig ist; auf die akademische Beant- wortung einer akademischen Frage kommt es indessen hier nicht an. Dass der allgemeine Aufschwung des Landes und die immer steigende Produktion auch der Arbeiterschaft zugute kommen, was sich in den im Vergleich zu irgendeinem Lande Europas hohen Löhnen ausdrückt, ist offensichtlich und unbestritten. Begünstigend wirken hierbei die Dünne der Bevölkerung und der Mangel an Ar- beitshänden, der in keinem Lande mit so starker wirtschaftlicher und industrieller Rührigkeit so gross ist wie in den Vereinigten Staaten. Nun wird die werktätige Bevölkerungsmasse aber ständig von unten her nachgefüllt durch das Zuflussrohr des New Yorker Hafens, durch das sich die europäische Finwandererschaft ins Land ergiesst. 101 1. KAPITEL: DIE GEWERKSCHAFTSBEWEGUNG IN DEN VEREINIGTEN STAATEN m ——- = . Die Südstaaten und deren typische Negerstaaten. Hay” > | x YP g N ; Sa Ka a Washington ES TS A ver” s u N / Montan a DS 5 N : a Dakota . X | 12000 Süd- AewotE Idaho. Dakota A LT a” Wyoming na A 2 \DennsyWd N ! Nebraska Ohio AS Districh Columbia \ > Mh R 7 evada ı 1 \ Mlinois | d (ER O5 Washington 29 ' Utah ; SC Sy (Stadt) | a Colorado 1 ; IV A 0 35 £ Kansas | Missouri 4 I 8 ord-Carolina N UN A e 35-45 pn “A TennessSE SH. AlizO Neu- Oklahoma ; 6 55-60 Y!ina Na Mexiko 5 ' fissis- Ah / Orr 5. A . n Ya N a a =. Ippl 2 „x EZ = A { Loul- 2 55 “es ms gu“ Sana . „8 Texas 35-445 F Die obere der beiden verstärkten Linien umgrenzt das “ * historische Gebiet des „Südens“ und der ehemaligen ) > ) Negersklaverei (31 Millionen Einwohner). Die untere Linie umschliesst diejenigen Südstaaten, die heute noch die stärkste Negerbevölkerung aufweisen. Sie haben insgesamt 17 Millionen Einwohner. Die Ziffern BD} bezeichnen d. Prozentsatz d. schwarzen Bevölkerung, 1. KAPITEL: AUS DEM SOZIALEN LEBEN AMERIKAS 3. Häufung der Funktionen: a) Mehrere Maschinen in einer Hand (Textilindustrie!), b) Erledigung verschiedener Arbeiten durch einen Arbeiter (Nebenbei-Arbeit). 4. Umbildung der Lohnmethoden: a) Stücklohn (Akkord), b) Prämien. Das Prinzip ist also die Erreichung eines Maximums durch Häufung aller quantitativenBeschleunigungsmomente der physischen Arbeit einschliesslich Ausdehnung der Arbeitsdauer. Wir sind der Auffassung, dass es mit zu den Hauptaufgaben der Studienreise gehörte, an der Hand der Tatsachen zu prüfen, inwie- weit diese deutsche Betriebsideologie in den Vereinigten Staaten von Amerika als gleichgerichteter Gedankengang vorhanden ist; mit anderen Worten: Inwieweit die wirtschaftlichen Erfolge und im besonderen die Produktionsleistungen der Vereinigten Staaten auf praktisch angewandte OQuantitätstheorie zurückzuführen sind. Weiter war zu beobachten, ob etwa andere als die erwähnten theoretischen Auffassungen in die Praxis der Amerikaner übersetzt worden sind. Oder ob aus dieser Praxis wissenschaftliche Formeln zum Leistungsproblem entwickelt wordensind, die mit der deutschen Quantitätstheorie nicht übereinstimmen. Die entsprechenden Beobachtungen wurden zumeist praktisch in den amerikanischen Betrieben durchgeführt. Literatur arbeits- wissenschaftlicher Art wurde ebenso in den Hintergrund gestellt, wie die häufig in die Hand gegebenen Darstellungen, in denen Ge- schäftsleitungen die Methoden und Erfolge ihrer Arbeit unter be- triebswissenschaftlichen Gesichtspunkten aufzeigen. Diese weit verbreiteten Arbeiten sind dadurch charakteristisch, dass sie mit Reklame verknüpft sind; es ist allerdings eine psychologisch fein- fühlige Werbemethode. In der Mehrzahl der Fälle mag der Fehler Solcher Darstellungen weniger in der Sache selbst liegen, er ent- Steht daraus, dass die Väter solcher arbeitsorganisatorischen Leistungen mit elterlichem Optimismus auf die Kinder ihres Geistes Schauen; es mangelt ihnen an der uninteressierten Objektivität. Die Nachteile jeder Darstellung, die vorwiegend auf Sehen, Ver- gleichen und Befragen aufgebaut ist, sind uns natürlich bekannt. Wir haben diese Methode der Untersuchung dennoch vorgezogen, © weil Sie einmal durch die Art der Reise gegeben war, zum anderen et auch deswegen, weil sie den nicht zu verachtenden Vorzug hat, ne dass sie in ihren Tatbeständen und Schlussfolgerungen gewisser- eh Massen unter realer Kontrolle steht. Das ist bei den Aufrissen und In Durchschnitten der Wissenschaftlich-theoretischen Methode meist S nicht der Fall, deren Konstruktionen lassen den Streit um Begriffe fig ind Auslegungen zu, ja fordern ihn häufig genug geradezu heraus. 33 in den Vereinigten Staaten ebenfalls gern gekauften Bett, das aus Holz und französisch breit ist, das gedrechselte Beine hat, und das am Kopf- und Fussende — unpraktisch, in der Konstruktion kom- pliziert und sinnlos — Holzstummel einen halben Meter in die Luft EMporstreckt. Es handelt sich nicht nur im Wortsinne, sondern tatsächlich um die Überbleibsel der Baldachinstangen des englischen Bettes aus dem 18. Jahrhundert! Wir geben hier nach einer amerikanischen Zeitungsreklame eine Skizze, damit sich der Leser eine Vorstellung von jenem „prak- tischen“ amerikanischen Bett machen kann. | W C E } n Die Vorstehenden Tatsachen aus dem realen Leben der Ver- einigten Staaten zeigen, dass es mit der Normisierung für allgemeine Gebrauchsgegenstände noch weite Wege hat; die Überlegenheit der amerikanischen Produktion beruht nicht auf der erreichten Normisierung der Waren, sondern auf anderen Ursachen. Selbstverständlich gibt es auch Einheitsfabrikate. Sie werden durch eine beispiellose Propaganda in das ganze Volk gepresst. Aber wenn man sich „Kathreiners Malzkaffee“ oder den jetzt 63 b) Wie viele Vorarbeiter beschäftigen Sie 1. im Augenblick, 2. in normalen Zeiten? °) Wie viele Arbeiter beschäftigen Sie 1. im Augenblick, 2. in normalen Zeiten? 3. Verhältnis der Vorarbeiterzahl zur Arbeiterzahl, womöglich auch in einigen anderen Werken derselben Industrie. 9. Werden Aufzeichnungen über Entlassungen und über Niederlegen der Arbeit (Unterbrechungen) gemacht, und werden sie nach Ursachen registriert? a) Welcher Prozentsatz ist zuzuschreiben 1. der Unfähigkeit, 2. der Unverträglichkeit, 3. der körperlichen Anlage, 4. dem Arbeitsmangel, 5. der Lohnhöhe? b) Wurde versucht, unfähige Arbeiter zu schulen oder sie vor der Entlassung mit anderen Arbeiten zu betrauen? 10. Kommen vorübergehende Betriebsschliessungen vor? a) Aus welchem Grunde? 1. Inventur? 2. Lohnregulierung? 3. Ungleichmässige Produktion? 4. Schwankung des Absatzes? 5. Aus anderen Ursachen? b) Wie viele Arbeitnehmer wurden davon betroffen? c) Für welche Zeitspanne? d) Wie gross war der Verlust an Sachertrag und Geldwert während der Betriebsschliessung ? 11. Wird der freiwillige Austritt der Arbeiter auf seine Ursachen hin untersucht? a) Zahlenangabe der Austritte nach verschiedenen Ursachen während der Jahre 1918ff. (Häusliche Verhältnisse, Arbeitsbedingungen, Lohnverhältnisse der Firmen usw.) b) Wenn keine Zahlen verfügbar sind, so geben Sie die Ursachen nach der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit an. 12. Wie war der Wechsel der Arbeiter in den Jahren 1918 ff? a) Wie verteilte er sich? b) Welcher Prozentsatz der Neueingestellten hat sich bewährt? c) Wurde der Einfluss des Arbeiterwechsels auf Menge und Kosten der Produktion bestimmt? 13. Wie werden die Löhne festgesetzt? a) Beruhen sie auf 1. Tarifvertrag, 2. freien Vereinbarungen nach Lage des Arbeitsmarktes, 3. Schiedsgericht oder Vereinbarung vor ihm, 4. Lebenshaltungskosten? 76 einigten Staaten wuchsen dann, wie das Bild 2 zeigt, um das Mehr- fache ihrer Anfangsgrösse, das Deutsche Reich blieb. in seiner Grösse konstant und verlor durch das Versailler Diktat Gebietsteile. Bei dieser Entwicklung ist etwas zu beachten, auf das in anderem Zusammenhang noch ausführlicher zurückgekommen werden soll. Hier sei nur kurz darauf hingewiesen, dass jede Erweiterung der Vereinigten Staaten diesen im wesentlichen Neuland, staatlich und wirtschaftlich „Rohstoff“ zuführte, während das Deutsche Reich auch bei seiner Gründung ausschliesslich mindestens ein Jahr- tausend alte, sich in festen Entwicklungsformen bewegende Gebiete zusammenfasste. Der einzige VersuchDeutschlands,sich staatlichen Ursto{ff, wirtschaftliches Rohmaterial anzugliedern, der sich in der Erwerbung von Kolonien ausdrückte, hat sachlich wenig Erfolg erzielt und ist ausserdem durch den Verlust des Weltkrieges vor- erst zum Abschluss gebracht worden. Also auch unter dem Gesichtspunkt des Werdens der beiden Staaten und Wirtschaftskörper — Deutschland und Vereinigte Staaten — ergibt der Vergleich starke Unterschiedlichkeit im eigentlichen Wesen des Zustandes. Vergleichen wir nunmehr die Bevölkerungszahlen, die mensch- liche Krait der beiden Länder. Hier zeigt sich eine gewaltige Überlegenheit des alten Europa. Ohne das europäische Russland wird es von 350 Millionen Menschen bewohnt. Im europäischen Russland hausen 101 Millionen Menschen, So ergibt sich für Europa eine Menschenmenge von 451 Millionen, Europ Russland [)je Menschen Europa Nord-Amerika Mexiko Kanada —— Alaska 5 EL ls a nn ERS Ki 3 As 9) . e * IV. Lohn und Lebenshaltung in AnyEriRä “os 5 Lo ; "ihlinthak 5 > 1. Amerikanische Löhne. D ass der Arbeitslohn in Amerika fast durchweg höher ist als der Lohn für die jeweils gleiche Arbeitsleistung in Europa und im besonderen Falle in Deutschland, ist eine allgemein bekannte und anerkannte Tatsache, die selbst in tendenziösen Schriften dies- seits des Wassers zugegeben wird. Den Dollar zu seinem Nomi- nalwert von 4,20 Mk. gerechnet, verdient der amerikanische Ar- beiter ein Mehrfaches von dem Lohn seines deutschen Kollegen. Diejenigen Arbeiter, deren Organisationen bei der Lohn- gestaltung mitwirken, haben tarifliche Mindestlöhne, die oft weit über dem Vierfachen der deutschen tariflichen Spitzenlöhne liegen. Einige Beispiele seien aus einer nachfolgenden kleinen Tabelle (Seite 158) vorweggenommen. Der höchste Spitzenlohn pro Stunde des Buchdruckertarifs in Deutschland wurde im Monat September 1925 nach der Statistik der „Gewerkschafts-Zeitung‘“ des All- gemeinenDeutschenGewerkschaftsbundes in Berlin gezahlt mit 1 Mk. Das höchste Tarifminimum der amerikanischen Buchdrucker zahlt die Unternehmerschaft von New York mit 1,205 Dollar gleich 5,06 Mk., das ist nominal das Fünffache. In Philadelphia, wo es der grössten Buch- und Zeitschriftendruckerei Amerikas, der Curtis Publishing- Company, vor einigen Jahren nach einem von der Arbeiterschaft verlorenen Streik gelang, ihren Betrieb von Gewerkschaftsmit- gliedern völlig zu „reinigen“, wird derzeit der niedrigste Tariflohn des ganzen Nordostens, nämlich 90 Cent gleich 3,78 Mk. gezahlt. Einen der niedrigsten Spitzenlöhne in Deutschland hat Gera mit 0,90 Mk., das ist etwas weniger als ein Viertel des Tariflohnes von Philadelphia. Ziehen wir weiter in Betracht den ameri- kanischen Süden mit seinen notorisch schlechtesten Lohnverhält- nissen in fast allen Gewerbezweigen, so finden wir in der Stadt New Orleans im Staate Louisiana einen Buchdruckertariflohn von 78,4 Cent gleich 3,29 Mk., das ist genau das Dreiundzweidrittel- fache des niederen deutschen Tariflohnes von Gera oder das Dreiundeindrittelfache des Tariflohnes von Berlin. Man mag einwenden, dass es sich bei den amerikanischen Tarif- löhnen nicht so sehr wie bei den deutschen um eine Verallgemeine- - 15: Mörtelträger in Detroit erhalten 75, der Mann am laufenden Bande bis zu 77 Cent.) Immerhin sei zugegeben, dass die Arbeitsbedin- gungen in den Fordwerken auch bei schlechter Konjunktur eine gewisse Beständigkeit zeigen und Ford nicht jeden Lohndrücker- feldzug des Unternehmertums mitmacht. Und nun zu anderen Widersprüchen zu der These von der Regelung der Lohnhöhe durch Angebot und Nachfrage in Amerika: Wir zeigten vorhergehend schon das Beispiel der Bekleidungs- arbeiterinnen, in deren Arbeitsbedingungen ein sehr schädlicher Anarchismus herrschte, die in neun- und zehnstündiger Arbeitszeit für 12 Dollar und weniger in der Woche ausgebeutet wurden, bis sie sich zur Schaffung einer Organisation aufrafften, die dem wüsten Widerspiel ungleicher Kräfte ein gründliches Ende bereitete, so dass diese Frauen heute bei durchweg 44stündiger Wochen- arbeit es auf den Lohn eines gelernten Arbeiters der Metallindustrie bringen. Sie haben in Chicago einen Durchschnittslohn von 33 und verdienen stellenweise bis zu 50 Dollar. Wer wollte behaupten, dass diese Besserstellung lediglich „nach der Konkurrenzfähig- keit“ und „mit der Konjunktur“ eingetreten wäre? Nicht einmal technischen Fortschritt kann man in diesem Gewerbezweig wesent- lich in Anrechnung bringen, sondern fast ausschliesslich die Be- endigung einer hemmungslosen Ausbeutung durch die vereinte Kraft zielbewusster Arbeitsmenschen. Diese Beispiele können wir allein schon aus unseren eigenen, in Amerika gemachten Erfahrungen um etwas ergänzen: Die un- organisierten Bergleute des Südstaates Kentucky verdienen fast genau die Hälfte dessen, was ihren Kollegen in dem fortgeschritte- neren Staat Illinois gezahlt wird, wo die Bergleute und manche andere Arbeitergruppen so gut wie restlos organisiert sind. Nicht „Konkurrenzfähigkeit“ und „Konjunktur“ machen diesen Unter- schied (und auch die Differenz in den Kosten der Lebenshaltung nur zu einem recht geringen Teil). Das entscheidende ist vielmehr die Ausbeutung der Neger im gewerkschafts,freien“ Süden und der Kampf der Gewerkschaften gegen die Ausbeutung im Norden. Ein anderes Beispiel: Der organisierte Former und Metall- giesser verdient in Cincinnati, Philadelphia, Chicago, New York im Durchschnitt bei achtstündiger Tagesarbeit (nicht Akkordarbeit!) 7,29 Dollar. Um 15 bis 20 Prozent weniger (und zwar bei täglich neun Stunden Arbeit!) verdient der Un- organisierte in diesen gewerkschaftlich „durchsetzten“ Distrikten. Dagegen erhält der Former und Metallgiesser im Staate Minnesota mit seiner unzulänglichen Gewerkschaftsorganisation einen täglichen Durchschnittslohn von 6,50 Dollar, ebenfalls meist bei neunstündiger Arbeitszeit, und im Süden bis herunter zu 5,50 Dollar. Wiederum: Der junge Mechaniker in St. Paul im Staat 144 Lizenzen ausgiebig missbraucht werden, liegt auf der Hand und ist auch festgestellt. Von den Religionssekten sagt der Federal Council, dass für sie das Vierfache des tatsächlich für religiöse Zwecke ver- wendeten Weines eingefordert werde. Die Fabrikanten und Händler bedienen sich eben dieser Sondererlaubnis als Hintertür, um den illegalen Überschuss gegen hohe Preise in den Verkauf zu bringen. Das Schiebergeschäft mit alkoholischen Getränken hat ein unheim- liches Ausmass, und manches unternehmungslustige und nicht allzu ängstliche Geschäftstalent ist durch dasselbe zum ganzen oder halben Dollarmillionär geworden. Da diese grossmütig genug sind, von ihrem Überfluss auch andere empfangen zu lassen, So sind sie schwer zu kriegen, denn nicht jeder subalterne Polizeibeamte weiss ganz sicher, ob nicht in dem Alkohol, den er konfisziert, sein hoher Chef sich die Hände gewaschen hat. Solches sagen, teils in An- spielungen, teils in aller Deutlichkeit angesehene Zeitschriften, die in Millionenauflagen übers Land fliegen. Die konkreten Fälle erfährt man in privaten Unterhaltungen, aber auch indem man die Gerichts- verhandlungen liest. Solcher Dienst an der Lockerung von Moral und Gesetzesachtung nährt reichlich seinen Mann, und nirgends gilt mehr als in Amerika der sinnvolle Spruch: Lern’, Mensch, den Unterschied erkennen: Verdienstvoll ist es, Schnaps zu brennen, Bedenklich schon, ihn zu verkaufen, Höchst unmoralisch, ihn zu — — trinken. Dabei gibt die Bundesregierung für die Durchführung des Ver- bots eine ganze Menge Geld aus; neuerdings etwa 10 Millionen Dollar pro Jahr. Kenner der Verhältnisse schätzen — unter Hinzu- zählung der einzelstaatlichen Kosten der Alkoholbekämpfung — die jährlichen Ausgaben für den Schnapskrieg auf etwa 60 Mil- lionen Dollar! Der „Prohibitionskommissar“, der hohe polizeiliche Spezialbeamte, den es in jedem grösseren Stadtbezirk oder Distrikt gibt, bewacht mit hundert Argusaugen das Verbot berauschender Getränke. In Chicago hat er zur Zeit unseres Aufenthalts eine strenge Durchsuchung der stadtbekannten vornehmen Schlemmer- lokale erstklassiger Hotels angekündigt, und wir müssen kon- statieren, dass schon die blosse Androhung ihre Wirkung hatte. Die Whiskygläser verschwanden von den Tischen, und der Schnaps wurde — aus Mokkatassen getrunken. So einfach ist die Sache allerdings nur in den vornehmen grossen Lokalitäten verschiedener Hotels, die Gesellschaften gehören mit „guten Beziehungen“ zur Behörde. Die ärmlichen Gaststätten müssen derartigen Mangel an staatsbürgerlicher Tugend nicht selten mit schwerer Strafe, ja mit völliger Schliessung büssen. Wie die Handhabung des Gesetzes nach der sozialen Rangstufe seiner Übertreter verschieden gestaltet ist, so auch in örtlicher Be- 189 ganz auf feuilletonhafte soziale Schilderungen und eigene Beob- achtungen angewiesen. Von den letzteren haben wir an ver- schiedenen Stellen unseres Berichtes gesprochen. Auch die Verhältnisse im Süden, die fast durchweg schlechter sind als im übrigen Lande, werden, wie wir mehrfach andeuteten, ungenügend ermittelt. So z. B. stützt sich die Statistik der Durch- schnittslöhne, welche die Unternehmervereinigung „National In- dustrial Conference Board“ in dem Buche „Wages and hours in American Industry“ anstellte, auf sehr viele Berichte aus dem Norden, dagegen auf nur wenige aus dem Süden, doch ist es frag- lich, ob eine proportionelle Berücksichtigung des Südens bei solchen Ermittelungen die Endziffern wesentlich verändern würde, da immerhin der weitaus grösste Teil aller Industrie im Norden ist, dessen soziale Verhältnisse von den staatlichen und korporativen Untersuchungen schärfer durchleuchtet werden. Die Unterschiedlichkeit in der Entlohnung zwischen Norden und Süden erinnert an Verhältnisse, wie sie in deutschen Gauen vor dem Kriege bestanden, wo z.B. in süddeutschen Städten mit guten Arbeiterorganisationen für ein und dieselbe Arbeitsart und -leistung genau 100 Prozent mehr gezahlt wurden als in länd- lichen Industriegegenden, wie im Schwarzwald, der damals in Ermangelung gewerkschaftlicher Zusammenschlüsse noch das Glück des „freien Spiels von Angebot und Nachfrage“ genoss, bis die Ausdehnung des Tarifvertrages auf ganze Landschaften nach dem Kriege jener „Freiheit“ ein Ende machte. Die ameri- kanischen Gewerkschaften haben, wenn sie sich später mehr verallgemeinern und ausdehnen, in dieser Beziehung ein noch kaum zu übersehendes Arbeitsfeld. Noch sind ganze Kernstücke des eigentlichen Industriegebietes in einzelnen Berufen und Ge- werben „organisationsfrei‘“, nicht zu reden von den Rändern des Industriebezirks und gar vom Süden. Die ungleiche Stärke der Arbeiterorganisationen in den verschiedenen Territorien macht die Lohnverhältnisse so verschiedenfältig und schwer über- sichtlich. Die Differenzen der Lohnhöhe aber verwandeln sich zu- meist in ungerechtfertigte Spekulations- und Zufallsgewinne. 2. Preise und Lebenshaltung. — Reallöhne. Bei der verschiedenen Lebensart des amerikanischen und des deutschen Arbeiters ist eine unmittelbare Vergleichung irgendwie errechneter sogenannter „Reallöhne“ nahezu unmöglich. Würde man z.B. gemäss der von der deutschen Reichsstatistik an- genommenen Lebenshaltung des deutschen Arbeiters auch für den amerikanischen Haushalt einer durchschnittlichen Familie den un- 17? 1 Die Aussagen über das Verhältnis von guten dyschlechten Wirkungen des Alkoholverbots stellen zwei ganze/einander gegen“ überstehende Armeen von „Einerseits“ und „Anderseits“ dar. Wir“ können hier absehen von der schärfsten, aber doch 6ftogelörtön * Verurteilung des Verbots, welche in der Behauptung gipfelt, dass, * seit dessen Bestehen überhaupt nicht weniger getrunken werde? Dies ist wahrscheinlich unrichtig, denn nach dem u&nis-g auß>, würdiger Amerikaner und früherer deutscher Besucher andes‘ hatte der Alkoholkonsum ehedem in den „Saloons“ oder Trinkhallen bei dem Fehlen der deutschen Gemütlichkeit (die offenbar zum Trinken gehört wie die Lunge zum Atmen) oft die Form des Rekord- und Dauersaufens. Dies hat seit der Abschaffung der „Saloons“ aufgehört. So kann man also sein Ohr zunächst ruhig jener Dis- kussion leihen, welche um die Streitfrage geht, ob das Verbot den Trunk um 20, 25, 30, 35, 40, 42% oder gar 45 Prozent gemindert habe. Die letztere Ziffer ist so ungefähr das höchste, was ernst zu nehmende Leute drüben schüchtern zu behaupten wagen. Es wäre auch für die Amerikaner selbst kein Kompliment, wenn man ohne weiteres der Annahme stattgäbe, dass sie einst in den Zeiten goldener Freiheit ein Doppeltes tranken von der nicht knappen Menge, die sie sich heute noch genehmigen. Der Annahme, dass das Verbot vorwiegend die Arbeiterschaft und namentlich die vorhergehend besprochene Unterschicht der- selben betroffen habe, ist eine starke Wahrscheinlichkeit nicht ab- zusprechen. Diese Vermutung wird schon nahegelegt durch die mächtige Preissteigerung, welche die Alkoholika durch das Verbot erfahren haben. Man kann sich von diesen Preisen, die natürlich keineswegs einheitlich sind, etwa eine Vorstellung machen, wenn man zurückdenkt an die Preise, die während unserer Rationierungs- jahre für im Schleichhandel vertriebene Lebensmittel gezahlt wurden. Fine Flasche Whisky oder Kognak kann irgendeinen Kaufpreis zwischen 6 und 18 Dollar haben. Es ist klar, dass die meisten Arbeiter nicht in der Lage sind, grössere Alkoholmengen mit solchen Preisen zu bezahlen. Die Beschaffung der Roh- materialien zur Eigenfabrikation und die dazu erforderliche Haus- destille, jener Apparat, von dem uns Amerikaner scherzhaft sagten, dass er in jedes christliche Heim gehöre, ist ebenfalls nicht gerade billig, so dass man getrost sagen kann, dass das Verbot für die untersten Bevölkerungsschichten immerhin eine scharfe Ratio- nierung bedeutet. Die soeben erwähnte Eigenherstellung alkoholischer Getränke mit Hausdestillen ist übrigens ein besonderes Kapitel von ziemlicher Mannigfaltigkeit. Das Bundesgesetz verbietet die Selbsterzeugung nicht und gleichfalls nicht die Darreichung des Getränks an be- 5 1) Val.z ] B. Legien: „Aus der amerikanischen Arbeiterbewegung.“ 187 Die Vereinigten Staaten haben mit dem ungeheuerlichen Schwer- gewicht ihrer jungen, strotzenden Wirtschaftskraft den Weltkrieg zur Entscheidung gebracht, nachdem es jahrelang im wesentlichen ihre Finanzkraft gewesen war, die den europäischen Alliierten die silbernen Kugeln zum Kampf gegen die Mittelmächte lieferte. Von den Vereinigten Staaten wurde die politische Idee des Friedens formuliert; ihre Übersetzung ins Europäische zeigte aller- dings, dass auch der Aktionsradius und der geistige Horizont Amerikas ihre Begrenzungen haben. Während die europäischen Kriegsstaaten nach 1918 von Sorgen und Schwierigkeiten fast erdrückt wurden, vermochten die Amerikaner die ihnen überflüssig gewordene Kriegsrüstung ab- zuwerien, um sich der Sicherung ihres stärker gewordenen Welt- markteinflusses und der Umgestaltung: und Weiterleitung ihres Produktions- und Verteilungsapparates zu widmen. Aus dem schier unheilbaren europäischen Chaos, das der Ruhr- einfall vollendete, aus der von allen Staaten geübten wirtschaft- lichen Blutrache (Boykott, Zölle, Dumping), die zur nahezu völligen Zerstörung der europäischen Produktionskraft führte, wurde wieder das balkanisierte Europa durch die Vereinigten Staaten heraus- gerissen. Das Sachverständigengutachten trägt den Namen des Amerikaners Dawes. Das amerikanische Geld steht heute im Mittelpunkt der ganzen Welt. Schon diese kurz aufgezählte Tatsachenreihe beweist, dass das Interesse an den Vereinigten Staaten nicht nur die Modestimmung eines schwach gewordenen Wirtschaftskörpers ist, der gern die gesunde Muskelkraft des anderen äusserlich nachahmen möchte. Vom Standort des Arbeiters aus musste die Untersuchung der amerikanischen Wirtschaft eine andere Betrachtungsweise zur Vor- aussetzung haben, als das sonst im allgemeinen beim Studium Ame- rikas üblich ist. Es galt im besonderen, in den Vereinigten Staaten auch die Schattenseiten nicht nur zu sehen, sondern zu er- klären. Denn wenn es so sein soll, dass die amerikanische Wirt- schaft uns zeigt, was die. europäische, und im besonderen die deutsche, nach Ablauf kürzerer oder längerer Zeit vielleicht ein- mal sein wird, dann muss von den deutschen Gewerkschaften unter allen Umständen das Sachargument für vorausschauende Wirt- schaltspolitik geschaffen werden. In der deutschen Amerikaliteratur fehlt zumeist eine ausreichende Darstellung der Schattenseiten der beinahe eruptiven Wirtschafts- entwicklung jenes mächtigen Wirtschaftskörpers im Zentrum des Atlantischen und des Pazifischen Ozeans. Das ist schon aus dem erwähnten Grunde erklärlich, dass die Betrachtungen nicht vom 16 rung, sondern doch nur um seltene Höchstlöhne handle, da ein viel grösserer Teil der Berufsgruppe als bei uns ausserhalb der Tarif- abmachung stehe. Dies ist jedoch im Hinblick auf die in der Tabelle angeführten Berufe unrichtig, denn diese sind im ganzen Lande gut, in den bedeutendsten Orten beinahe hundertprozentig organisiert, so dass ihre Tariflöhne einen ausgedehnten Geltungs- bereich haben. Das stimmt auch nach der ausdrücklichen Be- stätigung unserer literarischen Quelle, der September-Nummer der „Labor Review“ des amerikanischen Arbeitsdepartements, wo €s heisst, dass die gewerkschaftlichen Mindestlöhne dieser Berufs- gruppen in den meisten Fällen gleichzeitig die ortsüblichen Mindestlöhne seien. Das trifft zwar, wie aus der Tabelle der in Amerika gezahlten Durchschnittslöhne (Seite 160) hervorgeht, nicht völlig zu, denn in der genannten Tabelle wird der Durchschnitts- lohn gelernter Buchdrucker mit nur 88,5 bzw. 92,4 Cent angegeben. Dagegen wissen wir aus den gewerkschaftlich organisierten Be- rufen und Betrieben, dass grosse Bruchteile der betreffenden or- ganisierten Arbeiterschaft bedeutend über den tariflichen Mindest- lohn hinaus verdienen. Von den Maurern, Zimmerern und anderen Bauhandwerkern haben wir dies schon an anderer Stelle (Seite 142) erwähnt. Schriftsetzer (sowohl Handsetzer wie Maschinensetzer) verdienen im Osten bis zu 1,35 Dollar pro Stunde. Aus Chicago ist uns ferner bekannt, dass dort kaum fünfzig Prozent der organi- sierten Maschinen- und Werkzeugschlosser zum Tariflohn «von 90 Cent arbeiten, während viele bis zu 1,20 Dollar verdienen und der Durchschnittslohn etwa 1,05 Dollar pro Stunde beträgt. AÄhn- liches gilt für Detroit, wo übrigens in der Automobilindustrie der Mindestlohn saisonmässig wechselt, und in der besten Jahreszeit erheblich höher ist als in Chicago. Er bewegt sich dort das Jahr über zwischen 0,90 und 1,25 Dollar. Der höchste tarifliche Stundenlohn der Zimmerer in Deutsch- land ist 1,28 Mk. in Hamburg; er ist 1,50 Dollar gleich 6,30 Mk. in St. Louis im Staate Missouri, also ebenfalls annähernd das Fünf- fache. Ein niedriger deutscher Tariflohn für Zimmerer (Gleiwitz) ist 0,80 Mk., im amerikanischen Nordosten (Louisville) 1 Dollar, das ist das Fünffache, in Charleston (Süd-Carolina) 0,70 Dollar, also noch immer mehr als das Dreieinhalbfache. Das höchste Tarifminimum für Maurer hat in Amerika ebenfalls St. Louis (Missouri) mit 1,75 Dollar, in Deutschland wieder Ham- burg mit 1,26 Mk., das ist wenig mehr als ein Sechstel des ent- sprechenden amerikanischen Lohnes. Den niedrigsten Maurerlohn hat in Deutschland Gleiwitz mit 0,80 Mk., im amerikanischen Norden St. Paul mit 1,12 Dollar, was wiederum dicht annähernd das Sechsfache der niedrigsten deutschen Lohnstufe ist. Der ge- ringste Maurerlohn in Amerika überhaupt wird im Negerstaate 161 das Gesamtbild der weiblichen Erwerbstätigkeit und die darin zutage tretenden Tendenzen zu betrachten bleiben. Die Gesamt- zahl der erwerbstätigen Frauen betrug: 1880 1.50.0044 2647000 1890 NE 4000 000 1900. LEN E00 1910 2... SOTDTTZ 1920 A 8540511 Die Zahl der erwerbstätigen Frauen hat sich also in der Periode von 1910 bis 1920 um rund eine halbe Million oder ein Sech- zehntel vermehrt.‘ Diese Ziffer ist nicht verwunderlich hoch. Be- merkenswert dagegen ist die Umgruppierung der BeschäftigungS- ziffern der Frauen innerhalb der einzelnen Tätigkeitsgebiete. Sie ist dargestellt in der folgenden Tabelle. en Zahl der Frauen Beschäftigung 1910 | 1920 Landwirtschaft, Viehzucht usw. ......-. 1 807 501 1084 128 Mineralgewinnung ......+0000000004000044 1094 2864 Fabrikarbeit"). A N N 1 820 570 1 930 341 Transport LT SL 106 625 213 054 Handel LE PET 468 088 667 792 Oeflentliche Dienste... 1 13 558 21 794 Akademische Berufe usw. .........- 733 891 1 016 498 Häusliche und persönliche Dienste ..... 2531 221 2186 924 Bureaubeschäftigungen. ....- SE 593 224 1426 116 Gesamtzahl || 8075772 8549511 *) In der Industrie arbeiten Frauen in größerer Zahl in nachfolgenden Zweigen (1920): Tabakindustrie . +. 000.4 + «++ 83960 Bekleidungsindustrie . ....... 265643 Lebensmittelindustrie . . ...... 72402 Eisen- und Stahlindustrie. .... 57819 Schuhfabrikation .......... 73412 Textilindustrie ...........+ 364350 Die Zusammenstellung zeigt zunächst einen Rückgang der weib- lichen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft von 800 000 und in häus- lichen und persönlichen Diensten von 345 000. Demgegenüber steht eine Zunahme von 108 871 Frauen in der Fabrikarbeit, von 106 429 im Transport (besonders in den Bureaus der Eisenbahn- und Tele- graphengesellschaften usw.) sowie von fast 200000 im Handel. Grösser noch ist das Eindringen der Frauen in die akademischen und intellektuellen Berufe mit einer Zunahmeziffer von 282 607 und am grössten bei den Bureaubeschäftigungen mit einer Zunahme von 832839. Die Zahl der Buchhalterinnen allein stieg um 350 000, die der Stenotypistinnen um 300000. Im ganzen also zeigt sich ein Rückgang der Frauen in der Haus- und Landwirtschaft von reichlich einer Million und auf der anderen Seite eine Zunahme in 195 Il. Einige allgemeine Arbeiterfragen 8 Ko den gezeigten Tatbeständen bliebe immer noch Raum für den theoretischen Streit darüber, ob es in Amerika eine „Ar- beiterklasse‘“ gibt, eine Auseinandersetzung, die nicht in denRahmen dieses Berichtes gehört. Sicher aber ist nach dem bisher Dar- gelegten, dass die Gesamtheit der Arbeiterschaft in der amerika- nischen Union eine viel weniger gleichförmige Masse ist als in den europäischen Industrieländern, wo die gesellschaftlichen Rang- grenzen gleichsam mit Stacheldraht gezogen sind und die Auf- frischung der Bevölkerungsbestandteile von aussen her in nennens- wertem Umfange fehlt. Zwischen der Ober- und Unterschicht der Arbeiter liegen drüben grössere und steilere Stufen als bei uns. Diese Ungleichförmigkeit des Arbeiterelements beeinflusste auch Art und Tempo der Sozialpolitik ebenso wie Charakter und Ab- grenzung der Gewerkschaftsbewegung, denn es braucht nicht weiter bewiesen zu werden, wie schwer es ist, das Notwendige und Erreichbare für den Proletarier des rückständigen Südens und den schutzlos umherirrenden ungelernten Wanderarbeiter des Ostens und Westens und anderseits des besser entlohnten gewerkschaftlich organisierten östlichen Industriearbeiters auf eine Formel zu bringen. Es ist noch nicht allzu lange her, als die Forderung einer sozialen Schutzgesetzgebung auf den Arbeiter höherer Region noch beinahe wie eine Kränkung seines Stolzes als unabhängiger, im freien Wettbewerb stehender Bürger des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten gewirkt hätte, während die unqualifizierte und un- organisierte Proletarierschaft, die solchen Schutzes am meisten be- durft hätte, gar nicht die Macht besass, ihn zu erringen, noch auch nur zu fordern. Der Staat seinerseits aber fühlte vielleicht dieser Schicht gegenüber nicht seine volle Verantwortung, nicht nur weil gesetzliche Schutzmassnahmen zunächst noch seinen liberalen Prinzipien zuwiderliefen, sondern weil es sich zum grossen Teil um landfremdes und fremdsprachiges Element handelte, dessen Pro- bleme naturgemäss erst in entfernter Linie Beachtung finden. Aus derartigen Gründen kam der soziale Gedanke langsamer und in anderer Gestalt ins Land als bei uns, obgleich die ausgekaute Rede, der glückliche Yankeearbeitgeber ächze nicht unter der Bürde der „sozialen Belastung‘, wie wir sehen werden, unrichtig ist. 129 vom Willen der Unternehmer abhängig, sondern das stärkere Selbstbewusstsein der amerikanischen Arbeiter erzwingt sich eine anständigere Behandlung. Einen Umgangston, wie ihn vielfach noch europäische Arbeiter, wenn auch mit in der Tasche geballter Faust, so doch mit demütig gesenktem Haupt, über sich ergehen lassen, würden die amerikanischen Arbeiter sich einfach nicht gefallen lassen. Wir glauben, dass in dieser Beziehung die Arbeiterklasse der Alten Welt von ihren amerikanischen Klassengenossen noch sehr viel lernen kann. Das stärkere, vom Individuum ausgehende Selbstbewusstsein der amerikanischen Arbeiter ist sicher einer der Gründe, die der Entwicklung eines Klassenbewusstseins nach europäischem Muster entgegenstehen. Dem amerikanischen Arbeiter ist der Gedanke, einer untergeordneten Klasse anzugehören, so unerträglich, dass er sich gegen eine solche Erkenntnis aufs heitigste sträubt. Ähnliche psychologische Erscheinungen weist auch die Geschichte der euro- päischen Arbeiterbewegung auf, aber sie sind schliesslich unter- drückt worden von der Wucht der ökonomischen Tatsachen. Auch in Amerika würde sich das gefühlsmässige Bewusstsein der Gleichwertigkeit nicht halten können, wenn nicht realere Tatsachen dahinter ständen. Es lässt sich nicht bestreiten, dass die kapi- talistische Entwicklung der Wirtschaft in Amerika dem einzelnen Arbeiter sehr viel grössere Möglichkeiten des Emporsteigens offen- gelassen hat als in Europa, wo die strenge Klassenscheidung und die Besitzverteilung schon vollzogen waren, als die kapitalistische Wirtschaft begann. Die Neue Welt hat zwar auch nicht allen Habe- nichtsen „unbegrenzte Möglichkeiten“ eröffnet, aber die Zahl der erfolgreichen Glücksuchenden ist doch gross genug, um immer noch die Vorstellung wachzuhalten, dass jeder tüchtige Arbeiter, wenn ihm nur das Glück hold ist, eine höhere und womöglich gar die höchste Stufe der sozialen Leiter aus eigener Kraft zu erklimmen vermöge. Man denke an Henry Ford, der mit wenigen hundert Dollar begann und heute der grösste Industrielle und der Mann mit dem höchsten Einkommen ist! Er ist vielleicht der König der Emporsteiger, aber mittlere und kleinere solcher Fords gibt es allerorten im Lande. Unter den Angehörigen der oberen sozialen Schichten trifft man erstaunlich viele, deren Arbeitervergangenheit noch nicht allzu weit zurückliegt. Bei einer Nation, deren Mitglieder entweder selbst als Goldsucher ins Land gekommen sind oder von solchen Vorfahren abstammen, müssen derartige Beispiele un- gemein befruchtend auf den Optimismus für die eigene Zukunft einwirken. Auch im öffentlichen Leben wird die Ehrung der Arbeit bewusst gepflegt. Überall bei den politischen Wahlen hört und liest man die Kandidaten als Männer anpreisen, die sich aus ganz kleinen Ver- 206 Amerikanischer Gewerkschaftsbund Mitglieder im Jahre 1925 2878297 zb i 7 \ Industrie» Zentral- unten- \ abteilungen verbände abteilungen / gr N 1U5- 3eHÜSS® - 786 Ortsausschüsse =. industrie- abteilungen , 21231 Lokalvereine \ der Zentral- £ - verbände 210 sich zu einer Macht auswuchsen, die einer an sich vorhandenen Tendenz der kapitalistischen Wirtschaft mit Erfolg zu Leibe zu gehen imstande war. Wir wissen aus der Erfahrung nichts anderes, als dass der einzelne Unternehmer stets bestrebt ist, seine Arbeiter möglichst niedrig zu entlohnen, da nach seiner Vorstellung jede Mark Lohnersparnis für ihn ein wirtschaftlicher Vorteil ist, und nur wegen dieses Vorteils betreibt er sein Unternehmen. So erscheint ihm jede abgezwungene Lohnerhöhung als eine geschäftliche Niederlage, jede Lohnsenkung, die er durchsetzen kann, als ein wirtschaftlicher Sieg. Man ist so sehr gewöhnt, in der Lohnhöhe nur ein Objekt der sozialen Machtkämpfe zu sehen, dass dahinter die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Frage ziemlich ver- borgen blieb. Der wirtschaftliche Vorsprung der Vereinigten Staaten rührt nicht zuletzt daher, dass die Bedeutung des Lohnfaktors für die Gesamt- wirtschaft erkannt und gewürdigt wird. Nicht nur die Tatsache des höheren Lohnniveaus, sondern mehr noch die weite Verbreitung der Erkenntnis, dass von der Lohnhöhe die Blüte der Wirtschaft ab- hängt — eine Auffassung, zu der sich selbst massgebende Unter- nehmerorgane unumwunden bekennen —, muss auf den deutschen Gewerkschafter geradezu wie eine neue Offenbarung zwar nicht der volkswirtschaftlichen Vernunft, aber der kapitalistischen Wirt- schaftsführung wirken. Dabei hiesse es Ursache und Wirkung ver- wechseln, wollte man in dem höheren Reallohn einfach nur das Ergebnis eines grösseren Wirtschaftsertrages sehen. Umgekehrt ist es richtig. Aus mancherlei Gründen, die mit der kolonialen Ent- wicklung des Landes zusammenhängen, war erst der Zwang zu hohen Löhnen da, und dieser Zwang erwies sich dann als unwider- stehliche Kraft zur Rationalisierung und Ertragsteigerung der Wirtschaft. Hier liegt nach unserer Meinung die wichtigste Lehre, die für die deutsche Wirtschaft aus dem amerikanischen Beispiel zu ziehen ist, gilt doch in Deutschland, seit dem Zusammenbruch mehr noch als immer schon, als der volkswirtschaftlichen Weisheit letzter Schluss, dass das Volk und besonders die arbeitenden Massen die Tugenden des höchsten Fleisses und der sparsamsten Lebensführung mit- einander vereinen müssten, um die Wirtschaft vorwärtszubringen. Viel produzieren und wenig verbrauchen, niedriger Lohn und lange Arbeitszeit, so lautete und lautet immer noch das Generalrezept gegen die Krankheit der deutschen Wirtschaft. Wohin wir damit gekommen sind und unweigerlich kommen mussten, offenbart mit erschreckender Deutlichkeit die gegenwärtige Krise. Der Pro- duktionsapparat ist mit einer Schnelligkeit wiederaufgebaut worden, die nur zu erklären ist aus den gewiss nicht freiwillig gebrachten Opfern in der Lebenshaltung der breiten Massen. Aber nun zeigt 254. 5. Besteht ein besonderes Materialunterhaltungsbureau? a) Wem ist es unterstellt? b) Wird die Ausrüstung unterhalten auf Grund einer periodischen Untersuchung und Reparatur? c) Welche Ersparnisse wurden dadurch erzielt? 5. Sind die Werkzeuge vereinheitlicht? a) Werden Schablonen oder Lehren gebraucht? b) Wer ist verantwortlich für den Entwurf oder die Vereinheitlichung von Werkzeugen? c) Besteht eine Werkzeugmacherei? d) Wer schleift und schärft die Werkzeuge oder ist verantwortlich für ihre Gebrauchsfähigkeit? e) Ist die Werkzeugausgabe gut ausgestattet? [) Ist die Werkzeugausgabe gut angeordnet, wird sie ordentlich ge- führt und übt sie eine wirksame Kontrolle bei Ausgabe und Rück- gabe der Werkzeuge aus? g) Besteht ein richtiges Verhältnis zwischen der Menge der Werk- zeuge und der maschinellen Einrichtung? h) Welche Ersparnisse wurden erzielt durch die Vereinheitlichung ? Kostenberechnung und Vereinheitlichung der Produktion. Die folgenden Fragen bezwecken eine offene Aussprache über fehlende Normalisierung der Zeichnungen und deren ungüstige Folgen. Dies ist sehr wichtig und sollte so eingehend wie möglich behandelt werden. Beantworten Sie, bitte, folgende Fragen für jedes Erzeugnis getrennt nach der Einteilung der Frage A 8. a) Zahlenmässige Angabe der Zeichnungen und Modelle für die Er- zeugnisse. Wie wirkt diese Vielgestaltigkeit auf die Produktion? b) Besteht ein Zeichnungs- und Entwurfsbureau? c) Sind Einzelheiten der Erzeugnisse auf ihre Vereinheitlichungs- fähigkeit geprüft? Sind sie Gegenstand einer Untersuchung? d) Sind Zeichnungen über alle Erzeugnisse vorhanden? e) Sind Materiallisten für alle Erzeugnisse vorhanden? f) Ist jeder Teil durch eine besondere Zeichnung dargestellt, oder sind mehrere Teile in einer Zeichnung zusammengestellt? z) Sind Einzelteile der Erzeugnisse vereinheitlicht (Schrauben, Bolzen, Muttern usw. in der Metallindustrie; Garne und Zutaten in der Leder- und der Bekleidungsindustrie; Farben, Leim, Binde- mittel und sonstiges im Druckereigewerbe usw.)? h) Gibt es Erzeugnisse von abweichender Konstruktion oder ähnlicher Konstruktion, die sich nur wenig unterscheiden? i) Werden ähnlich konstruierte Erzeugnisse in verschiedener Qualität oder aus verschiedenem Material hergestellt? ij) In welchem Umfang ist die Vielgestaltigkeit der Erzeugnisse zu- zuschreiben 1. dem Kunden, 2. dem Entwurfs- oder Ingenieurbureau, 3. der Verkaufsabteilung ? 0 tagelöhner, der im gleichen Staate (Kansas) bei freiem Lebens- unterhalt und mancherlei Sondervergünstigungen, wie z.B. einem Pferd zu seiner Verfügung, zwischen 30 und 50 Dollar monatlich erhält. Ist also die Lage dieser Arbeiter keineswegs eine glänzende, so muss man doch nach den Beweggründen fragen, die die Leute im besten Alter veranlassen, diese Art Arbeit zu verrichten. So- weit Farmer und Farmarbeiter in Betracht kommen, haben wir die Frage bereits beantwortet. Auch bei den Studenten liegt der Fall klar. Dann bleiben aber immer noch 30 000 bis 60 000 Industrie- arbeiter, von denen wiederum nur ein Teil durch Arbeitslosigkeit zur Annahme dieser Beschäftigung bewogen wird. Man hat den Rest mit der Freude am abenteuerlichen Wanderleben zu erklären versucht, dafür spricht auch der Umstand, dass (von den Farmern abgesehen) die meisten der Leute unverheiratet sind, was das soziale Problem dieser Arbeiterkategorie mildert. Zudem wechseln die Individuen mit jedem Jahr zu einem grossen Teil. Immerhin zeigt sich auch hier, dass manche Vollbürger und hundert- prozentige Amerikaner im untersten Stockwerk des sozialen Baues stehenbleiben. Auch Armut fehlt unter ihnen nicht, sowohl unter den Farmern wie unter den Industriearbeitern, was wir schon an anderer Stelle gezeigt haben. Wir haben tief im Landesinnern typische Armeleutefarmen gesehen, die den Pächter oder auch Eigentümer kärglich ernähren. Man darf sich allerdings auch nicht darüber täuschen, dass das baufällige Mäuschen und ver- nachlässigte Gerät eines amerikanischen Farmers nicht immer auf Armut schliessen lässt. Der Spekulationsgeist, dem auch der Farmer dort unterliegt, treibt ihn von einem Staat zum andern. Er gibt mit einer dem Europäer schwer begreiflichen Leichtigkeit sein Anwesen auf, um auf einem anderen sein Glück zu versuchen. Darum versucht er — besonders auf der niederen Anfangstufe — seltener, dem Anwesen, das er besitzt oder in Pacht bearbeitet, die sorgliche Pflege angedeihen zu lassen, mit der unser Bauer seinen Hof und seine Scholle zum Obiekt seines Stolzes und seiner Liebe gestaltet. Dem Farmer sind Haus, Hof und Acker Produktions- stätte, „Betrieb“ in erster Linie. Unserem Bauern ist sein Fleck- chen Erde, das klein und darum kostbar ist, „Heimaterde“, „Vater- erde“, mit der er verwurzelt ist, die ihn und an der er festhält. Trotz dieser Finschränkung gibt es unstreitig viele ländliche Arm- lichkeit. Am schlimmsten soll sie in den sogenannten Border-hill countries (siehe die Karte Seite 114), das sind die Randstaaten zu beiden Seiten des Felsengebirges vom Süden zum Norden, be- sonders um Neu-Mexiko, Nevada, Utah, Wyoming, vertreten sein. In diesen dünn bevölkerten, fernab gelegenen und wenig frucht- 16 „Staatsbürgerliche Politik. Bei den politischen Bestrebungen, die aus dem Bedürfnis der Arbeit ent- standen sind, eine Gesetzgebung zu erreichen, die jene Lebensverhältnisse und Fürsorge betrifft, die den Kollektivverträgen mit den Unternehmern nicht unterstehen, haben die organisierten Arbeiter zwei Methoden verfolgt. Die eine bestand darin, politische Parteien zu organisieren, die andere war der Entschluss, Vertreter aus den eigenen Reihen in öffentliche Ämter zu bringen, d. h. solche Kandidaten zu wählen, die die gewünschte Gesetz- gebung begünstigen und beschützen, und jene zu bekämpfen, deren Politik den Forderungen der Arbeiter an die Gesetzgebung entgegensteht, un- bekümmert um parteipolitische Einstellung. Die traurigen Erfahrungen der organisierten Arbeiter Amerikas mit eigenen politischen Parteien rechtfertigen zur Genüge die nichtpartei- politische Politik des amerikanischen Gewerkschaftsbundes. Die Erfolge, die von Arbeiterparteien in anderen Ländern erreicht werden, sind niemals solche gewesen, dass sie zu einer Abweichung von dieser Stellungnahme bevollmächtigen. Die Statuten und Bestimmungen der Gewerkschaften sollten niemals so erweitert werden, dass das Vorgehen einer Majorität eine Minorität zwingen könnte, irgendeinem politischen Kandidaten oder einer Partei, die sie bekämpfen, die Stimme oder finanzielle Unterstützung zu geben. Die gewerkschaftliche Tätigkeit kann die ungeteilte Auf- merksamkeit der Mitglieder und Beamten nicht erhalten, wenn die Er- fordernisse, Lasten und Verantwortungen einer politischen Partei nicht ihrer wirtschaftlichen und industriellen Organisation verbunden sind: Die Erfahrungen und Erfolge, die durch die nichtparteipolitische Politik des amerikanischen Gewerkschaftsbundes erreicht wurden, erstrecken sich über eine Generation. Dies zeigt, dass durch die Anwendung dieser Politik die Arbeiter Amerikas sich ein viel grösseres Mass fundamentaler Gesetz- gebung, Festlegung ihrer Rechte, Schutz ihrer Interessen und ihrer Wohl- fahrt und bessere Gelegenheiten gesichert haben, als sie von den Arbeitern irgendeines anderen Landes erreicht werden. Die höchst notwendige Gesetzgebung, die jetzt erforderlich ist, kann viel schneller gesichert werden durch Erziehung der öffentlichen Meinung und den Appell an das Gewissen, ergänzt durch energische unabhängige politische Tätigkeit der Gewerkschaften, als durch irgendeine andere Methode. Dies ist die staatsbürgerliche Politik des amerikanischen Ge- werkschaftsbundes, die festgesetzt wird, wenn die Lehren, die die Arbeiter in der bitteren, aber praktischen Schule der Erfahrung gelernt haben, beachtet und verfolgt werden. Es ist darum sehr wesentlich, dass die Beamten des amerikanischen Gewerkschaftsbundes, die Beamten der angeschlossenen Organisationen, die staatlichen und örtlichen Gewerkschaftskartelle und alle Mitglieder der Gewerkschaftsbewegung die staatsbürgerliche Politik des Gewerk- schaftsbundes so nachdrücklich wie möglich anwenden, damit die Freunde und Gegner der Arbeiter weit und breit bekannt. werden und die zuerst erforderliche Gesetzgebung schnell gesichert wird. Diese Phase unserer Bewegung ist noch in ihrer Kindheit. Sie sollte fortgesetzt und bis zur logischen Konsequenz entwickelt werden.“ * 9921 bare Kohle gewonnen werden — das andere ist Versuch in der Richtung auf die niedrigsten Gestehungskosten oder die nächsten Absatzgebiete; nicht eine sorgliche Ausnutzung alles Vorhandenen, sondern ein Suchen nach den geringsten Widerständen. Über ganze Staaten hin entwickelt sich hastig eine rege Bergbau- tätigkeit, um entweder als unrentabel wieder fallengelassen zu werden, oder um einem andern Gebiet einen Teil seiner Aktivität zu entziehen. Solche Versuche haben wir im Staate Kansas in Fülle gesehen. Ähnliches Wandern und Experimentieren erlebt man fortwährend in der Landwirtschaft; im Staate Illinois (zu dem Chicago gehört!) sind zurzeit 11 000 Farmen ausser Betrieb, wäh- rend weiter westlich und nördlich manche Farmgebiete, die früher nicht hoch veranschlagt wurden, einen plötzlichen Aufschwung nehmen. Auch das Händler-, Agenten- und Zwischenhändlerelement hat in diesem Lande mehr Spielraum, ist umfangreicher und gestattet grösseren Zuwachs als in den meisten Ländern Europas. Die Händlerzahl soll in den letztvergangenen zehn Jahren um ein Achtfaches schneller gewachsen sein als die Ziffer der produktiv Tätigen. Händler und Agenten machen 10 Prozent von den 41% Millionen Erwerbstätigen des Landes aus. Herrscht auch vielleicht bei manchen der ganz grossen „stores‘“ und Warenhäuser das Prinzip grossen Umsatzes mit kleinem Prozentgewinn, so haben wir anderseits doch zahlreiche und wohlbegründete Klagen darüber gehört, welch grosse Bruchteile vom Käuferpreis der Produkte — insbesondere der landwirtschaftlichen — zum Schaden des Far- mers wie der Käufermasse an den Händen von Jobbern, Eisenbahn- gesellschaften und Zwischenhändlern (go-betweens) hängen- bleiben, ja, es haben einzelne Gewerkschaftsführer die Meinung geäussert, die Beförderung und Verteilung der Waren, die „cir- culation“, sei für die organisierte Arbeiterschaft ein ebenso ernst- haftes Problem wie die Lohnirage, und es sei insofern noch beson- ders dringlich, als auf genossenschaftlichem Gebiete innerhalb der industriellen Arbeiterschaft noch kaum etwas Wesentliches be- gonnen sei. Man hat uns im Staate Wisconsin die Preisgestaltung durch den Zwischenhandel am Beispiel der in diesem Staate erzeugten Kar- toffeln demonstriert. Die Ware geht vom Farmer zum Händler im selben Staate, der ein Lagerhaus unterhält (the warehouse-man); von diesem Lager kommen sie zur Eisenbahn und gelangen in die Hände eines Jobbers in Chicago (Staat Illinois!), gehen wieder auf die Eisenbahn, um beim Jobber in Milwaukee (Wisconsin) das Land ihrer Herkunft wiederzusehen. Durch einen abermaligen Zwischenhändler gelangen sie schliesslich zum Kleinverkäufer und von diesem zum Verbraucher als zehnte Stelle! Dieser Rundfahrt 96 ihr gesamter Aktienbesitz stets in der Minderheit bleibt, die zer- splitterten Kleinaktionäre machtlos bleiben müssen gegenüber den Grossaktionären und der Leitung des Unternehmens. Nur zu leicht geben sie sich der Täuschung hin, dass sie nun selbst wirklicher Teilhaber am Betrieb geworden sind, und dass dessen Ertrag ihr eigener klingender Gewinn ist. Schliesslich haben die Unternehmer herausgefunden, dass sie.die Werbekraft der Gewerkschafteninfolge deren Unterstützungseinrichtungen abschwächen können, wenn sie selbst solche Unterstützungseinrichtungen fürihre Arbeiter schaffen. Nach den Zahlen, die darüber vorliegen, sind gegenwärtig nach dem System der „Gruppenversicherung“ bereits über 2 Millionen Arbeiter durch ihre Unternehmer in einer Lebensversicherung ver- sichert. Die Prämien werden häufig von den Unternehmern allein gezahlt (d.h. auf Betriebsunkosten verbucht), andernfalls müssen die Arbeiter einen Teil dazu beitragen. Der Anspruch wird schon nach verhältnismässig kurzer Beschäftigungsdauer im Betrieb er- reicht, und dann wächst die Versicherungssumme mit jedem weiteren Beschäftigungsiahr. Alle Ansprüche erlöschen aber in demselben Augenblick, in dem das Arbeitsverhältnis gelöst wird. Das System der Lebensversicherung wird ergänzt durch ein solches der Altersversicherung. Nach dem Report des „National Industrial Conference Board“ wird für 1925 schon über 215 Betriebe mit 2815512 Arbeitern berichtet, in denen diese Versicherung ein- geführt worden ist. Auch hier hören alle Ansprüche auf, wenn das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht. Im anderen Fall ist der rentefordernde Arbeiter immer noch der Willkür des Versicherungs- unternehmens ausgeliefert, an dessen Verwaltung er nicht den ge- ringsten Anteil hat. Welchen Umfang das Kleinaktiensystem angenommen hat, kann man daran ermessen, dass schon 1918 die Zahl der Aktienbesitzer in den Vereinigten Staaten 2 537 000 betrug, dass sie aber bis 1925 auf 5051 000 gestiegen ist. Über die Einrichtung von Betriebsräten, die in den Vereinigten Staaten als eine Massnahme gegen die Gewerkschaften aufzufassen ist, liegen folgende Zahlen vor: 1919 1922 1924 Anzahl der Betriebe 225 725 814 Darin Beschäftigte „x 391400 690000 1.177000 Angesichts dieser Tatsache ist es vollkommen klar, dass die Gewerkschaftsbewegung in den Vereinigten Staaten ernsthaft Problemen gegenübersteht, die nicht nur eine Erweiterung ihres Aktionsradius gebieterisch fordern, sondern vermutlich auch eine Änderung des ganzen Organisationssystems früher oder später er- zwingen werden. Die Vorstellung, als ob die Arbeiter des einzelnen Berufs einen ausreichenden Schutz haben, wenn sie nur für sich 930 in allen Städten und Gegenden des Landes sein Wesen oder Un- wesen. Daneben gibt es da und dort Einrichtungen der staatlichen oder gemeindlichen Stellenvermittlung. So hat z. B. die Staats- regierung vom Staate Wisconsin ihrem Arbeitsdepartement („In- dustrial Commission”) ein System der Arbeitsvermittlung an- gegliedert. Da aber keine Verpflichtung zur Anmeldung offener Stellen besteht und somit der staatlichen Stelle jede Kontrolle und Zwangsgewalt fehlt, ist ihre Wirksamkeit neben den vorher- genannten Faktoren der Arbeitsvermittlung nicht sehr bedeutend. Ähnlich liegt es bei der staatlichen und kommunalen Vermittlung für die früher erwähnten Erntearbeiter. Auch dort bestehen alle Arten der Arbeitsvermittlung bunt nebeneinander. Bei der grossen Zukunit, die mit zunehmender Erstarrung und Kristallisierung der Verhältnisse aller Voraussicht nach der ameri- kanischen Gewerkschaftsbewegung beschieden sein wird, sind auf allen diesen Gebieten im nächsten Menschenalter tiefgreifende Änderungen zum Besseren zu erwarten. Der soziale Sinn beginnt sich durchzusetzen und verdrängt schon jetzt auf manchem Gebiet den überkommenen Individualismus. Und in Amerika läuft nicht nur manches Verkehrsmittel schneller als hierzulande, sondern auch die Entwicklung der sozialen Verhältnisse. Ist ein Gedanke erst aufgegriffen, so braucht es zu dessen Durchführung weniger Zeit als anderswo. | 8. Akkordarbeit. Im Anschluss möge sogleich einiges über die Akkordarbeit in Amerika hinzugefügt werden. Es wird im Kreise amerikanischer Gewerkschafter nicht ohne weiteres begreiflich gefunden, wenn ihnen berichtet wird, dass die meisten der grossen deutschen Gewerkschaftsverbände die Akkordarbeit nicht aus Prinzip ablehnen, während zrosse amerika- nische Organisationen, wie der Verband der Maschinenschlosser, die Akkordarbeit verwerfen und — z. B. in Chicago — ihre Mit- glieder verpflichten, gegen ihre Einführung zu wirken. Es bedarf auch in diesem Fall der Berücksichtigung der besonderen Verhält- nisse auf beiden Seiten. In den unorganisierten Betrieben wird die Akkordarbeit (piece work) oft ohne die Garantie eines Mindest- verdienstes, z. B. des ortsüblichen Stundenlohnes, und ohne jede andere einschränkende Schutzbestimmung gemacht, so dass die Akkordarbeit in solchen Betrieben zuweilen echte Schwitzarbeit ist. Wird aber wirklich einmal bei einer Akkordarbeit in unorgani- sierten Betrieben gut verdient, dann ist bei der buntscheckigen Zusammensetzung, dem grossen Wechsel der Arbeiterschaft und dem Fehlen von Disziplin und Kollektivmoral in solchen Betrieben 150 VI. Zusammenfassung ee wir nunmehr die vorhergehenden sozialen Betrach- tungen, so sehen wir, wie in einem Lande mit grosser Frucht- barkeit und reichen Bodenschätzen fast jeglicher Art die geographischen und klimatischen Voraussetzungen zu wirtschait- licher Machtentfaltung gegeben waren. Aber auch die Menschen entsprachen den Erfordernissen zu einer solchen Entfaltung. Die ursprünglichen Besiedler und heute massgebenden Volksschichten des Landes entstammen dem germanischen Nordeuropa und be- sassen und besitzen jene Anlagen zu wirtschaftlicher und indu- strieller Rührigkeit, die auch in ihren alten Heimatländern den kapitalistischen Industrialismus schuf, der der Welt des 19. und 20. Jahrhunderts seinen Stempel aufdrückte. Im industriellen Europa ging Schritt um Schritt mit der Ent- faltung des Industriekapitalismus eine gewaltige, nie in. der Welt- geschichte erlebte Vermehrung der Bevölkerung, teils Ursache, teils Folge der Industrialisierung. So wurde {fortlaufend jene „Reservearmee“ gezeugt, jene billigen, stets erlangbaren Arbeits- hände, welche die kapitalistische Produktion fordert: eine Menschen- masse, gleichartig in ihrer Herkunft, uniform in ihrer Armut, ein- förmig in ihren schmalen Lebensansprüchen. Von dieser einen Seite her unterschied sich die Entwicklung in Amerika grundlegend von derjenigen in unseren Ländern. Das Siedlervolk war dünn gesät, und der Einwandererstrom, so stark er auch in manchen Jahren und Jahrzehnten sein mochte, auch nicht annähernd ausreichend, um einen Menschenverschleiss im kapitalistisch-europäischen Ausmass zu gestatten, um durch all- gemeinen Druck auf die Lebenshaltung jene gleichförmige Prole- tariermasse zu erzeugen, die ein unbestreitbares Ganzes darstellt, als Trittbrett der kapitalistischen Zivilisation. Menschenknappheit (gemessen an dem unabsehbaren wirtschaftlichen Betätigungsfeld) erzwang Arbeitslöhne, die schon vor dem Kriege bedeutend höher waren als in Europas Industrien. In dieser Situation, als Land eines schnell aufstrebenden Kolonial- kapitalismus, mit grossen Möglichkeiten und relativ geringer Menschenzahl, wären die Vereinigten Staaten vielleicht zu einem „sozialen Erdteil“ geworden, wie das britische Australien, mit 193 i) Wie wird mit den Eisenbahnverwaltungen ‘ zusammengearbeitet bezüglich der Wagengestellung und des Wagenstandes? ı k) Besteht irgendeine örtliche Organisation (z. B. Handelskammer) zur Erreichung von Vergünstigungen im Eisenbahnverkehr? 15. Wird das Rohmaterial einer Prüfung unterworfen, oder werden Muster beim Empfang entnommen? a) Von wem wird die Untersuchung ausgeführt? b) Wie werden die Mindestanforderungen der Lieferung bestimmt? c) Wieviel Prozent der Lieferungen werden zurückgewiesen? d) Welche Ersparnisse sind hierauf zurückzuführen? 16. Findet eine Fabrikationskontrolle statt? ; a) In welchem Stadium der Produktion oder nach welchen Arbeiten? b) Besteht eine besondere Prüfungsabteilung, die Massstäbe für die ' Prüfung aufstellt?. Wenn nicht, wie werden sie bestimmt? c) Wer prüft den Arbeitsvorgang? d) Wem gegenüber sind die Prüfer verantwortlich? e) Bestehen . Vorschriften ‚für Genauigkeitsgrade und zulässige + Fehlergrenzen? f) Werden die Anweisungen den Arbeitern schriftlich oder mündlich mitgeteilt? z) Wer leitet die Arbeiter bezüglich Güte und fachmännischer Aus- führung" an? h) Müssen die Arbeitnehmer die Schäden ohne Vergütung beseitigen? i) Wird die Zurückweisung nach Art und Menge aufgezeichnet? ij) Wie gross ist der Betrag der Zurückweisung in Geld oder in Prozenten der Produktion? : k) Wurden Vorstösse zur Verbesserung der Qualität unternommen? Zutreffendenfalls beschreiben.Sie diese nach Art und Ergebnis. 17. Wie wird das Fertigerzeugnis geprüft? a) Von wem? b) Wem ist der Prüfer verantwortlich? c) Wer bestimmt Genauigkeitsgrade und zulässige Abweichungen? d) Sind schriftliche Anweisungen üblich oder vorhanden, oder werden sie mündlich erteilt? e) Wie werden zurückgewiesene Erzeugnisse ersetzt oder ver- bessert? f). Ist irgendeine Zusammenstellung über Art und Menge von zurück- gewiesenen Erzeugnissen vorhanden? g) Schätzen Sie die zurückgewiesenen Erzeugnisse in Geld oder in Prozent der Gesamterzeugung? 18. Wie sind Umfang und Art der Prüfungsanstalt? a) In welchem Umfang wird von ihr Gebrauch gemacht? b) Wann wurde die Einrichtung in Gebrauch genommen? c) Geben Sie womöglich Zahlen an, oder schätzen Sie die Erspar- nisse in den Fällen, in denen die Prüfungsanstalt in Tätigkeit ge- treten ist. 19. Geschätzte Menge des im Produktionsprozess stehenden Materials nach Gewicht und Geldwert. 86 schärfte Aufsicht das physische Arbeitstempo zu beschleunigen, die Arbeitsquantität zu steigern und damit maximale Leistungen aus dem Arbeiter herauszupressen. Der Betriebsaufsichtsbeamte mit der Stoppuhr in der Hand, also der „Taylorist‘“, wie ihn sich die deutsche Betriebs- und Arbeits- wissenschaft vorstellt, ist heute in den Vereinigten Staaten so gut wie völlig verschwunden. Die Entwicklung der Betriebspraxis hat zu ganz anderen praktischen Methoden der Produktivität geführt, als unsere in Systematik, Prinzipien und Formeln verliebte Be- triebswissenschaft meint. Selbstverständlich soll mit diesen Feststellungen nicht aus- gedrückt werden, dass es auch in Amerika den Typ des Unter- hehmers und der Betriebe noch gibt, der durch Erzwingung maximaler Arbeitseffekte, durch das Antreiben zu quantitativen Rekorden seine Gewinne zu steigern versucht. Es gibt auch in den Vereinigten Staaten den Unternehmer, der neben seine Arbeiter den Kolonnenschieber, den Mann, der „schuftet“ stellt, um auf diese Art bei seinen Arbeitern höchste quantitative Intensität zu er- zwingen. Ebenso findet man noch das Prinzip der bestimmten Pflichtmindestleistungen, die der Arbeiter erreichen muss, wenn er seinen Arbeitsplatz behalten will. Diese Tatsachen sind in den Ver- einigten Staaten also ebenso anzutreffen wie in Deutschland. Das gleiche ist es mit den Klagen darüber, dass der Klempner bei der Hausreparatur „zu lange geblieben“ sei, dass „schneller gearbeitet“ werden müsse, dass überflüssige Zeit durch das Nach- holen vergessener Werkzeuge verlorengegangen sei, USW. Alle diese Tatbestände sind ja nicht das entscheidende. Für die Beurteilung der physischen Intensität der Arbeit sind die Tatsachen des Arbeitstempos ausschlaggebend, die sich in den grossen, den Massenindustrien finden. Dazu ist festzustellen, dass heute in den Vereinigten Staaten nach den ursprünglichen, häufig missverstande- nerweise so genannten Taylormethoden, die die Quantitäts- Steigerung durch physische Intensivierung der Arbeit erreichen Wollten, nicht mehr 100000 Arbeiter tätig sind. Diese Zahl ist nicht von uns geschätzt, sondern stammt aus Angaben der amerikanischen Taylorleute. Die Zahl ist also eher zu hoch als zu niedrig gegriffen. Die Vorstehenden Tatsachen und Beobachtungen ergeben zu- SAMMENSEfasst, dass dort, wo für Tempovergleiche (physische Intensität) der Arbeit in deutschen und in amerikanischen Betrieben die gleiche Ausgangsbasis vorhanden ist, ein Unterschied im Arbeitstempo nicht teststellbar ist. In diesen Fällen ist auch der Leistungseffekt nicht höher als bei uns in Deutschland. Dort, wo der Leistungseffekt des Betriebes im Vergleich zu verwandten deutschen Unternehmungen höher ist, beruht er nicht auf grösserer 43 keinerlei Anspruch auf die Leistungen der Organisation und sind der grössten Unsicherheit ihrer Existenz ausgesetzt. Solche, dem deutschen Gewerkschaftsempfinden unsymp athischen Methoden?) sollen in der Vergangenheit sehr stark verbreitet ge- wesen sein und sind auch heute noch durchaus nicht selten. Un- zweifelhaft ist aber ihre Anwendung schon sehr erheblich zurück- gegangen und ist auch wohl nur in solchen kleinen Berufen möglich, wo die Lokalunion in ihrem Bereich alle Arbeitsplätze genau über- sehen kann und ein Eindringen von Berufsiremden aus arbeitstech- nischen Gründen nur schwer möglich ist. - * 7. Grenzstreitigkeiten. Das jeder Union innewohnende Bestreben, für ihre Mitglieder nicht nur gute Arbeitsbedingungen, sondern nach Möglichkeit auch dauernde Arbeitsgelegenheit zu sichern, führt nun aber auch zu Differenzen zwischen den Gewerkschaften selbst. Auch in Deutsch- Jand gibt es gelegentlich Grenzstreitigkeiten, weil die Berufs- oder Industriezugehörigkeit dieser oder jener Arbeitsgruppe zweifelhaft ist. Hier geht das Ringen um die Mitglieder. In den Vereinigten Staaten geht der Kampf um die Arbeitsplätze, der der Federation ernsthafte Sorgen bereitet. Häufig mussten Schiedsgerichte zu- sammentreten, um Streitigkeiten dieser Art zu schlichten. Auch die amtlichen Arbeitsbehörden wenden diesen Grenzstreitigkeiten ihre Aufmerksamkeit zu, weil dadurch nicht selten schon empfind- liche Störungen des Wirtschaftslebens hervorgerufen worden sind. Seit Jahren besteht unter der Kontrolle des Arbeitsministeriums ein paritätisch von Gewerkschaften und Unternehmern besetztes besonderes Schiedsgericht für gewerkschaftliche Grenzstreitig- keiten, das „National Board for Jurisdictional Awards“. Es ge- lingt aber nicht immer, Entscheidungen zu finden, die auch von beiden Parteien anerkannt werden. Fin Streitfall dieser Art, der seit Jahren akut ist und die Zu- sammenarbeit in der Federation ernstlich stört, mag hier zur Illustration angeführt sein. Es handelt sich um Differenzen zwischen dem Verband der Baufischler und Zimmerer und dem der Hohl- 1) Aber auch der deutsche Gewerkschafter muss sich hüten, voreilig den Stab über die amerikanischen Gewerkschaften zu brechen. Bei uns ist es nur erst vereinzelt Gewerk- schaften gelungen, für ihre Mitglieder ein Recht auf alle Arbeitsplätze festzulegen. Wo das aber geschehen ist, finden sich auch bei uns Beispiele von wirksamen Massnahmen gegen eine Überfüllung des Berufes, Allerdings gehen sie nicht bis zur Schliessung der Mitgliederliste, sondern beziehen sich auf eine planmässige Einschränkung der Lehrlings- haltung und Verhinderung von Anlernung Berufsfremder, Überhaupt gebietet die Gerechtig- keit gegenüber den amerikanischen Gewerkschaften, zu sagen, dass die bei unseren Gewerkschaften geringere Betonung berufsegoistischer Interessen doch wohl nicht aus- schliesslich auf das Gefühl der allgemeinen ‘Arbeitersolidarität, sondern auch mit darauf zurückzuführen ist, dass schon durch die realen wirtschaftlichen und sozialen Macht- verhältnisse ein Verzicht auf Berufsegoismus erzwungen wird, 9929 dadurch ein Druck ausgeübt, dass er dann verschärften Haftpflicht- vorschriften untersteht. Auch in bezug auf die Art und Verwaltung der Versicherungs- fonds besteht eine typisch angelsächsische zwanglose Mannig- faltigkeit. Die Fonds können gebildet werden sowohl durch Leistungen des einzelnen Unternehmers an einen besonderen Staatsfonds als auch durch Zahlungen an eine Versicherungs- gesellschaft oder selbst durch private Eigenrücklagen des einzelnen Unternehmens. Nur wenige Staaten haben in diesem Punkt einige einschränkende Bestimmungen; die Gewerkschaften dagegen fordern die strikte Ausschaltung des privaten Versicherungs- geschäfts aus der Unfallversicherungspraxis wie auch die Ab- schaffung des Privationds. Sie wollen damit Spekulationen unmöglich machen und auch der durch geschäftliche Zahlungs- unfähigkeit für die bezugsberechtigten Arbeiter entstehenden Ge- fahr vorbeugen. Die Folge der Leistungspflichten der Unternehmer bei Unfällen ist eine über das ganze Land verbreitete Propaganda- und Auf- klärungsarbeit mit dem Ziel der Unfallverhütung unter dem in jedem Fabrikbetrieb zu lesenden Losungswort: „Safety First!“, das in allen Betriebsräumen in weithin sichtbaren Lettern angebracht ist. 2. Soziale Einrichtungen der Einzelbetriebe, Mit der Leistung des Unternehmers für die Unfall- und Hinter- bliebenenversicherung ist indessen die „soziale Belastung“ des amerikanischen Unternehmertums noch nicht erschöpft, und es zeigt nur die völlige Unfähigkeit einzelner deutscher Besucher Amerikas, die verschiedenen und andersartigen Erscheinungsformen ein und derselben Sache wahrzunehmen, wenn sie fröhlich und frisch das Gegenteil berichten, es sei denn — was noch schlimmer, weil un- ehrlich, wäre —, dass sie ihre Erfahrungen in dieser Hinsicht ab- sichtlich zurückhalten. Wir haben in Betrieben zu Milwaukee, Chicago, Cincinnati und auch anderwärts soziale Einrichtungen ge- sehen, die den betreffenden Betrieb vielleicht nicht weniger kosten als seinen entsprechenden Anteil an der „sozialen Belastung“ in Deutschland. Viele der von uns besuchten grösseren Betriebe haben für ihre Arbeiter einen grösseren oder kleineren Stab von Ärzten und Zahnärzten für freie Konsultation und Behandlung, haben eine Abteilung für Rechtsberatung, ein Darlehns- und Unterstützungs- wesen, zuweilen in Verbindung mit der mehr berüchtigten als be- rühmten „Gewinnbeteiligung‘“ in der Form der Kleinaktien oder hochverzinsenden Fabriksparkassen, durch welche die Arbeiter an den Betrieb gekettet werden. Grossfirmen und namentlich Eisen- 139 führer Il. Bundesstaatliche Einkommensteuer. Steuerfreier Betrag: Für Unverheiratete ..............0...0000000 HH 1000 Dollar Für Verheiratete ...... 2500, Für jede zu unterhaltende Person ................04 400, Steuersatz: Für die ersten 4000 Dollar über den steuerfreien Betrag 2 Prozent Für die nächsten 4000 Dollar ..........0.00000000000000 4 5 (Die Gewerkschaften fordern Steuerfreiheit für 5000 Dollar.) Man sieht, dass für Kleidung und Essen die absoluten Preise kaum höher, zum Teil niedriger sind als bei uns. Vor allem aber kauft der Arbeiter für seinen Lohn mehr davon als der deutsche. Es dürfte kaum ungelernte Arbeiter in Deutschland geben, die für anderthalb Wochenlöhne einen Anzug oder einen Überzieher von einiger Qualität kaufen, auch schwerlich für einen Stundenlohn im Restaurant eine übliche Portion und Qualität Mittagessen erhalten. Dabei ist zu beachten, dass wir hier die Kaufkraft vom Lohne des ungelernten Arbeiters darstellten. Der gelernte Metallarbeiter ver- dient (im Durchschnitt der Organisierten und Unorganisierten am Orte) 80 bis 85 Cent. Ebensoviel erhalten die Bauhilfsarbeiter, während der Stundenlohn des gelernten Bauarbeiters 125 Cent ist. Ein möbliertes Zimmer mit Frühstück und Abendbrot, also mit Verköstigung ausser Mittagessen, kostet auch in Detroit und Chicago, wie wir öfters festzustellen Gelegenheit hatten, nicht über zehn bis zwölf Dollar, so dass der Lebensunterhalt eines un- verheirateten Arbeiters pro Woche insgesamt 13 bis 15 Dollar kostet. Sehr teuer ist dagegen eine Wohnung mit mehreren Zimmern. Nach unserer obigen Zusammenstellung verschlingt die Ausgabe für die billigste Art von Wohnungen allein ein Drittel vom vollen Lohn ungelernter Arbeiter mit einem halben Dollar Stunden- lohn. Die gleichen Preise gelten auch für alle anderen Städte des Nordostens, ja, man kann sagen, dass sie in New York, Chicago und Washington eher noch etwas höher sind. Dabei ist jedoch wohl zu merken, dass es sich um hochmoderne Wohnungen mit Baderaum und allem Zubehör, nicht etwa um ein Aquivalent der durchschnitt- lichen deutschen Arbeiterwohnung handelt. Solche Wohnungen würden auch in Deutschland mindestens 50 Mk., meist aber mehr kosten. Immerhin zahlt man für Wohnungen gleicher Güte drüben nominell einen mehrfachen Betrag. Natürlichbewohnt der ungelernte Arbeiter, dessen Lohn wir als Vergleichsmassstab nahmen, nicht die teuerste, sondern die billigste Wohnung, gibt also, wenn er eine mehrköpfige Familie hat und folglich drei Zimmer braucht, dafür 30 bis höchstens 35 Dollar — immerhin noch ein starkes Drittel seines Finkommens — aus. Ist seine Familie klein, so wird er — *._. 1: 4. Der Kampf gegen die Verschwendung in der Industrie. Der grösste Fehler wäre, wenn man die amerikanische Wirtschaft als ein wundersam organisches Gefüge betrachten wollte. Das gerade Gegenteil ist der Fall. Deswegen ist es eigentlich nicht das Wunder, dass jenes Land von schier unendlich erscheinenden öko- Nomischen Kräften übersprudelt, viel erstaunlicher ist, dass die Widersprüche sich doch zum Ganzen fügen, dass dieser kapita- listische Turm zuBabel unerschütterlicherscheint und weiter wächst. Der Verschwendungskoeifizient der Produktion ist in den Ver- einigten Staaten für unsere Begriffe ausserordentlich hoch. Es wird vieles weggeworfen, was bei uns in der verarmten deutschen Wirt- schaft als hoher Wert gilt. Viele bedeutende Betriebe verachten noch heute Nebenprodukte und Abfälle in einem Ausmasse, dass diese Verschwendung erschreckend wirkt. Man erlebt in Amerika aber noch eine andere Art von Ver- schwendung. Die Vereinigten Staaten wirken auf den Beobachter wie ein kapitalistischer Garten Eden, in dem alles wahllos blüht und wuchert, in dem sich niemand darum kümmert, was umkommt oder zertreten wird... Um nur ein Beispiel für viele zu geben, sei hier festgehalten, dass in der amerikanischen Automobilindustrie trotz Ford die gegen- seitige Konkurrenz ganz ausserordentlich zross ist, dass dennoch immer wieder neue Automobilfabriken entstehen, die wieder zu- sammenbrechen oder andere vernichten. In den Jahren von 1913 bis 1924 sind in den Vereinigten Staaten rund 20 Automobilfabriken, darunter solche mit grossen Jahresproduktionen, entstanden und verblüht. Zum Teil hat daran allerdings auch der Krieg mitgewirkt. Die Leistungsfähigkeit der bestehenden Automobilfabriken ist ebensowenig voll ausgenützt wie z. B. die der Kohlengruben, der Mühlen oder der Schuhfabriken. Der Arbeitsminister Davis veröffentlichtein der offiziellen Monats- Zeitschrift seines Ministeriums zufällig im September 1925 bis ins Einzelne gehende Ziffern über die mangelhafte wirtschaftliche Nutzung wichtigster Industrien. Er stellte fest, dass die amerika- Nische Schuhindustrie bei voller Beschäftigung in der Lage sei, den Stiefelbedarf der ganzen Welt zu decken. Sowohl ihr Beschäifti- SUNSSZTad wie der der Mühlen- und Kohlenindustrie liege zwischen einem Viertel und einem Drittel ihrer Kapazität, ihrer Leistungs- möglichkeit. Man hat in Amerika den Eindruck, als ob die Menschenmassen den Städten über den Kopf gewachsen seien, sie ständig sprengen wollten, dass aber zugleich die Waren, die vergegenständlichte Pro- duktionskraft dieser Menschen, sie selbst im Übermass ihrer Mengen ersäufen möchten. Man meint, das Herankommen einer Krise des Überflusses körperlich zu fühlen. 71 höheren oder das etwa Vierundeinhalbfache der unteren deutschen Löhne. Die gelernten Arbeiter der Automobilindustrie verdienen mit 69,8 Cent gleich 293 Pf. im ganzen Landesdurchschnitt das an- nähernd Dreieinviertelfache selbst von den höchsten deutschen Tariflöhnen für gelernte Metallarbeiter, einschliesslich der zu- sätzlich angenommenen 12 Prozent. Es darf also mit Be- rechtigung angenommen werden, dass der Durchschnittslohn der gelernten Metallarbeiter in Amerika gut das Vierfache des deut- schen Lohnes ist. Allerdings gibt es auch Gegenden, wo er das Zweieinhalbfache im Durchschnitt wahrscheinlich nicht übersteigt, so z.B. in St. Paul, im Staate Minnesota, von dem schon die Rede war, wo Farmerkonkurrenz und der Mangel an einer wirk- samen Organisation die Löhne niedrighalten. Dort wird gelernten Metallarbeitern noch ein Lohn bis herunter zu 45 Cent pro Stunde gezahlt. Ähnliche Verhältnisse fanden wir in anderen Landwirt- schaftsstaaten des Nordens und Mittelwestens. Allein das sind peripherische Erscheinungen in Gegenden, wo die Industrie nur noch in ihren Ausläufen vertreten ist. Sie dürften wohl den Landesdurchschnitt nicht entscheidend beeinflussen. Der durchschnittliche Stundenlohn ungelernter Arbeiter in den verschiedenen Metallindustrien ist: im Automobilfach 51,3 Cent, in den verschiedenen Arten der Metallverarbeitung 49 und im Maschinenbau 49,6 Cent. Ob diese Angaben aufrechterhalten blieben, wenn die Statistik, auf die wir uns beziehen, den Süden und Mittelwesten des Landes mit der gleichen Intensität erfasst hätte wie den industriellen Osten, erscheint uns nach allem Ge- hörten und Erlebten fraglich. Für den industriellen Osten und die Westküste, die zusammen weit mehr als die Hälfte der Ge- samtbevölkerung und die hauptsächlichsten Industrien des Landes beherbergen (vgl. die Karte auf Seite 98), erscheinen sie uns augenfällig zutreffend, denn wir stellten diesen Durchschnittslohn für Ungelernte auch in der Metallindustrie von Milwaukee fest, wo bei weitem nicht die höchsten Löhne gezahlt werden. Auch für die dortigen Gemeindearbeiter, soweit sie unqualifizierte Kräfte sind, liegt der Lohn zwischen 45 und 55 Cent pro Stunde. Ein Stundenlohn von 50 Cent gleich 210 Pf. ist mehr als das Dreifache des höchsten deutschen Tariflohnes für ungelernte Metallarbeiter (Mannheim = 0,65 Mk.) bzw. mehr als das Fünfein- halbfache eines der niedrigsten Löhne (Gleiwitz = 0,33 Mk.) samt den zusätzlichen 12 Prozent! Er ist 2%mal höher als der höchste Lohn ungelernter Gemeindearbeiter in Deutschland und nahezu fünfmal höher als der niedrigste Lohn dieser Art, der in Tilsit mit 42,5 Pf. gezahlt wird. 165 offiziellen, vom Labor Department gemeldeten Kleinhandelspreise von 17 verschiedenen Städten in allen Landesteilen folgen, deren Preise wir ebenfalls für deutsche Mengen und in deutsche Geld- währung umgerechnet haben. (Seite 178 bis 180.) Nach den Veröffentlichungen des amerikanischen Arbeits- departments stellt sich die Indexziffer für die Kosten der Lebens- haltung während der letzten Jahre wie folgt dar: (1913 = 100) 1920 | __ 1921 = E 1922 | 1923 | 1924 BA 1925 März... — = 166,9 168,8 170,4 a Juni... 2165 180,4 166,4 169,7 169.1 4 September = 177,8 166,3 1 172,1 17%5 Dezember 200,4 174,3 169,5 173,2 — 78 In der Gesamt-Indexziffer von 178 für Dezember 1925 sind die einzelnen Lebenshaltungsfaktoren mit folgenden Teuerungszahlen yerfreien: Nahrunz if ....... 2... 1532 EG 180,0 Wohnung .. 175,1 Beleuchtung ........ 186,9 Möbel und Hausrat... . 224,2 Verschiedenes .......... 209,8 Wesentlich unter dem Gesamtindex stehen also nur die Preise der Lebensmittel zum Nachteil des amerikanischen Farmers. Be- deutend über dem Gesamtindex liegt dagegen die Teuerungsziffer für industrielle Erzeugnisse, wie Möbel und Hausrat. Auch unter „Verschiedenes“ sind solche enthalten. Die volkswirtschaftliche und sozialpolitische Literatur Amerikas nennt an verschiedenen Stellen die Summe von 1100 Dollar als das Minimum eines Jahreseinkommens, welches erforderlich ist, um eine vier- bis fünfköpfige Arbeiterfamilie zu unterhalten. Was darunter liegt, ist „poverty level“, Armutsgebiet. Nach dieser Rechnung muss angenommen werden, dass reichlich ein Drittel der Industriearbeiterschaft der Vereinigten Staaten im Dunstkreis der Armut lebt. Allerdings muss, um nicht eine irreführende Dar- stellung zu geben, gesagt werden, dass die Lebenshaltung für eine fünfköpfige Familie mit einem Jahreseinkommen von 1000 bis 1100 Dollar noch erheblich über dem liegt, was wir Armut nennen würden, so dass die höheren Einkommen innerhalb der „Armuts- grenze“ noch keine Armut in europäischem Sinn bedeuten, doch liegen auch sehr viele Einkommen tief unter der „Armutsgrenze“. | 181 zu lassen. Selbst dem Personenkult in der Politik und im öffent- lichen Leben fehlt der servile Beigeschmack. Und den Standes- dünkel verhindert, wenn nicht, wie manche sagen, eine „demo- kratische Achtung vor ehrlicher Arbeit“, so doch jedenfalls ein kluger Takt. Die oft gebrauchte Lobrede von der amerikanischen Achtung vor der Arbeit als solcher ist natürlich nur eine rührselige Übertreibung und Verkennung der Tatsächlichkeit und höchstens für die erste staatsbürgerliche Unterweisung der unteren Volks- schulklassen brauchbar. Wenn man Erwachsenen den „Adel der schwieligen Hand“ preisen will, dann weist man auf die Galerie bedeutender Männer, die aus dem arbeitenden Volk emporstiegen. Dem Arbeiter als solchem gilt naturgemäss inkeinem kapitalistischen Staate die besondere Hochachtung. Vielmehr sieht man in ihm — hier wie dort — denjenigen, welcher in der allgemeinen Rennbahn auf der Strecke blieb: „Ferner liefen‘“... Der Unterschied ist, dass Bürger und Unternehmer dies in Amerika weniger taktlos zum Ausdruck bringen als in mancher anderen Gegend des Globus. Ausserdem fanden wir in fast allen Unternehmerkreisen eine wohlbedachte Rücksichtnahme auf die „öffentliche Meinung“, die in zunehmendem Masse auch durch die Gewerkschaften beeinflusst wird und seit dem Kriege — wie in fast allen Ländern, gleich- gültig aus welchen Motiven — den Arbeiter mehr als früher be- achtet. Den Tausenden von Besuchern der weltberühmten Mühlen- betriebe von Minneapolis verkündet am Eingang ein grosses Schild, dass in diesen Werken der Achtstundentag durchgeführt sei. Upton Sinclairs sozialkritischer Roman „Der Sumpf“ hat die verriegelten Tore der Schlachtbetriebe von Chicago gesprengt und dem Publi- kum den Zulass erwirkt. Und als wir in einem grossen Hotel dem Direktor sagen liessen, wir hätten soeben vernommen, das Hotel stehe wegen übler Arbeitsverhältnisse auf der gewerkschaftlichen Boykottliste, und wir würden, wenn dies zuträfe, gezwungen sein, das Haus zu verlassen, gab sich die Hotelleitung die grösste Mühe, uns zu überzeugen, dass unserer Information nur eine längst ge- wesene Auseinandersetzung mit einer Gewerkschaft zugrunde liege — Was sich später bestätigte — und das Hotel seitdem durchaus unter die „loyalen Unternehmungen“ zähle, und dass auch die gerade begonnenen baulichen Erweiterungen von einem organisier- ten Unternehmen ausgeführt werden. In den besseren Fabrik- betrieben legt man, . sofern sie unorganisiert sind, überall Wert darauf, dem Besucher klarzumachen, dass die Arbeitsbedingungen kaum hinter denen der „union shops“ zurückständen. Auf der anderen Seite findet man in dieser Beziehung auch ebenso unerfreuliche Erscheinungen: Vor allem das weitverbrei- tete System der Betriebsspionage. Unternehmer, welche die Ab- 138 1915 1924 1925”) Anteil Anteil Anteil an der ı an der ı an der Sn Welt-Er- man Welt-Er- bnszesan Welt-Er- zeugung zeugung zeugung in 1000t| in % in 1000t, in % ‚in 1000t in % a) Roheisenerzeugung: Weit... . 0031 100,00 || 66 418 100,00 || 74 235 , 100,00 Davon: Vereinigte Staaten, . 31462 39,81|| 31574 47,54|| 36 677. 49,41 Deutschland!) .... 10913 13,81'| 7812 11,75 | 10221 13,77 England.) 7. 10650 13,48|| 7426 11,20| 6303 8,49 Frankreich?) ,.... 10357 "13,101 1904] 13,61') 9901 13,34 Belgien ee 2485 3,141 2808 4,23 ı 2550 3,44 Luxemburg... : 1182 1,501 2176 3,28 12344 3,15 Uebrige Länder... 11982 15,16 5571 8,39 6239 8,40 b) Rohstahlerzeugung : We 790324 100,00 | 75603 100,00 || 84 230 | 100,00 Davon: Vereinigte Staaten... 31803 42,21 38541 50,98 | 44 637 | 52,99 Deutschland!) .... 12230 16,24 9835 13,02 | 12 321 14,63 England... 7786 10,34 8349 11,04! 7551 8,96 Frankreich?) ‘, .... 9053 12,02 8333 1102| 9009 10,70 Belgien. 2467: 3,28 2861 3,78! 2350 2,79 Luxemburg 1... ... 12120 1,6101 886 2,49!) 2082 2,47 Vebrige Länder ... u 10773) 14,30, 5798, 7,67 || 6280 7,46 *) Für das Jahr 1925 sind die Erzeugungsziffern in der Weise ermittelt, indem für die fehlende Monatsproduktion des Dezember diejenige des November eingesetzt wurde, ‘) Jetziges Reichsgebiet, also ausschließlich Elsaß-Lothringens, Saar u, Poln.Oberschlesiens, ?) Frankreich einschließlich Elsaß-Lothringens und das Saargebiet. Die Steinkohlen- Welterzeugung 1913 und 1925. Monatsdurchschnitt 1913 | 1025) (in Millionen Tonnen) Vereinigte Staaten; EST 43,09 43,75 Band. 24,34 20,44 Produktionsgebiete Deutschlands, Frankreichs und Polens ZUSAMMEN... A 19,99 18,43 (Deutschland) . BET AH ET NEON an (15,84) (11,02) (Frankreich)... N (3,40) (5,02) (Polen ee N (0,75) (2,39) Belgien EA a 1,90 1,93 Holland... TEN. a, 0,16 0,56 Jahres-Weltproduktion , 1%16,0 —— 1151,0 1) Vorläufige Ergebnisse; zum Teil geschätzt, 95 City bestätigt wurde. Besoldete Vorstandsmitglieder sind nur der Präsident und der Sekretär; der Kassierer (der 500 Dollar Jahres- entschädigung bezieht) und die Vizepräsidenten verwalten ihre Posten ehrenamtlich. Sie sind durchweg besoldete Vorstands- mitglieder angeschlossener Verbände. Soweit auf dem Bureau der Federation Bureaupersonal erforderlich ist, wird es vom Präsi- denten angestellt. Die Einnahmen der Federation bestehen aus Beiträgen der an- geschlossenen Verbände nach der Mitgliederzahl. Die Zentral- verbände zahlen im Monat 1 Cent, die selbständigen Lokalverbände 25 Cent pro Mitglied. Die letzteren haben ausserdem 25 Prozent der Eintrittsgelder bei Aufnahme von Mitgliedern, mindestens aber 1 Dollar für jede Aufnahme an die Federation abzuführen. Jedes angeschlossene Orts- oder Landeskartell hat an die Federation einen Jahresbeitrag von 10 Dollar zu entrichten. Wenn eine angeschlossene Gewerkschaft durch einen Kampf in finanzielle Not gerät, kann der Vorstand einen obligatorischen Extrabeitrag von 1 Cent pro Monat und Mitglied für alle an- geschlossenen Verbände ausschreiben, aber nur bis zur Höchst- dauer von zehn Wochen innerhalb eines Jahres. Der höhere Beitrag der direkt angeschlossenen Lokalverbände erklärt sich daraus, dass ihnen gegenüber die Federation ähnliche finanzielle Verpflichtungen hat, wie die Zentralverbände gegenüber ihren Local unions. Im Falle eines Streiks zahlt die Federation an die beteiligten Mitglieder der direkt angeschlossenen Lokalverbände eine Unterstützung von wöchentlich 7 Dollar bis zu einer Dauer von sechs Wochen, die durch Vorstandsbeschluss verlängert werden kann. Voraussetzung für die Unterstützungsgewährung ist aber, dass der betreffende Lokalverband mindestens 75 Cent Monats- beitrag von seinen Mitgliedern erhebt und mindestens 5 Cent pro Mitglied und Monat in einen eigenen Streikfonds zurückgelegt hat. Beschliessendes Organ der Federation ist der jährlich im Oktober stattfindende Kongress. Die Vertretung auf dem Kongress ist so geregelt, dass die angeschlossenen Zentralverbände mit weniger als 4000 Mitgliedern 1, mit 4000 Mitgliedern 2, mit 8000 Mitgliedern 3, mit 16 000 Mitgliedern 4, mit 32 000 Mitgliedern 5 usw. Delegierte entsenden können: Alle sonst der A.F.o.L.angeschlossenen Körper- schaften, die Industriekartelle, Landeskartelle, Ortskartelle, wie auch die direkt angeschlossenen Lokalverbände haben das Recht auf je einen Delegierten. Bei voller Ausnutzung des Delegations- rechtes müsste der Kongress einen sehr grossen Umfang ‚haben (zurzeit allein 850 Ortskartelle, 436 direkt angeschlossene Lokal- verbände!). Da aber jede Organisation die Kosten der Delegation selbst zu tragen hat, wird das Beschickungsrecht nur zum Teil in 215 Bevölkerung Amerikas vorführt, ist.uns die Bedeutung dieser Er- scheinung klar geworden. Fanden wir an der Eintönigkeit des „laufendes Bandes“ Briten oder Deutsche, so stellte sich bei Be- fragung meist heraus, dass sie erst kurze Zeit im Betriebe waren und sich im Übergang zu mehr qualifizierten, besser entlohnten Stellungen befanden; und in solchen trafen wir sie dort wie überall in Amerika ausserordentlich zahlreich. Eine briefliche Umfrage, welche die Teilnehmer unserer Reise unabhängig voneinander be- antworteten, hat ergeben, dass alle in den von ihnen besuchten Betrieben und Industrien ehemalige Arbeiter in grosser Zahl in leitenden Stellungen fanden. In Verkehrsbetrieben wird dieser Tat- sache die Wirkung zugeschrieben, dass dadurch der Betriebs- bureaukratismus beträchtlich gemindert sei. Der Zug nach oben wird verstärkt durch den Druck der Be- völkerungsnachfüllung von unten. Und fragt man die Vorleute und oberen Arbeiterschichten, wo ihre Söhne sind, so wird einem unglaublich oft die Antwort: „Er ist auf der High-School“ oder auf der „University“. Weil beim Übergang von einer Schule zur nächst- höheren das Zeugnis-, Prüfungs-, Diplom- und Gummistempel- wesen nicht mit der bei uns üblichen Engherzigkeit gehandhabt wird und auch das Vorurteil gegen „niedere Herkunft“ fehlt, so ist es selbst Arbeitern aus den Betrieben möglich, zu einem akademi- schen Beruf überzugehen, und wenn sie sich dort als tüchtig erweisen, wird es keinem aus dem neuen Kollegenkreis einfallen, sie als „nicht voll“ oder gar „nicht standesgemäss‘“ zu meiden oder herablassend zu behandeln. In Topeka, der Hauptstadt des Staates Kansas, waren wir die Gäste eines rührigen und prominenten Mit- gliedes des Maschinenschlosser-Verbandes. Er hat bis vor einigen Jahren als Schlosser in Fisenbahnwerkstätten von 30 verschiedenen Staaten gearbeitet, ging dann zur Hochschule und erwarb den Doktorgrad. Heute ist Dr. Hope als Zahnarzt Mitglied der staat- lichen Medizinalbehörde und dabei noch immer einer der eifrigsten gewerkschaftlichen Organisatoren. Nicht selten auch haben die Gewerkschaften akademisch gebildete Rechtsberater, die „sich selbst gemacht“ haben. Zahlreiche Farmersöhne beziehen die land- wirtschaftlichen Hochschulen. Von den wissenschaftlichen und akademischen Bildungsmöglichkeiten ist — als Ganzes und für die Regel — nur eine Volksschicht abgetrennt: jene, deren Armut die Kinder zum Geldverdienen zwingt. In sozial fortschrittlichen Staaten wie Wisconsin (dem „roten Sachsen“ von Amerika und einzigen Staate, wo es, unter Victor Bergers Führung, eine Sozia- listische Bewegung gibt), wird auch diesen Kindern und jungen Leuten eine Gelegenheit zu gewerblicher Fortbildung gegeben. Ein Gesetz dieses’ Staates hat den Fortbildungsschulzwang eingeführt und die Arbeitgeber verpflichtet, die durch den Schulbesuch ausfallende 129 die Zeit der Glücksritter, was aber aus dieser Zeit im Bewusstsein aller Bevölkerungsschichten noch stark fortlebt, das ist die Ehrung der Arbeit. Der Arbeitsminister hatte einen ganzen Stab seiner Beamten aus weiten Gebieten des Landes zu sich gerufen, um uns auf alle Fragen erschöpfende Auskunft zu geben. Die Mehrzahl der Beamten war aus der Gewerkschaftsbewegung hervorgegangen. Die Aussprache erfolgte völlig ungezwungen. Sie drehte sich um alle wirtschaft- lichen und sozialen Fragen, besonders auch um den Wirkungskreis und die Aufgaben der amerikanischen Schlichtungsbehörden zur Schlichtung wirtschaftlicher und sozialer Kämpfe. Der Minister er- klärte, alles tun zu wollen, um uns bei unserem Studium jede Er- leichterung, die er ermöglichen könne, zu verschaffen. Er tat dies sofortdurch Aushändigung schriftlicher Empfehlungen, die uns leicht und schnell Eingang zur Besichtigung bedeutender Unternehmungen verschaffen sollten. Wie wir später erkannten, hätte es dieser Emp- fehlungen nicht einmal bedurft, denn die amerikanischen Unter- nehmer öffnen freimütig und zuvorkommend jedem Besucher ihre Betriebe. Ein Wort unserer Absicht genügte, um zu sehen, was wir zu sehen begehrten. Dennoch waren uns die Empfehlungen des Ministers wertvoll. Sie hatten zum Beispiel in den Werken der „Ford-Motorenkompanie“ von Detroit zur Folge, dass wir uns nicht den 80 bis 100 Leuten, die, aus aller Welt gekommen, täg- lich durch die Werke laufen, anschliessen mussten, sondern allein geführt wurden. Dadurch konnte unser Studium eingehender er- folgen als unter so vielen. In Begleitung des Arbeitsministers er- folgte auch eine kurze Begrüssung zwischen uns und dem Prä- sidenten der Vereinigten Staaten, Coolidge, im Weissen Hause zu Washington. Dann ging die Abordnung nach Aflantic-City, einem Badeort von etwa 50 000 Einwohnern, dem Norderney der Vereinigten Staaten. Hier sollte am 5. Oktober der 45. Jahreskongress des amerika- nischen Gewerkschaftsbundes eröffnet werden. Der Saal des Kon- gresses, auf einer Mole erbaut, die weit vom Ufer in den Atlantic hineinragt, war in seiner ganzen Umgrenzung mit den nationalen Farben und dem Sternenbanner geschmückt. Obwohl die Fröffnung des Kongresses, die Begrüssungsansprachen, die Mandatsver- lesungen sowie der rein geschäftsmässige Verlauf nicht allzu ver- schieden waren von Gewerkschaftskongressen in anderen Ländern, so gab es doch zahlreiche hervorstechende Einzelheiten, die dem deutschen Auge und Ohr als charakteristisch amerikanisch er- schienen. Weit bekannt ist, dass diese Tagungen mit eines Geist- lichen Gebet für den Erfolg der Gewerkschaftsbewegung beginnen, eine Gepflogenheit, die auch im Parlament der Vereinigten Staaten herrscht. Auffallend stark und nicht ohne Stolz wurde immer 0 einfachen Beratungsresultate zwischen jener Regierungsabteilung und der Industrie — soweit diese sich an den Beratungen beteiligt hat! — praktisch die Normisierung der Produktion bedeuten. Die Normisierung der Gebrauchsgegenstände, im besonderen aber der Halbfabrikate, Nebenprodukte, Werkzeuge, Grundmateria- lien usw. ist ein grosses Problem. Es ist bekannt, dass in Deutsch- land die Arbeiten des Normenausschusses der Industrie wesentliche Erfolge bisher nicht zu erzielen vermocht haben. Die Berichte dar- über sind völlig eindeutig. Um so mehr hatten die deutschen Ge- werkschafter in Amerika, dem leuchtenden Beispiel der Normisie- rung, Interesse an den Erfolgen der Normisierungsarbeit. Dies um so mehr, weil ja die Höhe und Leistungsfähigkeit der amerikanischen Produktion häufig im wesentlichen auf die erfolgreiche Normisierung zurückgeführt wird. Weiter überdies auch auf ihre Planmässigkeit der Produktion. (Über die Planmässigkeit der amerikanischen Wirtschaft wird in dem Kapitel: „Der Kampf gegen die Ver- schwendung in der Industrie“ im Zusammenhang berichtet.) Man muss bei einer Betrachtung der Warennormisierung in den Vereinigten Staaten, wenn man ihren Grad mit der in Deutschland bisher erreichten Einheitlichkeit vergleichen will, zuerst die mög- lichen Fehlerquellen der Beobachtung ausschliessen. Die Vereinigten Staaten umfassen 110 Millionen Einwohner und befriedigen erhebliche Bedürfnisse der Bevölkerung Kanadas und Mexikos. Wir haben es also mit einem Absatzgebiet von über rund 150 Millionen Menschen zu tun. Deutschland hat 65 Millionen Ein- wohner; sie sind vorwiegend sesshaft und kulturgeschichtlich mit ihrem Boden verbunden. Rein quantitativ gesehen, können in den Vereinigten Staaten schon wegen der grösseren Verbraucherzahl erheblichere Massen einheitlicher Fabrikate hergestellt werden als bei uns in Deutschland. Zudem erfolgt in Amerika der Waren- umschlag rascher als bei uns. Die Tyrannin Mode herrscht! Die einheitliche Massenherstellung wird durch zwei weitere für Amerika bedingte Ursachen begünstigt. Im einleitenden Kapitel ist Schon erwähnt, aus wie eigenartigen Umständen der Handel sich In den Vereinigten Staaten soweit auszudehnen und so stark zu werden vermochte. Man überliess, da man ja als Einwanderer die alte Kultur Europas hinter sich geworfen hatte und den Kampf um EINE Neue, bessere Zukunft führte, die Bedarfsbefriedigung dem Handel. Das Da-Sein steht vor dem Wie-Sein! Der Handel war seinerseits an der Einheitlichkeit des Produktes schon deswegen interessiert, weil er das Geschäft nicht standortmässig — man denke an die dünne und weitläufige Besiedlung —, sondern nur interlokal und mit ständig sich verändernderKolonistenschicht betreiben konnte. Was an kulturellen Eigenheiten von bestimmten Einwanderergruppen in Tracht und äusseren Lebensformen nach Amerika gebracht wurde, 59 setzung einer ganzen Reihe von selbständigen und verschieden- artigen Erzeugnissen. Die Fordwerke produzieren die Mehrzahl dieser Einzelfabrikate, sie sind also eigentlich keine Automobil- fabrik, sondern ein Konzern von Fabriken tür Automobilteile. Die Fordwerke sind aber nicht nur eine Produktionsgemeinschaft, sie sind zugleich ein kompletter vertikaler Konzern mit eigenen Erz- lagern und Kohlengruben, eigenen Schiffahrtslinien und Eisen- bahnen, eigenen Hochöfen, Koksbatterien, Giessereien, Maschinen- werkstätten, Drahtspinnereien, Glasziehereien, Lederfabriken, Lackierereien, und nicht zuletzt mit eigenen Verkaufsorganisationen. In Detroit werden nur die Automobile und Traktoren zusammen- gesetzt, die im Bereich der Detroiter Verkaufszentrale zu liefern sind. Ford hat in den Vereinigten Staaten über dreissig Automobil- zusammensetzbetriebe. Ford liefert in diese Betriebe seine Automobilteile, die im wesentlichen in Detroit hergestellt werden. Es macht sich in den Vereinigten Staaten eine Entwicklung be- merkbar, die dahin geht, dass die grossen Automobilfabriken be- stimmte Aufomobilteile, nicht etwa nur Ausrüstungsgegenstände, von selbständigen Spezialtabriken im freien Markt kauften. Was bis hierher von der Eigenart des Fordschen Betriebes gesagt ist, gehört zu dem Kapitel der organisatorischen Zusammenfassung der Produktion. Bei uns in Deutschland ist diese Entwicklung auf der Basis der sogenannten Kollegialverfassung (Dachgesell- schaften), im besonderen in der Elektroindustrie, sehr weit fort- geschritten. Das einzigartige am Fordsystem ist, dass es auf zwei Augen gestellt ist. Die technische Durchgestaltung der Fordschen Automobil- Produktion ist ein ganz anderes Wirtschaftselement, das sich wieder aus einer Fülle von einzelnen Erkenntnisreihen und deren prak- tischen Folgerungen zusammensetzt. .. Das Transportband, die mechanische Bewegung des Arbeitsgutes Im Betriebe, ist nichts Neues. Wir haben sie auch in Deutschland. In den Vereinigten Staaten ist aber das Transportband ausser- SO Snilich Weit entwickelt und vielfach verbreitet. Bei Ford sehen I N Neuartig durchgebildet. Hier ist das Transportband nicht Pe /erbindungsstück zwischen den einzelnen Gruppenstadien der rbeit, ©S befindet sich zwischen jedem einzelnen Arbeitsvorgang, es ist auch Zwischen die winzigsten Stadien der Bearbeitung des Arbeitsgutes eingesetzt. Hier ist das Transportband also nicht mehr nur in der bekannten Funktion als Zubringerband tätig, es ist Tan beitsband, also zum Mittel der wirklich „fliessenden“ Pro- 2 durchgebildet. Das setzt eine weitgehende Zerlegung der ı eit in einzelne maschinelle Teilvorrichtungen voraus. Die Zer- egung auch kompliziertester Arbeitsvorgänge zu einer Kette von 53 Dollar. Dazu kommen noch zwei von Arbeiterorganisationen kontrollierte grössere Privatbanken, die gleichfalls zusammen über mehr als 90 Millionen Dollar verfügen. Diese Summen sind natür- lich, gemessen an den in Amerika gewöhnten Ziffern, immer noch bescheiden. Aber die Idee der Arbeiterbanken ist noch verhältnis- mässig neu, sie wird immer populärer, und da in den Vereinigten Staaten die jetzige Vorherrschaft der Grossfinanziers von Wall- street und der Grossbanken von weiten Kreisen der Bevölkerung ungern gesehen wird, so erhoffen auch der Arbeiterbewegung Fern- stehende durch die von Wallstreet unabhängigen Arbeiterbanken eine Schwächung dieser Vorherrschaft und unterstützen die Arbeiterbanken auch dadurch, dass sie mit ihnen Geschäfte tätigen. Die Art, wie die Arbeiterbanken in den Vereinigten Staaten kon- struiert sind, der Aufgabenkreis, den sie sich gestellt haben, und die Ziele, die sie verfolgen, alles dies wird natürlich sehr stark be- stimmt durch die Ideologie in der amerikanischen Gewerkschafts- bewegung und durch deren organisatorische Gliederung. Man unterscheidet unter den Arbeiterbanken in Amerika vier Typen: 1.solche, die von den gewerkschaftlichen Zentralverbänden, 2. solche, die von selbständigen Lokalorganisationen, 3. solche, die von den Ortskartellen des amerikanischen Gewerkschafts- bundes und 4. solche, die von den Ortsverwaltungen einer einzelnen Gewerkschaft unter Mitwirkung des Zentralverbandes gegründet sind. Im Gegensatz zu den europäischen Arbeiterbanken, in Öster- reich, Dänemark und Deutschland, wo unter Führung der Spitzen- organisationen von sämtlichen Zentralverbänden des Landes eine Arbeiterbank ins Leben gerufen ist, die die Aufgabe hat, im ganzen Lande die Gewerkschaftsgelder zu erfassen, erforderlichen- falls örtliche Zweigstellen zu errichten, hat in Amerika eine weit- gehende Dezentralisation Platz gegriffen. Dies ist freilich nicht nur eine Folge der unterschiedlichen Organisationsform der europäischen und der amerikanischen Gewerkschaften, sondern ist auch bedingt durch die in Amerika geltenden besonders strengen Bankgesetze. Diese verbieten den Banken, ein Filialsystem zu schaffen, und stellen alle Banken, die fremde Gelder ins Depot nehmen, unter eine strenge staatliche Aufsicht. Auch die Arbeiterbanken unter- stehen dieser staatlichen Kontrolle. Die Gesetze schreiben u. a. vor, dass von den fremden Geldern, die die Banken verwalten, ein be- stimmter Prozentsatz stets bei einer der amerikanischen Bundes- reservebanken angelegt sein muss, dass einzelne Kredite niemals höher sein dürfen als ein bestimmter Prozentsatz des eigenen Kapitals, dass die Anlagen in einer bestimmten Art erfolgen müssen, so dass eine Liquidität der Banken stets gewährleistet wird. Für die amerikanischen. Banken ist es besonders wichtig, dem: SO- genannten Bundesreservesystem angeschlossen zu sein. Die 744 Berufstätigkeit der 706 896 Einwanderer des Jahres 1924. Gelernte Arbeiter: Polster ee 374 Bäcker N es 3521 Uhrmacher . Ders 528 Barbiere N 2621 Weber und Spinner..... 2713 Schmiede 2. 3.233 Stellmacher SE 130 Buchbinder BE 275 Sonstige Holzarbeiter. - 498 Brager 34 Sonst. gelernte Arbeiter _ 5 876 Metzger .............. 2795 Gesamtzahl d. gelernten Bautischler ......... 487 Arbeiter 4000 A RI60:694 Schreiner u. Zimmerleute 16420 Zigarettenmacher ...... 48 Akademische und künstlerische Zigarrenarbeiter ...... 267 Berufe: Zigarrenpacker.:....... 20 ; A Ron Bureaupersonal ...... 25194 N EHE A 447 Schneider (Konfektion) 3904 Geistliche ...........; 2093 Maschinisten -......... | 3421 Redakteure 1... 40... 56 Kürschner ............ 320 (Geschulte Flektriker .. 3777 Gare er 1280 Ingenieure ............ 4870 Hut- und Mützenmacher 303 Juristen .............. 288 Eisen- und Stahlarbeiter 7308 Sonstige Wissenschafter 712 DWCrG RZ MnSiker vsarnppt ste LEO Schlosser. 2 3708 Beamte 553 Maschienschlesserni.s 6616 Arte le Ua Seeleute .. Ve he 8571 Bildende Künstler .... 429 Maurer ......... ... 5452 Jehrer 1.0.0. Pan 3 460 NNOHHALCH N 8388 Andere akadem. Berufe 4266 etallarbeiter (ausser PO E Fisen- u. Stahlarheiter) 1123 Gesamtzahl u. SQETTS Müller NE 525 Mode- und Putzarbeiter 662 Verschiedene Berute: Bergleute ............ 7001 Agenten und Reisende.. 2179 Anstreicher. ......;.... , 39837 Bankiers euere He 180 Lehrenmacher usw. .... 339 Fuhrleute usw. ........ ‘1770 Photographen ........ 478 Farmatbeiter .......... 27402 Verputzer‘ 1... 769 Farmer rn 20320 Installateure .......... 2080 FISCH rer 118 Buchdrucker‘ ......... 1740 Hoteliers 1 00) 225 Satire, 322 Tagelöhner‘ .......... 108001 Näherinmen 0. 2579 Fabrikanten .......1.. 525 Schuhmacher ........ 14694 Kaufleute und Händler 11390 Heizen. Kan anne 968 Bedienstete ..........: 51680 Steinhauer... ............ 560 Gemischte Berufe .... 26640 Schneider ............ 6 Tee Gesamtzahl .......... 253515 Texiilarbeiter......'.. 482 Berufslose einschliesslich Blecharbeiter .......... 739 Frauen und Kinder ..2277909 Tabakarbeiter ........ 30 Insgesamt ............ 706896 104 nischen Erfahrung immer wieder zu dem glei em eChhis: den Vereinigten Staaten sind die Arbeiter durch fusShicht „zufriedener“ und deswegen arbeitstreudiger als bei uns. ES U S In diesem einen Punkt ist also die Ver eichsbasikin BewRsem Umfang gegeben, während sie in bezug auf E rhährung und Arbeits- zeit, wie schon gesagt, nicht ohne weiteres handen ist. © Wie leicht bei Nichtbeachtung der unterschiedlieten\mat&iellen Voraussetzungen der Arbeit alle Tempovergleiche=> rrtümern führen müssen, sei nachfolgend an einigen Beispielen des näheren erläutert. Der quantitative Arbeitseffekt eines qualifizierten, handwerklich durchgebildeten Maurers, der bei der Errichtung eines amerika- nischen Wolkenkratzers beschäftigt wird, ist mit der Arbeitsleistung eines deutschen Miethausmaurers überhaupt kaum vergleichbar. Beim amerikanischen Wolkenkratzer handelt es sich nicht um das freie Hochziehen von Mauern, die mehrere Stein stark sind und zugleich das Konstruktionsgerippe des Hauses darstellen, in das die Deckenlasten eingelagert und auf das der Dachstuhl aufgesetzt wird. Die amerikanischen Wolkenkratzer sind Eisenträger- konstruktionen, das Mauerwerk dient im wesentlichen nur der Ausfütterung. Der deutsche Maurer arbeitet vom festen Baugerüst aus, ihm werden die Ziegelsteine in regellosen Haufen zu Füssen geworfen, er hat seinen Mörtel selbst anzurühren und muss sich täglich tausendmal nach Steinen und Kalk bücken und bis in Kopfhöhe mauern. Der amerikanische Maurer arbeitet vom beweglichen Hängegerüst aus (kein Bücken, kein Arbeiten in Kopfhöhe), die Steine werden ihm handgerecht bereitgestellt, Nebenbeschäfti- gungen hat er nicht zu leisten. Die Maurerarbeit ist also im amerikanischen Grossbau von völlig anderer Art als in Deutschland. Dies gilt überdies auch für die Fundamentierungsarbeiten. So- Wohl in Deutschland wie in Amerika handelt es sich bei Grossbauten ZWar gleicherweise um Betonierungen. Aber in Amerika wird all- Semein im Giessbetonverfahren, nicht mehr im Stamp{ibeton- verfahren gearbeitet; dabei ist nicht nur die Umständlichkeit der Stampfarbeit vermieden. Durch Verwendung und Kombination von Betonmischmaschinen mit Giessturm und beweglichem, den ganzen Baugrund bestreichendem Giessrohr erfolgt eine direkte Be- schickung der Arbeitsstellen: die dickflüssig-breiige Betonmasse wird in die Verschalung eingegossen, ohne dass dazu Handtransport nötig wäre. „Noch unterschiedlicher von den bei uns üblichen Methoden ist die Einfachste Erdarbeit, z. B. die Zuschüttung der Gräben nach er- 37 Auf 5 Gesellen darf nicht mehr als ein Lehrling AAtfällen, auch dürfe letztere keine Überzeit arbeiten. iz cn) Um diesem Vertrage gemäss als Lehrling anerkamt der Lehrling einen regulären Lehrvertrag haben Ste Ten Abkommen über sein Lehrverhältnis, welches jedüch-für die Lohnfes setzung freien Raum lässt. Von den 4 Jahren seitier Lehrzeit muss drei Jahre lang an den verschiedenen Maschinen und ezidlarbeitenzbe- schäftigt werden, und zwar nicht länger als 6 Monate an € selben Maschine, sowie ein Jahr an der Werkbank. Die Lehrlinge sind zum Besuch einer Fortbildungsschule zu verpflichten, und zwar mindestens 8 Stunden innerhalb 14 Tagen. Der Schulbesuch darf keine Lohnverluste zur Folge haben. Der Mindestlohn für Lehrlinge beträgt pro Stunde: La AO Cent EEE U 4 Hate) a 8 4. 0 2 Hakte). a 3 0 Nach dieser Zeit ist ihnen der Mindestlohn ihres Berufes zu zahlen. Im letzten Dienstjahr kann der Lehrling mit den Gesellen zur Aussen- arbeit geschickt werden, jedoch nur je ein Lehrling für eine Aussenarbeit. Für diese Arbeit sind dem Lehrling 85 Cent pro Stunde sowie Fahrgeld usw. zu zahlen. Artikel 6. Sollte zu irgendeiner Zeit die Firma ausserstande sein, ihre Aufträge zu bewältigen, und die Notwendigkeit entstehen, Arbeit an eine fremde Firma zu vergeben, so muss in diesem Fall einer Firma der Vorzug gegeben werden, welche ebenfalls einen Tarifvertrag mit dem Verband der Maschinisten- und Werkzeugschlosser abgeschlossen hat. Artikel 7. Wenn auf Grund einer Untersuchung festgestellt wurde, dass ein Ver- trauensmann des Verbandes zu Unrecht entlassen ist, so ist ihm die ver- lorene Zeit voll zu entschädigen. Artikel 8. Es wird hiermit vereinbart, dass Änderungen, Reparaturen, Abbau- arbeiten, Montagen, Installationen usw. von Mitgliedern des Maschinen- und Werkzeugschlosserverbandes auszuführen sind. Dieselben sollen eine Bezahlung von nicht unter 1,37% Dollar pro Stunde sowie Fahrgeld und angemessene Aufwandentschädigung erhalten. Die Verwendung von Helfern bei Aussenarbeit ist nicht erlaubt. Artikel 9. Sollten sich aus den Bestimmungen dieses Vertrages Differenzen er- geben, die von Werkführern und Vertrauensmännern nicht in befriedigen- der Weise geschlichtet werden können, so sind solche Streitsachen dem berufenen Leiter der Firma und einem Vertreter des Maschinenschlosser- Verbandes zu überweisen, welch letzterem der Zutritt in den Betrieb ge- stattet ist. Streiks oder Aussperrungen dürfen erst Platz greifen, wenn letztere nicht zu einer Einigung gelangen. 4 AM 14 Die Gewerkschaftsbewegung in den Vereinigten Staaten 1.Gewerkschaftliche Auffassungen in Europa und Amerika D: europäische und ganz besonders die deutsche Gewerk- schaftsbewegung ist ausgesprochen klassenbewusst. Sie sieht in den Arbeitskämpfen nur eine Erscheinungsform des Klassen- kampfes, der unvermeidlich in einer Gesellschaft ist, die durch das System der privatkapitalistischen Wirtschaft in eine Klasse der Besitzenden und eine solche des Proletariats gespalten ist. Durch den Besitz der Produktionsmittel verfügen die Kapitalisten über eine Waffe zur Ausbeutung derjenigen, die nichts als ihre Arbeits- kraft besitzen. Diese können nur leben vom Verkauf ihrer Arbeits- kraft. Aber sie bekommen dafür nicht den vollen Preis, da eine Rente für die Kapitalisten und ein Profit für die Besitzer der Pro- duktionsmittel vorweg abgezogen werden. Der übrigbleibende Be- trag an Arbeitslohn reicht kaum aus, um einen dürftigen Lebens- unterhalt davon bestreiten zu können. Die Aussicht, selber Pro- duktionsmittel erwerben zu können, um sich der Ausbeutung zu entziehen und vielleicht selbst durch Ausbeutung anderer ein grösseres und: arbeitsloses Einkommen zu erzielen, wird immer geringer und ist schon nahezu ganz verschlossen. Je mehr die kapitalistische Wirtschaft fortschreitet, je mehr sich die hand- werksmässige Kleinproduktion zur maschinellen Grossproduktion entwickelt, um so hoffnungsloser wird der Versuch des Prole- tariers, aus eigener Kraft emporzusteigen und sich dem Schicksal seiner Klasse zu entwinden. Nur ein Weg bleibt offen, nämlich der Kampf um die Hebung der ganzen Klasse. Das aussichtslos gewordene Streben des einzelnen ging dahin, selber zu Besitz zu kommen, um andere für sich arbeiten zu lassen. Die proletarische Klasse als Ganzes muss notwendigerweise ein anderes Ziel auf- stellen; nämlich die Beseitigung der Ausbeutung überhaupt. Das kann aber nur geschehen, wenn der privatwirtschaftliche Charakter der Produktion aufgehoben wird, die Produktionsmittel in gesell- schaftliches Eigentum überführt werden und die Gütererzeugung durch die Gesellschaft betrieben wird. Das ist die‘ grundlegende Ideologie der europäischen Arbeiter- bewegung, wobei sich noch‘ mancherlei unterschiedliche Auf- 9201 ergreifenden Kolonisten wanderte der Handel. Seine Wege gingen vom Osten aus den Hudson und Delaware hinein nach dem Westen, vom französischen Norden her (Kanada) durch die grossen Seen nach Süden und vom Süden aus den Mississippi aufwärts nach Norden. Diese Entwicklung kam zu einem gewissen Abschluss, als das dreifache Eindringen in den amerikanischen Kontinent sich in dem gewaltigen Stosse vereinigte, der die Vereinigten Staaten bis zur Pazifischen Küste westwärts ausdehnte. ; Die dünne und nur strichweise Besiedelung dieses ganzen riesen- haften Kontinents wurde durch den Handel zu einer wirtschaftlichen Einheit verwebt, wenn auch erst nur in weiten und dünnen Maschen. Dieser selbe Handel ist es überdies, der heute im Norden das englische Kanada und im Süden das spanische Mexiko ständig inniger mit der Wirtschaft der Vereinigten Staaten verknüpft. Jener amerikanische Handel war aber von anderer Art, als er sonst bei Gewinnung neuer Märkte erkennbar ist. Hier brauchte er nicht Bedürfnisse zu erwecken, er musste solche, die aus alten Kulturkreisen, durch die europäischen Einwanderer mitgebracht worden waren, befriedigen. Nach unserer Auffassung liegt in diesen Ursachen ganz wesentlich der Grund zur Vereinheitlichung des amerikanischen Geschmacks, die dann wieder die Massenproduktion begünstigt hat. Der Konsument überliess die Art der Bedürfnis- befriedigung dem Handel, damit überliess er ihm auch die Aus- drucksform der Waren, die Gestaltung der Mode. Alles, was nach Amerika kam, hatte aus irgendwelchen Gründen in der Heimat seine Existenz aufgegeben. Für jedermann wurde die Neuschaffung der Existenz oder die Erfüllung eines bisher versagt gebliebenen Glückes oder beides zum Ziel seiner Betätigung. So rückte all das an mitgebrachtem, an differen- ziertem Geschmack, Lebensstil, Ausdrucksform und an geistigen Werten, was wir in Europa Kultur nennen (ohne dass es dies über- dies immer wäre), ständig als eine mehr nebensächlich erscheinende Bedürfnisbefriedigung in den Hintergrund. Im Vordergrund stand die Schaffung der Existenz, die Hoffnung auf Ersparnis, auf Besitz. Der Handel spaltete sich in Warenhandel, und Verdienst- ansammlung und Verwaltung (Geldhandel), sie beide gemeinsam vervollkommneten die Massenproduktion. Gegenüber dieser in wuchtigem Tempo voranschreitenden Ent- wicklung der „normisierten“ Produktion von alltäglichen Bedarfs- gütern vermochten sich zuletzt auch jene Einwanderergruppen nicht zu halten, die festgefügte Wirtschafts- und Lebensformen aus Europa mitgebracht hatten und pflegten. Diese konservierten Er- innerungen an die alte Heimat haben sich bis heute im wesentlichen nur in geistigen Wesensunterschieden noch zu erhalten vermocht, und sie werden wohl auch, aus bestimmten Gesetzen des Gesell- 28 Ist also immerhin eine beträchtliche Besserste ne des Ahern kanischen Arbeiters gegenüber dem deutschen Ser Zweifel, Ze kann man weiter die Frage erheben, ob dies Ka N ss il Amerika eine gerechtere Verteilung des Natiorlaleinkomm iS be® stehe als anderswo. Das ist offenbar nicht def Fall. Schon ar Anfang unserer sozialen Betrachtung haben wir da auf hingewiesen welch grosser Teil des nationalen Gesamteinkommöns zum Obi des Glückspiels wird mit der Wirkung, dass sich grosse gen in wenigen Händen anhäufen, und wie ausserdem (was volkswirt- schaftlich offenbar schwerer wiegt) das grosse Nationaleinkommen zahllose Zwischenexistenzen schafft in allen Sphären der Händler-, Agenten- und Spekulantenbetätigung. Wie kommt es, dass die Kohle auf dem inneren Markt der Vereinigten Staaten nicht billiger ist als bei uns, trotzdem wir zu ihrer Gewinnung viele Hunderte von Meter in die Erde hinabsteigen müssen, während man sie dort von der Oberfläche kratzt? Und warum sind zahlreiche Nahrungs- mittelarten, die der Boden in reicher Fülle und ohne viel Mühe und Arbeit zu fordern abwirft, oft noch um einiges teurer, selten aber billiger als hierzulande? Der Farmer selbst be- reichert sich an ihnen nicht, er wird vielmehr, ebenso wie der Arbeiter der Industrie und andere Lohnarbeitende, von seinen Zwischenhändlern und Börsianern an ein Existenzniveau gekettet, das eben noch den Anreiz bietet, dass er seinen Boden bestellt. Der Rest des Ertrages fliesst in die Taschen unproduktiver, aber stets emsiger und überall gegenwärtiger Geschäftemacher. Mit den Löhnen in der Industrie verhält es sich ebenso. In ver- schiedenen nationalökonomischen Werken wird die Produktions- steigerung pro Arbeiter im Gesamtdurchschnitt einer Reihe der wichtigsten Industrien in dem Jahrzehnt zwischen 1909 und 1919 übereinstimmend auf 30 Prozent angegeben, und der Staatssekretär des Arbeitsdepartements schrieb, dass in derselben Zeit die Roh- eisenförderung pro Mann von 671 auf 1179 Tonnen gestiegen sei. In der gleichen Zeit ist der Reallohn der Arbeiter wenn überhaupt so nur um weniges gestiegen. Die Angaben hierüber gehen sehr weit auseinander, wie es überhaupt schwierig ist, Reallöhne mit einiger Fxaktheit festzustellen. Sicher ist aber, dass auch in jenem Lande die Reichtumsvermehrung dem Arbeiter erst in letzter Linie und nur zu einem geringen Teil zugute kam. Man mag im Hinblick auf die Empfänger der höchsten Arbeitslöhne von einer „Arbeiter- aristokratie“ sprechen. Sie sind es im Vergleich zu den anderen Arbeitern des Landes, deren Löhne in grossem Abstand zu den ihrigen stehen, und sie sind es insbesondere, verglichen mit ihren Berufskollegen in anderen Ländern, zum Beispiel dem unsrigen. Das wissen auch ihre Unternehmer und sagen es ihnen bei jeder Gelegenheit. In Chicago wie in Milwaukee haben uns Arbeiter 197 6. Betonung der Berufsinteressen. Bei der praktischen Gewerkschaftsarbeit steht in Amerika die Vertretung der engeren Berufsinteressen weitaus an erster Stelle. Dahinter bleibt mehr als in Deutschland die allgemeine Arbeiter- Solidarität zurück, eine Erscheinung, die sich aus der unter- schiedlichen Auffassung über die Klassenlage und den Klassen- kampf leicht erklärt. Das wirkt sich einmal dahin aus, dass vorzugsweise diejenigen Arbeiter gewerkschaftlich organisiert sind, die sich mit einem bestimmten Beruf fest verbunden fühlen, in der Hauptsache die qualifizierten Facharbeiter. Man wird sich erinnern, dass es auch in Deutschland und in anderen Ländern zuerst die gelernten Arbeiter waren, die den gewerkschaftlichen Gedanken begriffen. Von ihnen ging dann aber, angefeuert durch die Erkenntnis von der Notwendigkeit des gemeinsamen Klassenkampfes, eine starke Propaganda zur Organisierung auch der Ungelernten aus. In Amerika ist diese Antriebskraft erheblich geringer. Das Gefühl der Pflicht, für die Ausbreitung der Gewerkschaftsbewezung zu sorgen, beschränkt sich meist auf die eigene Berufsgruppe. Die Aufgabe, darüber hinaus die Organisation zu fördern, bleibt den allgemeinen gewerkschaftlichen Instanzen überlassen, die aber nur schwer vorankommen können, wenn die propagandistische Mit- arbeit bei der breiten Masse der Gewerkschaftsmitglieder fehlt. Obwohl die Notwendigkeit, aus der Exklusivität der engeren Fach- organisation herauszukommen, auf den Kongressen der Federation schon seit vielen Jahren erkannt und immer dringlicher betont wurde, ist die relative Beschränkung auf qualifizierte Berufsarbeiter doch heute noch ein auffälliges Merkmal der amerikanischen Ge- werkschaftsbewegung. Die Organisation besteht dort, wo sie ver- hältnismässig leicht zustande kommt; sie fehlt, wo der berufliche Zusammenhang ein lockerer und die Aussicht, durch den Zu- sammenschluss schnelle Erfolge zu erzielen, ein geringerer ist. Die gelernten Arbeiter sind verhältnismässig sehr gut, die un- gelernten dagegen im grossen Umfang überhaupt nicht organisiert. Im weiteren ergibt sich aus der starken Betonung der engen Gruppeninteressen eine starke Dezentralisierung der gewerkschaft- lichen Organisation. Möglichst jeder Beruf, auch wenn er noch so klein ist, ist auf seine organisatorische Selbständigkeit bedacht. So verteilen sich die 2 878 297 Mitglieder der Federation auf nicht weniger als 107 Zentralverbände und 436 selbständige Lokalvereine, während beispielsweise die mehr als 4% Millionen Mitglieder im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund Ende 1925 auf nur 41 Verbände verteilt sind. Von den Zentralverbänden in der Federation haben 296 mühlen von Tuscumbia (Alabama) beschäftigen Neger in zwölf- stündiger Tagesarbeit zu Löhnen von 10 bis 12 Cent pro Stunde. Diese Löhne stehen ausser allem Verhältnis zum Landesdurchschnitt. Selbst die Stundenlöhne von 20 Cent für die gleiche Negerarbeit, die uns aus Tennessee und Georgien bekanntgeworden sind, liegen noch weit unter dem Durchschnitt selbst desLohnes des ungelernten Industriearbeiters im Nordosten‘). Die beim Baumwollpflücken be- schäftigten Negerinnen in Alabama erhalten für hundert Pfund ge- pflückter Baumwolle (was reichlich einer Tagesarbeit gleich- kommt) 80 bis 100 Cent, also im besten Falle einen Dollar, d.h. weniger als den Stundenlohn eines Mechanikers in Chicago oder ein Fünftel vom Tagelohn des letzten Arbeiters bei Henry Ford. Die Neger und südosteuropäischen Einwanderer stellen ferner die unterste Arbeiterschicht in vielen grossen Industrien des Nord- ostens. Wir fanden sie und ihre Frauen in den Konservenfabriken mit ihren notorisch schlechten Lohnverhältnissen in allen von uns bereisten Teilen des Landes wie überhaupt in den Gewerben mit Frauenkonkurrenz, ungeregelten Arbeitsbedingungen und grössten- teils fehlender Gewerkschaftsorganisation. Dann gibt es ganze Berufsarten, wie die der Wagenbediensteten der Eisenbahnen, die ausschliesslich den Negern vorbehalten sind, andere sind es zum grossen Teil, wie Fahrstuhlführer usw., andere wieder ausschliess- lich in einigen Städten, wie der Beruf der Kutscher und Fuhrleute. Im Nordosten kann der Neger in den Betrieben zwar auch ge- lernte Berufe ausüben, sofern nicht unter der Belegschaft eine Gewerkschaft dominiert, die ihn von der Mitgliedschaft ausschliesst. Letzteres geht zwar stark zurück, ist jedoch immer noch bei manchen Verbänden der Fall, so z.B. auch bei dem grossen Verband der Maschinenschlosser. Als Grund der Ausschliessung wurde uns dort gesagt, die Organisation der Maschinenschlosser und deren Statut seien seinerzeit im Staate Georgien, im Süden, entstanden, wo der Neger sogar nur in gesonderten Lokalen, Strassenbahn- und Fisenbahnwagen usw. sich aufhalten darf und von Weissen über- haupt in jeder Beziehung strikte getrennt wird. Im Staat Ohio, an der Grenze zwischen Nord und Süd, wo noch südliche Auffassungen vorherrschen, sagte man uns auch in einer unorganisierten Maschinenfabrik, dass der Neger dort nicht als gelernter Arbeiter tätig sein dürfe. Die Arbeiter würden es zwar dulden, dass er als Tagelöhner unter ihnen arbeite, sich jedoch weigern, ihn als eben- bürtigen Nebenmann zu dulden. In den Schlachthäusern zu Chicago machen die Polen neben den Negern den grössten Teil der Arbeiterschaft aus. Polen, Italiener, 1) 46,9 Cent ist der angebliche Landesdurchschnitt des Stundenlohnes ungelernter Arbeiter, Für das Industriegebiet dürfte dies stimmen, jedoch wahrscheinlich nicht für das ganze Land bei voller Berücksichtigung des Südens, 111 Landesübliche Arbeitsstunden in verschiedenen Industrien 1924*). in Prozent der GEGEN ers ha pro Woche: 48Std, od. wenig. | 48 bis 54 Stunden | Über 54 Stunden Buch- und Akzidenzdruck...... 91,7 0,5 Zeitungsdruck 89,2 3,8 2,0 Fleischfabrikat. u.-konservierung 84,3 8,1 7:6 Elektrische Apparate. A 73.6 20,9 5,5 Wollindustrie 69,8 23,1 1 Schuhfabrikation ............. 64,9 32,3 2,8 CGummiindustrie ........ ..... 57,8 21,0 21:2 Papier- u.Kartonnagenfabrikation 56,1 22,5 21,4 Papierwarenfabrikation.... ... 51,2 41.6 7,2 Automobilindustrie ........... 49,5 41,7 8,8 Chemische Industrie .......... 46,9 27,6 25,5 Baumwollindustrie............ 43,4 11,3 45,3 Giessereien und Maschinenbau . 42,7 39,4 17,9 Seidenindustrie............... 42,0 53,6 4.4 Eisen- und Stahlerzeugung. .... 39,7 10,4 49,9 Holzbearbeitung: .... 0.0.0000 39,2 37,9 22,9 Trike en a ra Dr 38,7 41,7 19,6 Lederindustrie 1.1... 0 34,7 52,7 12,4 Möbelindustrie ...........0.... 25,4 50,1 24,5 Farben- und Lackfabrikation ... 25,2 48,3 26,5 Landwirtschaftliche Maschinen . 17,4 79,6 12,0 Kunstdüngerfabrikation........ V T68 773 *) "National Industrial Conference Board,“ 4 0.1 ; 94 folgten Kabelverlegungen usw. Wir sahen auf Raupenketten fahr- bar gemachte Kratzbagger, die das ausgehobene Erdreich vom Bürgersteig wieder in den Graben hineinschoben; hier leisteten die Erdarbeiter nur Korrekturarbeit, sie waren Fertigmacher. Ihre physische Kraftausgabe während eines Arbeitstages ist von ganz anderer Natur als die der deutschen Erdarbeiter, die von früh bis abends mit Spaten und Schippe arbeiten. Wer angesichts der geschilderten Unterschiedlichkeit aller ent- scheidenden Voraussetzungen der Maurerarbeit den Arbeitseffekt des deutschen Maurers mit dem des amerikanischen Maurers nach der einfachen Formel vergleicht: „Pro Mann pro Stunde X Ziegel- steine‘“, der versteht nichts von den Voraussetzungen der Arbeits- leistung. Und wer Fundamentierungsleistungen oder Erdbewe- gungen bei Kabelverlegungen in Deutschland und Amerika pro Mann pro Tag X Kubikmeter vergleicht, ohne jene unterschied- lichen Voraussetzungen zu berücksichtigen, ist ein Demagoge! Das Beispiel, das hier für die unterschiedlichen materiellen Vor- aussetzungen der Arbeit in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika an einigen wenigen Fällen gegeben ist, lässt sich für die meisten und nichtetwa die bedeutungsloseren Industrien gleicherweise geben. Das grundsätzlich Unterschiedliche liegt da- bei nicht einmal so sehr in der Art der benutzten Maschinen — ob- wohl man. das annehmen möchte —, als noch mehr in anderen Eigenarten der amerikanischen Produktion, auf die weiter unten näher eingegangen werden soll. Wir trafen auch Berufe und innerhalb so mancher Berufe ganz bedeutende Betriebe, die in ihren materiellen Voraussetzungen der Arbeit (Material, Maschinen usw.) sich in nichts von gleich- gearteten deutschen Betrieben unterschieden. Wo sich die gleichen Voraussetzungen ergaben, wie z. B. in Konfektionswerkstätten in Chicago, in Oualitätsmöbeltischlereien (New York), in Maschinen- werkstätten(Milwaukee), Schlosserei- und Konstruktionsabteilungen bei Ford (Detroit), da war endlich einmal die Möglichkeit gegeben, unter Ausschaltung der sonstigen, weiter oben schon erwähnten Voraussetzungen des „Tempos der Arbeit“ die physische Intensität objektiv zu vergleichen. Das Resultat war immer wieder verblüffend. Betrachten wir zuerst das Tempo der amerikanischen Kon- fektionswerkstätten. „Fixere‘“ Arbeit als in der deutschen Konfektion wird in jenen Betrieben auch nicht geleistet! Damit soll nicht gesagt werden, dass das physische Arbeitstempo in der deutschen oder in der amerikanischen Grosskonfektion etwa „gemütlich“ sei. Nicht umsonst ist das Schwitzsystem in der Schneiderei entstanden; es hat die Arbeitsbereitschaftszeiten, die kleinen Atempausen in der laufenden Arbeit, so gut wie restlos aus der Arbeitszeit heraus- 38 Die Arbeiterbanken WA der amerikanischen Wirtschaftskrise des Jahres 1920, als die amerikanischen Unternehmer die während des Krieges stark gewachsene Macht der Gewerkschaften zubrechen versuchten, entstand die erste amerikanische Arbeiterbank. Die Gewerk- schaften erkannten, dass ihr eigenes Geld in den Händen der Privatbanken ein Mittel zum Kampf gegen sie selbst wurde. Sie erkannten, dass sie in der Lage wären, ihre eigenen Gelder und die Gelder ihrer Mitglieder in eigenen Banken zu verwalten, die eine Gewähr dafür bieten, dass diese Gelder nicht gegen sie selbst ver- wendet würden, ja, dass diese Gelder umgekehrt sogar ein nütz- liches Hilfsmittel für ihre gewerkschaftlichen Kämpfe sein könnten. Finzelne amerikanische Gewerkschaften gingen mit grosser Energie an die Organisierung der Arbeiterbanken heran. Sie ver- sprachen sich von ihrer Entwicklung ungeheuer viel. In der Zeit von 1920 bis zum Jahre 1925 sind in schneller Aufeinanderfolge nicht weniger als 32 Arbeiterbanken entstanden. Es waren aller- dings vornehmlich die nicht zum amerikanischen Gewerkschafts- bund gehörenden Gewerkschaften, die sich die Förderung der Ar- beiterbanken angelegen sein liessen. Erst zögernd folgte der amerikanische Gewerkschaftsbund, der zunächst mit einigem Miss- trauen die Dinge beobachtete und das Risiko der Arbeiterbanken höher einschätzte als die Vorteile. Wenn auch heute noch der Bund zur Vorsicht mahnt, so tritt nun aber auch er nachhaltig für die Förderung der Arbeiterbanken ein. Die Hoffnungen, die man an die Entwicklung der amerikanischen Arbeiterbanken knüpft, sind sehr weitgehend. Man sagt, wenn die Entwicklung in dem Tempo der letzten Jahre weitergeht, würden die Arbeiter durch die Gewerkschaftsbanken in 20 Jahren die massgebende Finanzmacht der Vereinigten Staaten sein. Auch wenn das offenbar zu optimistisch gesehen ist, so ist doch in der Tat der Aufstieg der amerikanischen Arbeiterbanken ausser- ordentlich erstaunlich. Gemessen an europäischen, besonders deutschen Verhältnissen, sind die Summen, die heute in ihren Kassen zusammenfliessen, sehr gross. Die gesamten verfügbaren Mittel der Arbeiterbanken belaufen sich auf etwa 100 Millionen 243 SNCA N Diese Entlohnungsverhältnisse sind, wie ungete” Gegenüber stellung entsprechender Arbeiterlöhne zeigt, durghaus proletarisch, Keine von oben her begünstigte „Standespflege“/dämmthdent Drucks der freien Konkurrenz, der natürlich in einem\ solchen Beruf im einem Lande mit so ausgedehnten Bildungsmög hkeiten ein sehr starker ist. Man denkt dabei an das Beispiel, das Eduärd v. / mann in einer seiner populären Schriften einmal gibf* ! {b- kundigen, der einst mit seiner Kunst von Königen und Fürsten gesucht war, heute aber, im Zeitalter der allgemeinen Schulbildung, damit allein nicht mehr das tägliche Brot verdienen könnte. In Amerika, wo man keine Stände konservieren will, wird jede Arbeits- leistung — nicht nur die manuelle — nur nach ihrer Erlangbarkeit taxiert und soviel oder sowenig dafür gezahlt, als man zahlen muss, um sie zu erhalten. Henry Ford, der auch darin am meisten amerikanisch ist, hat diese Idee geradezu zum System ausgebaut. Er schickt seine Werk- meister, wenn sie sich als unfähig erweisen, wieder an die Werk- bank. Seine Maschinenzeichner sitzen in langen Reihen vor eisernen Stafetten in Sälen, die sich von den Fabrikräumen nur durch das Fehlen der Maschinen und Treibriemen unterscheiden. Sie arbeiten im Stundenlohn und verdienen, wie uns gesagt wurde, „bis zu 1,25 Dollar pro Stunde“ d. h. im Höchstfall den Lohn des Werkzeug- schlossers. So wird „standesmässige‘“ Absonderung der Betriebs- teile vermieden. Die Fordschen „Ingenieure“ müssen sich zu ihrer Stellung durch die Werkstätten hindurchgearbeitet haben; jeder kennt die Menschenart und die Arbeiten, die ihm unterstehen, soll sogar der beste Arbeiter sein und darf nie „kraft seines Amtes“ kommandieren. Dem entspricht auch der Ton, der zwischen Arbeitern, Meistern, Unternehmern und überhaupt jeder Gruppe des Betriebsganzen überall im Lande herrscht. Man sagt allerdings, dass der Unter- nehmer den familiären Ton, mit dem er jeden seiner Arbeiter beim Vornamennennt, mit guter Berechnung wähle, da „loyal employees“ (so heisst das Schlagwort) dem Unternehmen förderlicher seien als eine widerwillig oder gar feindselig gesinnte Belegschaft. Das ist sehr wahrscheinlich immer das Motiv; es verrät aber jedenfalls mehr Takt als das entgegengesetzte Verfahren. Auch haben wir, besonders beim berufsqualifizierten Element der Arbeiterschaft, nicht finden können, dass sie sich durch den Ton der Vertraulich- keit irgendwie bestechen lassen, ihn auch gar nicht als eine Herab- lassung des Unternehmers auffassen, sondern für durchaus selbst- verständlich hinnehmen. Knechtseligkeit ist unter Amerikanern eine seltene Erscheinung. Zu diesem Ergebnis muss schliesslich auch der misstrauische Beobachter dort kommen. Das Selbst- bewusstsein des Amerikaners ist zu gross, um Knechtsinn entstehen 134 k) Sind einzelne Teile der Erzeugnisse auswechselbar? 1) Stellen Sie die demselben Zweck dienenden Erzeugnisse in Gruppen zusammen. m) Anzahl der hergestellten Typen oder Muster. n) Mittlere Anzahl der Typen, die in den Jahren 1913 ff. neu auf- genommen wurden. 0) Mittlere Anzahl der Typen, die in den Jahren nach 1912 ff. wieder fallengelassen wurden. ” Bis zu welchem Umfang wurden die verschiedenen Prozesse verein- heitlicht bezüglich a) des Herstellungsprozesses, b) der Arbeitsplätze und ihrer Ausrüstung? 9. Ist die Arbeitsfolge für jeden Arbeitsprozess normalisiert? D. Betriebsführung. l. Was ist geschehen, um einen laufenden Haushaltsplan aufzustellen? In welchem Umfang wurde versucht, voraussichtliche Zahlungen, Ein- nahmen und Löhne mit der Produktion in Einklang zu bringen? a) Ist die normale Leistungsfähigkeit in Arbeitsstunden und Produkt- einheiten bekannt, und besteht hiernach ein Verrechnungsschlüssel für die allgemeinen Geschäftsunkosten? b) Wird die mutmassliche Geschäftsentwicklung mit der normalen verglichen (so dass die Unterschiede des mutmasslichen Gewinnes oder Verlustes sichtbar werden)? c) Beruht die Berechnung der Produktionskosten auf den tatsächlichen Aufwendungen oder auf Normalkosten oder auf dem Verkaufspreis? 2. Wird auf Lager oder auf Bestellung gearbeitet? Machen Sie möglichst genaue Angaben über Vor- und Nachteile. > Wird der Stillstand der Maschine aufgezeichnet? a) Wird er ausgerechnet in Geldverlust pro Stunde oder in Arbeitszeit? b) Zutreffendenfalls geben Sie die Verluste an für 1. Warten auf Arbeit, . Warten auf Arbeiter, Warten auf Werkzeuge, - Warten auf Material, _ Instandsetzungen, u Mangel an Aufträgen. 2) Ist der Anteil der Maschinen an den Gesamtkosten bestimmt, und wie? Wird diese Berechnung zur Preisbestimmung verwendet, Insbesondere um den Absatz in schlechten Zeiten zu sichern? d) Wie hoch ist der monatliche prozentuale Kostenbetrag des Still- standes während der Jahre 1918 ff. nach der Verursachung durch Hochkonjunktur und Depression? e) er DE sind die Gesamtkosten des Stillstandes in den Jahren 81 Inhaltsübersicht‘ Seite Einleitung ....... U rare 9 I. Kapitel: Die Wirtschalt der Vereinigten Staaten ............ 13 1. Die VergleichsbäsiS nu. er a AS 2.Das Tempo der Produktion... 30 a) Untersuchung über die Quantitätsleistung ........... ...... 31 b) Die physische Leistung des amerikanischen Arbeiters........ 7“ c) Die Produktionspraxis ........0.00.000000 0 6 a) Die NOTMISIETUNE rk es 3; Das Tempo des VerDrauchs u... der 6 4. Der Kampf gegen die Verschwendung in der Industrie .......... 71 5. Die Vereinigten Staaten in der Weltwirtschaft.................. 87 II. Kapitel: Aus dem sozialen Leben Amerikas ................ 91 I. Die Eigenart des gesellschaftlichen Aufbaues. 1. Geschichtliche Besonderheiten ......................00000.0 93 2. Der wirtschaftliche Erfolg und die soziale Oberschicht ...... 95 3. Die Einwanderung ........... SA A 01 Il. Das Heer der Erwerbstätigen, 1. Die unterste Proletarierschicht.... 2.4... 7007 a) Neger und Neueinwanderer ............................ 107 b) Proletariat unter den weissen Vollbürgern .............. 112 c) Kinder-, Frauen- und Heimarbeit in der proletarischen Unterschicht... .... 0. RE 2, Die höheren Schichten der Lohn- und Gehaltsempfänger .... 121 a) ‘Die gehobene Arbeiterschicht‘......................... 121 b) Der soziale Aufstieg der Fra. .......0..0. 1 24 IH. Einige allgemeine Arbeiterfragen ‚0.0... 129 1.Das Unfall- und Hinterbliebenen-Gesetz .................. 130 2. Soziale Einrichtungen der Einzelbetriebe ......:........... 132 3. Sonstige Formen der sozialen Hilfe ....:...... er 188 4. Verhältnis zwischen Unternehmer und AT ea 135 5. LOhnpolitik und Tarifverirag Y......0......000 00 MI 6. Das Lehrlingswesen ER LS 7. Arbeitsnachweis TARA EU a 9 SARA 9, Arbeitszeit N NS 10. Das Arbeitstempoa N A 55 9 wieder sanft entschlafenen Dr. Unblutig mit seinem „Kukirol“ in der Proportion auf die Grösse des amerikanischen Landes und die Zahl seiner Bevölkerung übertragen denkt, dann ist der Unterschied des Machtbereiches dieser Einheitsfabrikate im Vergleich zum „Jedermann“-Kaugummi oder zur „Für-jede-Frau‘“-Tomatensauce gar nicht so gross. Der eigentliche Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland liegt nicht in der dort grossartigeren technischen Normisierung, sondern in der grösseren Einheitlichkeit der Lebens- auffassung, der stärkeren Unitormität der Gedanken, der Normi- sierung der Ausdruckstormen. Aber von der Einheitlichkeit der Lebensauffassung bis zur Einheitsware, von der Normisierung der Ausdrucksformen bis zur uniformen Produktion ist noch ein weiter Schritt. Damit soll nicht gesagt sein — das sei hier ausdrücklich unterstrichen —, dass die Amerikaner annähmen, in der sinnlosen Vielgestaltigkeit der Produktion läge irgendein volkswirtschaftlicher oder gar ein privatwirtschaftlicher Vorteil. Die Erkenntnis der Not- wendigkeit, die alltäglichen und industriellen Gebrauchsartikel von der Stahlfeder bis zum Kinderwagen und von der Wringmaschine bis zum Sarg auf einheitliche Nenner zu bringen, die Typenzahl zu verringern, ist in den Vereinigten Staaten sicher weiter verbreitet als bei uns. Aber jede Normisierung bedeutet nicht nur für den Käufer der Ware, sondern auch für den Produzenten, dass er etwas von seiner individuellen Herrschaft aufgibt. Bei der Einheitlichkeit der Lebensauffassung in den Vereinigten Staaten wird der Käufer noch eher für das normisierte Produkt zu haben sein als der Pro- duzent, denn für diesen bedeutet die Normisierung zuerst mehr oder weniger grosse Kapitalinvestierung und die mögliche Veränderung seines Kundenkreises. Auch in den Vereinigten Staaten ist der Weg von der volkswirtschaftlichen Erkenntnis bis zu ihrer privatwirt- schaftlichen Verwirklichung häufig sehr weit. Er wird erst dann kürzer, wenn rechnerisch klar ist, dass das volkswirtschaftliche Prinzip privatwirtschaftlich nicht nur keinen Nachteil, sondern auch Vorteil bringt. Gegenüber dem deutschen Unternehmer hat bei diesen Berechnungen der Amerikaner den Vorteil, dass er beweg- licher ist, und dass ihn mit dem, was geworden ist, und mit dem, was er hat, keine Sentiments, keine Gefühle verbinden. Er wird bedenkenlos auf das Alte verzichten und das Neue akzeptieren, wenn das nach seiner Rechnung in Dollar auszudrücken ist. Der deutsche Unternehmer rechnet schlechter und entschuldigt sich vor der Vergangenheit, wenn er etwas Neues tun möchte. 64 Schlussbetrachtungen D: unserer Rückkehr nach Deutschland in den letzten November- tagen 1925 standen bereits schwarze Krisenwolken bedrohlich über dem Heimatlande. Die folgenden Wochen breitete sich das Verderben mit unheimlicher Schnelligkeit aus, und nach Monaten ist immer noch kaum der „Silberstreif‘“ einer entscheidenden Besserung sichtbar. Auf diesem dunklen Untergrunde musste sich das Bild der amerikanischen Eindrücke in unserer Erinnerung um so krasser abheben. Der vorliegende Bericht legt Zeugnis davon ab, dass wir drüben nicht nur den Glanz gesehen haben, sondern dass uns auch soziale Niederungen und Sumpfgebiete nicht entgangen sind. Auch in Amerika gibt es Elend und Hunger und verzweifeltes Ringen um die nackte Existenz. Auch dort braucht man nicht allzu tief im Firnis der Zivilisation zu kratzen, um auf soziale Barbarei zu stossen. Und dennoch: Wenn mit einem Blick die Summe der vor- handenen Lebensmöglichkeiten umfasst wird, für das Volkim ganzen und für die Arbeiterklasse im besonderen, dann bleibt doch nicht der geringste Zweifel, dass der Lebensstandard in den Vereinigten Staaten ganz erheblich höher ist als in Deutschland selbst in seiner besten Zeit. Wie ist diese Tatsache zu erklären? Die nächstliegende und einfachste Antwort ist der Hinweis auf die riesige Grösse und den natürlichen Reichtum des Landes. Bei uns kommen 127 Menschen auf den Quadratkilometer Bodenfläche; drüben brauchen sich nur 11 Menschen in den gleichen Raum zu teilen und in das, was seine Oberfläche hervorbringt, und was sein Inneres an Nutzbarem birgt. Rechnet man hinzu, dass in den Vereinigten Staaten sowohl die Fruchtbarkeit des Bodens wie sein Inhalt an industriellen Rohstoffen im Durchschnitt sicherlich erheblich grösser sind als in Deutsch- land, scheint die Angelegenheit hinreichend geklärt. Doch es scheint nur so. Die Vorstellung, als ob die Lebens- möglichkeiten eines Volkes durch die Gunst oder Ungunst der natürlichen Existenzbedingungen entschieden würden, hat in der modernen Wirtschaft kaum noch eine Berechtigung. Neben der Werkstatt der Natur haben sich die Arbeit und die Technik ein- 9251 vom Arbeiter bei den einzelnen sich immer RE verlangt wird, durchaus verschieden. 7 Wir sahen im River Rouge Plant von Ford in Detroit an einzelnen Stellen des Fabrikationsbandes Arbeiter, die nu mit Jerfnstankung aller ihrer physischen Kräfte und bei pause Oser Intensität der Arbeit mitkamen. Ebenso konnten wir Arbeiter eöbachten — am Zusammensetzband in Highland Park Plant % 1 For de jeweils nach der Verrichtung der ihnen zukommenden eit bequem Zeit blieb, sich umzusehen, das neue Wer stück zu Srwarten, an sich herankommen zu lassen. Wir sahen einen Holz- betrieb, der Radiokasten in Bandfabrikation herstellte; hier gaben uns erst jüngst aus Deutschland eingewanderte Arbeiter selbst an, dass das physische Tempo der Arbeit nicht anders sei als in einem normalen deutschen Holzbetrieb. Unbestritten ist demgegenüber wieder die maximale Ausnutzung der physischen Leistungskraft, die in einem Chicagoer Versandwarenhaus bei hochentwickeltem Bandsystembesteht. Das gleiche kann man wohl von der physischen Intensität der Arbeit in den Chicagoer Fleischpackerfirmen sagen. Hier ist eine Kombination zwischen Optimalorganisation des Be- triebes mit Zwang zur physisch quantitativen Höchstleistung ein- getreten. Hier erlebte der alte Gewerkschaftsgrundsatz: „Akkord- arbeit ist Mordarbeit“, technisiert seine Auferstehung. Dort, wo die in der fliessenden Produktion arbeitenden Betriebe gewerkschaftlich organisiert sind, findet auch, sagen wir, eine intellektuelle Kontrolle des physischen Arbeitstempos vom Arbeit- nehmerstandpunkt aus statt. Aber auch da, wo diese aus sozialen und ethischen Beweggründen herauswachsende Mitbestimmung der Intensität der Arbeit nicht besteht, ist eine beliebige Beschleunigung ausschiesslich unter dem Gesichtspunkt der quantitativen Inten- Sivierung auch nicht möglich. Die Praxis hat ergeben, dass bei einer gewissen Grenze das erreichte Maximum nicht mehr weiter ZU entwickeln ist, dass die Kurve derLeistung von einem bestimmten Punkte an steil abwärts geht. Über den Punkt, an dem jenes Maximum erreicht ist, werden Arbeiter und Unternehmer sich aber Selten einigen! Bei der Beobachtung der Tatbestände, die sich als physische dUaNÜtative Leistungssteigerung aus der Bedienung mehrerer Maschinen durch eine Person oder aus der E rledigung verschiedener Arbeiten durch eine Person kennzeichnen lassen, ergab sich ein Resultat, das in einem gewissen Gegensatz zu den deutschen Ver- hältnissen steht. In Deutschland herrscht, im besonderen in der Textilindustrie, das Bestreben, den Arbeiter möglichst viele Maschinen zugleich be- dienen zu lassen; das gilt auch für andere Berufe. Ebenso werden für einen Arbeiter Sen verschiedene Arbeiten kombiniert. In A Aus dem flachen Lande, früher ein aufnahmefähiges Reservoir für überschüssige Arbeitskraft in der Industrie, ergoss sich nun umgekehrt ein Menschenstrom in die Industriegebiete, dessen Grösse allein für das Jahr 1922 auf über eine Million Personen be- ziffert wird. So müssen die amerikanischen Industriearbeiter mit einer inneren Einwanderung rechnen, und da sie dagegen Mass- nahmen nicht treffen können, erklärt sich der wachsende Wider- stand wenigstens gegen die unbeschränkte Einwanderung vom Ausland. Dazu kommt auch noch die Nationalitätenveränderung bei der Einwanderung selbst. Die meistens gewerkschaftlich ge- schulten Arbeiter, die aus den alten europäischen Industrieländern einwanderten, wurden als angenehmerer und für die Aufrecht- erhaltung guter Arbeitsbedingungen weniger gefährlicher Zuwachs empfunden als die viel bedürfnisloseren Osteuropäer, die auch in den schlechtesten Arbeitsbedingungen, die ihnen die neue Welt bot, noch ein Geschenk des Himmels sahen. Waren sie früher wegen ihrer geringen Fachausbildung keine ernsthafte Gefahr für die qualifizierten Arbeiter in den Gewerkschaften, so hat sich auch das durch die Mechanisierung des Arbeitsprozesses geändert. So bitter die europäische Arbeiterschaft die Stellungnahme der ameri- kanischen Gewerkschaften in der Finwanderungsfirage empfindet, so fordert doch die Gerechtigkeit, anzuerkennen, dass dabei ein starker Zwang des eigenen Selbsterhaltungstriebes obwaltet. Es ist nicht ohne Interesse, auch die Stellung der Gegen- kontrahenten der Gewerkschaften, des Unternehmertums, Zu diesem Problem kennenzulernen. Wenn die Gewerkschaften eine Beschränkung der Einwanderung fordern, damit der Arbeitsmarkt nicht überfüllt und ein Lohndruck durch Import billiger Arbeitskraft verhindert wird, so sollte man annehmen, dass die industriellen Unternehmer aus denselbenGründen zu einer gegenteiligenForderung kommen würden. Um so erstaunlicher ist es, dass das volkswirt- schaftliche Sprachrohr der amerikanischen Industriellen, das „National Industrial Conference Board“, in einem dazu erstatteten Gutachten nicht nur gleichfalls eine Beschränkung der Einwanderung empfiehlt, sondern auch ebenso wie die Gewerkschaften im Ein- dringen billiger Arbeitskräfte eine allgemeine Gefahr erblickt. In diesem Gutachten finden sich folgende Sätze: „Wegen seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vergangenheit kann und will der Einwanderer sich mit einer schlechteren Lebenshaltung begnügen als der amerikanische Arbeiter und hat sich so bereit gefunden, für einen relativ geringen Lohn zu arbeiten. Da vielfach die Löhne einen grösseren Anteil an den Produktionskosten ausmachen als andere Faktoren, wären Industrielle bei starker Anwendung schlecht bezahlter Einwanderer- arbeit in der Lage, mit anderen Produzenten derselben oder ähnlicher Waren zu konkurrieren, die wegen besserer Betriebsführung, grösserer Maschinenanwendung und technischer Fortschrittlichkeit billiger erzeugen. 9233 Nordamerika zählt heute 128 Millionen Menschen, von denen 105 Millionen in den Vereinigten Staaten wohnen, 14 Millionen hausen in Mexiko, knapp 9 Millionen in Kanada, ein kleiner Rest in Alaska. (Wir rechnen Mexiko zu Nordamerika, weil es wirt- schaftlich mit ihm verwächst.) . | Die Überlegenheit Europas in der Summe seiner menschlichen Kräfte ist auffallend. en Der Unterschied zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ist, an der Bevölkerungszahl gemessen, von ganz anderer Art, als wenn man die Landfläche betrachtet. Deutschland zählt 63 Millionen Einwohner, die Vereinigten Staaten haben deren 105 Millionen. . | e Aber der Kontinent Nordamerika hat ein gesünderes Herz: die Vereinigten Staaten haben nur den Grenzdruck zweier Länder aus- zuhalten (wenn man von Alaska, das den Vereinigten Staaten gehört, und von den ganz kleinen Staaten absieht, die praktisch unter der Oberhoheit der Vereinigten Staaten leben). : Europa bestand schon vor dem Weltkrieg aus 22 selbständigen Reichen. Die gefährlichste Nachwirkung des Weltkrieges ist aber seine politische Balkanisierung, die einer wirtschaftlichen Zersplitterung gleichkommt. Wir haben jetzt in ‘Europa etwa 35 Staaten,. die Landesgrenzen haben sich ungeheuerlich ausgedehnt; ihre Ver- längerung wird auf 7000 Kilometer geschätzt! Einwoßner 110 Millionen Bun 4 | 100 My n ı : 90 ” ı es | x ) 80° a} Tb aa | Vereinigte Stoaken 70 I |Verbinibte ook 60 „N Ra ' / 50 BC 5 40 N Delfschland ) ” A . = ‚üTeres| Reithsgebrelk- a 508, ee 5 ReiFeo bi CA 29 ” ' U ud 10 5 #90 100 0 20 30 40 50 60 %0 60 90 %00% % &% Ze 91 Anspruch genommen. So waren auf dem Kongress 1925 in Atlantic City vertreten: 96 Zentralverbände. . . mit 279 Delegierten und 28 392 Stimmen 4 Industriekartelle . .. ,„ 4 5 „ 4 a 25 Landeskartelle::: ...„ 25 ® ” 25 ” 57 Ortskartele 21. 2 0757 57 x 21 direktangeschlossene Lokalverbände ...:. „21 , nn 2 % Zusammen 386 Delegierte und 28520 Stimmen In der Regel wird auf dem Kongress durch Handaufheben ab- gestimmt; auf Antrag von einem Zehntel der Delegierten muss namentlich abgestimmt werden, wobei auf je 100 Mitglieder eine Stimme entfällt. Der Zweck des Bundes wird im Statut wie folgt umschrieben: 1. Die Ermutigung und Gründung von lokalen Berufs- und Arbeiter- vereinen und der engere Zusammenschluss solcher Vereinigungen in jeder Stadt und die weitere Verbindung solcher Körperschaften zu Landes- oder Bezirksorganisationen, um eine Gesetzgebung im Inter- esse der arbeitenden Massen zu sichern; 2. die Gründung von nationalen und internationalen Gewerkschaften auf der Grundlage ausschliesslicher Anerkennung der Autonomie jedes Gewerbes sowie die Förderung und Begünstigung solcher Körper- schaften; + die Gründung von Abteilungen, zusammengesetzt aus nationalen oder internationalen Verbänden der gleichen Industrie, die dem amerikanischen Arbeiterbund angeschlossen sind; diese Abteilungen sollen gemäss den Beschlüssen des amerikanischen Arbeiterbundes geleitet werden; die gegenseitige Hilfe und Unterstützung aller nationalen und inter- nationalen Gewerkschaften zur Hilfe und Ermunterung des Verkaufs der Waren mit Gewerkschaftsstempeln und zur Sicherung der Gesetzgebung im Interesse des arbeitenden Volkes und zur Beeinflussung der öffent- lichen Meinung durch friedvolle und gesetzliche Methoden zugunsten der organisierten Arbeiter; 5. Hilfe und Ermutigung der Arbeiterpresse Amerikas. Die Aufgabe der Federation ist, wie die aller gewerkschaftlichen Landeszentralen, eine doppelte :‘ Sie muss die Organisierungsarbeit der einzelnen Verbände fördern und ergänzen und versuchen, an diejenigen Kreise heranzukommen, die von den einzelnen Verbänden nicht erfasst werden. Zum anderen muss sie die öffentliche Ver- fretung der allgemeinen Arbeiterinteressen, besonders auf dem Gebiet der Sozialpolitik, wahrnehmen und dazu versuchen, die Gesetzgebung weiterzutreiben. Die erstgenannte Aufgabe ist bei der besonderen Natur der ameri- kanischen Gewerkschaftsbewegung ganz besonders wichtig. Bei den amerikanischen Arbeitern ist, wie in der Einleitung dargestellt, der Gedanke der Klassensolidarität nicht so stark entwickelt wie 216 Staaten gibt es eine eigentumsrechtliche Benachteiligung der Frau gegenüber dem Manne, wie sie in unserer Gesetzgebung noch be- steht. Der Mann hat weder irgendeine Kontrolle noch irgend- welches Eingriffsrecht gegenüber dem erworbenen oder ein- gebrachten Eigentum und den Einkünften der Frau. Selbst wenn sie ihn verlässt, darf er nichts von ihrem Vermögen — gleichgültig wie hoch dasselbe und wie niedrig sein Verdienst sei — für den Unterhalt der Kinder verwenden. Dagegen hat der Ehemann seiner- seits für die Schulden und jegliche Art Verpflichtungen seiner Frau aufzukommen, so dass also drüben die deutsche sozialdemokratische Rechtsforderung auf Abschaffung einseitig benachteiligender Ehe- rechtsgesetze nur in ihrer Umkehrung Verständnis finden würde. Im öffentlichen und politischen Leben ist die Gleichberechtigung der Frau ebenfalls mit ziemlicher Gründlichkeit durchgeführt. Sie hat, wie der Mann, das allgemeine Wahlrecht. Politische Frauentagungen, bei denen es sehr energisch zuging, sahen wir in unserem Hotel in Chicago prozedieren. Zahlreiche politische und Verwaltungsämter im Lande sind von Frauen besetzt. In Deslacs, einer Gemeinde im Staate Nord-Dakota, besteht die gesamte Stadt- verwaltung vom obersten Würdenträger abwärts aus Vertretern zarter Weiblichkeit. Sicherlich hat also die Frau durch ihr Eindringen in die höheren Formen des Erwerbslebens ihren reichlichen Anteil an dem all- gemeinen Zug nach oben, und dies trifft bis in die oberen Schichten der Arbeiterschaft zu. Und wechselwirkend trägt die erwerbstätige Frau durch ihren Verdienst, der zuweilen in qualifizierten Berufen so hoch ist wie der des gelernten Arbeiters, zur Hebung des Lebens- standards der erwerbstätigen Oberschicht bei. Gerade in der höheren Arbeiterschicht fanden wir viele in Banken, Versicherungs- gesellschaften, Anwaltsbureaus usw. tätige Frauen, die eine gute Schulbildung zu solchen Tätigkeiten befähigt, und die infolge der schon beschriebenen Einrichtungen der Haushaltsarbeit bis auf weniges enthoben sind. Das typische Eigenheim solcher Familien zeichnet sich oftmals durch die merkwürdige Erscheinung aus, dass darin der herkömmliche Küchenraum fehlt, an Stelle dessen ein in irgendein Zimmer eingebauter kleiner Wandschrank eine zierliche kleine Gaskochmaschine und ein kleines Glasgehäuse mit einigem Geschirr und Essbesteck birgt — das Symbol der emanzipierten Frau. 128 Durchschnittliche Wochenlöhne im Staate Illinois und im Staate New York im Oktober bzw. Dezember 1924*). [MMinois New York Dollar Dollar Industrie der Stein-, Glas- und Tonprodukte . . 28,22 28,93 Maschinen- und Metallindustrie .....-.--+- 28,98 30,02 Holzverarbeitung .. A 28,39 28,41 Pelz- und Lederwarenindustrie. ........- 21,03 26,15 Chemische Industrie, Öle, Farben ........ 27,48 28,54 Druck- und Papierwaren ........0.0+00+4 34,26 33,15 Textilindustrie... .-.. =. A 19,47 22,03 Kleidung, Putzwaren und Wäscherei. ..... 25,10 26,51 Lebensmittel, Getränke und Tabakindustrie . . 29,09 25.43 Groß- und Kleinhandel ......... «+++ 22,18 = Öffentliche Dienste ..........00404044 30,56 U Kohlenbergbau. ......- PO 37,08 - Baugewerbe und verwandte Berufe. .....- 36.71 *) Illinois Department of Labor, Oktober 1924. — New York State Department of Labor, Dezember 1924. das Lohnverhältnis eins zu vier gegenüber Deutschland selbst weit in die Kreise unaqualifizierter Arbeiterschichten hineinreicht. Dies gilt insbesondere für die Industriezentren des Nordostens und für diejenigen Erwerbsarten ungelernter Kräfte, die, wenn auch indirekt, die Erfolge der gewerkschaitlichen Lohnkämpife mit geniessen. Wo dies nicht der Fall ist, wird — wenigstens im eigentlichen Industriegebiet — der geringere Stundenlohn im unorganisierten Betriebe in der Wochensumme ganz oder zum grössten Teil ausgeglichen durch eine längere Arbeitszeit. Über- stundenzuschläge werden in unorganisierten Betrieben seltener und in geringerer Höhe, wo überhaupt, gezahlt. Nicht weit vom Vierfachen des deutschen Einkommens dürfte z.B. auch der Lohn des weiblichen Verkäuferpersonals in grossen Geschäften entfernt sein. Die Verkäuferinnen des grossen Waren- hauses von Sears Roebuck zu Chicago haben einen wöchentlichen Durchschnittslohn von etwa 23 Dollar. Stenotypistinnen im Nord- osten und Mittelwesten verdienen im Durchschnitt etwa 25 Dollar pro Woche, in selbständigen oder Sekretärstellungen ungefähr das Doppelte. Die Erwerbsarten mit den schlechtesten Entlohnungsverhält- nissen sind statistisch offenbar schwer zu erfassen. Deshalb sind auch die soziale Lage und selbst die Betätigungsart der sozialen Unterschicht, insbesondere der Neueinwanderer, wie sie hier be- schrieben wurden, so schwer aufzuklären. Man ist hierbei fast 171 kannte oder befreundete Besucher. Dennoch wird beides, das Fabrizieren wie das Kredenzen des „home brew“, mit äusserster Vorsicht ausgeübt, sei es, weil es die Familie um den Ruf als loyale Staatsbürger bringen kann, sei es, dass die Interpretation des Begriffs „bekannter oder befreundeter Gäste“ im Zweifelsfall allzu leicht gegen den hochherzigen Gastgeber ausschlägt. Auf der anderen Seite kann man aber der häuslichen Schnaps- fabrikation nicht gut entraten, denn man wird schwerlich einen Gast, an dessen Freundschaft einem gelegen ist, im Hause emp- fangen, ohne ihm seine Wertschätzung dadurch zu demonstrieren, dass man alle Gefahren der Alkoholbeschaffung zu Ehren seines Erscheinens auf sich nimmt. Selbst Babbitt, der Romanheld, das etwas in die Karikatur gezogene Muster eines loyalen Bürgers, der auf das herrschende Parteibekenntnis seiner Heimatstadt schwört, die dominierende Religionssekte unterstützt, über alle Fragen der Zeit und Ewigkeit die offiziell gestempelte Meinung eifrig vertritt und sich völlig der Konvention unterwirft, schleicht im Abenddunkel zu einer obskuren Lokalität, um für seine Gäste den verbotenen Labetrunk zu besorgen. — Und gar in den seligen Gefilden der Jazz-Band, auf dem Tanzboden, erobert man die begehrtesten Tänzerinnen durch das berühmte Fläschchen in Ge- sangbuchformat — „hier an dem Herzen treu geborgen“. Leider ist die häusliche Schnapsbereitung mit mancherlei Ge- fahren verbunden. Unkundige gelangen bei der Fabrikation zu einem dem Holzgeist ähnlichen Resultat, dessen Genuss zur Er- blindung führt. Die amerikanischen Krankenhäuser sind auch tat- sächlich, wie wir selbst bei Besuchen in solchen gesehen haben, voll von Menschen, die auf diese Weise ihr Augenlicht ganz oder teilweise verloren oder sonstwie an ihrem Körper schweren Schaden litten, so dass es gut wäre, entweder die sokratische Unterweisung in der Achtung vor dem Gesetz strikt durchzuführen, oder aber die angehende Hausfrau schon als „höhere Tochter“ über die gesundheitsgemässe Getränkezubereitung zu belehren. Man sagt, die verschlechterte Qualität stifte heute nicht weniger Schaden als früher die übertriebene Quantität. Ausgeschlossen wäre dies nicht. Betrachtet man aber die Verbotswirkung nach finanziellen Ge- sichtspunkten, so ist es vollends unzweifelhaft, dass für den ver- ringerten Konsum von heute bedeutend mehr Geld ausgegeben wird als für die grösseren Mengen von früher. Die Herkunft der verbotenen Getränke ist verschiedener Art. Sie werden von den Küsten der Ozeane und auch über die Landesgrenzen herein- geschmuggelt. Aber auch im Landesinnern ist die Herstellung nicht völlig unterdrückt, da ja die Verwendung geistiger Getränke sowohl für medizinische wie für kirchliche Zwecke erlaubt ist. Dass beide 188 „Schuster bleib bei deinem Leisten“, ist ein ins Amerikanische nicht übertragbares Sprichwort. Und dass im ganzen gesehen die Aufstiege zahlreicher sind als die Abstürze, wird einem ebenfalls klar, wenn man das Wachsen des nationalen Reichtums und des gesamten Volkseinkommens während der letzten Jahre in Betracht zieht. Der gesamte National- reichtum des Landes betrug im Jahre 1900 erst 88,5 Milliarden Dollar, er stieg bis zum Jahre 1912 auf 186,3 Milliarden Dollar und in den nächsten zehn Jahren bis 1922 auf 320,8 Milliarden Dollar. Dagegen wuchs in derselben Zeit (1900 bis 1919) die Bevölkerung nur von 76 auf 106 Millionen. Selbst wenn man die Minderung des Nominalwertes des Geldes, in dem dieser Reichtum (für 1922) aus- gedrückt ist, berücksichtigt, bleibt die Steigerung doch eine ganz gewaltige. Allein der heutige Bestand an Motorfahrzeugen be- deutet eine Vermögenszunahme von über 4% Milliarden gegenüber dem Jahre 1912, und der industrielle Maschinerie- und Werkzeug- bestand, der an Wert am meisten zugenommen hat, ist in der einen Dekade um etwa das Fünffache gewachsen. Und endlich für das Jahr 1924’ allein wird eine Steigerung des Nationalreichtums um 10 Milliarden Dollar offiziell angegeben, darunter für 1% Milliarden neuer Automobile. Von diesem nationalen Reichtum befinden sich drei Fünftel in den Händen von zwei Hundertsteln der reichsten Staatsbürger‘?), eine „Mittelklasse“, die 35 Prozent der Bevölkerung ausmacht, be- sitzt ein weiteres Drittel davon, und die restliche Masse von 65 Prozent des Volkes besitzt das verbleibende eine Zwanzigstel. Das Volkseinkommen der Vereinigten Staaten wurde im Jahre 1919 auf 66 Milliarden Dollar geschätzt. Auf das eine Prozent der Bevölkerung mit den höchsten Jahreseinkommen (bis herunter zu 10 000 Dollar) entfallen 12 Prozent des gesamten Volkseinkommens, auf die nächsten 13 Prozent (mit Einkommen von 2000 bis 10 000 Dollar) entfallen 28 Prozent, und auf den grossen Rest von 86 Pro- zent des Volkes (mit unter 2000 Dollar) kommen die verbleibenden 60 Prozent. Ausser der Raumweite und dem Gesamtreichtum des Landes, das immer noch Zeiten erlebt, die man im alten Deutschland, als die Industrialisierung im vollen Schwunge war, „Gründerjahre“ nannte, begünstigt noch ein weiterer, nicht zu unterschätzender Umstand die schnelle und spielhaft unberechenbare Bildung grosser neuer Unternehmungen und Vermögen: der für den Europäer fabel- hafte Massenkonsum gleichartiger Artikel über ein Gebiet hin, das immerhin mehr Einwohner zählt als Deutschland und Frankreich FE 1) Als die reichsten Leute des Landes gelten Henry Ford mit 550, John D. Rockefeller mit 500, die Familie Guggenheim mit 200, Percy Rockefeller, J, B. Duke und George F, Baker, die Vanderbilts und die Astors mit je 100 und Mellons mit 75 Millionen Dollar. 100 werke. Diese verdienen 30, 40 und mehr Prozent über den Durch- schnittslohn der Ungelernten im Lande. Der Durchschnittslohn der Ungelernten ist in der Metallindustrie des Landes 49 Cent pro Stunde, im Gesamtdurchschnitt von 23 Industrien — nach sicher- lich nicht zu tief gegriffenen Angaben der Unternehmervereinigung des National Industrial Conference Board — 46,9 Cent, bei Ford dagegen ist der Mindestlohn 62,5 Cent. Einen Lohn von dieser Höhe erhalten sonst nur noch die Bauhilfsarbeiter der Tarifunter- nehmungen (San Francisco: 62,5; New York 100 Cent). Der letzte Werkstattkehrer der Fordwerke verdient in acht- stündiger Tagesarbeit 5 Dollar (die städtischen Strassenkehrer in Detroit nur 3,50 Dollar), die Leute am „laufenden Bande“ erhalten üblicherweise nach 2 Monaten der Betätigung im Betriebe bereits 6 Dollar Tagelohn. Diese Lohnzahlung wird Henry Ford einmal dadurch ermöglicht, dass er in genialer Weise sich seine Rohsto{ff- versorgung aus eigenen Wäldern, Bergwerken und Plantagen ge- sichert hat und deren Verarbeitung bis zum fertigen Motorwagen selbst betreibt, und sich ausserdem von der Abhängigkeit vom Bankkapitalismus fast völlig freihält, wodurch er viel Händler- und Spekulantentribut vermeidet, den er als Gewinn der eigenen Unter- nehmung buchen kann. Der entscheidende Umstand aber ist der, dass die ungelernten Arbeiter im Betriebe von Ford eine weit grössere Produktivität ent- falten als in irgendeinem der Konkurrenzbetriebe. Sie leisten, was uns mehrfach versichert wurde, bis zu 40 Prozent mehr als in anderen Werken. Die Mehrzahl von ihnen ist am „Conveyor“, am laufenden Bande, beschäftigt, und diese Arbeiter können, wenn sie erst imstande sind, die Arbeit am Bande in Tempo und Ausführung korrekt zu verrichten, nicht mehr als völlig Ungelernte bezeichnet werden. Sie sind einexerziert und haben den Rhythmus ihrer Arbeitsbewegungen in Mark und Knochen, wie der preussische Musketier das Laden und Sichern. Ist auch die Arbeitsmühe im allgemeinen nicht härter als anderswo, so ist doch die Methode eine andere und der volle Effekt erst einige Monate nach der Ein- stellung des Arbeiters zu erzielen. Daher bedeutet jeder Personen- wechsel einen Ertragsverlust, und so heisst es Abwanderungen nach Möglichkeit verhüten, wozu in erster Linie eine Lohnzahlung nötig ist, die einigermassen der höheren Leistung gegenüber anderen Betrieben entspricht. Der Massstab aber ist der gewerk- schaftlich beeinflusste Lohn des industriellen Ostens der Vereinigten Staaten. Der Lohn in den Fordwerken muss soviel höher sein, um das. Verbleiben im Betriebe noch wünschenswert erscheinen zu lassen. Er entspricht, wie wir sahen, beim Conveyorarbeiter der Fordwerke etwa einem tiefgegriffenen Durchschnittslohn der höchstbezahlten Hilfsarbeiter, nämlich des Baugewerbes.‘ (Die 143 . a. MLS6112, doch zweifellos im einzelnen sehr beachtenswerte Re ultäte erzielt, worden. Das gilt besonders für Halbfabrikate, die vohn-örganisierten Facharbeitern fertiggemacht werden müssen. Die RE auf dem Bau z. B. rühren kein Fenster und keine Tür am 'die ni ' das Label trägt, und manchem Bauunternehmer und Bauherrn ist es schon sehr teuer geworden, wenn er versuchte, als nichtorgani-> sierten Betrieben sein Material zu beziehen. x Kie\* * . * 10. Neuzeitliche Probleme für die amerikanischen Gewerkschaften. Es ist nur eine Selbstverständlichkeit, dass Veränderungen in der ökonomischen Struktur nicht ohne Einfluss bleiben können auf die wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter, ihren Aufbau und ihre Methoden. Der unbefangene Beobachter kann nicht daran vorbei- gehen, dass in der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung sich mit grosser Zähigkeit Methoden erhalten haben, die in der Ver- gangenheit und auch jetzt noch auf ihrem Anwendungsgebiet aus- gezeichnete Erfolge zeitigten, die aber nicht ausreichen, um die durch die ökonomische Entwicklung neu erschlossenen und immer bedeutungsvoller werdenden Gebiete zu erfassen. Wenn wir das aussprechen, wiederholen wir nur, was die prominenten Gewerk- schaftsführer in Amerika seit Jahren den Arbeitern predigen. Die Gewerkschaften haben sich stark konzentriert auf die Erfassung der qualifizierten Arbeiter, und die Organisierung der Ungelernten wurde vernachlässigt. Für die organisierten Berufsarbeiter schien das lange Zeit hindurch kein Nachteil zu sein; denn durch ihre höhere Handgeschicklichkeit fühlten sie sich unabhängig von den schlechten Arbeitsbedingungen der Unqualifizierten und Unorgani- sierten. Die technische Entwicklung ist aber — in Amerika noch erheblich schneller als bei uns — ununterbrochen am Werke, um die Hand- geschicklichkeit und die persönlichen Berufskenntnisse des Arbeiters zu entwerten. Die Maschine schiebt sich vor in die Front der quali- fizierten Arbeiter, und hinter ihr strömen in Scharen die Ungelernten durch die Einbruchstelle. An der Maschine und an der Arbeits- teilung zerbricht die Absperrtendenz der eng begrenzten Berufs- gewerkschaften und deren Unabhängigkeit vom Schicksal der anderen Arbeiter. Nicht nur, dass die Maschine und in ihrem Ge- folge die Ungelernten in solche Betriebe eindringen, die bisher Domänen der Facharbeiter waren. Daneben wachsen ganze Indu- strien empor, die von vornherein auf die Handgeschicklichkeit und die berufliche Qualität verzichten und jeden Arbeiter von der Strasse in wenigen Stunden zum Vollarbeiter machen. Kein Zweifel, dass 097 c) Die Produktionspraxis. Der selbstverständliche Einwand auf unsere Feststellungen, dass die physische — rein quantitative — Intensität der Arbeit in Amerika im ganzen keine andere ist als bei uns, dass sie sowohl in den modernen Unternehmungen wie in den unseren Werkstätten gleich- artigen Betrieben eher etwas ruhiger ist, wird der sein, dass dennoch eine höhere Produktivität der amerikanischen Arbeit im Vergleich Zur deutschen nicht abzustreiten sei. Das ist richtig, diese Tat- sache ist nicht abzustreiten, sie soll auch gar nicht abgeschwächt werden, kommen wir doch mit ihrer Untersuchung zu einem Hauptfaktor der amerikanischen Wirtschaftskraft. Weniger aus der Theorie, dafür aber um so mehr aus der Praxis heraus hat der Taylorismus in Amerika eine entscheidende Weiter- entwicklung erfahren. Der Arbeiter ist gewissermassen aus dem Mittelpunkt des Problems der Steigerung des Arbeitseffektes herausgerückt worden. An Stelle der Untersuchungen über die für den Arbeiter bei gegebener Arbeit höchstmögliche physische Intensität und damit über seine höchstmögliche quantitative Leistung hat eine Durchforschung des Gesamtbetriebes — als lebendige Ein- heit gedacht — Platz gegriffen. Der Erfolg ist sinnfällig. An die Stelle der Bemühungen um quantitative Maximalleistung ist das Streben nach Optimalerfolgen getreten. Man darf sich dabei keinen Täuschungen hingeben: Diese Entwicklung ist nicht von all- gemeiner Menschenliebe getragen, sondern aus sehr realen Er- wägungen heraus entstanden. Man hat begriffen, dass nicht nur die menschliche Arbeit in ihrem Leistungseffekt verändert werden kann, sondern dass das gleiche auch für die sämtlichen sonstigen Elemente eines Betriebes möglich ist. Die Zahl der Betriebselemente, die den Arbeitsertrag bestimmen, ist viel höher, als gemeinhin angenommen wird. Im allgemeinen Spricht man nur von Rohstoffen, Werkzeugen und Arbeitskraft. Bei näherer Untersuchung zeigt sich aber, dass die den Leistungs- effekt eines Betriebes bestimmenden Elemente sehr zahlreich sind, man denke nur an Leitungsunkosten, Transportiragen (Transport des Rohgutes innerhalb des Betriebes!), Absatzorganisation, Lager- haltung usw. usw. Darüber hinaus gibt es noch weitere Elemente, die den Arbeitseffekt mitbestimmen. Man denke hier an die Be- deutung der Zeitdauer des Kapitalumschlages für eine Ware vom Beginn ihrer Fertigung bis zum Absatz an den Käufer. Die Unternehmerpraxis in den Vereinigten Staaten ist auch nicht freiwillig zu der Erkenntnis gekommen, dass Optimalleistungen durch entsprechende Behandlung der sämtlichen Elemente des Arbeitseffektes vor der Quantitätstheorie, die auf der Intensivierung der physischen Leistung des Arbeiters aufbaut, den Vorzug ver- dienen. Die Erkenntnis ist durch die Konkurrenz erzwungen worden. 49 Vertretern der beiden Gruppen von Local unions und der örtlichen Gewerkschaftskartelle. Neben dieser regionalen Gliederung des gesamten Bundes besteht für zurzeit vier Industriegruppen (dar- unter die Label-Organisation, in der diejenigen Verbände zu- sammengefasst sind, die sich dieses gewerkschaftlichen Schutz- zeichens bedienen) eine Kartellverbindung mit örtlicher Gliederung und je einem Zentralausschuss für das gesamte Bundesgebiet. Die der Federation angeschlossenen Zentralverbände. (Mitgliederzahl nach der Vertretung auf dem Kongress 1925.) Bergarbeiter ......-...... 400000 Brücken- und KBEisenbau- Bautischler und Zimmerer 317 000 arbeiter. .............. 16300 Elektriker ee 142 000 Brauer 1... 2 6000 Fisenbahnwerkstattarbeiter 125000 Seeleute ................ 16000 Maler ....:.....0......... 107600 Feuerwehrmänner ........ 16000 Untergrund- und Strassen- Buchbinder .............. 13600 balıner 20.0...0......0- 101000 Fleischer ..........0.... 12200 Eisenbahnangestellte ...... 91200 Hutmacher .............. 11500 Damenkonfektionsarbeiter 91000 Kürschner .............. 11400 Musiker ................ 80000 KEisen-, Stahl- und Zinn- Kutscher und Chauffeure .. 78 900 arbeiler 0er. 11400 Maschinenbauer .......... 71400 Artisten und Schauspieler 10100 Typographen ............ 71000 _Kleinhandelsangestellte .. 10000 Maurer ..... 0.4.0.0. 0707 TV 000 EHEIZEr ar rt en L0.000 Bauhilfsarbeiter .......... 61500 Massschneider ..... .... 9300 Barbiere ................ 48000 Weichensteller .......... 8900 Bekleidungsarbeiter ...... 47500 _Rabitzspanneru.-verschaler 8900 Zeitungsdrucker .......... 40000 Granitarbeiter ............ 8500 Rohrleger er. 39200 Hüttenarbeiter” .......... 8500 Eisenbahntelegraphisten .. 39200 Fahrstuhlbauer .......... 8100 Hotel- und Restaurations- TODE er es SI 00 personal .. ............ 38500 —KEisenbahnsignalarbeiter .. 38000 Eisenbahnstreckenarbeiter 37400 Stoff-, Hut- und Putzmacher 7800 Schuhmacher ......,..... 30200 Polsterer ...........0.0.... 70600 Briefträger .............. 382500 Photograveure............ 7200 Hafenarbeiter ............ 31800 Modelltischler ............ 7000 Stukkateure, Betonarbeiter 30000 Stereotypeure und Galvano- Textilarbeiter ........0... 30000 plasliker .2..0........0. 6800 Former 2.1.0.0... 27500 PortiersundFahrstuhlführer 6200 Maschinisten a 25300 Flaschenmacher ..;....... 6000 Hohlmetallarbeiter ...... 25000 Metallpolierer ............ 6000 Postbureauangestellte .... 23700 Wäschereiarbeiter ........ 5500 Zigarrenmacher .......... 23500 dGlasarbeiter.. ............ 5300 Bäcker und Konditoren .. 21800 Lithographen ............ 5300 Staatsangesfellte ........ 20200 Steinhauer” .............. 5100 Bühnenarbeiter und Vor- Grobschmiede ........:.... 5000 führer ................ 20000 —Ziegel- und Tonarbeiter .. 5000 Bahnpostangestellte ...... 19100 Zellstoff- und Papiermühlen- Kesselschmiede ......... 17100 arbeiter. „une 38000 9211 Industrie, Handel und Verkehr, öffentlichen Diensten und beson- ders auch in den gehobenen akademischen und intellektuellen Berufen von 1 540 000. Diese Umschichtung in der weiblichen Berufs- tätigkeit hat mancherlei beachtenswerte Ursachen. In der Land- wirtschaft hat eine weitgehende Maschinisierung den Wirkungs- kreis der landwirtschaftlichen Arbeiterin nicht unerheblich ge- schmälert. Der Farmer in den einigermassen fortgeschrittenen Landwirtschaftsstaaten — vielleicht von den schon erwähnten Border hill countries abgesehen — Ssäet, mäht, drischt, erntet, bündelt, füttert und melkt mit Maschinerie. Dem ärmeren Farmer steht hierfür der genossenschaftliche Maschinenbesitz seines Land- bezirks zur Verfügung. Das Mahlen des Getreides und das Be- reiten der Milchprodukte in den Molkereien, wie wir es vielfach in Wisconsin, Minnesota und Kansas gesehen haben, erfolgt in weitem Umfang durch genossenschaftliche Betriebe. Und für das Melken sind die Farmer — wiederum von den Border hill countries und solchen verlassenen Gegenden abgesehen — bis in die unter- sten Schichten maschinell eingerichtet. Wir haben dies auf typischen Armeleutefarmen gesehen. Der Farmer ist eben weniger „Bauer“ als ein gut Stück von einem Mechaniker. Wir werden aber eben- falls noch sehen, dass dies nicht der alleinige Grund ist für den Abmarsch der Frau aus der Landwirtschaft. Im Haushalt liegt es ähnlich. Bis in eine breite Oberschicht der Arbeiterschaft hinein ist der Haushalt maschinisiert. Zentral- heizung, Waschmaschine, Plättmaschine, Staubsauger, besonders der weitverbreitete Konsum fabrizierter Konservenspeisen machen nicht nur bis hinauf in anspruchsvollere Schichten das Dienst- mädchen überflüssig, sondern engen auch den Wirkungskreis der Hausfrau sehr ein. „Die Mädchen zu lehren, den Knaben zu wehren“, gibt es Kindergärten, Schulanstalten, Lichtspiele, welche die aufsichtsbedürftige Jugend den grössten Teil des Tages über aufnehmen. — So wird die Frau in den Wettbewerb mit dem Manne geradezu hineingedrängt, der ihr um so leichter fällt, als ihr auch an Musse und Gelegenheit zur Ausbildung alle Wege offenstehen. Zwei Fünftel der amerikanischen Studenten höherer Lehranstalten, Hochschulen und Universitäten sind weiblichen Geschlechts. Der völlig freie Weg zu den Bildungsstätten hilft neben der Mechani- sierung von Land- und Hauswirtschaft am meisten zur Revolutio- nierung des weiblichen Lebensberufes. Demgemäss ist auch die wirtschaftliche Funktion und die soziale Stellung der Frau eine ganz andere als hierzulande. Noch ist ihre soziale und wirtschaftliche Position wie das ganze Gesellschafts- leben des Landes unstet und flüchtig, immer neue Umgestaltungen zeitigend. Ob die Frau selbst diesen Rollenwechsel als einen Segen empfindet, erscheint uns nach allem Gehörten und Gesehenen 1926 Shop“ ein „Non-union-Shop“, d.h. auf die Nichtvertragsbetriebe üben die Gewerkschaften überhaupt keinen Einfluss aus. Die Belegschaften der einzelnen Betriebe sind in der Regel entweder vollständig oder gar nicht organisiert. Die teilweise Organisierung ist meist nur ein Provisorium, das nicht von langer Dauer sein kann. Entweder gelingt es, in kurzer Zeit die Gewerkschaftsbedingungen einzuführen, einschliesslich der Organisationspflicht für alle Be- schäftigten, oder die bereits Organisierten geben ihre Mitglied- schaft als zwecklos wieder auf. In der Zugehörigkeit zur Gewerk- schaft sieht der amerikanische Arbeiter eine Angelegenheit, die sich auch in einem unmittelbaren und erkennbaren materiellen Nutzen für ihn auswirken muss. Der idealistische Schwung, der aus Anteilnahme am Schicksal der ganzen Arbeiterklasse den An- schluss an die Gewerkschaftsorganisation auch dann gebietet, wenn ein direkter persönlicher Vorteil zunächst nicht dabei herausspringt, ist in der amerikanischen Arbeiterschaft zum mindesten schwächer entwickelt als etwa unter den deutschen Arbeitern. Nur wenn man in einem Union-Shop arbeitet, rentieren sich die Gewerkschafts- beiträge. Die Sicherheit der Beschäftigung für die Mitglieder hängt ab von dem Verhältnis der Mitgliederzahl zu der Zahl der Arbeitsplätze, die der Kontrolle der Gewerkschaft unterliegen. Ist die Zahl der Arbeitsplätze an einem Ort und für einen bestimmten Beruf eine feststehende, so bedeutet ein Anwachsen der Mitgliederzahl über diese Zahl hinaus eine Gefährdung der Existenzsicherheit für die Mitglieder. Tatsächlich hat diese Überlegung vielfach dazu geführt, dass die Lokalunionen nicht nur keinen Wert auf die Vermehrung der Mitglieder legten, sondern im Gegenteil gegen weiteren Zu- wachs sich absperrten. Harte Bedingungen wurden den Kandidaten, die sich zum Eintritt meldeten, auferlegt, z. B. ein hohes Eintritts- geld und die Ablegung einer scharfen Prüfung über die beruflichen Fähigkeiten. Man ging sogar soweit, die Mitgliederliste auf be- stimmte oder unbestimmte Zeit ganz zu schliessen. Manche Lokal- unionen bedienen sich in diesem Zusammenhang auch noch des „Permitt“-Systems. Sie nehmen auch dann neue Mitglieder nicht auf, wenn alle Mitglieder Beschäftigung haben und trotzdem noch Arbeitsplätze frei sind. Sie geben dann an Nichtmitglieder Permitts, das heisst Arbeitserlaubniskarten, gegen eine fortlaufende Gebühr aus. Der Sinn dieser Methode ist leicht zu begreifen: verringert sich die Beschäftigungsmöglichkeit im Beruf, dann zieht die Orga- nisation zuerst die Permitts wieder ein und sichert die verbleibenden Arbeitsplätze für die Mitglieder. Für die Nichtmitglieder ist das natürlich eine grosse Härte. Sie müssen an die Union Beiträge entrichten, die oft höher sind als die der Mitglieder, haben aber 2928 sich, dass in der kapitalistischen Welt die Grösse der Produktion nicht bestimmt wird durch die Kapazität des Produktionsapparates, sondern durch den Umfang der Absatzmöglichkeit. Die planmässige Unterdrückung der Massenkaufkraft rächt sich durch die Stillegung des Produktionsapparates. Allerdings war in diese Wirtschaftspolitik die Hoffnung ein- kalkuliert, dass jeder Produktionsüberschuss exportiert werden könne. Wie töricht diese Spekulation war, hat der Verlauf der Dinge zur Genüge bewiesen. Noch ist der Menge nach nicht einmal der Vorkriegsexport wieder erreicht worden, und auch dieser war nur ein Bruchteil der inländischen Gesamtproduktion. Auch wenn sich alle Exporthoffnungen, soweit sie überhaupt noch im Rahmen des Denkbaren liegen, verwirklichen könnten, würde dadurch die weite Kluft, die sich zwischen der Kaufkraft und der Produktions- möglichkeit im eigenen Lande aufgetan hat, nicht ausgefüllt werden können. Überdies ist es eine alte volkswirtschaftliche Erkenntnis, die durch das amerikanische Beispiel eben jetzt wieder anschaulich bestätigt wird, dass für jede nationale Wirtschaft die gute Be- schäftigung für den Binnenmarkt die wichtigste Voraussetzung für die Exportfähigkeit ist. Die Erschliessung des eigenen Marktes durch planmässige Auf- zucht einer starken Kaufkraft bei den breiten Massen, das ist das Geheimnis der amerikanischen Wirtschaft. Hohe Löhne und niedrige Preise, grosser Umsatz und kleiner Stücknutzen: Aus dieser Praxis erwuchsen die Wunder der Technik und der Arbeitsorganisation wie von selbst. Dieses amerikanische Beispiel ist für das Europa der Nachkriegs- zeit von entscheidender Bedeutung. Die alte Vorstellung, als ob die Entfaltung der Produktivkräfte in einer nationalen Industrie- wirtschaft über einen gewissen Grad hinaus nur noch möglich sei durch die Unterjochung ausländischer Märkte, ist dadurch er- schüttert, ebenso aber auch der Pessimismus, der in dem An- wachsen des Produktionsapparates in aller Welt nichts anderes zu sehen vermag als eine unverstopfbare Quelle allgemeiner Ver- elendung in den alten Industrieländern. Die Tatsache, dass nun in fast allen Ländern, die anden Weltwirtschaftsverkehr angeschlossen sind, die Produktionsmöglichkeit über die Absatzmöglichkeit hinaus- gewachsen ist, lässt überhaupt keine andere Lösung mehr zu als die Aufschliessung der inneren Märkte. Das heisst, dass die kapita- listische Wirtschaft ein Stadium erreicht hat, wo die weitere Ent- wicklung nicht anders möglich ist als durch eine Hebung des Lebensstandards der breiten Massen im eigenen Lande. Diese Tendenz steht keineswegs im Widerspruch mit der weiteren Aus- dehnung des weltwirtschaftlichen Verkehrs. Im Gegenteil muss die Fntdeckung neuer Absatzgebiete in den alten Kulturländern erst 955 5. Kartellgesetz und Einhaltsbefehle. Die Unternehmer in aller Welt bedienen sich zur Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Interessen des Mittels der Kartelle und Truste mit dem Ziel, innerhalb ihres Wirtschaftsgebietes möglichst ein Monopol zu erlangen. Die Gewerkschaften, auch wenn sie wollten, können diese Methoden nicht einfach nachahmen. Die Monopolisierung der Arbeitskraft scheitert praktisch daran, dass diese an den lebendigen Menschen gebunden ist, der zugrunde gehen muss, wenn er seine Arbeitskraft nicht verkaufen kann. Ein Rohstoff oder eine Waren- art kann monopolisiert werden, wenn eine Zentralstelle nicht nur die gesamten Bestände unter ihre Kontrolle bringt, sondern auch die Erzeugung willkürlich zu regulieren imstande ist. Man weiss, dass solche Monopolkartelle dazu übergehen, den Markt knappzu- halten, die Zuflussquellen zu verengen, die Bestände zurückzuhalten und sie unter Umständen gar dem Verderben preiszugeben. Die Arbeitskraft, untrennbar mit ihrem lebendigen Träger verbunden, ist ein ungeeignetes Objekt für solche Methoden. Die Gewerk- schaften — in Amerika noch mehr als in Deutschland — sind sehr weit davon entfernt, die vorhandenen Bestände unter ihrer Kontrolle zu haben. Vollends unmöglich wäre es ihnen, die Zuflussquellen zu: verstopfen und dauernd grosse Mengen von Arbeitskraft vom Markt fernzuhalten oder zu vernichten. Wenn also schon von den Gewerkschaften überhaupt als von „Kartellen‘“ geredet werden kann, so wird man doch dabei nicht übersehen können, dass es sich hier um etwas ganz anderes handelt als bei den üblichen Warenkartellen. Für die.amerikanische Gewerkschaftsbewegung hat diese Frage eine nicht nur theoretische Bedeutung. Im Jahre 1890 wurde in den Vereinigten Staaten ein „Gesetz zum Schutz von Handel und Verkehr gegen gesetzwidrige Beschränkung und Monopole“ er- lassen, das als „Cherman-Act“ oder „Antitrustgesetz“ bekannt ist. Die schamlosen und das Allgemeinwohl bedrohenden Praktiken der Produktions-, Handels- und Verkehrskartelle hatten die öffent- liche Meinung so stark erregt, dass zu ihrer Beruhigung dieses Gesetz notwendig geworden war. Ernsthafte Anwendung hat es freilich bis zum heutigen Tage kaum gefunden, wenigstens nicht für den Zweck, für den es gemacht war. Wohl aber kamen findige, von Unternehmerinteressen beherrschte Richter auf den Einfall, dass das Antitrustgesetz vorzüglich als Waffe zur Vernichtung der Gewerkschaften zu gebrauchen sei. Obwohl nicht der geringste Zweifel bestand, dass bei der Schaffung des Gesetzes kein Mensch auch nur im entiferntesten an die Möglichkeit gedacht hatte, dass die Gewerkschaften darunter fallen könnten, gestattete es doch 99 B. Organisation. l. Besteht ein Geschäftsorganisationsplan? a) Wann wurde er aufgestellt? b) Sind Mittel für ihn ausgeworfen, und ist jemand für ihn verant- wortlich? c) Wird er zurzeit auf dem laufenden gehalten? ° Ist die Organisation nach persönlichen oder sachlichen Gesichts- punkten aufgestellt? a) Was ist Ihre Politik bezüglich des Nachwuchses? b) Wie wird der Nachwuchs für verantwortliche Stellen ausgewählt, und wird er aus der Masse der Arbeitnehmer entnommen? 3. Ist ein schriftliches Unterweisungssystem vorhanden, und sind die Aufgaben jeder Teilarbeit und jedes Arbeiters in dem Unterweisungs- bogen enthalten? Bestehen Normalunterweisungsbogen über die Ausführung jeder Arbeit? a) Wie werden Änderungen der Arbeitsmethode in die Wege geleitet und durchgeführt? b) Wenn das Unternehmen Werke an verschiedenen Orten hat, wie ist dann ihr organisatorisches Verhältnis zum Hauptbureau, auch bezüglich der Einstellung und Überwachung der örtlichen Leiter? 5. Besteht eine Untersuchungsabteilung (Laboratorium)? 6. Werden Personalakten geführt? a) Werden Sie auf dem laufenden gehalten bezüglich der Güte und Menge der vom Arbeiter geleisteten Arbeit? 7. Wie erfolgt die Einstellung? a) Wird ein vom Werkmeister ausgestellter Befähigungsnachweis verlangt, ein ärztliches Zeugnis oder beglaubigte Leistungs- zeugnisse? b) Wie wird der Arbeiter in den Betrieb eingeführt? ©) Ist es bestimmte Übung, jeden Arbeiter systematisch auszubilden? 1. Werden freie Stellen durch Aufrücken besetzt, so dass Ein- stellungen hauptsächlich für die unteren Stellen erforderlich werden? 7” Was geschieht, um die handwerkliche Fähigkeit des Arbeiters allgemein zu heben? d) Ist der Arbeiter einem zuverlässigen Instruktionsmeister unter- Stellt, der ihm die beste Arbeitsmethode zeigt? l. Werden die Leute in besonderer Werkstätte oder am Arbeits- Platz unterrichtet? Erfolgt ihre endgültige Zuweisung durch den Instruktions- meister? 3, Wie viele Arbeitnehmer beschäftigten Sie monatlich während der Jahre 1918 fi, nach der Auszahlungsliste? Versuchen Sie, den relativen Umfang der Beschäftigungslosigkeit zahlenmässig anzugeben. a) Was wurde unternommen, um die Saisonschwankungen aus- zugleichen? 75 Es wird natürlich erscheinen, dass die deutschen Gewerkschafter bei ihren Studien in den Vereinigten Staaten, dem Geburtslande Taylors, mit einiger Erwartung alles beobachteten, was mit dem in Deutschland üblich gewordenen Argument von der amerikanischen Arbeitsintensität zusammenhing ‚oder doch zusammenzuhängen schien. Kamen wir doch aus einem Lande, wo von besonderer Seite (Generaldirektor Köffgen — Siemens-Schuckert — in seinem Buche: „Das wirtschaftliche Amerika“) gesagt worden ist, dass durch längere und intensivere Arbeit leicht zwanzig Prozent Mehr- produktion aus der deutschen Wirtschait herausgeholt werden könnten. Diese Quantitätstheorie derProduktionssteigerung hatinDeutsch- land wohl auch deswegen so beachtliche Anhänger, weilangenommen wird, dass andere Möglichkeiten der Intensivierung der Produktion, von der Verbesserung des Maschinenparkes bis zur völligen Arbeitsteilung und von der Normisierung bis zum Einheitsfabrikat, vorläufig im besonderen aus Kapitalmangel, aber auch aus historischen und psychologischen Gründen nicht gegeben seien“). Aus diesem Grunde wird geschlossen, dass bei uns zurzeit in erster Linie nur die Möglichkeit der /nfensivierung der Arbeit durch den Arbeitenden (Steigerung der Leistung pro Mann) gegeben sei. Hierbei könne von Amerika vieles gelernt und übernommen werden. Mehrleistung in jenem Sinne ist nach dieser Auffassung sofort zu erreichen durch: 1. Physisch gesteigerte Leistung des Arbeiters: a) „Fixere“ Arbeit, erhöhte Anspannung der Arbeitskraft, b) weniger tote Zeit (Arbeitsbereitschaft) während sich wieder- holender Arbeitsvorgänge, c) längere Arbeitszeit, d) verschärfte Aufsicht. 2. Beschleunigung des technisch bestimmten Tempos: a) Schnellere Bewegung der Maschinen. 1) Nebenbei sei hier bemerkt, dass in den Vereinigten Staaten der Befriebskredit dem Unternehmer durchaus nicht leichter zufliesst als bei uns. Es ist mehr das Umgekehrte der Fall. Ehe in Amerika ein Unternehmer irgendwelchen Kredit erhält, muss er sich vor der Bank, dem Geldgeber, bis aufs Hemd ausziehen, Er hat nicht nur bei der Kreditentnahme sich gefallen zu lassen, dass ihm bis in den letzten Winkel seines Betriebes hinein- geleuchtet wird, auch solange der Kredit läuft, hat er sich bei seiner Arbeit und in seinen Büchern mit recht einschneidenden, laufenden Kontrollen seines Gläubigers abzufinden, In den Vereinigten Staaten fällt trotz Geldüberfluss kein Dollar in eine Fabrik, ehe nicht deren Leiter bewiesen hat, dass er ihn arbeiten zu lassen vermag Bei uns wird die Kreditgewährung — dies gilt im besonderen für Staatskredite — häufig genug als unveräusserliches Unternehmerhoheitsrecht betrachtet. 39 und vergrösserten und auch in diesem Lande eine Aristokratie, nämlich die des Besitzes, schufen. Ihre Tradition ist aber noch nicht alt genug, und die nicht immer sehr saubere Entstehungs- geschichte der grossen Vermögen ist zu bekannt, als dass sich um die Besitzer dieser Reichtümer derselbe mystische Schleier eines eingebildeten Edelmenschentums legen könnte wie um die europäi- schen Herrengeschlechter. Die Arbeitsschwielen an den Händen sind in der Familiengeschichte noch zu sichtbar, als dass die ameri- kanischen Besitzaristokraten über ihre Kreise hinaus Eindruck machen könnten, wenn sie die Diffamierung der Handarbeit ihren europäischen Genossen nachahmen wollten. Die europäische Arbeiterschaft ist in eine Welt hineingeboren worden, in der die Existenz einer Herrenklasse als göttliches Gebot und ewige, unwandelbare Einrichtung der menschlichen Gesell- schaft erklärt wurde. Die amerikanische Arbeiterschaft sieht noch in historischer Reichweite die soziale und ökonomische Gileich- wertigkeit der Individuen in der Nation. Jene kämpft um die Be- seitigung der alten Klassenfesseln, diese wehrt sich gegen die Er- kenntnis, dass die ökonomische Entwickelung die gleiche Kette um sie zu schmieden bereits längst am Werke ist. Die europäischen Arbeiter, belastet mit dem Druck jahrhundertelangen Pariatums, ringen noch mit sich selbst um das Bewusstsein wenigstens der gesellschaftlichen Gleichwertigkeit; die amerikanischen Arbeiter kämpfen um die Erhaltung dieses Selbstbewusstseins; und je mehr die ökonomischen Veränderungen die tatsächlich soziale Diffe- renzierung vergrössern, um so trotziger betonen sie ihre gesell- schaftliche Ebenbürtigkeit. Bei unseren Reisen durch die Staaten sind wir immer wieder überrascht worden durch die Sicherheit, mit der dort Arbeiter in gesellschaftlichen Kreisen auftreten, in denen unter gleichen Umständen ein deutscher Arbeiter sich gelähmt fühlen würde durch innere Unsicherheit und Unfreiheit. So haben drüben auch das persönliche Verhältnis und der Verkehr zwischen Arbeitern und Unternehmern ein anderes Gesicht, wenigstens äusserlich, was noch nichts über den Grad des sozialen Empfindens der Unternehmer besagen will. Man hört zuweilen, das offensicht- liche Bemühen des typischen amerikanischen Unternehmers, zwischen sich und den Arbeitern seines Betriebes eine Atmosphäre des persönlichen Vertrauens herzustellen, sei nur ein besonderer Geschäftskniff, weil die Erfahrung gelehrt habe, dass die Behand- lung des Arbeiters als Gentleman förderlich auf seine Arbeits- leistungen einwirke. Aber selbst wenn dieses Motiv vorhanden ist, erscheint uns doch eine solche Methode des persönlichen Ver- kehrs für die Arbeiter sehr viel erträglicher als die Sklavenhalter- manieren, in denen sich nur zu viele deutsche Unternehmer gefallen. In Wirklichkeit ist natürlich die Form des Verkehrs nicht einseitig 205 Verbots als Verfassungsbestandteil ist in mehr als einer Hinsicht bedeutungsvoll und muss deshalb besonders beachtet werden! Verboten ist nach dem Gesetz „die Fabrikation, der Verkauf oder Transport von berauschenden Getränken“. Als berauschend gelten Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als einem halben Prozent. Es gibt also ausser dem zu jeder Mahlzeit im Restaurant kostenlos verabfolgten Eiswasser und der als Getränkeersatz ge- schlürften süssen Eiscremen in jenem Lande der Mässigkeit immer noch einen, wenn auch nicht sehr teutonisch schäumenden, Meet, das sogenannte Schwachbier, das dem Geschmack nach etwa zwischen Chabeso-Limonade und Seifenwasser rangiert und das, wenn reichlich genossen, zwar keinen Rausch, aber Magenschmerzen verursacht. An den Genuss des Eiswassers kann der Fremde sich schwer gewöhnen, der Einheimische dagegen trinkt es überall und zu jeder Tageszeit. Es wird ihm nicht nur in Speiselokalen, sondern in jeder Fabrik, in öffentlichen Gebäuden, im Hotelzimmer, in der Eisenbahn in Gefässen oder aus Fontänen geboten, und man war ebenso erstaunt wie erheitert, als wir auf eine entsprechende Frage sagten, dass bei uns in Deutschland das Eis meist nur in Gummi- beuteln zu Heilzwecken verwendet wird, und zwar gegen Krank- heiten, deren erste Anzeichen sich im Kopf geltend machen. Zwei spezifisch amerikanische Rechtfertigungsgründe, die. in durchaus einleuchtender Weise für ein wirksames. Alkoholverbot sprechen, lauten — Erstens: Der Verkehr mit Motorfahrzeugen in diesem Lande ist so intensiv, dass ein Trunkener im Automobil hier mehr als irgendwo anders namenloses Unheil stiftenkann. Zweitens: Die Vielheit von Rassen in diesem Volk, ihr teilweiser kultureller Tiefstand und der Streit und die Gegensätze zwischen ihnen (man denkt hierbei besonders an die Neger) sind Gefahrenmomente, die bei reichlicher Trinkgelegenheit zu den grössten Schand- und Blut- taten führen können. Angetrunkene Neger haben oft böse gewütet und bedienten sich (da ihnen die strategische Verwendung des Masskruges unbekannt ist) des Messers und des Revolvers, Ein weiteres, sehr verbreitetes Argiüment sagt: „Ja, allerdings hat das Verbot nur die Wirkung einer gewissen Konsumverminderung, aber diese wirkt sich gerade in jenen untersten und ärmsten Volks- schichten aus, wo der Alkohol einstmals die übelsten Verheerungen anrichtete, bei den Arbeitern.“ Mit frisch-fröhlicher Offenheit trug uns diese Meinung eine Amerikanerin vor mit den Worten: „Das allgemeine Verbot ist natürlich Humbug, aber für die Arbeiter ist es sehr gut. Seit es besteht, erwerben sie Wohnungen, Motorwagen und Radio, statt zu zechen. Da wir Gegner einer Seligmachung der Arbeiterklasse durch den polizeilichen Schutzengel sind (auch wenn Automobil und Radio die Seligkeit verschönen), so wollte uns dieses Argument nicht recht einleuchten. 186 Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten 1. Die Vergleichsbasis ie Reise der deutschen Gewerkschafter nach den Vereinigten Dice galt vergleichenden Studien, nicht zuletzt sollte die amerikanische Wirtschaft betrachtet werden. Der mächtige nordamerikanische Staatenbund, der Fleiss und die Tüchtigkeit seiner Arbeiter, das erstaunliche Tempo der Pro- duktion, die verblüffende Höhe der Technik, das Riesenmass des Verbrauches und im besonderen das Auto als Triumph jener Ent- wicklung — das wurde seit Kriegsbeendigung in jeder deutschen Diskussion zum entscheidenden Argument. Es war, ohne eigene Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse, kaum zu widerlegen, auch dann nicht, wenn ihm die Unwahrscheinlichkeit, das Falsch- aufgefasste, die Beweislosigkeit sichtbar an der Stirn geschrieben standen. Während der jüngst vergangenen zehn Jahre erwuchs eine um- fangreiche Amerikaliteratur, aus der ständig weitere Argumente entstanden. Diese Berichte und Untersuchungen betrachteten die Wirtschaft, die Politik und die Psychologie der Vereinigten Staaten von allen möglichen Standpunkten aus. Es war auch bei kritischer Überprüfung häufig beinahe unmöglich, das Objektive von der bewussten Voreingenommenheit und der beabsichtigten Umbiegung der Tatsachen zu trennen. Vom Standort des Arbeiters aus fehlte bisher jede Betrachtung der amerikanischen Wirtschait. Sie sollte durch die Studienreise der deutschen Gewerkschafter eingeleitet werden. __ Es gibt auch heute noch Skeptiker, die das Interesse Europas und im besonderen Deutschlands an der amerikanischen Wirtschaft im wesentlichen als Zeitmode betrachten. Das ist aber in jeder Rich- tung falsch. Auch für den deutschen Arbeitnehmer erwächst der Zwang, sich mit Amerika zu beschäftigen, aus der rasch stärker werdenden Verknüpfung der Kapital- und Handelsinteressen Europas und im besonderen Deutschlands mit dem gewaltigen nordamerikanischen Kontinent, hier zuerst mit dessen mächtigstem Staatengebilde, mit den Vereinigten Staaten. 15 Durchschnitt des tatsächlich gezahlten Stundenverdienstes in 23 Industrien nach den Lohnlisten im September 1924*). Angegeben in amerikanischen Cents, umgerechnet in deutsche Pfennige, Gelernte**) Ungelernte | Weibliche |'Alle 3 Grupp. Cent | Pf. ı Cent | Pf. ı|Cent| Pf. | Cent | Pf, Bisen- und Stahlindustrie. ... 73,2 307!50,0| 210 —‘ - 63,9| 268 Holzbearbeitung (Fällen, Sägen ME 66 273 |37,5| 157 — - 147,1| 196 | Düngerfabrikation .......... 57,6| 242|32,9| 138 — — 1|50,0| 210 Landwirtschaftliche Maschinen 61,6 258|47,9| 200 |41,3| 173 || 57,6 | 241 Automobile ............... 69,8 293|51,3| 215 '44,4 | 186 || 65,0 | 273 Metallbearbeitung .......... 65,5 - 49,0 | 205 '38,7 | 162|/60,3 253 Giesserei und Maschinenbau. 64,1 269|/49,6| 208 35,5 N 59,3 ı 249 ' Möbelfabrikation ........... 59,5 2501142,7| 179 35,6| 148//53,7ı 225 | Farben- und Lackfabrikation . 56,9| 239|146,3| 194 33,1 139| 52,21 '219 | Lederindustrie (Verarbeitung) 56,3! 236|/45,8| 192 :37,5| 157 | 45,9, 205 | Lederbearbeitung .:......... 57,0. 239[47,5| 199 | 32,0| 133 50,5 212 | Chemische Industrie........ 58,5 2451]/44,3| 186! 39,4‘ 165|50,3. 211. Papier- u. Kartonherstellung. 59,4 249 On 182 35,8! 150|52,3' 219 Fleischfabrikation .......... 55,1 231(45,7 | 191 | 37,4 | 157 |150,1 1 210 Zeitungsdruck ............. 192,4 388|/54,6| 2291/45,8! 191 [183,0 | 349 Elektrische Apparate ....... 66,9 280||44,5| 187|/40,1| 168 |59,3' 248 Gummifabrikation.......... ' 68,7 288|/52,2| 2191/43,2 1821|/63,0ı 264 Buch- und Akzidenzdruck... 88,5 371|47,4| 199 | 38,7 | 162 68,4 287 Baumwollindustrie (Süden) .. 36,3 152|24,3| 102] 26] 1. | 8.17| 128 Schuhfabrikation ........... 56,2, 236 |39,3 ob} | 1584 | 204 Baumwollindustrie (Norden). 51,9| 218 |4i,#|! 1. #|1 |4 4] 194 Papierwarenindustrie ....... 59,7| 250|4:,'' 2.,3| 1y5|5y,0| 212 | Wollwarenindustrie ........ 57,7 2.2|4 mo Da 214 Seidenindustrie ............ 59,“ 31% ‘1 168|4 | 202 Strumpfwaren und Trikotagen 57,9| 243113: 7 148 40,6 | 170 5 *) Zusammengestellt nach Angaben in dem Buche: „Wages and Hours in American Industry“ (Löhne und Arbeitszeit in der amerikanischen Industrie) 1925, herausgegeben vom National Industrial Conference Board, **) In der Rubrik „Gelernte“ ist auch der grösste Teil der „Angelernten“ mit enthalten ! 160 die aus ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit dann ausschieden, mit der Leitung der Banken betraut worden. Da in Amerika ins- besondere die Kenntnis von banktechnischen Dingen viel ver- breiteter ist als z.B. in Deutschland, konnte man vielfach mit früheren Gewerkschaftsangestellten als jetzigen Bankpräsidenten die allerbesten Erfahrungen machen. Der amerikanische Arbeiter, jedenfalls der, der in Amerika geboren ist, versteht von bank- technischen Dingen in der Regel viel mehr als z. B. in Deutschland der kleine Kaufmann oder Gewerbetreibende. Sämtliche amerikanischen Arbeiterbanken haben die Form einer Aktiengesellschaft. In den Aufsichtsorganen der Bank, besonders im Verwaltungsrat, der ungefähr unserem Aufsichtsrat entspricht, haben die Vertreter der Gewerkschaften entscheidenden Einfluss. In ihnen sind jedoch auch Unternehmer und andere Persönlich- keiten, von denen man sich Vorteile für die geschäftliche Entwick- lung der Bank verspricht, vertreten. Selbstverständlich kommen nur solche Unternehmer in Frage, die stets mit den Gewerkschaften auf gutem Fuss gestanden haben. Von den Geschäftserfahrungen und von den Beziehungen dieser Privatunternehmer erwartet man eine Geschäftsförderung der Bank. Die Tatsache, dass die meisten amerikanischen Arbeiterbanken nur von ‚einer einzigen Organisation getragen und kontrolliert werden, birgt gewisse Gefahren in sich. Richtungskämpfe innerhalb der Gewerkschaften, persönliche Streitigkeiten und ähnliche Vor- kommnisse haben auch auf die Bank dieser Gewerkschaft einen oft schädlichen Einfluss. Einzelne Arbeiterbanken haben durch der- artige Vorkommnisse schon beträchtlichen Schaden gehabt, sind jedenfalls in ihrer Entwicklung gehemmt worden. Es fehlt der Aus- gleich, der dadurch herbeigeführt wird, dass verschiedene Organi- sationen gleichmässig an der Bank interessiert sind und irgend- welche Vorkommnisse in einzelnen Gewerkschaften die Entwicklung der Bank nicht entscheidend beeinträchtigen können. Diese Er- kenntnis führte auch in den Vereinigten Staaten dazu, dass die Träger und Gründer der Arbeiterbanken in den letzten Jahren die Ortskartelle, nicht mehr die Ortsverwaltungen der einzelnen Ge- werkschaften sind. . Die vorstehende Statistik zeigt den Stand der amerikanischen Arbeiterbanken im Oktober 1925. Sie weist fast durchweg be- achtenswerte Ziffern auf. Die grösste und eine der ältesten ist die Bank der Bruderschaft der amerikanischen Lokomotivführer, die zweitgrösste ist die Bank des Ortskartells des amerikanischen Gewerkschaftsbundes in New York. Fast alle Banken haben eine stetige und günstige Entwicklung hinter sich. Fehlschläge und Zusammenbrüche sind nur ganz vereinzelt vorgekommen, und zwar war die Ursache durchweg mangelhafte geschäftliche Eignung der 48 Ländern eine durch Jahrhunderte reichende fest verankerte Tradition. Das Proletariat von heute ist gesellschaftlich der Erbe der Leib- eigenschaft in der feudalen Zeit. Das herrische Wort, das vor einigen Jahrzehnten ein deutscher Kirchenfürst zornentbrannt der Arbeiterbewegung entgegenschleuderte: „Wer Knecht ist, muss Knecht bleiben!“ charakterisiert anschaulich das Gefühl der herr- schenden Schichten. Soweit die Geschichte zurückreicht, weiss man es nicht anders, als dass eine Klasse der Herren über die der Knechte herrscht. Innerhalb jeder Klasse haben sich hier die Knechtspflichten, dort die Herrenrechte von Generation zu Generation auf die Nachkommenschaft vererbt. Jede Klasse ist gesellschaftlich für sich abgeschlossen und führt, durch eine hohe Mauer von der anderen getrennt, ein eigenes Leben. Die Macht des Besitzes äussert sich in zahlreichen Privilegien der oberen Klassen. Lange genug waren die Angehörigen der unteren Klasse von jeg- licher staatsbürgerlichen Mitarbeit vollständig ausgeschlossen, waren nur Objekt, nicht Subjekt der Gesetzgebung, Rechtsprechung und behördlichen Verwaltungstätigkeit. Wenn auch schliesslich freiere Staatsverfassungen erkämpft wurden, so änderte das eben- sowenig an dem Fortbestehen der ökonomischen Herrschaft der kapitalistischen Klasse wie an der gesellschaftlichen Klassen- scheidung, und es zeigte sich, dass letzten Endes die politische Macht immer wieder zur ökonomischen Macht zurückstrebt. In einer geradezu lächerlichen Überheblichkeit sehen in den euro- päischen Ländern die besitzenden Schichten auf die arbeitende Klasse herab. Diejenigen, die, ohne selbst zu arbeiten, von den Er- trägnissen der Arbeit ein glänzendes Leben führen, gefallen sich nichtsdestoweniger in einer grenzenlosen Verachtung derjenigen, die mit ihren Händen arbeiten. Die Privilegierten haben sich mit einer hohen gesellschaftlichen Mauer umgeben, über die sie niemand lassen, der Schwielen an den Händen hat. Diese gesellschaftliche Ächtung der Handarbeit und ihrer lebendigen Träger hat zweifel- los sehr viel dazu beigetragen, dass die europäischen Arbeiter die ökonomischen Lehren des Sozialismus leicht begreifen konnten. In der amerikanischen Union liegen die Verhältnisse wesentlich anders. Hier fehlt die alte Tradition der Herrenkaste. Es gibt keine mit politischen Privilegien ausgestattete Geburtsaristokratie und kein Gottesgnadentum. Die Rothäute, die einstmals Herren des Landes waren, sind heute in Reservate eingesperrt und zählen über- haupt nicht mit. Die weisse Rasse hat das Land usurpiert, und die einzelnen Usurpatoren haben die Schätze des Bodens gehoben und sind um so reicher geworden, je besser sie es verstanden, die mit der Schatzhebung verbundenen Arbeiten andere machen zu lassen und nur den Gewinn einzustecken. So sind wohl Familienreichtümer entstanden, die sich von einer Generation auf die andere vererbten 9204. II. Das Heer der Erwerbstätigensch, X . en 1. Die unterste Proletarierschichl. a) Neger und Neueinwanderer. N [Eh kommt es darauf an, sich. den Umfang und die wirt- 1} * |schaftlich-soziale Bedeutung der nicht assimilierten und von den Amerikanern selbst oft als nichtassimilierungsfähig bezeichneten Volksschichten klarzumachen. Es handelt sich neben den etwa 11 Millionen Negern um ungefähr 17 Millionen Menschen süd- und osteuropäischer Abstammung, die in der Hauptsache erst während der letztvergangenen 30 Jahre einwanderten, also um 28 Millionen Menschen, die an der sozialen Unterschicht zweifellos einen Haupt- anteil haben. Legt man zugrunde, dass der Bruchteil der Erwerbstätigen im Lande, gemessen an der Gesamtbevölkerung, zwei Fünftel beträgt, so ergeben sich für diese Unterschicht, bei der der Bruchteil der Erwerbstätigen sicherlich höher ist als im Bevölkerungsdurch- schnitt (was wohl bei jeder proletarischen Unterschicht der Fall ist — man denke ausserdem an Frauen- und Kinderarbeit), viel- leicht 15 oder mehr Millionen, mindestens aber 13 Millionen Er- werbstätiger!). Dieser letzteren Ziffer aber entspricht (vgl. Tabelle S. 108) fast genau die Gesamtzahl der ungelernten Arbeiter in Industrie, Transport, Handel usw. (5,55 Millionen), der. landwirt- schaftlichen Lohnarbeiter (5,45 Millionen) und der Bediensteten in Haus, Hotel, Eisenbahn, Theater usw. (2,40 Millionen). Natürlich kann und soll diese schematische Gegenüberstellung nichts weiter sein als ein Hinweis auf die zahlenmässige Bedeutung der farbigen Rasse und der neuesten, untersten Einwandererschicht für die wenig qualifizierten Erwerbsarten. Keineswegs soll sie etwa besagen, dass die genannten Volksschichten und Erwerbsarten genau oder auch nur annähernd sich decken. Von der Neger- bevölkerung ist die grössere Hälfte heute noch in der Landwirt- schaft der Südstaaten, und zwar bei weitem nicht ausschliesslich tw In Westvirginien sind unter der männlichen, über‘ zehn Jahre alten Bevölkerung an Erwerbstätigen: bei den Negern 83,8 Prozent, bei den Weissen von amerikanischen Eltern 74 Prozent, bei den Weissen von gemischten Eltern 72,3 Prozent, bei den Einwanderern 93,4 Prozent. (Monthly Labor Review des U. S. Dept. of Labor, Aug. 1925.) 107 b) Die physische Leistung des amerikanischen Arbeiters. Schon die erste Betrachtung der Arbeitsintensität in den Ver- einigten Staaten zeigte, dass bei Tempovergleichen grobe Fehl- schlüsse ausserordentlich naheliegen und von anderen Beobachtern auch häufig gemacht worden sein müssen. Wenn man Tempovergleiche durchführen will, muss die gleiche Ausgangsbasis vorhanden sein. Sie ist aber im wesentlichen weder für den Arbeiter noch für die materiellen Voraussetzungen seiner Arbeit im Vergleiche zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ohne weiteres vorhanden. Ernährung und psychologischer Zustand („Zufriedenheits“- stimmung) des deutschen und amerikanischen Arbeiters dürfen nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Dasselbe gilt für die materiellen Voraussetzungen der Arbeit, wie sie einleitend in diesem Abschnitt schon angedeutet worden sind. Ebenso ist die Arbeits- dauer unterschiedlich; sie kann zwar bei Gegenüberstellungen auf den gleichen Nenner gebracht werden, sie ist in ihrem Gehalt dennoch nicht die gleiche. Über die Arbeitszeit in den Vereinigten Staaten ist an anderer Stelle das Notwendige gesagt. (Siehe den zweiten Teil desBerichts.) Zum Ernährungszustand darf wohl als unbestreitbar festgestellt werden, dass er beim amerikanischen Arbeiter im allgemeinen er- heblich günstiger ist als beim deutschen Arbeiter. Die Gründe dafür sind bekannt genug, sie brauchen nicht im einzelnen angeführt zu werden. Hier sei nur auf einen sehr wichtigen Gegensatz zwischen Amerika und Europa, damit auch zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, hingewiesen. In den Vereinigten Staaten ist die Kaufkraft des Geldes gegen- über dem Allernotwendigsten am grössten, sie sinkt um so mehr, je weiter man in der Skala der Kulturgüter nach oben geht. Bei uns in Deutschland ist es umgekehrt. In Auswirkung des Krieges und der Inflation ist noch heute das Unentbehrlichste (Nahrung, Kleidung) am teuersten, während die Güter der höheren Lebens- haltung wesentlich billiger sind. Aus diesem Gegensatz erklärt sich, dass in den Vereinigten Staaten auch bei dem schlechtest entlohnten Arbeiter der Anteil seines Finkommens, der zur Bezahlung eines Existenzminimums notwendig ist, kleiner ist als bei uns in Deutschland. So bleibt im besonderen dem besser bezahlten amerikanischen Arbeiter ein er- heblich grösserer Anteil seines Lohnes für andere Ausgaben als die des Existenzminimums. Damit ist an sich seine soziale Lage keine andere als die des deutschen Proletariers, aber er ist ihr gegenüber körperlich und geistig in anderer Position. (Das führt beim ameri- En Arbeiter manchmal zur Täuschung über seine soziale Lage. 34 18. Wie war die Entwicklung der wilden Streiks (ohne Billigung der Ge- werkschaften)? a) Datum des Ausbruchs, b) Datum der Beendigung, c) Ursache? d) In welchen Abteilungen wurde wild gestreikt? e) Wie viele Arbeitnehmer beteiligten sich? if) Wie viele Arbeitnehmer in anderen Abteilungen mussten infolge Arbeitsmangels aussetzen? g) Wie gross war der Produktionsausfall nach der Menge der Er- zeugnisse oder ähnlichen Massstäben? h) Wie wurde der Streik beigelegt? 19. Ist der Personalstand wieder aufgefüllt worden? 20. Wie gross sind die Jahreskosten für Unfälle (Krankenhausbeiträge, Versicherungsbeiträge, zugebilligte Entschädigungen und Lohn- zahlungen während der Arbeitsunfähigkeit)? a) Gesamtzahl der Unfälle jeder Art in den Jahren 1918 ff. b) Wie viele Todesfälle? c) Wie viele dauernde Schäden? d) Mittlere Dauer der Arbeitsunfähigkeit? e) Besteht eine besondere Unfallschutzorganisation, wie arbeitet sie? f) Welche Ergebnisse wurden erzielt? g) Wurden die Unfälle durch Vernehmung zu Hause oder auch im Krankenhaus genau verfolgt? h) Wurde versucht, dauernd oder vorübergehend unpässliche Arbeiter mit Arbeiten zu beschäftigen, die für sie geeignet waren? i) Welche Verringerung der Versicherungsprämie wurde während der Jahre 1918 ff. durch Unfallverhütungsmassnahmen erzielt? 21. Wieviel Prozent der Lohnsumme wurden für sogenannte Wohlfahrts- einrichtungen verwendet? a) Gibt es eine Wohlfahrtsabteilung, und welches ist ihr Tätigkeits- bereich? b) Welches begonnene Wohlfahrtswerk wurde unterbrochen, und warum? c) Wie sind die Umkleideräume ausgestattet? d) Wie sind die Abortverhältnisse? e) Besteht ein Hilfsverein? f) Gibt es eine Kantine für die Arbeitnehmer? g) Sind Aufenthaltsräume vorhanden? h) Sind Ruhezeiten vorgesehen? i) Gibt es besondere Räume zum Ausruhen? ij) Ist Vorsorge getroffen, eine missliche Lage von Arbeitnehmern fest- zustellen und zu verbessern? k) In welchem Umfang machen Arbeiter Vorschläge für Betriebs- verbesserungen, und wie werden sie vorgebracht? 1) Wieweit nehmen die Arbeitnehmer teil an Erträgen aus der Ver- besserung? m) Gibt es eine Werkzeitung? 78 b) Wie ist zahlenmässig das Verhältnis von Überafbeit"Zi Normal, arbeit? mn 5 c) Werden die Arbeiter in Tagelohn bezahlt odef in Stücklohn, nack; Pensum und Prämiensystem oder anderen Nürnten) finanzieller Reizmittel? | € d) Wie wird für Stücklohn oder Prämie der Stüc atz bestimmt? Sn e) Gibt es Einheitssätze für die Tagesleistung, näch genen. die 7 hältnismässige Leistung der Arbeiter festgesetzt wi a?Kie\* 14. Wie gross ist die Dauer der täglichen und der wöchentlichen Arbeits- zeit? a) Wie und von wem wird sie bestimmt? b) Wie viele Schichten? c) Machen einige Arbeiter regelmässig Überarbeit? d) Schätzen Sie die Überarbeit für produktive Leistung ein in Arbeits- stunden pro Monat? 15. Werden nur nichtorganisierte oder nur organisierte Arbeiter ein- gestellt? a) Wenn nur organisierte Arbeiter eingestellt werden, was ist bezüg- lich der Lehrlinge vereinbart? L6. Besteht irgendeine Form von Arbeitsvertretung? a) Wer veranlasste ihre Einsetzung, und aus welchem Grunde er- folgte sie? b) Wie sind ihre Statuten? c) Wann wurde sie eingerichtet? d) Wie weit gehen ihre Befugnisse? e) Welche Erfahrungen hat die Betriebsleitung bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit gemacht? 17. Welche Schwierigkeiten infolge Streiks und Aussperrungen waren in den letzten fünf Jahren zu verzeichnen? a) Datum des Beginns, b) Datum der Beendigung, c) Ursache? d) Wie lange vor Ausbruch des Streiks und der Aussperrung zeigte sich eine Beeinträchtigung der Produktionsleistung? e) Wie lange dauerte es, bis nach Beendigung des Streiks oder der Aussperrung wieder normal gearbeitet wurde? In welchen Abteilungen kamen Streiks und Aussperrungen vor? g) Wie viele Arbeitnehmer waren davon betroffen? h) Wie viele Arbeitnehmer in anderen Abteilungen mussten infolge „der Arbeitseinstellung aussetzen? i) Wie viele Arbeitnehmer wurden während des Streiks neu ein- „gestellt? ij) Wie gross war die mittlere Leistung des Werks während des Streiks oder der Aussperrung im Vergleich zur Vorzeit? k) Wie gross war der etwaige Verlust an Produktion während des Streiks oder der Aussperrung nach Mengen der Erzeugnisse oder ähnlichen Massstäben? 1) Wie gross war der etwaige Verlust an Eigentum? m) Welche Regelung kam zustande? 7 Die niedrigsten Löhne der Metallindustrie fanden wir bei Stundenlohn-Arbeiterinnen in Werkstätten von Detroit, welche die grossen Automobilfabriken mit Schrauben und Details be- liefern. Der nominale Stundenlohn war 25 Cent gleich 1,05 Mk. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in Milwaukee und selbst in Chicago den Frauen in der Metallindustrie vereinzelt noch niedrigere Löhne gezahlt werden, jedenfalls aber befindet sich im ganzen Lande kein sehr grosser Teil der Lohnempfängerinnen der Metallindustrie auf dieser untersten Grenze. Höchstwahr- scheinlich sogar ist der Bruchteil der weiblichen Metallarbeiter, die nur ein viertel Dollar oder darunter verdienen, nicht grösser als der Prozentsatz weiblicher Metallarbeiter in Deutschland, deren Tariflohn (in der höchsten Altersklasse) nur ein Viertel bis ein Drittel dieses Lohnes, nämlich 35 Pf. und weniger beträgt. (Brandenburg 30 Pf., Frankfurt a.d. Oder 35 Pf., Halle 35 Pf. Hamburg 35 Pf., Kiel 35 Pf,, Königsberg 26 Pf., Liegnitz 28 Pf.,, Magdeburg 33 Pf., Stettin 34 Pf., Waldenburg 28 Pf.) Als tatsächlich gezahlter Durchschnittslohn der weiblichen Ar- beiter werden in der Statistik für die allgemeine Metallverarbeitung 35,5 Cent angegeben, eine Angabe, die wir nach unseren eigenen Ermittelungen und den uns von den verschiedenen Orts- verwaltungen amerikanischer Metallarbeiterorganisationen ge- gebenen Auskünften ebenfalls für zutreffend halten können. Im Maschinenbau ist der Durchschnittslohn weiblicher Arbeiter 38,7 und im Automobilbau 44,4 Cent. Es ist dies nach dem Zeitungs- gewerbe mit 45,8 und der Wollwarenindustrie mit 45,6 Cent der höchste Durchschnittslohn für weibliche Arbeiter irgendeiner Industrie des Landes. In Deutschland wird der höchste Tarif- stundenlohn für weibliche Metallarbeiter in Chemnitz gezahlt und ist 46 Pf. (in Dresden 45,5, Zwickau 45,5, Plauen 45,5, Biele- feld 42,5, Berlin 42 Pf). Der Durchschnittslohn weiblicher Arbeiter in der amerikanischen Metallverarbeitung ist also mit 35,5 Cent gleich 148 Pf. etwa das Dreifache des höchsten oder das mehr als Fünffache des niedrigsten deutschen Tariflohnes dieser Art, einschliesslich der angenommenen 12 Prozent tat- sächlichen Mehrverdienstes über den deutschen Tarifsatz. Der niedrigste durchschnittliche Stundenlohn aller hier erfassten Industrien wird den Ungelernten und den weiblichen Arbeits- kräften in der Baumwollindustrie des Südens mit 24,3 bzw. 26,6 Cent, d.h. 1,02 bis 1,12 Mk. pro Stunde gezahlt. Auch diese Löhne würden noch einDrei- bis Dreieinhalfaches niederer deutscher Frauen- und Tagelöhnerverdienste sein, allein wir halten diese Angaben nach unseren sonstigen Erkundigungen für zu hoch und glauben, dass besonders in diesem Falle unsere Vermutung zu- trifft, dass nämlich die Unternehmungen mit den übelsten Arbeits- 166 Die Einzelheiten des Gesetzes sind in jedem der Bundesstaaten verschieden. So z. B. ist in einer Reihe von Staaten Entschädigung vorgesehen für jeden „im Betrieb“ erlittenen Unfall, in anderen nur für Unfälle, die „durch die Berufsausübung“ erfolgt sind. In Weg- fall kommt in fast allen Staaten eine Entschädigung für Unfälle durch Verschulden, Trunkenheit usw. des Arbeitnehmers. Die meisten Gesetze sehen für den Entschädigungbezug eine Wartezeit bis zu sieben Tagen vor. Alle Gesetze gewährleisten freie Medi- kamente, manche jedoch mit zeitlicher Begrenzung, während andere die Höhe des Geldwertes der Medikamente begrenzen. Ebenfalls gewähren fast alle Gesetze Begräbnisgelder von 150 Dollar und darüber. Im Fall völliger Arbeitsunfähigkeit gewähren sechzehn Unfall- gesetze eine Entschädigung in Höhe von 65 oder 66% Prozent vom Arbeitslohn des Geschädigten. In elf Staaten beträgt der Ent- schädigungssatz nur 50 Prozent, in den übrigen Staaten liegt er zwischen der genannten Mindest- und Höchstgrenze von 50 bzw. 66% Prozent. Diese Sätze sind begrenzt durch eine Festsetzung von Maximumbeträgen, die in den einzelnen Staaten zwischen 12 und 20 Dollar pro Woche liegen (so dass also ein gut entlohnter gelernter Werkzeugmacher, Bauarbeiter usw. mit 50 bis 60 Dollar Wochenlohn bedeutend weniger als den vorgesehenen Prozentsatz erhält). Die Leistungen an die Hinterbliebenen sind in den meisten Staaten‘ entweder im Betrag oder der Zeitdauer nach begrenzt; dagegen zahlen sieben Staaten sowie die Bundesregierung Hinter- bliebenengelder bis zum Tode, der Wiederverheiratung bzw. der Volljährigkeit der Bezugsberechtigten. Bemerkenswert sind auch die Bestimmungen hinsichtlich der Ausländer und nichtsesshaften Personen. Nur sieben Staaten ge- währen diesen die Rechte aus dem Unfallgesetz auf derselben Basis wie den Angesessenen ausdrücklich durch das Gesetz. Acht weitere Staaten, deren Unfallgesetz keine besonderen Fremden- bestimmungen enthält, behandeln die Fremden in der Praxis ebenfalls als Gleichberechtigte. Zu diesem Punkte fordert der amerikanische Gewerkschaftsbund die volle Ausdehnung der Rechte aus den Unfallgesetzen auf die Fremden in allen Bundesstaaten. Auch bei dieser Gesetzgebung tritt die anglo-amerikanische Zwangslosigkeit in interessanter Weise‘ in Erscheinung. Es ist nämlich nur in 12 von den 42 Staaten, in denen ein solches Gesetz existiert, obligatorisch. In den anderen 30 Staaten steht es dem Arbeitgeber formell frei, sich dem Gesetz zu unterstellen oder es abzulehnen. Im letzteren Fall wird jedoch auf den Arbeitgeber +07 13 Die Trusts, die Warenhäuser und Produzenten (im besonderen die der Nahrungsmittel) versuchen, ebenso wie die Massenfilial- betriebe und die Versandgeschäfte, die Verminderung der Vertriebs- kosten und damit eine Verbilligung der Warenpreise zu erreichen. Man ist dabei zur Entwicklung der verschiedensten Methoden ge- kommen, die sich aus der Erstrebung quantitativer Maximal- leistungen zur Organisation der optimalen Produktivität durchringt. Der Erfolg scheint bisher nur ein relativer zu sein, die Verteiler ver- mehren sich ständig weiter. Das haben sie in den Vereinigten Staaten ja noch leichter als bei uns, weil sie dort, wie weiter oben skizziert, schon immer eine eigenartig bedeutende Rolle gespielt haben. Zu der für unsere Anschauungen sehr nahe liegenden Entwicklung von Produktivgenossenschaften und ihrer Verbindung mit Konsum- genossenschaften ist man noch nicht gekommen, nur die Farmer haben sich unter dem Drucke der Not bisher zu Verwertungs- genossenschaften für Obst, Getreide usw. zusammengefunden. Der Konsument ist in Amerika unorganisiert. Der Arbeitslohn spielt in der Preisbildung bei der Warenverteilung in den Vereinigten Staaten eine nicht so wichtige Rolle als in der Preisbildung bei der Herstellung. Das hat seinen Grund darin, dass die amerikanische Büroorganisation technisch sehr weit ent- wickelt ist, man kennt weniger den gelernten Angestellten, dafür aber um so mehr den angelernten Spezialarbeiter, zum anderen er- hält die Verteilung ihre Arbeitskräfte in beinahe grenzenlosen Mengen. Das Angestelltengehalt ist deswegen im allgemeinen sehr niedrig; es gibt auch kaum Ansätze der gewerkschaftlichen Organisation. Die niedrigsten Gruppen der Angestellten im Warenhandel (Kauf- häuser), sind die jungen weiblichen Verkäuferinnen, ihr Gehalt liegt zwischen 8 bis 16 Dollar wöchentlich. In den Büros werden die niedrigsten Tätigkeiten, Bedienung von Büromaschinen usw., mit 14 bis 25 Dollar Wochenlohn bezahlt. Die qualifiziertere Arbeit wird den Angestellten durchschnittlich mit 30 bis 40 Dollar Wochen- einkommen beglichen. Die qualifiziertesten Angestellten verdienen zum Teil auch ausserordentlich hohe Gehälter. Im allgemeinen steht aber der amerikanische Angestellte mit seinem Einkommen nicht neben oder über, sondern unter dem qualifizierten Arbeiter. Es ist also nicht der Angestelltenlohn, der stark auf den Ver- teilungskosten lastet, es ist deren Vielgestaltigkeit und ihre ständig zunehmende Ausdehnung. In den Bürobetrieben ist das Arbeitstempo sehr unterschiedlich. 70 (6000 bis 12000 Mann) sind Studenten und Seminaristen. In Gegenden, wo sich ein Lehrerseminar oder eine ähnliche Anstalt befindet, kommt es überhaupt vor, dass Studenten in weitem Um- fang auch unter der Industriearbeiterschaift als Lohndrücker auf- treten. Darüber klagten uns die Gewerkschaftsleute in Emporia im Staate Kansas, wo sich ein solches Institut befindet. (Bei der breiten demokratischen Basis, die das höhere Schulwesen und überhaupt das Bildungswesen für Erwachsene in Amerika hat, ist diese unerwünschte Begleiterscheinung verständlich. Auch kann sie, wo gute Organisationsverhältnisse bestehen, vermieden werden.) Die städtischen Arbeiter, die an der Ernte teilnehmen, kommen meistens aus den industriereichen Nordstaaten. Der In- dustriezweig, aus dem sie kommen, ist nach dem jeweiligen Ge- schäftsgang der einzelnen Industrien verschieden. In einem Jahre kamen sie fast ausschliesslich aus der Automobil- und Gummi- industrie. In ihrer Gesamtzahl machen die Saisonarbeiter ein Anderthalbfaches der gesamten Farmer und deren arbeitender Familienmitglieder aus, bei denen sie arbeiten. Eine volle Million aller Lohnarbeiter der Vereinigten Staaten hat mindestens einmal die Weizenernte mitgemacht! Die täglichen Arbeitsstunden zur Ernte- zeit liegen in der Mehrzahl der Fälle zwischen zehn und zwölf Stunden, in einem geringen Prozentsatz darunter oder darüber. Über die Höhe des Lohnes, zu dem noch die freie Verpflegung hinzukommt, lässt sich etwas Allgemeines aus begreiflichen Gründen nicht sagen. Man kann den Lohn mit seinen auffallenden Unterschieden in den einzelnen Jahren allenfalls als ein recht gutes Konjunkturbarometer der Industrie ansehen, denn in Zeiten grosser Arbeitslosigkeit in der Industrie sind die „Farmhände‘“ natürlich billig. So wurden in Kansas in einem Jahre mit schlechter Industrie- koniunktur Löhne zwischen 2,50 und 5,50 Dollar pro Tag gezahlt, während sie in dem vorhergegangenen besseren Jahre zwischen 3,30 und 7 Dollar lagen. Eine Ausnahme machen natürlich die genannten Mechaniker, deren Lohn 10 und 12 Dollar beträgt und natürlicherweise auch weniger von der Konjunktur abhängig ist. Wenn dagegen die Löhne der übrigen Arbeiter, die ungelernte Kräfte sind, einschliesslich der Verpflegung auf den ersten Blick noch passabel scheinen mögen, so ergibt sich ein weniger günstiges Bild, wenn maı die Ausfälle berechnet, die den Leuten beim Über- gang von der einen zur anderen Arbeitsstelle entstehen. . Der Ausfall macht im Durchschnitt im Laufe eines Monats, wie Lescohier errechnet hat, nicht weniger als elf Tage aus. Dadurch reduziert sich die monatliche Reineinnahme auf etwa 87% Dollar in guten bzw. 68 Dollar in schlechten Jahren. Davon sind abermals Ausgaben für Eisenbahnfahrt usw. abzurechnen, so dass sich der Wanderarbeiter kaum viel besser steht als der reguläre Farm- 115 forderungen verpflichteten, und Geldsammlungen wurden ein- geleitet zur Unterstützung solcher Kandidaten, die aus den Gewerkschaften hervorgegangen waren. Den beiden grossen Parteien wurde ein Mindestprogramm gewerkschaftlicher For- derungen zur Anerkennung vorgelegt, das von den PRe- publikanern abgelehnt wurde, während die Demokraten grosses Entgegenkommen zeigten. Daraufhin erliess Gompers eine Auf- forderung an die Arbeiterschaft, überall bei den Wahlen die demo- kratischen Kandidaten zu unterstützen. Der nächste Kongress 1908 billigte mit grosser Mehrheit diese Massnahme. In der folgenden Zeit hat der Gedanke einer selbständigen Arbeiterpartei auf den Gewerkschaftskongressen eine grössere Bedeutung nicht mehr erlangt, bis die Präsidentenwahl im Jahre 1924 die Errichtung einer Arbeiterpartei plötzlich wieder in greifbare Nähe rückte. Die Vorgänge sind auch ausserhalb Amerikas noch ziemlich bekannt. Um den fortschrittlichen Senator La Follette scharten sich ver- schiedene Gruppen, darunter Farmerverbände, die sozialistische Arbeiterpartei und eine Reihe Gewerkschaften, während aber die Federation selbst auch diesem Versuch, eine dritte Partei zu gründen, fernblieb. Die Wahl selbst erbrachte für die neue Gruppierung fast fünf Millionen Stimmen, die aber doch nur 16 Prozent aller abgegebenen Stimmen betrugen. In anderen Ländern hätte man aus diesem doch immerhin beachtenswerten Erstlingserfolg vielleicht die Hoffnung geschöpft, dass bei zäher Weiterarbeit in absehbarer Zeit die neue Partei ein ernsthafter Anwärter auf die politische Macht werden könnte. In Amerika aber, wo jede grössere organisierte Gruppe überzeugt ist, dass sie unter dem Zweiparteiensystem, wenn nicht direkt, so doch indirekt einen politischen Einfluss ausüben kann, der aber verlorengeht, wenn man seine Karte auf eine dritte, machtlose Partei setzt, war der augenblickliche Misserfolg entscheidend. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu untersuchen, ob überhaupt die heterogenen Gruppen, die sich zunächst nur zum Zwecke der Präsidentenwahl zusammen- gefunden hatten, auf die Dauer in einer Partei beieinanderzu- halten gewesen wären. Der erste Misserfolg führte jedenfalls dazu, dass sich die Gruppen wieder trennten. Wir fanden auch in solchen Kreisen, die sich für die Gründung einer Arbeiterpartei erklärten, nunmehr die Auffassung, dass der misslungene Versuch auf absehbare Zeit alle Möglichkeiten zur Verwirklichung des Planes verschüttet habe. Dadurch ist auch die Stellung der Federation zur Frage einer be- sondern Arbeiterpartei weiterbefestigt worden. Diese Stellung wird am besten erkenntlich in einem von ihr durch eine besondere Kommission am Ende des Weltkrieges aufgestellten „Wieder- aufbauprogramm“, in dem es heisst: 290 Die Weltproduktion an Steinkohle war im Jahre 1925 um etwa 6% Prozent geringer als 1913 und sogar um rund 1% Prozent niedriger als im Jahre 1924. Der einzige bedeutende Produzent, der seine Erzeugung während der letzten zwölf Jahre auf gleicher Höhe zu halten vermochte, ist Amerika. Der Anteil der Vereinigten Staaten an der Weltproduktion hat sich infolgedessen von 35,4 Prozent in 1913 auf 38 in 1925 gesteigert. An zweiter Stelle steht England mit 17,7 gegen 20 Prozent vor dem Kriege. Die kontinentale Gruppe Frankreich-Deutschland-Polen hat als Gesamtkomplex sowohl absolut als auch relativ einen Produktions- rückgang zu verzeichnen, der sich infolge der Änderung der politischen Grenzen jedoch nur bei Deutschland zeigt. Deutsch- lands Produktion ist von 1913 bis 1925 um reichlich 30 Prozent gesunken, so dass der relative Anteil Deutschlands an der Welt- erzeugung von 13 auf 9,6 Prozent zurückging. Bei der Veränderung der Steinkohlen-Welterzeugung ist zu be- achten, dass im besonderen in Europa (Deutschland) die Braun- kohlengewinnung gewaltige Fortschritte gemacht hat, und dass zum anderen die Wärmewirtschaft und damit die bessere Aus- nutzung der Heizkraft der Kohle sich weiterentwickelt hat. Ausserdem sind das ÖZ — der grosse Konkurrent der Kohle — und die Wasserkrait als Energiequellen rasch zu erstaunlicher Ent- wicklung gekommen. Das gilt im besonderen für Nordamerika. Das hier nur in flüchtigen Zügen gezeichnete Kraftfeld der Ver- einigten Staaten und dessen Vergleich mit dem Deutschlands gibt — so denken wir — genügend Beweiskraft für die Abwehr oberflächlicher Vergleiche zwischen Deutschland und Nordamerika, Der entscheidende Beweis für die Unterschiedlichkeit der beiden Wirtschaften liegt aber in den Tatbeständen ihrer Wirtschafts- geschichte. Deutschland ist wirtschaltsgeschichtlich, im besonderen in seinen westlichen Teilen, altes Kulturland. Hier haben sich aus der Hauswirtschaft in jahrhundertelangem Ringen die Stadtwirt- schaften, aus dieser Verlagssysteme und moderne Fabrikproduktion entwickelt. Der deutsche Weg von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft führt über ein Jahrtausend. In den Vereinigten Staaten hat sich die Geldwirtschaft nicht aus der Naturalwirtschaft entwickelt. Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ideen, im besonderen Englands und Frankreichs, prallten im Ausgang des 18.Jahrhunderts mit der Naturalwirtschait, der primitiven Nomadenwirtschaft der Ureinwohner Amerikas plötzlich zusammen. Dabei siegte die europäische Form der Land- und Weidewirtschaft zugleich mit den europäischen Handels- methoden und den aus der französischen Revolution erwachsenen Staatsideen. In diese neue Welt der übertragenen Formen und 26 recht den wirtschaftlichen Internationalismus, d. h. den zweck- mässigen Güterverkehr über die ganze Welt fördern. Es ist sehr notwendig, die natürliche Tendenz zur Inter- nationalisierung der Wirtschaft nicht nur zu erkennen, sondern sie auch zu fördern und in die richtigen Bahnen zu lenken. Auch darin gibt das junge Amerika dem alten Europa eine handgreifliche Lehre. Die 48 Einzelstaaten des nordamerikanischen Bundes, ein Gebiet fast von der Grösse Europas, sind durch keine wirtschaftlichen Grenzmauern voneinander getrennt. Demgegenüber steht Europa mit seiner politischen und wirtschaftlichen Zerrissenheit, seinen die Lebensbedingungen verteuernden Zollmauern, seinen Handels- erschwerungen und Handelskriegen und der dadurch bedingten Unwirtschaftlichkeit seiner Gütererzeugung. Die Forderung nach dem wirtschaftlichen Zusammenschluss Europas ergibt sich geradezu zwangläufig aus der Betrachtung der amerikanischen Wirtschaft; für uns nicht als Endziel, sondern als Etappe zur Einheit der Weltwirtschaft. Wenn gegenwärtig diese alte Forderung der Arbeiterbewegung anscheinend von den massgebenden Kreisen in fast allen europäischen Ländern unter- stützt wird, so darf man sich freilich weder über die zu über- windenden Schwierigkeiten noch darüber täuschen, dass die Ziel- richtung keineswegs einheitlich ist. Noch überwiegt in den Kreisen der kapitalistischen Wirtschaftsleitungen die Vorstellung, dass die weltwirtschaftliche Aufgabe weniger in einer Anpassung des Ver- brauchs an die erreichten und noch zu vermehrenden Produktions- möglichkeiten, als vielmehr in einer planmässigen Beschränkung des „zu gross gewordenen“ Produktionsapparates zu suchen sei. Noch erhofft jede der beteiligten nationalen Gruppen durch eine europäische Wirtschaftsorganisation einen vermehrten Ausfuhr- überschuss für die eigene Wirtschaft, eine Hoffnung, die sich nicht verwirklichen kann. Das Kernproblem der europäischen Wirtschaft ist und bleibt die Steigerung der Massenkaufkraft. Mehr noch als sonstwo hängt in Deutschland die Kaufkraft von der allgemeinen Lohnhöhe ab, denn die Konsumkraft aus Ersparnissen ist durch die Inflation vernichtet. So wird es vollkommen klar, dass der gewerkschaftliche Kampf um die Steigerung der Löhne nicht nur eine soziale Notwendigkeit, sondern darüber hinaus eine Aufgabe ist, von deren Gelingen die Höherentwicklung der gesamten Wirtschaft abhängt. 256 Papiermacher ............ 5000; Tabakarbeiter ............ 1400 Handelstelegraphisten: .... 4100, Böttcher .............-.. 11,300 LOotSen ee 3 900 Ölfeldarheiter. +... 1.200 a 3500 Kupferdrücker, -präger und Giessereiarbeiter, ....... 3 500 “StaHZer. rear ne) 200 Marmorarbeiter‘......... a3 200 Ka Hokkzbildhauer ........... 1000 Steinbrucharbeiter ........ 3000 MGold- und Silberschmiede. . 800 Dachdecker .............. 3000 _Besen- und Bürstenmacher 700 Tunnelarbeiter .......... 3000 Ingenieure, Architekten und Asbest- und Isolierungs- Zeichner: a dr ee eat 600 arbeiter ............... a2 400 BE Piano- und Orgelbauer .... 600 Pflastersteinhauer_........ 2400 Tapetendrucker .......... 600 Schlafwagenschaffner .... 2300 Drahtflechter ........... 400 Fensterglasmacher ...... 2000 _Diamantarbeiter ......... 400 Hüfschmiede ........... zz 000 Handschuhmacher ......7 300 Pederarbeiter ........... 2 000 Landbriefträger ........ 300 Steinsetzer und Asphalt- Pulverarbeiter”. 1... 200 arbeiter ,............ 2000 Metallgraveure ....... 100 Plakatkleber 2... 1600 Trikotweber . 4... 0. 100 Ofen- u. Heizungsmonteure 1600 Stahlstecher ..........-. 100 Die Local unions sind ähnlich den örtlichen Verwaltungsstellen der deutschen Zentralverbände, aber doch nicht ohne weiteres mit diesen vergleichbar, weil die zentrale Organisationsform in den Ver- einigten Staaten nicht im gleichen Masse durchgebildet ist. Bei uns liegt das Schwergewicht bei den Zentralverbänden; die örtlichen Mitgliedschaften sind nur lokale Verwaltungsstellen des Zentral- verbandes, die Ortsverwaltungen Beauftragte desZentralvorstandes, Das Gewerkschaftssystem in den Vereinigten Staaten nähert sich mehr der umgekehrten Reihenfolge: Im Anfang sind die Local unions, und über ihnen erhebt sich als Oberbau die Zentrale. Allerdings ist die Verteilung von Rechten und Pflichten zwischen Zentrale und Local unions bei den amerikanischen Verbänden nicht einheitlich geregelt. Während in manchen Verbänden die zentrale Vereinigung der Local unions einen stark föderalistischen Zug hat, ist in anderen der Zentralismus nicht weit vom deutschen System entfernt. Im Durchschnitt ist aber die Selbständigkeit und das eigene abgeschlossene gewerkschaftliche Leben der Local unions gegenüber dem Gesamtverbande und seinen Instanzen erheblich grösser als bei den Verwaltungsstellen der deutschen Verbände. Ein auffälliger Unterschied liegt auch darin, dass nicht jeder Ort nur eine Verwaltungsstelle des Verbandes bildet, sondern oft sehr zahlreiche Local unions desselben Verbandes in einem Ort neben- einander bestehen. Die Brüderschaft der Zimmerer und Bau- tischler beispielsweise verfügt in Neuyork über 35, Chicago 33, Cleveland 17 usw. Local unions. In diesen Fällen sind diese noch durch ein besonderes Ortskartell des Verbandes zusammengehalten. 2192 Kos nd EEE . aa EEE z onläna= = . = ZZ —- 3 A Massochusel rn PL mm SM ZELL ; Rhode Jsland FE a Connecticut ll ZNI= "NewJersey Es — N Delaware FAZ 7 EColoradi* = — ZU Varyland GE ZN zZ N S — oln A 4nesse® m | unter 1% == ul, ann e “1 bis 5% = , Vissis- Maß, a Ye zZ SPP 5 „10% — TS m = ; Se © 10, 15% a 15 „ 20% “= 20 „300 Die Verteilung der Einwohnerschaft deutscher > ; ® S Herkunft auf die einzelnen Staaten (1920) über 30% N C5 "> Hz = 165 000 Personen im Jahr (frei von dieser Beschränkung sind Kanada und Mexiko) zulässig, gegenüber mehr als einer Million jährlich im Durchschnitt des letzten Jahrzehnts vor dem Kriege. In der europäischen Arbeiterschaft wird den amerikanischen Ge- werkschaften ihre Stellungnahme zum Einwanderungsproblem stark verdacht. Doch wird man zugeben müssen, dass die unbe- schränkte Einwanderung tatsächlich eine ernst zu nehmende und wachsende Gefahr für die amerikanischen Arbeiter bedeutet. Sie konnten ihren wesentlich höheren Lebensstandard im Vergleich zu dem europäischen zwar erringen und aufrechterhalten trotz unbegrenzter Einwanderungsmöglichkeit. Die gegenwärtige wirt- schaftliche Zerrüttung Europas, von der sich die augenblickliche Wirtschaftsblüte in den Vereinigten Staaten um so krasser abhebt, bedeutet aber eine wesentliche Steigerung der Gefahr. Noch mehr aber ist es der innerwirtschaftliche Umschichtungsprozess, der sich in den Vereinigten Staaten vollzieht, der die Gewerkschaften zwingt, der Einwanderungsfrage erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Wie war es überhaupt möglich, dass in diesem Lande trotz eines riesenhaften und ununterbrochenen Zustromes mittel- loser Arbeitsuchender und zu einer Zeit, als die Gewerkschaften noch zu schwach waren, um die natürliche Auswirkung des Ge- setzes von Angebot und Nachfrage für den Preis der Arbeitskraft wesentlich korrigieren zu können, die Löhne verhältnismässig hoch bleiben konnten? Die Erklärung dafür dürfte in erster Linie in den besonderen Verhältnissen der amerikanischen Landwirtschaft zu finden sein. Anders als in den übervölkerten und landhungrigen europäischen Ländern bot die schier unbegrenzte Weite der neuen Welt leichte Möglichkeiten, Grund und Boden zu erwerben und in landwirtschaftlicher Tätigkeit eine ausreichende Existenz zu finden. Das bedeutete eine kräftige Entlastung für den gewerb- lichen Arbeitsmarkt und einen natürlichen Schutzwall gegen ein Sinken der Arbeitslöhne: In der Industrie mussten mindestens die gleichen Existenzmöglichkeiten geboten werden, die in der Land- wirtschaft zu erreichen waren. Die Lage der amerikanischen Landwirtschaft hat sich nun aber andauernd verschlechtert. Herrenloses Land ist nicht mehr ver- fügbar, und die Methode der extensiven Wirtschaft auf ijung- fräulichem Boden lässt sich nicht in alle Ewigkeit fortsetzen. Ohne hier den Gründen dieses Umschwunges näher nachzugehen, genügt für unsere Betrachtungen die Feststellung, dass nach der Statistik in der Zeit von 1913 bis 1922 bei einer allgemeinen Preissteigerung von 60 Prozent die Löhne in der Industrie um über 100 Prozent, in der Landwirtschaft aber nur um 37 Prozent gestiegen waren. Diese Senkung des realen Einkommens in der Landwirtschaft konnte nicht ohne Folgen für die berufliche Gruppierung bleiben. 9239 wieder das staatsbürgerliche Bekenntnis betont. Kaum eine Rede oder Ansprache wurde gehalten, in der nicht irgendwie dieser Stolz auf die Vereinigten Staaten, auf die Nation und auf ihr Sternen- banner angeklungen hätte. Auch die hauptsächlichstenProbleme der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung fanden schon in den Be- grüssungsreden sehr ausführliche Andeutungen. Im Vordergrund von allen stand der schwierige Kampf gegen die richterlichen Ein- mischungen in die Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit. Es scheint, als könnten die Gewerkschaften auf diesem Ge- biet nur sehr langsam vorwärtskommen, den Gegner nur Schritt um Schritt unter Zuhilfenahme des allmählich günstigen Wandels der öffentlichen Meinung in den Einzelstaaten zurückdrängen. Unter den Problemen befanden sich ferner die Forderung nach Frauen- und Kinderschutz und der Kampf um die „workmens com- pensation acts‘“, eine Art Unfallversicherung, die in einigen Einzel- staaten eingeführt worden ist, nun in der ganzen Union durch- gekämpft werden muss. Mit besonderem Nachdruck nahm sich Green dieser Forderung an, für die er schon in seinem früheren Wirkungsbereich, im Staat Ohio, erfolgreich gekämpft hat. Fremdartig für den Europäer auf dem Kongress waren ferner die Negerdelegierten, von denen eine Anzahl zumeist aus solchen Or- ganisationen vertreten war, deren Berufe fast ausschliesslich von farbigen Arbeitern ausgeübt werden. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts noch Sklaven, dann unter Amerikas grösstem Prä- sidenten, Abraham Lincoln, im Kampf gegen die Südstaaten befreit, stehen ihre geistigen Vortrupps heute in Reih’ und Glied der Ge- werkschaftsbewegung. Persönlich und näher lernten wir von ihnen den Vorsitzenden des Verbandes der Fuhrleute des Staates Kansas kennen. Als der Präsident Green dem Kongress die deutschen Besucher vorstellte, erhoben sich sämtliche Delegierte von ihren Plätzen, und als Gegengruss des Kongresses brach ein minutenlanger Beifalls- sturm los. Er wiederholte sich noch einmal, nachdem Tarnow, knapp und gewandt, im Namen der Abordnung den Kongress be- grüsst, den Zweck der Reise dargelegt, der Kämpfe unserer Ge- werkschaften und der Probleme der‘ deutschen Wirtschaft ge- dacht hatte. Nach dreitägigem Aufenthalt nahmen die einzelnen Gruppen und Einzelpersonen vom Kongress aus ihre verschiedenartigen Reise- routen auf. Die Vertreter des Bundesvorstandes des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes bereisten die Staaten im Nordosten zwischen Ohio und Mississippi, die Ölfelder und Weizengebiete des Staates Kansas, hauptsächlich zu dem Zweck, die Lohn- und Arbeits- verhältnisse und die sozialen Zustände zu ermitteln. Der Vertreter des AfA-Bundes wandte sich in der Hauptsache dem Studium all- 10 zu rechnen und die verschiedenen Lastwagen- und Traktoren- typen. Also auch im Ford-Konzern haben wir auf der Basis der einheitlichen Herstellung der Teile eine immerhin erheb- liche Unterschiedlichkeit des Fertigproduktes. Diese Verschieden- heit erzwingt sich aus dem Geldbeutel der Käufer und aus deren unterschiedlichem Bedürfnis. Deswegen wird es auch in Amerika niemals das „Einheitsauto“ geben. Im Gegenteil: Recht deutlich lässt sich bemerken, dass gerade in den Vereinigten Staaten die Abwanderung von einer Wagentype zur anderen, von der billigen zur besseren Ausstattung, vom schwachen zum starken Motor sehr lebhaft vor sich geht. (Wir erleben etwas Gleiches in Deutschland bei den Radioapparaten.) In Deutschland ist die Uneinheitlichkeit der Automobilproduktion nicht eine einfache Vergröberung oder eine unfertige Form der amerikanischen Einheitlichkeit. Der Zustand unserer Automobil- produktion ist „antiamerikanisch“. Der Nachwuchs unserer Auto- mobilfabriken kommt aus der Motorschlosserei und demKarosserie- handwerk. Es handelt sich, wie man am Beispiel der Automobilindustrie sieht, bei den Vergleichen der deutschen und der amerikanischen Industrie um einen Irrtum über die Quelle der Entwicklung. Ausser- dem bestehen aber auch, wie oben schon angedeutet, über die Ent- wicklung selbst falsche Auffassungen. Das ist wohl dadurch mög- lich geworden, dass in Deutschland seit Jahr und Tag über die Normisierung der amerikanischen Produktion oberflächlich-opti- mistische Darstellungen verbreitet werden. Sie führen beinahe sämtlich in dem begründenden Material auf eine Tabelle zurück, die den Erfolg der Normisierungsarbeit zahlenmässig darstellt, den eine Abteilung des Bureau of Standards für sich in Anspruch nimmt, die Vereinfachungen in der Praxis herbeiführen soll. Wenn man, wie wir es gezwungen waren, nunmehr seit einem Jahr alle wich- tigeren Äusserungen über Amerika, die in Buchform, in Zeitungen und Zeitschriften erscheinen, in die Hände nehmen Muss, So er- schrickt man über die allgemeine Wiederholung einer durch einige Zahlen ein einziges Mal scheinbar erwiesenen Be- hauptung. Tatsächlich führen 95 Prozent aller „Feststellungen“ über die Grosszügigkeit und die Resultate der amerikanischen Produktionsnormisierung auf jene eine Tabelle zurück. Nach den tabellarischen Angaben dieser zwar amtlichen, aber mit den amerikanischen Unternehmern zusammenarbeitenden Ab- teilung des Bureau of Standards soll z. B. der Erfolg herbeigeführt worden sein, dass die Zahl der Bett-Typen (mit Sprungfedern und Matratzen) von 78 auf 4, die Zahl der Hospitalbetten-Typen sogar von 40 auf 1 vermindert wurde. Daraus wird dann von denjenigen, die diese Zahlen benutzen, ohne weiteres geschlossen, dass diese 58 dem sie die aufgezählten Merkmale des Siedlerkapitalismus ge- mein haben, wenn im Verlauf der Geschichte ihre Bevölkerung nach Rasse und Herkunft, nach Tradition und kulturellen Voraus- setzungen ebenso homogen geblieben wäre wie diejenige Austra- liens. Allein hier tritt die Besonderheit der rassenmässigen Zu- sammensetzung der Bewohner in Erscheinung. Elf Millionen Neger, die vor wenig mehr als einem halben Jahrhundert noch Plantagensklaven waren, und eine noch grössere Zahl von Neu- kömmlingen aus agrarischen Ländern, ohne berufliche Quali- fikation und mit geringen Lebensansprüchen, sind eine soziale Menschenkategorie, die von vornherein mit ungleichen, nach- teiligen Voraussetzungen in den Wettbewerb eintritt, eine Prole- tarierschaft nach den Wünschen und Bedürfnissen des industriellen Kapitalismus. So entstand dem Lande eine soziale Unterschicht, bei der klassenmässige und rassenmässige Benachteiligung weit- gehend zusammenfallen, was den Herrschenden die Trennung der Gesamtarbeiterschaft bedeutend erleichterte, indem die klare Linie der einheitlichen Interessen und des sozialen Kampfes der Gesamt- arbeiterschaft verwischt wurde. (Ähnliche Gründe mögen wohl zeitweise den sozialen Kampf in England gemildert haben, dessen Kolonialproletariat sich in verschiedenen Formen ebenfalls als unterstes Ausbeutungsobiekt darstellt, über welchem das heimische Proletariat als eine Oberschicht gelagert ist.) Und daneben blieb — der australischen Arbeiterschaft ähnlich — eine arbeitende Oberschicht erhalten, deren Löhne zu den untersten einen starken Abstand haben, die wenigstens einigermassen Teil- haber ist an dem allgemeinen Wohlstande des Landes, und die verständlicherweise dieses Gefühl auch keineswegs verleugnet. Staatsbürgerstolz und Freiheitsbewusstsein sind bei ihr sehr hoch entwickelt. Wer das Verwaltungshaus des amerikanischen Gewerkschaftsbundes betritt, den begrüsst eine Inschrift, welche lautet: „The soil of the United States is sanctified by liberty; the seamen and the last of the bondmen are free“ („Der Boden der Vereinigten Staaten ist geheiligt durch die Freiheit, der Seemann und der letzte der Landarbeiter sind freie Männer‘‘), und dies ist auch ungefähr die Schlüsselnote gewerkschaftlicher Kongress- reden und ähnlicher Auslassungen. Sicher ist es viel weniger die materielle Besserstellung durch verhältnismässig hohe Entlohnung, die dieser gehobenen Arbeiterschaft ein solches Ge- fühl staatsbürgerlicher Vollwertigkeit gibt, als vielmehr der Um- stand, dass ihr (formell restlos, praktisch vielfach) die Wege offen- liegen zu höheren Ebenen des sozialen Daseins. Dies haben wir ausgiebig dargelegt. Der Freiheitskult und die Aufstiegsaussichten haben lange Zeit in der oberen Arbeiterschicht auch eine Ideologie begünstigt, die 194. Leitung, die nach anderen als rein geschäftlichen Prinzipien die Bank führen wollte. Die amerikanischen Arbeiterbanken haben nicht nur die Aufgabe, die Vermögen der Gewerkschaften selbst zu verwalten, sondern sie haben besonders zu ihrer Aufgabe gemacht, die Spargelder der Mit- glieder zu erfassen. Der amerikanische Arbeiter ist infolge seines verhältnismässig hohen Lohnes nicht nur in der Lage, zu sparen, sondern auch infolge des Fehlens jeglicher sozialen Versicherungen dazu gezwungen. Tatsächlich ist es gelungen, die Spargelder der Mitglieder in weitestem Masse den Privatbanken und Sparkassen zu entziehen und den Kassen der Arbeiterbanken zuzuführen. Ausserdem hat man in vielen Fällen verstanden, andere wirtschaft- liche Kreise für die Arbeiterbanken zu interessieren, die ihren Geld- verkehr über die Arbeiterbanken leiten und somit ihrerseits zu deren Stärkung beitragen. Da die Arbeiterbanken Vertrauen geniessen und verstanden haben, sich Ansehen in der Geschäftswelt durch ordnungsgemässe Geschäftsführung zu erwerben, werden sie vom Publikum genau so wie jede andere Bank benutzt und haben fast dieselben Möglichkeiten wie die Privatunternehmungen. Das ent- scheidende für das Publikum ist in allererster Linie die Leistungs- fähigkeit, und sowohl technisch wie geschäftlich sind die amerika- nischen Arbeiterbanken allen Privatbanken im grossen und ganzen absolut ebenbürtig, wenn nicht in einzelnen Fällen sogar überlegen. In der Anlage der Gelder unterscheiden sich die amerikanischen Arbeiterbanken nur unwesentlich von den Privatunternehmungen. Sie geben Darlehen an Privatpersonen, die die nötigen Sicherheiten beibringen können, unter Bevorzugung von Mitgliedern ihrer ge- werkschaftlichen Organisation. Sie geben Kredite an Privat- unternehmungen, jedoch fast immer nur an solche Unternehmungen, die gewerkschaftsfreundlich eingestellt sind und im Vertragsver- hältnis mit den Gewerkschaften stehen. Da in Amerika eine starke Genossenschaftsbewegung fehlt und der Begriff der Gemeinwirt- schaft fast unbekannt ist, bestehen nicht die Anlagemöglichkeiten für Gelder, die.in den europäischen Ländern, besonders in Deutsch- land und Österreich, für die Arbeiterbanken bestehen. Der Unter- schied zwischen einer Privatbank und einer Arbeiterbank in der Geschäftstätigkeit ist deswegen sehr gering, und trotzdem ist die Tatsache, dass die amerikanische Arbeiterschaft die Organisierung ihrer Finanzkräfte durch die Arbeiterbanken selbst vornimmt und somit einen Machtfaktor im Wirtschaftsleben schafft, von un- geheurer Bedeutung. Das wesentliche ist, dass die Vertreter der Arbeiterschaft die Verfügungsgewalt über ihre eigenen Mittel be- kommen. Ob und wie sie diese Verfügungsgewalt einmal anwenden, ist abhängig von der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung Amerikas. 24.9 p) Wie ist der Materialumsatz? 1. Wievielmal im Jahr wird die Menge umgesetzt? 2. Wieviel Zeit liegt zwischen Rohstoffeingang und Versand der ‚ Erzeugnisse? . a) Stellen Sie den Mengen- und Wertanteil der Hauptbeträge (mindestens 60 bis 90 Prozent) des gesamten gekauften Materials dar, unterscheiden Sie hierbei Rohstoff und Halbfabrikat. 12. Wie werden die Lagerbestände, Materialzugänge und -abgänge ge- prüft? a) Wieviel Lagerbücher sind vorhanden? b) Welches ist ihr Zweck? c) Wo werden sie gehalten? d) Wie werden die Lagermengen festgesetzt? e) Wie wird der Bestand gewährleistet? f) Wie gross ist der Unterschied zwischen tatsächlichem und Soll- bestand? g) Wie findet der Ausgleich statt? h) Für welche Zeitdauer werden die Vorräte angeschafft? i) Wie ist das Verhältnis von Lagerbestand zu täglichem Bedarf dem Werte nach? ji) Wie wird der ungenutzte Bestand nachgeprüft (Vorräte, Fertig- waren, Halbfabrikat)? k) Wie wird über den ungenutzten Bestand verfügt? 1) Wie gross ist der Verlust, der während dreier Jahre durch den ungenutzten Bestand entstand? m) Wie gross ist der Verlust an verwendetem Material 1. nach Mass oder Gewicht? 2. Wie gross ist der nicht wägbare Verlust? 13. Wie sind die Verhältnisse der Materiallagerung bezüglich des Roh- materials, der Zwischenerzeugnisse, der Fertigerzeugnisse und der fertigen Bestandteile? a) Wie ist die Lage der Lagerräume zu den Arbeitsräumen? b) Sind die Lager zweckmässig und in Ordnung? c) Wird das Material aufbewahrt auf Haufen, an Stangen, in festen oder beweglichen Behältern? . d) Ist das Material in den Lagerräumen geordnet und in Listen ver- zeichnet, so dass es rasch gefunden wird? 14. Welche Einrichtungen zur Beförderung sind im Betrieb für die ver- Schiedenen Materialien vorhanden? a) Schmalspurwagen, b) Aufzüge, c) Handkarren, d) Schubkarren, e) Hängebahn, 1) Träger (Arbeiter)? g) Welche Einrichtungen sind für den Materialtransport noch vor- gesehen? h) Wieweit wird die Schwerkraft für die Beförderung verwendet? i) On irciben Sie die Fisenbahnverbindungen und Anschlussgleis- anlagen. 85 Die Aufsicht im Betriebe spielt in dem Sinne der Aufmunterung zu quantitativer Maximalleistung in den Vereinigten Staaten bei weitem nicht die Rolle, die in Deutschland gern angenommen wird. Die Art der Aufsicht ist durch die Produktionstechnik und die Betriebsorganisation bestimmt. Über diese beiden Fragen wird weiter unten noch im Zusammenhang einiges gesagt werden. Es ist notwendig, hier einige Bemerkungen über die geschicht- liche Entwicklung der Arbeitsaufsicht im industriellen Betrieb vor- aufzusetzen. In der Zeit handwerklicher Produktion entwickelt sich die Arbeitsaufsicht aus der Funktion des Meister-Stellvertreters, des Altgesellen. Aus ihnen entsteht der Werkmeister. Dessen Aufsicht war zuerst Produktionsqualitätsaufsicht und danach Produktions- fempoaufsicht. Häufig war sie zugleich Dispositionsstellvertretung. Der übliche industrielle Betrieb hat heute am Arbeitsplatz Auf- sichtsorgane mit wesentlich anders gearteten Funktionen. Die Disposition ist ihnen schon lange genommen, sie wird in technischen und kaufmännischen Abteilungen erledigt. Die Produktionsaualität wird heute unter ganz anderen Voraussetzungen beobachtet als ehe- dem, sie wird häufig mehr durch die Maschinen und den technischen Arbeitsprozess (Kontrollstellen) als durch die dabei beschäftigten Vorarbeiter und Werkmeister sichergestellt. Im besonderen in der Teilfabrikation ist die Erreichung einer bestimmten Qualität bei der Arbeit nicht mehr in erster Linie das Resultat der individuellen Tüchtigkeit des Meisters, sondern der Erfolg der Einhaltung der in Schemata zusammengefassten Arbeitsvorschriften. Übriggeblieben ist in vielen deutschen Betrieben allein die Tempoaufsicht. Nur so ist es ja zu erklären, dass mancher Fabrik- betrieb einer Kaserne zum Verwechseln ähnlich ist: Überall wird von oben nach unten geschnauzt und gepredigt. Beides ist in modernen amerikanischen Betrieben kaum möglich. Es fehlt ja die Voraussetzung, das Reibungsmoment: die Tempokontrolle! Wenn das Tempo der Produktion, wie in den modernen amerika- nischen Betrieben, durch die maschinelle Anlage ebenso bestimmt wird wie deren Qualität, dann besteht die Funktion der Aufsicht nur noch in einer Überwachung des reibungslosen Lautes der Betriebs- organisation. Wie schon vermerkt, wird das Problem der amerika- nischen Betriebsorganisation und der technischen Apparatur der modernen amerikanischen Betriebe weiter unten im Zusammen- hang noch erörtert. Deswegen sei hier ohne weitere Begründung die Schlussfolgerung aus den erwähnten Tatsachen gezogen. Sie geht dahin, dass die im Gegensatz zu den deutschen Betrieben anders gearteten und unter anderen Gesichtspunkten organisierten amerikanischen Betriebe, zum mindesten in ihren modernen und grossen Typen, nur wenig Möglichkeiten ergeben, durch ver- 49 5 AAHR% 4. Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeiter. Hier sei auch das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeit- nehmer kurz‘ erwähnt, von dem in den Berichten deutscher Reisenden gern lobend gesprochen wird. Dass dieses Verhältnis im allgemeinen besser, freier, weniger autokratisch als bei uns ist, steht ausser Zweifel und wurde auch hier schon gesagt. Es wird vom Arbeiter alles ferngehalten, was seine Abwehrkräfte wach- rufen, seinen Oppositionsgeist anspornen könnte. Wenn der Arbeiter einen der kaufmännischen oder technischen Bureauräume betritt, so wird weder der Ton des Verkehrs noch die Aus- stattung der Lokalität das Gefühl der Befangenheit oder des Ab- standes bei ihm hervorrufen. In allen Fabriken, die wir besuchten, fiel uns immer wieder die Einfachheit der Bureau- und Verwal- tungsräume auf. In einer hervorragenden Maschinenfabrik in Wisconsin ging diese so weit, dass die roten Backsteinwände der Bureaus ungetüncht waren und ihr einziger Schmuck aus einigen aufgehängten Tabellen und den einfachsten Kleiderhaken bestand. Auf unsere Frage nach dem Grund dieser ausgesuchten Schlicht- heit wurde uns gesagt, den Angestellten soll damit beständig ihre Verbundenheit mit der Gesamtheit des Betriebes und den robusteren Arbeiten in der Werkstatt zum Bewusstsein gebracht werden; und wiederum dürfe auch der Arbeiter nicht die Vorstellung haben, als ob über ihm da drin sich ein Unteroffizierkorps abgesondert habe. Die Auffassung von der Angestellten- und manuellen Arbeiter- schaft als einer arbeitsteiligen Produktivgesamtheit statt einer Rangstufenleiter mit Offizieren, Feldwebeln, Korporälen und Musketieren kommt auch in der Art und Höhe der Lohnzahlung zum Ausdruck. Der „Leistungslohn‘, den unsere Wirtschaftsretter so sehr preisen, aber nur auf die „ausführende‘“, besonders die manuelle Arbeit angewendet wissen wollen, erstreckt sich in Amerika auf fast alle Kategorien der Angestelltenschaft und Be- triebsleitung. Es gibt wenig oder keine Ranglöhne. Keine Kluft liegt zwischen Qualitätsarbeiterlöhnen, Werkmeisterlöhnen, Techniker- löhnen:; .der einzige Unterschied ist, dass die letzteren eine grössere, wieder von der Leistung abhängige, aber nach unseren Begriffen gewaltige Bewegungsmöglichkeit nach oben haben. “Anything between 3,000 and 50,000 Dollars“, sagte man uns bei Ford auf die Frage, was Meistern und leitenden Personen des Betriebes gezahlt werde: irgendwas zwischen 3000 und 50 000 Dollar im Jahr. Nicht einmal die bureaukratische Abgrenzung zwischen „Lohn- und Ge- haltsempfängern“ gibt es. Wer wirtschaftlich so gestellt ist, dass er seinen Lohn üblicherweise nicht jede Woche abzuheben braucht, der bezieht Monatsgehalt, also auch die „Angestellten“ und „Beamten“ nur, sofern sie wesentlich mehr als den Lohn des ge- lernten Arbeiters beziehen. 135 sicht haben, die gewerkschaftliche Organisation in ihrem Betriebe entweder zu verhindern oder zu zerstören, wenden sich an Detek- tivbureaus, von denen einige sich ganz auf dieses Geschäft speziali- siert haben. Diese senden ihre Galgenvögel in die Werkstätten, wo sie wie andere Arbeiter beschäftigt werden und deren Ver- trauen dadurch gewinnen, dass sie sich als „gute Kollegen“ be- nehmen und sich in Gesprächen und Versammlungen ziemlich radikal und aufreizend auslassen, so dass sich oft erst nach Monaten und Jahren ihre wirkliche Rolle herausstellt. Dem Unter- nehmer berichten sie (oder das Bureau, das sie entsendet) über Qualitäten und Gesinnung eines jeden einzelnen Arbeiters, über Abreden, Organisationsversuche, abgehaltene Versammlungen, Namen der Teilnehmer oder Sprecher (als die sie selbst oftmals, zum Schein oder zur Provokation, auftreten) und anderes mehr. In strategisch möglichst ungünstigen Zeiten provozieren sie ge- legentlich einen Streik, und das bedeutet dann oft die Zerstörung jeden Ansatzes zu einer gewerkschaftlichen Organisation. Das Beobachten und heimliche Überwachen der Arbeiter ist in den unorganisierten Betrieben Amerikas überhaupt beschämend weit verbreitet. In einer sonst sehr fortgeschrittenen Maschinenfabrik zu Cincinnati zeigte und schenkte uns der Inhaber vorgedruckte Formulare, auf denen die Werkmeister allwöchentlich über jeden der ihnen unterstellten Arbeiter, dessen Charakter, Gesinnung, Ausserungen, Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten in allen Einzelheiten zu berichten haben. Der Unternehmer war auf diese organisatorische Einrichtung sehr stolz und erklärte uns ihre Handhabung sehr eingehend, wie er überhaupt von grösster Höf- lichkeit war und keine Mühe scheute, uns den ganzen Betrieb zu zeigen, obwohl wir ausdrücklich als Gewerkschaftsvertreter bei ihm eingeführt waren. Manche Unternehmer lassen sich diese verwerfliche Kampfart sehr viel Geld kosten — eine merkwürdige negative Art „sozialer Belastung‘. Welche Bedeutung man dem Spionagesystem in Ame- rika beimisst, und für wie schädlich es in moralischer und anderer Beziehung gehalten wird, geht daraus hervor, dass Professor Dr. R.Cabot von der Havard-Universität es einem eingehenden wissen- schaftlichen Studium unterzogen hat, dessen Ergebnisse er in einer Broschüre veröffentlichte. Vieles von den Praktiken der Spionage- politik erinnert an die uns aus Büchern bekannten Gepflogenheiten zur Zeit der Negersklaverei, wo mit ähnlichen Mitteln Aufstände und Widerspenstigkeiten der Neger unterdrückt wurden. Es muss zur Ehre von Henry Ford gesagt werden, dass er, obwohl jede Ver- handlung mit den Gewerkschaften. ablehnend, für deren Be- kämpfung oder Unterdrückung kein Geld ausgibt. 139 Für die unteren Einkommen (bis herunter zu 1100 Dollar) rechnet die amerikanische Statistik auf die einzelnen Haushaltsangaben: Nahrung re 40 Prozent Der ‘ 54,77 Prozent Kleidung 27.0 Ci Wöhnuhg index O0 051 £ Heizung und Beleuchtung rechnet 5,55 Verschiedenes .......... dafür: gs Das „fair minimum‘ oder „health and decency budget“, das heisst die Mindestsumme für eine auskömmliche, gesundheits- mässige und „anständige‘“ Existenz, liegt für die Durchschnitts- familie in den Städten des Ostens nach statistischen Angaben der staatlichen Bureaus sowohl als auch der öfters genannten Unter- nehmervereinigung zwischen 1600 und 1700 Dollar. Ein solches Einkommen wird allerdings, wenn man den Durchschnitt ganzer Industrien betrachtet, nur von einzelnen Gruppen verdient. Die kursiv bzw. fettgedruckten Ziffern der nebenstehenden Aufstellung sollen zeigen, in welchen Industrien der Durchschnittslohn unter- halb der Armutsgrenze ist, und in welchen er den „Gesundheits- und Anständigkeitsstandard“ erreicht. Darnach liegt also im Durchschnitt der gesamten Baumwoll- industrie — im Norden sowohl wie im Süden — das Arbeiter- einkommen unterhalb der Armutsgrenze, dasselbe gilt für die Strumpf- und Wirkwarenfabrikation. Ausserdem muss auch hier wieder daran erinnert werden, dass die Meldungen, auf denen die Statistik beruht, freiwillige sind. Bei voller Erfassung der Verhält- nisse würden wahrscheinlich auch noch andere Industrien mit dem Durchschnittslohn unter die Armutsgrenze fallen. Dazu kommt eine sehr grosse Gruppe von wahrscheinlich etwa einer halben Million Eisenbahnarbeitern, die ein Jahreseinkommen von 1000 Dollar nicht erreicht. Den „Gesundheits- und Anständigkeits- standard“ erreichen im Gesamtdurchschnitt nur vier Industrien: die Automobilindustrie, die Fabrikation schwerer Eisenwaren, das Buch- druckgewerbe und die Zeitungsdruckereien. Die Gewerkschaften sowie statistische Bureaus einzelner Städte stellen sogar „kulturelle Lohnminima‘ auf, die für die einzelnen Grossstädte des Ostens zwischen 2000 und 2500 Dollar liegen. Solche werden in keiner einzigen Industrie als Durchschnitt ver- dient, vielmehr sind dies etwa die Einkommen der gelernten und organisierten Arbeiter des nordöstlichen Industriegebiets, die von 2000 Dollar ansteigen und in einzelnen Fällen bei 3000 Dollar und selbst um einiges darüber liegen. Zum Schlusse sei hier noch eine indexmässige Vergleichung der Reallöhne in je einer Grossstadt der drei grossen germanischen 182 die Gefahr des Missbrauchs und des schliesslichen Herabdrückens der Sätze grösser als unter unserer mehr sesshaften Arbeiter- schaft, die an der Stabilität der Arbeitsbedingungen stärker inter- essiert ist und eher einen Gemeinschaftsgeist entwickelt. Wo drüben die Akkordvereinbarungen den Stundenlohn als Mindest- satz garantieren, werden sie schon nicht mehr als reine Stück- arbeit (piece work), sondern als eine ArtPrämiensystem angesehen. So nennt man auch die von den deutschen Gewerkschaften ge- billigte Akkordarbeit. Es gibt auch in Amerika Organisationen, die der Akkordarbeit zustimmen, und sogar solche, für deren Mit- glieder sie eine wesentliche Rolle spielt. So arbeitet z. B. ein grosser Teil der gut organisierten Former und Giesser in Akkord. Sie verdienen dann statt des schon erwähnten durchschnittlichen Tagelohnes von 7,29 Dollar nachfolgende tägliche Akkorddurch- schnitte: in Cincinnati 9,57 Dollar, in Philadelphia 9,72 Dollar, in Chicago 11,10 Dollar und in Rochester (N. Y.) 12,78 Dollar. Der Berechnung für Cincinnati liegen 147 Betriebe mit insgesamt 4807 in Akkord arbeitenden Formern zugrunde. Die im Vergleich zum Stundenlohn ziemlich hohen Akkordver- dienste zeigen, dass die Gewerkschaft bei deren Gestaltung wirk- sam mitarbeitet, wogegen nach unserer Kenntnis die Akkordver- dienste in unorganisierten Betrieben oft genug sehr unbefriedigend sind. In Akkord arbeiten ferner die Bergleute, sowohl organisierte wie unorganisierte; desgleichen die fast gar nicht organisierten Arbeiter der Frzbergzwerke, ferner die Arbeiter der Walzwerke, deren Akkordlöhne durch eine Komitee festgesetzt und überwacht werden, die Metallpolierer, die Innenmonteure der Flektroindustrie (iedoch mit Garantierung eines Tagelohns von 8 Dollar) und ausserdem die Arbeiter in Schuhfabriken, um die bekanntesten der in nennenswertem Umfang akkordarbeitenden Berufe aufzuzählen. 9. Arbeitszeit, Mehr und deutlicher als an der Lohnhöhe — bei deren Ge- staltung immerhin verschiedenartige Umstände mitwirken — zeigt sich die Stärke und der Einfluss der amerikanischen Ge- werkschaften an der Dauer der Arbeitszeit in den einzelnen Indu- strien und Berufen, ja, man kann die Arbeitszeitverhältnisse fast immer als den Massstab gewerkschaftlicher Wirksamkeit ansehen. In den bestorganisierten Berufen herrscht heute die 44-Stunden- Woche. So z.B. haben die Maurer in allen bis auf vier der von der Statistik erfassten Städte die 44-Stunden-Woche, desgleichen die Bauhilfsarbeiter und die Mörtelträger. Weiter haben die —_ 15. Einleitung DS Weltkrieg hat die alte Ordnung Europas gesprengt. Aus den zweiundzwanzig früheren Staaten sind deren dreissig geworden. Im Besitzstand der Rohstoffbasis hat die neue Ländereinteilung weitgreifende Veränderungen mit sich gebracht. Ehemals gut funk- tionierende, in staatlicher Einheit zusammengefasste Wirtschafts- gebiete der Rohstoffgewinnung und der Produktion wurden aus- einandergerissen. Die europäische Wirtschaft war zerrüttet, ihre Beziehungen zum Weltmarkt waren zerstört. ‚In den einzelnen Ländern hatten sich während des Krieges und nach dem Kriege neue Industriezweige entwickelt, die staatlicher- seits gepflegt und geschützt wurden. Durch diese umfassenden Neuerungen mussten auf wirtschaftlichem Gebiete auch neue Orientierungen erfolgen, um die Umstellung des. Produktions- apparates, den Wiederaufbau der Wirtschaft und deren Einflechtung in die Weltwirtschaft zu vollziehen. Deutschland mit seiner vorwiegend industriellen Wirtschaft and mit seinem auf der verhältnismässig kleinen Fläche von 472.028 Quadratkilometer wohnenden Volk von 62 Millionen Menschen hatte unter dem neuen Werden schwer zu leiden. Seine Währungs- katastrophe und die Ruhrbesetzung brachten es wirtschaftlich zu fast völligem Stillstand. Erst nach der Währungsstabilisierung und nach Annahme der Dawes-Gesetze durch den Reichstag konnte Deutschland den Wiederaufbau seiner Wirtschaft auf einigermassen gesichertem und übersichtlichem Grunde beginnen. Wenn es für den Neuaufbau der Wirtschaft irgendwo in der Welt ein Objekt des Studiums gab, so waren dies die Vereinigten Staaten Nordamerikas. Infolgedessen reiste eine ganze Reihe deutscher Wirtschaftsvertreter — Männer der Wirtschaftswissenschaft wie der Wirtschaftspraxis — hinüber, das Neue zu studieren. Viele von ihnen veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Studienreise in Vor- trägen, Zeitungen und Büchern. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Vereinigten Staaten wurden zum Gegenstand täg- licher Erörtefungen, und diese Erörterungen sollten den Wieder- aufbau der deutschen Wirtschaft befruchten. Aber die Dar- stellungen und Schlussfolgzerungen waren nicht einheitlich. * einzelnen, durch Maschinen zu verrichtenden Teilarbeiten ist. die Voraussetzung des Arbeitsbandes. Von ganz anderer Art ist das Montageband, das Zusammensetz- band. Auf ihm werden auch bei Ford nur jertige Produkte: der Automobilrahmen, die Achsen, der Motor, das Chassis, die Räder, die Kotbleche, die Laternen usw. usw. zu einem Automobil zu- sammengesetzt. Diese Entwicklung der Betriebstechnik kann naturgemäss immer wieder, statt zur Optimalleistung zu führen, zum Zwang der physischen Maximalintensität des Arbeiters ausarten. Die beiden Prinzipien, das des quantitativen Maximums und dasdes qualitativen Optimums, laufen ja nur in der Theorie säuberlich neben- einander her, in der Praxis berühren und verknüpfen sie sich häufig. Es ist wohl ohnedies zweifelsfrei, dass bei der privat- kapitalistischen Organisation des Optimums praktisch immer eine erhebliche Kompression der Arbeit zur Tatsache wird. Es wird dabei auf den Standpunkt ankommen, von dem aus die Arbeit an den Maschinen der so organisierten Betriebe betrachtet wird. Der Unternehmer wird gern auch dort von einer zwar intensiven, aber physisch nicht anstrengenden, reinen Beobachtungstätigkeit des Arbeiters an der Maschine sprechen, wo der Arbeiter selbst der berechtigten Auffassung ist, dass die fliessende Produktion auf dem Umweg über angespannteste geistige Tätigkeit auch physisch aus ihm das Letzte herausholt. Deswegen ist die Bestimmung über das Tempo des fliessenden Bandes auch in den Vereinigten Staaten eine Angelegenheit, die man den Unternehmern nicht allein überlassen hat. Die Mit- bestimmung über das Tempo des fliessenden Bandes ist ebenso eine Aufgabe der Gewerkschaft wie ihre Mitbestimmung in der Betriebs- hygiene, bei der Arbeitszeit und bei den sonstigen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. In der Praxis hat das Streben nach optimaler Produktion in sich selbst auch ein gewisses Korrektiv gegen den etwaigen Umschlag in die Tendenz zu quantitativer Maximalintensivierung. Jede ent- scheidende technische und organisatorische Verbesserung der Pro- duktion birgt einen gewissen Verschwendungsfaktor in sich. In die neuen Produktionsmöglichkeiten muss der Bedarf hineinwachsen. Zum anderen zieht jede technische und organisatorische Hoch- entwicklung solche grossen Arbeitermassen an sich oder benötigt so qualifizierte und spezialisierte Kräfte, dass mit deren Willen eben- falls gerechnet werden muss. Letzten Endes ist für den klügeren Unternehmer das Tempo, ganz gleich ob nach dem quantitativen Maximum oder nach dem produktiven Optimum hin, ein Rechen- exempel, in dem die Meinung des Arbeiters eine Rolle spielt. Setzt 54 unter 1000 Mitglieder .................... 14 Nerban 1000 bis 2000 Mitglieder .......” 2 2000 : 3.000 et hlinthek © 3.000 5 000 ” a 5000 „ 10000 Sen 10000 ,,„ 20000 a 2 Da 20000 ‚„ 50000 ® N 50000 ‚, 100000 . Y ; 100000 ‚, 200.000 En über 300 000 Mitglieder ................... er Auch die Beziehungen der Verbände untereinander sind sehr viel lockerer, als das bei uns üblich ist. Das gewerkschaftliche Leben spielt sich mehr innerhalb des einzelnen Verbandes ab. Die Be- rührungspunkte im Rahmen der Gesamtbewegung sind seltener und beschränken sich fast ganz auf Ausschüsse der oberen Funktionäre. Dem einzelnen Gewerkschaftsmitglied ist sein Verband, ja mehr noch seine Lokalunion, oft der Inbegriff der ganzen Gewerkschafts- bewegung. Dass die dezentralistische Tendenz der Gesamt- bewegung sich auch noch innerhalb der einzelnen Zentralverbände fortsetzt, dass die Selbständigkeit der Lokalvereine grösser ist und die Mitglieder desselben Zentralverbandes in einem Ort sich häufig auf eine ganze Anzahl Lokalunionen aufteilen, von denen jede eine eigene Verwaltung, häufig ein eigenes Bureau und eigene An- gestellte hat, wurde bereits ausgeführt. Die Voranstellung der engeren Berufsinteressen zeigt sich auch bei den Bemühungen, auf den Arbeitsmarkt Einfluss zu erlangen. Die Sicherheit der Arbeitsgelegenheit ist für jeden Arbeiter ein hochgeschätzter Vorteil, und diesen Vorteil zu vertreten, ist eine naheliegende Aufgabe der Gewerkschaften. Auch bei uns und in anderen Ländern ist zu beobachten, dass jede Gewerkschaft dabei vornehmlich an die eigenen Mitglieder denkt und wenig davon erbaut ist, wenn auf ihrem Arbeitsmarkt andere Verkäufer der Ware Arbeitskraft auftreten. Das dem Berufsegoismus entzgegenstehende Gefühl einer allgemeinen Arbeitersolidarität wirkt aber doch bei uns stark bremsend auf diese Tendenz ein. In Amerika sahen wir diese Tendenz jedenfalls weit stärker entwickelt, wie denn dort überhaupt die Sicherung des Arbeitsplatzes durch die Gewerkschaft eine grössere Rolle spielt. Es gibt wohl nur wenige Tarifverträge, in denen nicht das Recht der vertragschliessenden Gewerkschaft verbrieft ist, alle Arbeitsplätze in den Vertragsbetrieben aus- schliesslich mit ihren Mitgliedern besetzen zu dürfen. Dies Recht gilt geradezu als das Primat des gewerkschaftlichen Einflusses. Der „Union-Shop“, d.h. der von den Gewerkschaften erfasste Betrieb, ist deshalb auch immer ein „Closed-Shop“, d. h. für Nicht- organisierte verschlossen. Umgekehrt ist aber auch der „Open- 997 Berufsgliederung der erwerbstätigen Personen der Vereinigten Staaten 1920*) Männliche Weibliche Insgesamt Land- und Forstwirtschaft Eigentümer u. leitende Pers. 5 338 047 163 695 5501 742 Arbeiter ......0..0004000- 4528953 920379 5449332 9867 000 1 084 074 10 951 074 Bergbau, Mineralgewinnung Eigentümer u. leitende Pers. 28271 339 28 610 Halbgelernte Arbeiter ..... 507 796 1245 509 041 Ungelernte Arbeiter....... 551 290 1913 553 203_ 1.087 357 3.497 1 090 844 Verarbeitende Industrien Eigentümer u. leitende Pers, 652 898 7724 660 622 Gelernte Arbeiter ......... 4613814 75312 4 689 126 Halbgelernte Arbeiter ..... 2491 895 1 755.337 4 247 232 Ungelernte Arbeiter....... 3.123.030 "92691 3215721_ 10 881 637 1931 064 12812 701 Transport Eigentümer u. leitende Pers. 202 495 3857 206 352 Bureauberufe usW......... 256 684 198 621 455 305 Gelernte Arbeiter ......... 225311 214 225525 Halbgelernte Arbeiter ..... 644 562 3.857 648 419 Ungelernte Arbeiter....... 1522 991 7713 1 530 704 2 852 043 214 262 3.066 305 Handel Eigentümer u. leitende Pers. 1511 986 103837 ı 1615823 Bureauberufe uSsW......... 1515 560 547 324 2.062 884 Halbgelernte Arbeiter ..... 343 146 12 059 355 205 ÜUngelernte Arbeiter....... 203743 _ _ 6699 _210442_ 3 574 435 669 919 4 244 354 Oeffentliche Dienste Oeffentliche Beamte....... 195 415 20 656 216 071 Andere Beamte ............ 441 742 538 442 280 Arbeifen si. ale es 111559 ___1210 112769 748 716 22 404 771 120 Freie Berufe Akademische Berufe usw... 1 123 659 1005 128 2.128 787 Angelernte Personen ...... 12 498 11.179 23 677_ 1 136 157 1.016 307 2 152 464 Häusliche 1. persönliche Dienste Eigentümer u. leitende Pers. 218 907 146 342 365 249 Halbgelernte Arbeiter ..... 260 256 340 737 600 993 Bedienstele 1. 736 988 1697 135 2434 123 1 216 151 2184 214 3 400 365 Verschiedene Bureauberufe ... 1696297 1423658 3.119.955 Gesamtzahl 33059793 ° 8549 399 41 609 192 *) U.S. Bureau of Labor Statistics, Monthly Labor Review, Mai 1922. 108 der Ware entspricht der Umstand, den wir sowoh At ANSSpracheN mit Gewerkschaftsführern als auch mit Profes re der für die ' Agrarfrage besonders zuständigen Universität kadis on in Wis”. 8,1 nn Hours in American Industry“, Herausgegeben „National Industrial **) In der Rubrik „Gelernte“ ist auch ein grosser Teil der „Angelernten“ mit enthalten ! 170 die Art der Arbeit (Ermüdungseinwirkung), die physische und Psychische Veranlagung des Arbeiters (Eignung), aber auch Vor- AuSsetzungen allgemeiner Natur: Ernährungszustand, Arbeitsdauer, Betriebshygiene und anderes mehr. Auf die materiellen Elemente der Arbeit bezogen, ist das „Tempo der Produktion“ im besonderen von der Qualität des Rohmaterials, von dem Zustande der Appara- turen und Werkzeuge, von der Organisation des Betriebes und ver- Schiedenem sonstigen abhängig. Dazu kommt, dass die Art der Produktion, als allgemeine materielle Voraussetzung des „Tempos“, wie Grad der Einheitlichkeit der Erzeugnisse, Produktionsmenge und manches andere mehr, ebenfalls das „Tempo“ mitbestimmt. Aber auch bei Anerkennung der Mitbestimmung des „Tempos der Produktion“ durch die erwähnten Elemente und bei deren Abstrich wird die Intensität der Arbeit, zumal in Deutschland, zumeist nur in der Quantität, gewissermassen in der Fläche, aber nicht in ihrer Tiefe, in ihrer Qualität, gesehen. a) Untersuchung über die Quantitätsleistung. Die Ertragshöhe der Arbeit (Resultat in Stück, Quadratmeter, Gewicht usw. bei gegebener Arbeitszeit) wird dem Arbeiter als Resultat des Tempos (seiner „Fixigkeit“, der „Schnelligkeit“ seiner Maschine) hingestellt. Die übliche Schlussfolgerung für eine mögliche Steigerung der Leistung in der Warenproduktion ist bei dieser, sagen wir Quantitätsmeinung sehr einfacher Natur: Der Arbeiter möge bei der Arbeit weniger bummeln, oder: Die Arbeitszeit sollte länger ausgedehnt werden; oder: Es muss das mögliche Maximum erreicht werden. Viele Quantitätstheoretiker schlagen alles dies zugleich vor. Die Vervielfachung des Leistungseffektes wird von diesen „Quantitisten‘“ dann als einfache Häufung („viele“ Maurer auf Sinem Bau, „viele“ Erdarbeiter bei einer Ausschachtung) gesehen. Ebenso glaubt man, dass die Steigerung des Effektes durch Tascheren Lauf der Maschine ohne weiteres erreichbar sei. Es Muss in jener Gedankenreihe konsequent erscheinen — so unlogisch es auch ist — den Einbau des „fliessenden Bandes“ (den Konveyor) als Ideallösung aller Quantitätsprobleme zu betrachten. Die „laufende“ Fabrikation gibt sich bei der Beobachtung durch den Quantitätsanbeter nicht nur als automatisch reguliertes Tempo der Produktion, Sondern auch als Ausschaltung des Arbeiterwillens, des Dsychischen Elements der Arbeit. Wissenschaftlich glorifiziert nennt sich das Quantitätsprinzip in Deutschland gern »Taylorismus“. 31 J. KAPITEL: DIE WIRTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN Gesenkstücke, Zubehörteile und Schrauben, ji aueh die Gr d- konstruktionen und die Einzelteile der Kaross Med r in Spezialfabriken entstehen, die die gemeinsA eZzuUgsqu i Automobilfabriken darstellen. (Im Fordbetri Sind RC Fabrik herstellungen, wie erwähnt, in einer Hand veFeinigt.) Aus ijen ständig zunehmenden Typisierung der AutoMmöBilteile undwseiger gewissen Normisierung entsteht die EinheitlichKeit der Ware, Typen und Preise amerikanischer Autos. Typen Dollar Typen Dollar AlaX 1.0... 11 865:bis 2595 Junior... 4 41785 bis 2285 AUDUI. zn 10 1395, 2000 Riesel .. 5.2. 108 1685 5485 Buick ....... 16 1125 ,, 1995 Lexington. ... 6 1595.,,:2895 Cadillac .... 13 2995 „ 4485 Locomobile.. 7 7460 ‚10300 Case ........ 12 1570.,,..2975 (| MecFarlanı. .. 2414| 2650.,,: 9000 Chandler .... 11 1495 ,, 3095 Marmon .... ‚4 3295 ., 3900 Chevrolet... 5 525 „775 MOON. a.00. 7 1195,31 1695 Chrysler .... 12. 895,, 2095 Nash ....... 11 1135 2290 Cleveland. .. 8 895 ,, 1625 Oakland ..... 6 .975,, 1295 Cunningham 4 6150 „„ 8100 Oldsmobile .. 5 875 „ 1125 Davis ...... 11111395 ,, 2095 Overland.... 5] 495... 1095 Diana” ...... 61895 21950 Packard .... 182585 „5100 Dodge Broth. 120 855 , 1145 Paize ...... 42165 , 2840 Duesenberg.. 5 6650 , 8300 _Peerless .... 15 1995 „ 3795 du Pont .... 4 2600 „ 4300 Pierce Arrow 28 2895 „8000 Durant.-.... 6.810 ,, 1160080 SE 1395 1745 Eicar. ...... 131095 ,, 2865 Rickenbacker 18| 1495 ,,. 2395 ESSCX 00 1705, SONO 1155. 1455 Finte 0 ES Str 525... 775 Ford. ,..... 5 200, 660 Stearns- Lincoln(Ford) 1* 4000 „ 6600 Knight .... 92 1875 „3305 Franklin... 2635 „. 44007 Studebaker .. (7) 1125 ,, 2325 Gardner .... 11 1395 „, 2495 [(Stutz ....... ID 2395... 4035 Gay. 5 505, SS Velie EN 105, 1825 Mudson .... 4 1250, 1650 _Westcott.... 3 2045 „2828 Hupmobile .. 5 1795 „ 2095 Wfills Jewett. 1245 „„ 1680 St. Claire.. 26 2385 „ 4285 Jordan”... 2275 ,. 29250 Willys Knizht. 11. 1195 ,, 2295 Das Beispiel des Automobils zeigt, dass die amerikanische Nor- misierung in Deutschland fälschlich als Einheitsware aus Universal- produktion verstanden wird. Selbstverständlich wirken sich die Fabrikate der grössten Automobilfabriken im amerikanischen Ver- kehr wegen ihrer Mengen am stärksten aus. Aber Ford stellt ja nicht nur eine Wagentype her, sondern deren sieben, dazu sind dann noch die vierzehn Serienwagen seiner Lincolnproduktion 57 gelernten Mechanikers irgendeiner amerikanischen Grossstadt sehen lassen kann. Aber gerade das Organisieren der südöstlichen, vielsprachigen Einwandererschaft, der männlichen wie der weiblichen, ist eben die grosse Schwierigkeit. Ein Gewerkschaftsleiter, der dies bei den Bediensteten des Restaurant- und Hotelgewerbes durchgeführt hat, erzählte uns, dass in einer von ihm abgehaltenen Versammlung kein Zehntel der Anwesenden englisch sprechen konnte, während im übrigen, wie er scherzhaft sagte, ebenso viele Sprachen wie Per- sonen vertreten waren. Bei den Arbeiterinnen der Bekleidungs- industrie war der Fall einfacher. Sie sind zumeist Ostiuden und beherrschen, wo nicht das Englische, so doch das Deutsche gemeinsam. Frauen, die weniger als 9 Dollar pro Woche verdienen, gibt es ferner z.B. im Staat Massachusetts!) in der Zuckerindustrie 62Pro- zent, in der schon erwähnten Konservenindustrie 89 Prozent, in der Papierindustrie 39 Prozent. Nur ein ganz geringer Prozentsatz der Genannten verdient über 13 Dollar. Und immer findet man wieder den starken Anteil der Neueinwanderer an dieser Arbeit unter schlechten Bedingungen. Die Menschen bewegen sich zu oft in einem verhängnisvollen Zirkel. Sie kommen ins Land, ohne einen gewerblichen Beruf erlernt zu haben, folglich müssen sie mit den ungelernten Beschäf- tigungen vorliebnehmen, in denen keine Organisation den Arbeiter vor ärgster Ausbeutung schützt. Diese Organisationen für ihre Beschäftigung selbst zu bilden, hindert sie das babylonische Sprachgewirr ihrer Arbeitskollegen. Die bestehenden Organisa- tionen sind Berufsverbände und sind, wenn auch nicht alle, zumeist auf die Mitglieder industrieeuropäischer Herkunft zugeschnitten. Die Versammlungssprache ist Englisch oder Deutsch. So müssen diese Neueinwanderer in unorganisierten Betrieben arbeiten. Der geringe Lohn des Mannes zwingt die Frau in ähnliche Beschäfti- gung und hindert oft die Kinder, weil sie ebenfalls früh verdienen müssen, einen Beruf zu erlernen oder sich die zahlreichen Bildungs- einrichtungen des Landes zunutze zu machen. So wird auch die folgende Generation wieder in diesen Kreis hineingezogen. In gleicher Richtung wirkt die erwähnte Ab- sonderung dieser nichtgermanischen Nationalitäten in besondere Stadtteile. Es gibt auch deutsche Stadtviertel, in denen eine Mehr- heit von Deutschen oder auch so gut wie nur Deutsche wohnen, nie aber auch nur annähernd alle Deutschen der betreffenden Stadt. Aber die Lincoln-Avenue von Chicago unterscheidet sich vom übrigen Chicago eben nur dadurch, dass alles Deutsch versteht, auf "800 Erhebungen der Massachusetts Minimum Wage Commission. 120 immerhin fragwürdig. Sehr deutlich und klar wir die Pfcbismatik von berufenen Amerikanern selbst angedeute SS „N „Die Funktion der Frauen gestaltet sich immer N ODER wechselt in der heutigen Gesellschaft mit jede = agg.h | Dieh Hau von heute ist einigermassen überrascht, zu find no dass die häuslich Arbeiten aus Grossmutters Tagen ihr zum grössten Teile abgen n sind. Nähen ist nur noch ein Zeitvertreib, denn di Kleider der Famfilie können fertig und nach Bestellung besser und billigör„ beschafft werden, als man sie selber herstellen könnte. Die Arbeit des 4 und des Reinigens wird infolge der Raumeinteilung und durch arbeitsparende Vorrichtungen auf ein Minimum beschränkt. Heizung und Beleuchtung erfolgen von der Hausverwaltung oder von städtischen Anlagen aus. Selbst das Kochen wird zu einer leichteren Aufgabe, denn die meisten Artikel kommen fast oder völlig fertig für den Tisch in Packungen oder verlöteten Büchsen. In immer grösserem Ausmasse kann die Hausfrau zu billigem Preise gut zubereitete Mahlzeiten aus nahe gelegenen Restaurants und Delikatessgeschäften erlangen. Ihre Kinder sind den grössten Teil des Tages über in der Schule, wo die Arbeit der Bildung und Erziehung besonders geschulten Kräften anvertraut ist, und nach der Schule sind sie auf dem Spielplatz oder in den Lichtspielen. Die Frau der ärmeren Klassen muss immer noch manche dieser Aufgaben selber erfüllen und, soweit Zeit verbleibt, ausgehen, um Geld zu ver- dienen, um das magere Einkommen etwas zu ergänzen. Aber der wohl- habendere Ehemann ist mehr als willig, seiner Frau jegliche Arbeit zu ersparen, nicht nur aus Zuneigung, sondern um seine finanzielle Leistungs- fähigkeit zu demonstrieren. So verfügt die Frau über eine immer länger werdende Freizeit und hat, weil ihr in dieser Beziehung Gewohnheiten und Traditionen für die Lebensführung fehlen, keine klare Vorstellung darüber, was sie damit anfangen soll. In den Frauenklubs und freien Zusammenkünften findet man daher müssigen Klatsch und Bestrebungen in der Richtung auf gesellschaftliche und geistige Hebung bunt durch- einander. Jedes Jahr tritt eine grössere Zahl von Frauen in die Berufe ein, die ehemals dem Mann vorbehalten waren, und neue Laufbahnen öffnen sich ihnen: Nicht nur im Lehr- und Schauspielerberufe und unter- geordneten Geschäftsfunktionen, wo sie schon lange tätig waren, sondern auch in der Jurisprudenz, der Medizin und leitenden Stellungen im Ge- schäftsleben nimmt ihre Zahl rasch zu. Sie sind vertreten unter unseren erfolgreichsten Romanschriftstellern, Dichtern, Malern und Musikern. Wir haben noch kaum angefangen, die Probleme zu begreifen, die diese Ent- wicklungstendenz entstehen liess: Es sind nicht nur Probleme der Zukunft von Heim und Familie, sondern Probleme, die auch Wirtschaft und Technik berühren. Überall fordern die Frauen gleichen Lohn für gleiche Leistung und wollen zu gleichen Wettbewerbsbedingungen wie der Mann auftreten, obgleich manche für Massnahmen sind, die einen Schutz gegen zu scharfen Wettbewerb gewähren.“ Diese gehobene Stellung der amerikanischen Frau kommt dann wieder in den Gesetzen des Landes zum Ausdruck. In keinem der 1) Tugwell, Munro, Stryker: „American Economic Life“ New York, 1925. 1927 gepresst. Es gibt hier wie dort kaum noch das Aufatmen zwischen den gleichartigen, sich ständig wiederholenden Teilbearbeitungen der Einzelstücke. In der Herrenkleider- und Damenmäntel- konfektion herrscht weitgehende Teilarbeit. So ist in der deutschen und in der amerikanischen Bekleidungs- industrie das Tempo, was die physische und die geistige An- Spannung betrifft, schärfer als z.B.am Zusammensetzband (Montage- Konveyor) in den Fordschen Automobilfabriken! Nochmals sei betont, dass das Tempo in der deutschen Kon- fektion nicht geringer ist als in den gleichen Betrieben der Ver- einigten Staaten, die Intensität der Arbeit hat auch bei uns in Deutschland in der Bekleidungsindustrie etwa die maximale Höhe erreicht, die nicht mehr gesteigert werden kann. Seine letzte Ursache hat diese physisch grösste Intensität in der Bekleidungsindustrie, und da im besonderen in der Konfektion, nicht nur darin, dass es sich hier um ruckweise beschäftigte Betriebe, um Saisonarbeit, handelt, die dem Bekleidungsarbeiter und der -arbeiterin in der toten Zeit einige — allerdings unbezahlte — Ge- legenheit lässt, körperlich und geistig für die nächste Saisonhetze wieder zurechtzufinden. Die entscheidende Ursache dieses quanti- tativen Maximaltempos ist wohl, dass die Schneiderei bisher über die Nähmaschine technisch nicht wesentlich hinausgekommen ist. Das Tempo der Nähmaschine hat sich durch die Verwendung des Elektromotors zwar beschleunigen lassen, aber an der Tatsache, dass immer nur ein Stück Stoff genäht werden kann, und dass die Führung des Materials durch den Menschen erfolgen muss, daran ist die technische Entwicklung in der Schneiderei noch nicht vorbei- gekommen. Die qualifizierte Steigerung des Produktionseffektes — auf die weiter unten noch genauer eingegangen wird — hat sich deswegen in der Konfektionsschneiderei bisher im wesentlichen als unmöglich erwiesen. Daher finden wir in der Konfektion alle Elemente der quantitativen Leistungssteigerung besonders aus- geprägt: Arbeitsteilung (Zerlegung der Herstellung eines Herren- Jackets in 64 Einzelarbeiten), Arbeitshäufung (Multiplizierung des Zuschneidens durch Schichtung der Stoffbahnen). Technisierung der Nebenarbeiten (Knopflochmaschine, Bügelpressen, Zuschneide- maschine). Diese Entwicklung der Nebenarbeitsmethoden hat das Prinzip und die Methode der Konfektionsschneiderei in ihrem inneren Wesen nicht anzugreifen vermocht, so dass aus anderen Quellen als der physischen Anspannung des Beschäftigten hier eine Produktionssteigerung bisher nicht möglich wurde. Deswegen ist das Arbeitstempo in der amerikanischen als auch in der deutschen Konfektionsschneiderei, unter dem Gesichtspunkt der physischen Intensität betrachtet, ganz ausserordentlich hoch. Ein allerdings wesentlicher Unterschied zwischen Deutschland und Amerika be- 39 4. Besteht ein zentrales Betriebsbureau? a) Wird das Erzeugnis einzeln hergestellt, in Serien oder als Massen- erzeugnis? b) Werden die Mengen bei vollständiger oder teilweiser Massen- erzeugung auf Lager nach einem Maximal- oder Minimal-Lager- bestand oder nach einem periodischen Schlüssel bestimmt? c) Auf welche Zeitspanne erstreckt sich der Produktionsplan? d) Sind Leistungsmasse bekannt, die zur Planarbeit verwendet wurden? e) Sind die Leistungsmasse geschätzt, oder beruhen sie auf Be- obachtungen? [) Zeigen die Leistungsmasse 1. die benötigte Zeit für die Vorbereitung, 2. die stündliche Produktion, 3. Bestandteile, aus denen sie sich zusammensetzen? g) Sind Karten oder Blätter vorhanden, aus denen die verschiedenen Arbeiten, ihre Reihenfolge und die erforderlichen Hilfsmittel er- sichtlich sind? h) Zeigen diese Karten verschiedene Ausführungsmöglichkeiten? i) Gibt es geschriebene Einheitsvorschriften für jede Teilarbeit? j) Sind Anleitungen in Form von Zeichnungen oder Schriftsätzen vorhanden oder in beiden Formen? k) Wird über das in der Hand des Arbeiters befindliche Material und den Lagerbestand Buch geführt? 5. Wird die Arbeit dem Arbeiter oder dem Arbeitsplatz zugewiesen? a) Wenn dem Arbeiter, wie wird die Ausnützung der Maschine oder des Arbeitsplatzes überwacht? b) Wenn dem Arbeitsplatz, wie wird die nutzbare Tätigkeit des Arbeiters überwacht? c) Werden die folgenden Aufzeichnungen durchgeführt: 1. Für den Arbeiter oder für den Werkplatz verfügbare Arbeit, für die schon Materialien, Werkzeuge und Hilfsmittel vor- bereitet sind, 2. Fortschrittsberichte der Arbeiter über ihre Arbeit? d) Wer weist die Werkzeuge zu? e) Werden die Werkzeuge den Werkplätzen nach Normen zugewiesen? f) Wird über nicht gebrauchte oder verfügbare Werkzeuge Buch geführt? 5. Sind Zeitkarten für jeden Arbeiter, jede Arbeit und jeden Tag vor- handen? a) Werden sie im voraus gemacht, und von wem? b) Besucht ein Schreibmeister die Werkplätze, um Zeiten auf- zuschreiben? c) Zeigen Kontrollstreifen oder Zeitkarten die gebrauchte Zeit an? d) Wird die Zeit bestimmt durch die Stoppuhr? e) Zeigen die Karten oder Streifen die Zahl der fertiggestellten Stücke an? g) Wie wird das Material für den Werkplatz ausgegeben? h) Wird die Beförderung des Materials zum Werkplatz vom Betriebs- bureau überwacht? Q92 Bei den Fahrstühlen ist es nicht nur die grössere Länge (Höhe) des Weges im Gegensatz zu unseren Verhältnissen, die das schnellere Tempo ermöglicht, es fährt auch der Fahrstuhl, der in jeder Etage hält, im allgemeinen etwas rascher, als das bei uns üblich ist. Der Unterschied ist im besonderen bei den Lastenfahr- stühlen ganz augenfällig. Bei uns gilt es — mit Ausnahme des Bergbaues — als eine Art Grundsatz, dass der Lastenfahrstuhl im Gegensatz zum Personenfahrstuhl sich langsamer zu bewegen habe. Demgegenüber sahen wir in Amerika, dass die Lastenfahr- stühle sich im Tempo von den Personenfahrstühlen kaum unter- schieden. Bei der Lastenbeförderung im Wolkenkratzerbau ist es so- gar eher so, dass das Tempo schneller ist als beim Personenfahr- stuhl. Die in primitiver Holzkonstruktion gleitende Fahrstuhlplatte, die das Material beim Bau der dreissig- und vierzigstöckigen Häuser nach oben schafft, hat ein Tempo, das dasjenige der Expressfahrstühle in den grossen Bürohäusern und Hotels er- reicht, mitunter sogar übertrifft. Nach dem gleichen Prinzip arbeiten alle Hebevorrichtungen. Wir sahen und beobachteten das Tempo der Ladebäume (nach diesem einfachen Konstruktionsgedanken sind in Amerika viele Krane ge- baut) auf den Bauten und die Hebe- und Transportvorrichtungen in der Industrie. Überall, wo das Drahtseil als Bewegungsmittel in Benutzung ist, wird eine beachtliche Geschwindigkeit eingehalten. Zum Teil ist naturgemäss die Möglichkeit der schnelleren Be- wegung aus dem längeren Transportweg (Höhe) zu erklären. Selbstverständlich gibt es in den Vereinigten Staaten auch Maschinen, an denen dem Beschäftigten keine Zeit zur Arbeits- bereitschaft und kaum Gelegenheit zum Aufatmen gegeben ist. Aber haben wir die gleichen Methoden bei uns nicht ebenfalls? Die Maschine neigt in der privatkapitalistischen Wirtschaft immer zum Sklavenhalter. An den Bändern, auf denen die frisch gegossenen Schokoladen- tafeln in Metallformen entlangwandern, an den Zigarettenmaschinen, am Kohlensortierband, an den Stanzen in Blechemballagefabriken ist in Deutschland der Arbeiter ebenfalls zur höchsten quantitativen Intensivierung der Arbeit gezwungen, zu einer Anspannung, die sich dem quantitativen Maximum nähert. Selbstverständlich haben wir besonders beobachtet, ob das fliessende Band (Konveyor) die physische Leistungsfähigkeit des Arbeiters bis zum Maximum zwingt. Hier sind die Tatbestände recht unterschiedlich. Der Zwang zur Ausgabe einer bestimmten physischen Leistung ist nicht nur je nach der Branche und je nach der Fabrik, in denen das Band angewandt wird, stark unter- schiedlich. Auch am gleichen Bande ist die physische Intensität, die 46 1 g CC) € nn —————————————— ES EN a erlin SOT6 es Deu en Holzarbeiter- , GmbH,, Berlin So 16 Druckausführung: Verlagsanstalt des Deutschen Holzarbeiter - Verbandes, Qt erlin SC Druckausführung: rlagsaı Prozentsatz der gelernten, ungelernten und weiblichen Arbeiter in 23 haupt- sächlichen Industriezweigen, September 1924*). Gelernte**) | Ungelernte ı) Weibliche Eisen- und Stahlgewinnung ... 74 26 — Holzbearbeitung .....-..- 54 46 — Düngerfabrikation. ......-.- Ze 88 - Landwirtschaftliche Maschinen . 71 25 4 Automobilindustrie . ......- 77 18 5 Giessereien und Maschinenbau 72 22 6 Möbelfabrikation ....- 68 26 5 Farben- und Lackfabrikation .. 59 35 6 Lederindustrie. . ...2 1.0 + 474 48 45 7 Chemische Industrie ......- 46 45 9 Papier- und Kartonnagen .... 58 32 10 Fleischfabrikation. ......-- 56 32 12 Zeitungsdruck .... 78 6 16 Elektrische Apparate ......-. 73 11 16 Gummifabrikation. . .....-.- 73 8 19 Buch- und Akzidenzdruck . ... 55 20 25 Baumwollindustrie (Süden) ... 47 18 35 Schuhfabrikation ....-..-- 59 2 39 Baumwollindustrie (Norden) . . . 2 39 Papierwarenindustrie . .....- 40 Wollwarenindustrie. ......- 44 Seidenindustrie . 2: . 0. 4 4 36 15 49 Strumpfwaren und Trikotagen. . = 3 ea In sämtlichen Industrien. . . ” 18 *) Diese Ermittelung des „National Industrial Conference Board“ erstreckt sich wie die übrigen Tabellen derselben Quelle auf 1800 Betriebe mit etwa 3/4 Millionen Arbeitern. **) In der Rubrik „Gelernte‘, ist auch der grösste Teil der „Angelernten‘‘ mit enthalten! 159 Dollar Stundenlöhne VANZUE r A 25 DIs 5 — 50-5is 90 ÜBEN a 28 50 „90 LE Paar SCHUHE % 2 16 l Oberhemd 2... Er 0 en 78 LI Unterwäschegarnitur ............ 2 „7 8 „16 RS O8 1,50 „dl VD88r SOCKEN kt 025, „50 A! EAasbinde N 050 150 LS VA „8 = „0 Rasieten nr 0.25 Dollar = Stundenlohn Haarschneiden .............. 09,50 De = ji Wohnungsmiete pro Monat Dollar Stundenlöhne (3 Zimmer, Bad und Küche).......... 30 bis 45 = 60 bis 90 Möbliertes Zimmer im Monat........ 12 „= 24 50 Möbliertes Zimmer mit Verpflegung (ohne Mittagessen) pro Woche ...... 10 DZ E24 Mittagessen im gewöhnl. Restaurant. . 0,40 ,, 0,50.= "1 Eine Tonne Kohlen... 6 „16 = 227 36 Wichtig für die Beurteilung des realen Arbeitereinkommens ist ferner, die Steuerlast zu kennen, die der Arbeiter in dem betreffen- den Lande zu tragen hat. Erst indem man die steuerliche Bürde des Arbeiters gegen den oft betonten „Segen sozialer Finrich- tungen“ und die „soziale Belastung der Arbeitgeber“ aufwiegt, er- langt man ein zutreffendes Bild der Verhältnisse. Wir zeigen nach- folgend die steuerliche Belastung der Lohnempfänger in Milwaukee und im Staate Wisconsin überhaupt: Besteuerung des Arbeitereinkommens in Milwaukee und im Staate Wisconsin. I. Staatliche Besteuerung. Steuerfreier Betrag: ÜUnverheiräiele! 7.4 re Be 800 Dollar Verheiratete ........... ale ke TO, Ferner für jede zu unterhaltende Person ............ 300%, Steuersatz: Für die ersten 1000 Dollar über den steuerfreien Betrag 1 Prozent Für das nächste Tausend „un EEE (Zusätzliche Einkommen der Frau oder der Kinder haben keinen besonderen steuerfreien Betrag.) 174 £ 4- Ungarn, Südslawen sind zahlreich in den Stahlwerken von Pitts- burg und Bethlehem; sie sind stark vertreten unter der grossen Zahl der mit am schlechtesten bezahlten grösseren Lohnempfänger- gruppe der Eisenbahn-Streckenarbeiter und gleichfalls stark unter den schlecht bezahlten unorganisierten Textilarbeitern. In einem „open shop“ (Betrieb mit unorganisierten Arbeitern) sahen wir die Unfallverhütungsvorschriften in vier oder fünf slawischen Sprachen sowie in Italienisch und Ungarisch ausgehängt. Dagegen waren sie nicht in Deutsch zu finden, obwohl es in Milwaukee war, wo etwa die Hälfte der Bevölkerung deutsch ist. Und eine Tagelöhner- gruppe im River-Rouge-Betrieb von Ford wies drei Hautfarben und vier mit ziemlicher Sicherheit bestimmbare Europäertypen auf, ein Bild, das überhaupt am „laufenden Band“ bei Ford keine Seltenheit ist. Den Stahlwerken von Pittsburg und Bethlehem wird sogar nachgesagt, dass sie sich diese Nationalitäten in bunter Zu- sammenstellung für ihre Betriebe planmässig aussuchen, um durch diese, meist der Landessprache unkundigen Arbeiter die Ent- stehung gewerkschaftlicher Organisationen in ihren Werken zu verhindern, was ihnen bisher leider geglückt ist; Tatsache ist, dass die Grossindustrie während des Krieges und nach dem Kriege die Neger aus den agrarischen Südstaaten in grossen Massen ins Indu- striegebiet holte und noch immer holt. Eine Gruppenphotographie von Arbeitern, die wir aus einem Stahlwerk besitzen, sieht wie eine Bildertafel zur Völkerkunde aus. Auch in ihrem Privatleben sind die südosteuropäischen Einwanderer oft fast wie die Neger von den „Vollbürgern“ in Ghettos abgetrennt, und die blutsmässige Vermischung mit dem angelsächsisch-deutschen Element ist ziem- lich selten. Das italienische Viertel in der Gegend der Canal-Street von New York überbietet an Armut, zerfetzter Kleidung, be- sonders der Kinder, und an schmutzigen Strassenbildern, die oft genug die Begleiterscheinungen hoffnungsloser Armut sind, bei weitem den von Negern bewohnten Stadtteil „Harlem“. Diese Ab- sonderung zeigt übrigens auch deutlich, in welchen Grenzen die Redensart von dem grossen „Rassenschmelztiegel“ der Vereinigten Staaten zutreffend ist. b) Proletariat unter den weissen Vollbürgern. Töricht wäre es, behaupten zu wollen, dass alle in Amerika ge- borenen oder die englische Sprache beherrschenden Abkömmlinge des industrietüchtigen Britentums und Deutschtums nun ohne weiteres oberhalb des „Kulturdüngers‘“ rangierten. Ganz ab- gesehen davon, dass die einwandernden deutschen Arbeiter sich fürs erste durch die Schwierigkeiten der englischen Sprache hin- durchzuwinden haben und ausserdem genug Briten und Deutschen 119 V. Eine kleine Sonderbetrachtung Das Alkoholverbot oder die „Prohibition‘“. S° unvollständig eine soziale Abhandlung dieses Umfanges sein muss, und so begreiflich dies wahrscheinlich allen Lesern ist, So würde der Verfasser doch ihre Nachsicht missbrauchen, wollte er der Mühe aus dem Wege gehen, einige Worte über das berühmte oder berüchtigte Alkoholverbot, dessen Bedeutung und Wirkung zu sagen. Dabei muss man sich allerdings — strikter noch als im übrigen Text dieses Buches — mit blossem Berichten eigener Wahr- nehmungen und erhaltener Informationen begnügen. Denn nach kurzem Aufenthalt im Land ein Urteil abgeben zu wollen, wäre um so anmasslicher, als selbst unter wohlinformierten und politisch aktiven Amerikanern die Meinungen sehr geteilt sind. Zwischen leidenschaftlicher Befürwortung und hitziger Bekämpfung des Ge- setzes finden sich alle Stärkegrade der Bedenken, der Kritik und der Einschränkung. Was wir also hier geben können, sind die ganz oder bedingungsweise befürwortenden sowie die ablehnenden Stimmen, welche wir vernahmen, und unsere eigenen Eindrücke von der Handhabung, Einhaltung oder Verletzung des Gesetzes. Vorläufer des allgemeinen bundesstaatlichen Alkoholverbotes waren einige wenige Verbote dieser Art, welche vor dem Krieg in einzelnen Staaten bestanden. Ihr Wurzelboden und Entstehungs- grund war in der Hauptsache die englisch-puritanische Religiosität, welche in Amerika ebenso wie in England rührig auf das öffentliche Leben einwirkt. Dem religiös sittlichen Motiv der Trunkbekämpfung gesellte sich im Kriege ein merkwürdiger Bundesgenosse in der Gestalt der Feindschaft gegen das in der Hauptsache deutsche Braukapital, und weiterhin begünstigte den Schnapskreuzzug die moralinsäuerliche Atmosphäre, die der aktive Eintritt in den Krieg erzeugte. Als dieser 1918 zu Ende ging, war bereits etwa die Hälfte von den 48 Bundesstaaten mit dem Alkoholverbot gesegnet. Da die kriegsgeborenen Tugenden der Sparsamkeit und frommen Sitte zunächst weiterwirkten und immer mehr Einzelstaaten zu Verbots- massnahmen schritten, so brachte der Sommer 1919 den Erfolg, dass das allgemeine Verbot zum Bundesgesetz erhoben und sogar der Verfassung als Nachtrag einverleibt wurde. Der Charakter des 185 Spiel von Angebot und Nachfrage den durch gzewerkschaftlichen Tarifvertrag festgesetzten Arbeitslohn korrigiert, und zwar nach oben. Zur Zeit unseres Aufenthalts in Detroit teilten uns Mit- glieder des Maurerverbandes mit, dass Sie einen Tarifvertrag hätten, der 1,50 Dollar Minimum pro Stunde festsetzt, der Tarif- satz sei jedoch praktisch ausser Geltung, denn der tatsächlich ge- zahlte Mindestlohn sei in allen Fällen ohne Ausnahme höher und gehe sehr häufig zurzeit bis zu 2,25 Dollar pro Stunde. Gleiches sagten uns die organisierten Modellschreiner, deren Vertrags- minimum tariflich auf 1,25 Dollar festgelegt war, und die einen freien Lohnsatz bis zu 2 Dollar erreichten. Das sind indessen seltene Ausnahmen, hergeschwemmt und wieder verschwindend mit einer raschen Koniunkturwelle. Aber auch die gelegentliche und stellenweise Überbietung des gewerkschaftlich errungenen Lohnes geht eben doch vom letzteren als dem Minimum aus. In Gegenden mit gewerkschaftlichen Organisationen von starker Wirksamkeit — und solche finden sich vor allem in den Gross- städten des Nordostens — erhalten die Arbeitsbedingungen der ge- suchten Facharbeiter in sehr grossem Umfang ihre Gestaltung gerade durch die gewerkschaftlichen Kollektivabmachungen, auch wenn diese nicht das Berufsganze, sondern nur einen beträcht- lichen Teil der betreffenden Berufsgruppen unmittelbar erfassen. Selbst in den Fordschen Werken gestaltet sich die Lohnhöhe nicht einfach „nach der Konkurrenzfähigkeit“. Henry Ford sagt in seinem Buch, dass er jede Verhandlungen mit Gewerkschaften ab- lehne und die Arbeitsbedingungen seines Betriebes unabhängig von diesen festsetze. Formell entspricht dies durchaus der Wahrheit. Ford gehört nicht zu denjenigen, die sich die Zerstörung oder Unterdrückung der Arbeiterorganisationen zum Ziele gesetzt haben, weigert sich aber, mit deren Vertretern für seinen Betrieb Tarif- verträge abzuschliessen. Er setzt die Löhne für seine Arbeiter- schaft aus eigener Macht fest — „merkwürdig nur, dass sie immer grade um 10 Cent über dem Tarifstundenlohn liegen“, bemerkte ein Gewerkschaftsbeamter der Metallarbeiter auf eine Frage von uns. Das trifft in dieser etwas sarkastischen Zuspitzung annähernd nur auf die Löhne der Gelernten zu, wenigstens der Maschinenschlosser und Werkzeugmacher, deren Arbeitsbedingungen bei Ford wir einigermassen kennenzulernen Gelegenheit hatten. Ihr Lohn ist um einen nicht allzu grossen Bruchteil höher als in anderen Betrieben: der Höchstlohn, der einem Werkzeugmacher dort gezahlt wird, ist 1,37% Dollar pro Stunde oder 11 Dollar pro Tag; allerdings auch in achtstündiger Tagesarbeit wie in einem gewerkschaftlich organi- sierten Betriebe. Dies ist jedoch nicht der Durchschnittslohn, sondern der Höchstlohn, der in anderen Werkstätten in Detroit 1,25 Dollar ist. Anders liegt es-bei den ungelernten Arbeitern der Ford- 4 1.492 brechen dürfen“, sagte uns in Chicago einer der klügsten Gewerk- schaftsführer. Aus solchen Gründen sind wohl auch die Gewerk- schaften, als das Gesetz selbst nicht mehr zu verhüten war, dafür eingetreten, dass man wenigstens den Begriff der leichten Ge- tränke, die nicht unter das Gesetz fallen, etwas weiter spanne. Eine solche Lockerung wird wahrscheinlich auch für die Zukunft der einzige gangbare Weg sein, um die Nachteile der jetzt bestehenden Vorschriften zu beseitigen. An einen Widerruf des Gesetzes selbst ist nach aller Voraussicht nicht zu denken. Die amerikanische Ver- fassung gibt zwar Raum für Zusätze und Nachträge zu ihrem Text, enthält jedoch keine Bestimmung darüber, ob und wie einer ihrer Artikel und Bestandteile wieder entfernt werden kann. Was wir hier kurz über das amerikanische Alkoholverbot be- richteten, klingt gewiss nicht wie ein Preisgesang. So klar man aber auch das Unheil, Elend und Verbrechen erkennen mag, welche der Trunkenheit wie ein Schatten folgen, und so gross unsere Be- reitwilligkeit ist, beizutragen zu dem Kampf gegen den Missbrauch des Trinkens, so haben wir doch weder Anlass noch Berechtigung zu der Bemühung, die amerikanische Form der Alkoholbekämpfung günstiger zu sehen als die Amerikaner selbst, oder deren Wirkungen anders darzustellen, als sie sich unseren eigenen Augen darboten. Die allgemeine Schulungsarbeit, die Sportbewegung und die fort- schreitende Verkürzung der Arbeitszeit, drei Faktoren voneminenter Wichtigkeit für die geistige und sittliche Kultur wie für die Ge- sundheit eines jeden Volkes, haben überall niederen Saufgelüsten das Tummelgelände mehr und mehr begrenzt — auch in Amerika. Die gehobene Kultur und Denkart nahm der Trinksitte ihre Rolle als Lebensinhalt ganzer Volksmassen. Das Verbot hat diese Sitte oder Unsitte mit einem neuen Reiz umwoben. So denken und sagten uns zahlreiche Amerikaner, und nicht die schlechtesten. Die Zahl derer, die das Prohibitionsgesetz in seiner derzeitigen Form billigen, ist bestimmt eine Minderheit — vielleicht sogar eine kümmerliche. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass die Zahl seiner Anhänger fortwährend geringer wird und ehemals eifrige Befürworter von ihm abrücken. Zu seinen Gegnern gehören nicht nur Flaschenbierhändler und Schnapsbrenner — diese vielleicht am wenigsten, denn die grössten und gerissensten verstanden sich auf recht einträgliche Weise der allerorts blühenden Schieberei an- zupassen. Vor allem aber lehnt es die grosse Zahl derer ab, die der Meinung sind, dass eine blosse Verbrauchsrationierung von un- bestimmter Höhe zu teuer bezahlt sei mit der Lockerung des Respektes vor Gesetz und Staatsgewalt, der Verderbung der Volks- gesundheit durch Eigenerzeugung von schlechtem Ersatz und dem Grossziehen von Schiebertum und Korruption. Zu den Gegnern des 191 pm ] 0 Kleinhandelspreise wichtiger Lebensmittel in verschiedenen Städten der Vereinigten Staaten am 15. Mai 1925 in Cents © SS SEES En ahs NEE ame 2353585 35 ib a EZ EN EEE IS SO SEES ER SEHE A An ZB 2 Rindfleisch: beste Qualität .. Pound 41,5 43,6 i 37,9 38,4 41,3 39,6 | 37,5 ! 44,7 ' 53,3 ı 45,9 137,7 36,0 | 32,7 38,4 | 34,1 ' 38,4 | 34,0 billigste Qualität‘. ” 15,3 13,8 | 16,7 ' 12,8 13,2 12,4|13,5| 19,4 10,8 | 11,7 | 13,4 12,0|15,6 13,5114,7! 14,8 | 16;2 Schweinekotelett . . ” 37,0 | 34,7 | 36,5 ' 38,3 38,3 33,3 |34,6 | 39,2 ' 39,7 | 38,5 | 31,6 | 33,3 | 42,2 35,0 | 34,1 | 34,5 | 33,9 Speck in Scheiben . ” 41,3 | 50,1 | 41,3 47,4 47,2 48,7 | 46,4 | 45,8 42,9! 48,7' 45,6 1 47,1 | 57,4 43,6 42,9' 45,9 ' 43,8 Schinkenrin ; ä 55,7 | 53,0 | 53,3 56,5 56,3 54,9 | 49,0 | 57,4 58,0 ! 57,8 50,8 | 50,5 | 61,01 56,3 ı 49,71 52,5. 50,7 Hammelkeule . ... “ 41,6 | 36,7 | 39,4 36,3 39,3 35,5|38,5|37,6 40,2 41,0 39,6 | 33,1 ' 38,2 | 37,1 ı 41,9 37,0 38,4 Huhn ai » 39,8 |37,8141,7 40,5 40,4 32,8 | 36,1 | 39,5 41,0 44,3 36,1 32,9 420 340 37,533,8 37,8 Lachs (konserv.) '. . x 27,7 132,91 29,5 31,0 32,0 34,6ı29,9' 29,5 28,5‘ 28,9 32,7134,2 28,3133,0 30,5 32,1 37,4 Milch. .;...... Quart :13,0|14,0 | 12,0: 14,0 14,0 13,0:10,0 | 15,0 12,0 ' 14,0 13,0111,0 14,0|16,0 18,0 19,0 12,3 Butter ........ Pound 58,1'49,4 50,8 53,2 52,3 50,3 48,0'52,4 75,5‘ 53,2 52,5 46,9 51,9'55,7 52,9 56,1 52,2 Oelmargarine ..., w 28,8 27,6 30,9 32,0: 30,1 26,9 27,8 31,1 30,6 131,4 27,9 27,5 28,8 134,0 30,4 37,6 31,8 Nussmargarine . % 27,7 25,7 29,8 31,1127,5 27,6 27,5 28,3 29,7'29,7 25,9 28,7 29,3'31,4 31,6 33,9 29,5 Kaiser ” 36,6 40,1 36,1 35,9 37,5 37,0 35,0 37,4 38,1 38,4 34,6 33,7 36,2 34,8 33,0 36,2 35,4 Eier .........Dutzend 37,4 40,5 35,6 40,4 40,1! 34,5 37,4 149,2 40,3 41,5 36,1 34,2 39,3 36,2 39,5 37,9 37,5 Brot ........ Pound 9,4 9,9 9,3 :8,0 8,71 9,6. 9,01 9,6; 9,4 9,21 9:5 10,2, 9,9 10,3 10,8 10,4 58,9 Mehl Sl ” 5,6 5:4 5,9|:5,9 5,953,9 5,2 61/57 35,8 5,71 5,8| 6:55 69 72371 7,4 Weisse Bohnen... 9,4 9,9 8,6| 9,7} 9,2|/10,1 9,5,11,3|10,1 9,6 JO) 9,8 | 10,4 12,6 10,8!12,2 9,8 Kartoffeln... 5. „ 1; Sl 23 24 2:6| 1,7128 1,8: 2,9136 2,91 281 1,4 41 32 24 3,7 3,2 Zucker, gemahlen . ” 6,7 69 7,2| 2,41 231.7,7,16,9 62/ 6,3 7,2} 7:2 1,11 7,2 1771 6,8 7,7] 68 Tee a nee 5 76,4 74,1‘ 75,0 | 79,1 | 73,5 | 82,1 Imı'2 63,9 | 70,3 : 79,1 70,0! 72,9 | 67,7 98,8 ı 72,5 | 91,8 | 83,2 Kaffee... 7 ” 49,6 51,5 46,0|52,8 52,0 ' 53,3 48,2 46,0 | 45,9 151,3 48,8 53,1|51,4 51,0 45,8 54,0 37,4 Pflaumen. ... ” 16,7 18,1 Ab 17,8 17,3 15,6|14,8 19,8 19,5 | 17,9 15,1 | 17,5 16,5 ı 19,6 | 18,8 Apfelsinen . .... Dutzend 56,3|60.0|54.8' 599/587. 54.2 54.1}68,5| 64,9 | 59,3 51,2 155.3 | 50.2 ! 51,5 | 48,5 ! 55,9 | 49,9 ; I). . Ü Die 10 haupfsächlichsten Jndustriestaaten nach dem Wert ihrer industriellen Produktion (1919) in Millionen Dollar 500 17000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 New York Pennsylvanien Illinois Ohio Massachusetts New Jersey Michigan Indiana Californien Wisconsin Zur gegenüberstehenden Karte: Die schraffierten Teile der Landkarte sind die Industriestaaten, Neun davon bilden den industriellen Nordosten, der, obwohl er nur ein Siebentel der Gesamtfläche des Landes einnimmt, von etwa 54 Millionen Menschen bewohnt ist, also fast die Hälfte aller Ein- wohner der Vereinigten Staaten zählt. Von diesen 54 Millionen Menschen leben wieder fast die Hälfte (26 Millionen) in den drei Staaten: New York, Pennsylvanien und Illinois. Von den im Auslande geborenen Landesbewohnern leben allein weit über 10 Millionen im östlichen Industriegebiet. Die 11 großen Städte dieses Gebiets, welche auf der Karte eingezeichnet sind, zählen zusammen ebenfalls gegen 17 Millionen Einwohner. Unterhalb der verstärktgezeichneten Grenzlinie liegen die SO- genannten „Südstaaten“ mit insgesamt 31 Millionen Einwohnern. 99 Label ist mehrere Jahrzehnte später auch gegen die Heimarbeit in der Konfektionsindustrie mit ausserordentlichem Erfolg wiederholt worden, wobei neben den Gewerkschaften auch bürgerliche soziale Vereinigungen eifrig mitwirkten. An dem Erfolg, den seinerzeit die Zigarrenmacher mit ihrem Vorgehen erzielten, erkannten auch andere Gewerkschaften, dass das Label-System unter Umständen eine brauchbare Waffe im Gewerkschaftskampf werden könnte, auch wenn der sanitäre Unter- grund fehlte. Nacheinander gingen noch verschiedene Gewerk- schaften dazu über, für die von ihren Mitgliedern zu gewerkschaft- lichen Bedingungen hergestellten Waren solche Abzeichen ein- zuführen und sie den Unternehmern zur Kennzeichnung ihrer Fabrikate zur Verfügung zu stellen. Den Zigarrenmachern folgten die Buchdrucker, Bekleidungsarbeiter, Böttcher, Bäcker, Schuh- macher, Former u.a. Schliesslich erschien es zweckmässig, das ganze Label-System zu zentralisieren, um sowohl seine Anwendung als auch die öffentliche Propaganda zu vereinheitlichen und zu ver- einfachen. Im Jahre 1909 wurde eine solche Zentralstelle als be- sondere Abteilung bei der Federation begründet, die sich seitdem eifrig bemüht, dem gewerkschaftlichen Schutzzeichen grössere Anerkennung zu verschaffen. Zurzeit sind 51 Zentralverbände dieser Abteilung angeschlossen und ebenso viele Labels registriert. Das Label-Departement hat kürzlich mit Zustimmung der an- geschlossenen Verbände beschlossen, eine grosse Propaganda- kampagne mit ausserordentlichen Mitteln im ganzen Lande durch- zuführen. Zu diesem Zweck ist ein grosser Film hergestellt worden, in dem der Segen ausreichender Arbeitsbedingungen und die Be- deutung, die darauf das Label-System bei allgemeiner Anwendung haben kann, anschaulich demonstriert wird. Nach unseren persönlichen Eindrücken während der Anwesenheit in den Vereinigten Staaten bleibt die Auswirkung des Label-Systems vorläufig noch erheblich hinter den damit verbundenen Erwartungen zurück. Es scheint, als ob breite Kreise, selbst der organisierten Arbeiter, den gewerkschaftlichen Schutzmarken nur geringe Be- achtung schenken. In den Verkaufsgeschäften ist sehr selten und dann noch meist nur sehr versteckt ein Hinweis zu sehen, dass Label-Waren verkauft werden. Offenbar versprechen sich die Händler von einer solchen Ankündigung keinen grossen Nutzen, was doch der Fall sein müsste, wenn grössere Käufermassen ihren Einkauf davon abhängig machen würden. Mit dieser Beobachtung stimmt auch die Mitteilung überein, die wir von Gewerkschaftern erhielten, dass vielfach auch solche Fabrikanten, die berechtigt sind, ihre Erzeugnisse mit dem Label zu versehen, davon keinen Gebrauch machen. Wenn somit im öffentlichen Geschäftsleben das Label allgemein auch noch nicht sehr ins Gesicht fällt, so sind 236 Im Jahre 1914 betrug der Prozentsatz der gesamten industriellen Lohnarbeiter, welche 54 und mehr Stunden pro Woche arbeiteten, 74,8 Prozent. Er ging bis zum Jahre 1919 auf 34,9 Prozent zurück und weiter bis 1921 auf 22,5 Prozent. Dennoch haben zurzeit wahr- scheinlich noch nicht viel mehr als die Hälfte der amerikanischen Arbeiter die achtundvierzigstündige oder eine noch kürzere Arbeits- woche. Es bleiben also wohl fast 30 Prozent der Arbeiterschaft, die zwischen 48 und 54 Stunden wöchentlich arbeiten. Immerhin hat die Bestrebung der Arbeitszeitverkürzung ziemlich anhaltende Erfolge aufzuweisen. Nach Ablauf der Hochkoniunktur der ersten Nachkriegsiahre haben zwar bedeutende Lohnreduktionen, dagegen kaum eine irgendwie beträchtliche Verlängerung der Arbeitszeit stattgefunden. 10. Das Arbeitstempo. Auch zu dem vielgerühmten „amerikanischen Arbeitstempo“ soll hier ein Wort gesagt werden. In einer deutschen Unternehmer- schrift über Amerika wird dies mit der vorsichtigen Anspielung auf den (längst nicht mehr bestehenden) Entlassungsschutz in Deutsch- land und das Widerstreben deutscher Arbeiter gegen Überstunden- missbrauch sowie durch die ausdrückliche Bestätigung, der amerikanische Arbeiter erfülle „seinen Arbeitsvertrag in ehrlicher Weise“, geradezu so dargestellt, als ob es sich bei amerikanischen und deutschen Arbeitern um zwei Typen handle, von denen der eine in klarer Erkenntnis, dass seinLohn oder Wohlstand allein „von der Produktion pro Mann“ abhängt, seine Pflicht tut, während der andere unter dem Schirm des Entlassungsschutzes recht ver- gnüglich auf den Zahltag wartet. Die deutschen Arbeiter mögen das in diese Andeutungen eingewickelte Kompliment ruhig hin- nehmen mit dem Troste, dass gerade in Amerika der deutsche Arbeiter stets mit zu den fleissigsten und geschicktesten Leuten seines Berufes, aber auch zu den eifrigsten Gewerkschaftern gehört, sich also dort wie hier gegen Überstundenunfug und willkürliche Entlassungen zur Wehr setzt. Dass wirklich notwendige Über- stunden von deutschen Gewerkschaftern ebenso wie von amerika- nischen akzeptiert werden, bedarf einer besonderen Betonung nicht. Um nun zu einer sachlichen Betrachtung der Frage des Arbeits- tempos überzugehen, wollen wir vorweg das eine feststellen, worüber die Wahrnehmungen unserer Delegierten übereinstimmen: Das Arbeitstempo ist in den einzelnen Industriezweigen grundver- schieden. Der Vorsitzende des Deutschen Holzarbeiter-Verbandes berichtet, dass er in seinem Gewerbe ein Arbeitstempo vorgefunden habe, das keineswegs höher war als in seinem deutschen Berufe. Von Neubauten, die wir uns ansahen, und aus Zeitungsdruckereien, 155 die eigenartige Machtvollkommenheit der amerikanischen Richter, im offenkundigen Gegensatz zum Gesetzgeber diese unnatürliche Deduktion anzuwenden. Die Gewerkschaften gerieten dadurch in eine überaus bedrängte Lage; denn die konsequente Anwendung des Gesetzes im Sinne einiger Gerichtsurteile wäre ihrer Vernichtung gleichgekommen. Nicht nur die Teilnahme an jeder gewerkschaftlichen Aktion, sondern schon die blosse Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft wäre danach mit Gefängnis bedroht worden. Es versteht sich, dass die Gewerkschaften gegen diese ungeheuerliche Rechtsauffassung den allerschärfsten Kampf führten. Eine Reihe von Gerichts- prozessen beschäftigte die Öffentlichkeit aufs lebhafteste. Der bekannteste darunter ist derjenige, der aus einem Streik der Metall- polierer bei der Firma Bucks Stove and Range Co. in St. Louis im Jahre 1906 hervorging. Der Streik ging zwar durch Arbeitswillige verloren, aber die Firma fühlte sich weiterhin bedroht, weil sie von den Gewerkschaften auf die Sperrliste gesetzt wurde. Es gelang ihr, dagegen einen richterlichen Einhaltsbefehl, der sich auf das Antitrustgesetz stützte, zu erwirken. In der bewussten Absicht, den Rechtskampf bis vor die oberste Gerichtsinstanz zu tragen, forderte nun Samuel Gompers, der Präsident des Gewerkschaftsbundes, öffentlich auf, diesenEinhalts- befehl als eine gesetzwidrige Eigenmächtigkeit des Richters zu missachten. Die erwartete Anklage blieb nicht aus. Gompers und mit ihm Morrison, der Generalsekretär der Federation, und Mitchell, der Vorsitzende des Bergarbeiter-Verbandes, mussten sich vor dem obersten Richter des Staates Columbien verantworten. Dieser Richter Wright war offenkundig ein fanatischer Gewerk- schaftsfeind, und die Kontroverse, die zwischen ihm und den Angeklagten geführt wurde, war auf beiden Seiten von einer temperamentvollen Leidenschaftlichkeit getragen. Das Urteil lautete für die drei Angeklagten auf 12, 9 und 6 Monate Gefängnis. In der schriftlichen Begründung erklärte Richter Wright aus- drücklich, dass es sich nicht nur um den Boykott der bestreikten Firmahandele; vielmehr gälte es, „einer allgemeinen Verschwörung Einhalt zu tun“, als welche ihm die Gewerkschaftsbewegung erschien. „Es handelt sich um die Herrschaft der Ordnung über den Pöbel oder um die Demütigung der Ordnung unter den Füssen der aufrührerischen Massen“, schrieb dies amerikanische Seiten- stück zu dem deutschen Staatsanwalt Tessendorf sozialistengesetz- lichen Angedenkens in die Begründung hinein. Und wie sehr er sich als Matador im Vernichtungskampf gegen die gewerkschaft- liche Gesamtbewegung fühlte, geht aus einer anderen Stelle hervor: „Es besteht ein Konflikt zwischen den Verordnungen eines von der Federal-Regierung eingesetzten Tribunals und den Tribunalen einer 9293 In Deutschland haben wir es auch bei den modernsten Unter- nehmern in ihrer wirtschaftlichen Einstellung mit Ideengängen zu tun, denen noch zünftlerischer Solidargeist anhaftet. Ist bei uns eine Industrie oder eine Branche übergründet, kommt irgendeine Produktionssparte gegenüber den Rohmateriallieferern oder zegen- über ihren Fabrikateabnehmern nicht mehr nach ihrem Willen zurecht, so ist der nächste Gedanke, durch die Schaffung von Konditionen, festen Bindungen und Konventionen doch noch ihren Willen durchzusetzen. Daraus erwächst dann beinahe „von ganz allein“ das Kartell mit Absatzregulierung und Preisterror. Diese in Deutschland üblichen Unternehmerverbindungen sind trotz aller entgegengesetzten Behauptungen letzten Endes Zünfte, die jeden Aussenseiter auf dem Markte ebenso jagen wie im Mittelalter die Herren Handwerker den Bönhasen (den nicht geprüften, den „wilden“ Meister). In den Vereinigten Staaten ist diese Entwicklung nicht möglich geworden, es fehlten die historischen Voraussetzungen. Hier schwemmte die Einwanderung während eines Jahrhunderts alljährlich neue wirtschaftliche Energien ans Land. Die Ein- wanderungswellen warfen ihre Spritzer weit über das riesenhafte Gebiet der Vereinigten Staaten. Jeder Neuling „fing neu an“, keiner kümmerte sich um den anderen, alle hatten die gleichen Rechte, soweit ihre Ellenbogen reichten. Hier gab es keine Möglichkeiten allgemeiner Kartellierungen und Preisbindungen. Der Unternehmer musste über den anderen Unternehmer hinweg, wenn er nicht wollte, dass der andere über ihn hinwegsprang! Es gab kein Aus- ruhen auf dem Thron des Erfolges, keine Innung, die den Preis für Stiefelbesohlen, keine Konvention, die die Zahlungsbedingungen, und kein Kartell, das die Grundsätze festlegte, nach denen dem Aussenseiter der Hals umzudrehen sei. Aus dieser Entwicklung und Eigenart ist auch zu erklären, dass in Amerika das Land der Trusts entstand. Eher war Alleinmacht möglich als Kartellvereinbarung! Aber auch die Trustherrschaft untersteht im Gegensatz zu Deutschland in Amerika einer eigen- artigen und merkwürdigen Korrektur. Es ist nicht die Antitrust- gesetzgebung, deren Wert für die Praxis bei uns häufig noch allzu hoch eingeschätzt wird, es ist die geistige Einstellung des Amerikaners, es ist eine wahre Dollarphilosophie, die die Trusts kontrolliert. Es ist die Idee vom „Dienst am Kunden“, der Glaube an die Allmacht des Erfolges aus „Organisation“, aus Durch- denkung des Betriebes, es ist das Misstrauen gegen den anderen, dessen Verdienstmethoden man ahnt, weil man von sich selbst weiss, wie Geld verdient wird, und es ist die Meinung, dass auch in der Produktionsmaschinerie der Trusts immer noch verteuernde Fehlerquellen beseitigt werden können. Die Nichtkritik an den Trusts würde bedeuten, dass deren Einkommen sich zur Rente = öU selbst eine gute Organisation besitzen, und als ob sie in diesem Fall ihre Arbeitsbedingungen unabhängig von den Verhältnissen der übrigen Arbeiterschaft befriedigend gestalten können, kann schwer- lich aufrechterhalten werden. Das muss zwangläufig dazu führen, dass die berufliche Enge und Exklusivität der amerikanischen Ge- werkschaften und die damit verbundene Zersplitterung der Ge- samtbewegung— heute für deutsche Beschauer ein hervorstechendes Merkmal — zu einer Ausweitung des beruflichen Rahmens, einem engeren Zusammenarbeiten und einer weiteren Konzentrierung der Kräfte planmässig entwickelt werden. Die Leitung der Federätion hat den Ernst der angedeuteten Probleme erkannt und in ihrem Bericht an den letzten Kongress eindringlich darauf hingewiesen. „Es ist nutzlos, den Gebrauch der Taktik und der Methoden fortzusetzen, die . . . auf Verhältnissen beruhen, die vor Jahrzehnten bestanden“, heisst es darin. Einige Andeutungen werden darüber gemacht, welche Wege beschritten werden könnten: Dem Betriebsvertretungssystem können die Gift- zähne ausgebrochen werden, wenn die Gewerkschaften diese Ein- richtung zu ihrer eigenen machen und sie ihrer Kontrolle unter- stellen. Den Versicherungsunternehmungen der Unternehmer können die Gewerkschaften eigene Einrichtungen gleicher Art ent- gegensetzen, und ein Komitee für die Errichtung einer gewerk- schaftlichen Lebensversicherungsgesellschaft ist bereits tätig. Dem vorhandenen Bedürfnis der Arbeiterschaft nach einer guten Kapi- talanlage, das vielfach zu den Kleinaktien seine Zuflucht nimmt, können die Gewerkschaften durch eigene Einrichtungen entgegen. kommen. Bisher hat die Leitung der Federation den aufkommenden Arbeiterbanken ziemlich kühl gegenübergestanden. Aber in diesem Zusammenhang scheint es, als ob ihr Verhältnis zu diesen In- stitutionen ein engeres werden könnte. Alles dies sind vorläufig nur Andeutungen. Der Grundton des Berichtes ist auf die Erkenntnis eingestellt, dass bisher den besprochenen Unternehmer- methoden zuwenig Beachtung geschenkt worden ist, dass es nun aber dringend erforderlich sei, diese Methoden eingehend zu studieren, die genauen Tatsachen darüber zu ermitteln, um dann einen eingehenden Aktionsplan aufzustellen. Die europäischen Ge- werkschaften werden diese Bestrebungen mit einem ganz be- sonderen Interesse verfolgen; denn es ist sicher, dass die ameri- kanischen Unternehmermethoden nicht ohne Einfluss bleiben auf die Massnahmen der europäischen Unternehmer. Gerade diesen Methoden gegenüber kann es von allergrösstem Nutzen für die Arbeiter aller Länder sein, wenn sie ihre Erfahrungen gegenseitig austauschen und gemeinsam versuchen, die Gefahr zu bezwingen. 240 Il. Die Eigenart des gesellschaftlichen Aufbaues 1. Geschichtliche Besonderheiten, Ds gesellschaftliche Gebilde der nordamerikanischen Union hat in seiner heutigen Gestalt, wie in der Eigenart seiner Ent- stehung, weder einen Vorgänger in der Geschichte noch ein Seiten- stück in der Gegenwart. Aus einer Vielheit von Nationen alter europäischer Kultur entstand in drei Jahrhunderten ein neues Volk, das in Gesinnung, Bildung, Geistesrichtung und äusseren Gepflogenheiten deutlich und wahrscheinlich noch auf unabseh- bare lange Zeit die Spuren seiner Herkunft und vornehmlich die Einflüsse des alten Englands aufweist. Englisch ist der Geist der Schule und das Schrifttum, an dem die Jugend herangebildet wird, englisch ist die diktatorische Macht der öffentlichen Meinung und die demokratische Form und der freie Ton im Verkehr der Menschen und der Gesellschaftsschichten untereinander; englisch sind ihrer Wesensart nach die Formen der Rechtspflege, zahlreiche Institutionen des öffentlichen Lebens, und nicht zuletzt zeigt auch die. Arbeiterbewegung trotz stark ausgeprägter Eigenart sinn- fällige angelsächsische Gemeinsamkeiten. Indessen ist, trotz aller geistigen und äusserlichen Erbstücke aus der Alten Welt, der soziale Körper des Landes in wesentlichen Dingen andersartig. Die wirtschaftlich-soziale Lebensform ist — wie in Europa — der Kapitalismus. Aber dort drüben lebt er ohne die hemmenden und verschleiernden Reste aus vorkapitalisti- schen Wirtschafts- und Gesellschaftszuständen, die heute noch in Europa zu finden sind. Sowohl die untere wie die obere Klasse jener amerikanischen, rein kapitalistischen, Gesellschaft ist anderer Art. Der ersteren fehlt die generationenlange Vergangenheit eines feudalen Hörigkeitsverhältnisses, die nicht selten bei uns ‚die Unterdrückten selber an den Glauben gewöhnte, für alle Zeit zum Dienen bestimmt zu sein. Die Einwanderer, die während dreier Jahrhunderte das Land bevölkerten, brachten mit sich den starken freien Willen, sich ihre Zukunft — eine freiere und mate- riell reichere Zukunft — selbst zu gestalten, ein Umstand, der in der bundesstaatlichen Verfassung, der Stellung der Menschen zum Staate, den öffentlichen Finrichtungen und, heute noch, in tausend 93 Arbeitszeit voll zu bezahlen!). Die Hauptstadt Milwaukee hat eine auf breitester Grundlage errichtete Gewerbe- und Fortbildungs- schule mit vielen hundert Lehrkräften, die in ihrem vorzüglichen Aufbau als eine geistige und soziale Grosstat angesehen werden kann. Sie beruht auf einer Verbindung der Grundgedanken der deutschen Gewerbeschule, Kunstgewerbeschule und technischen Hochschule. Es fehlt auch hier wieder der Hemmschuh ängstlicher Abgrenzung. Ihr Leiter, Mr. Cooley, hat das gewerbliche und technische Schulwesen in Deutschland durch eigene Anschauung kennengelernt und teils auch in Anlehnung an deren Grundideen mit der „Vocational-School“ zu Milwaukee ein Werk eigenartiger Prägung geschaffen, indem er die Lehrmethode so organisierte, dass so ziemlich alle beruflichen und technischen Fähigkeiten der ihm anvertrauten Schüler und Schülerinnen herausgefunden und entwickelt werden können. Von Deutschland spricht Mr. Cooley mit grosser Achtung. Abgesehen von einer solchen Einrichtung wie im Staate Wis- consin kann jedoch wiederholt werden, dass im allgemeinen auch für höhere Bildungsmöglichkeiten die Grenzlinie — aus schon dar- gelegten Gründen — zwischen der Ober- und der Unterschicht der Arbeiterschaft hindurchläuft, und diese Trennungslinie scheint uns sogar eine der entscheidenden, wenn nicht die entscheidende zu sein. Der breite Weg und die weiten Pforten zu jeglicher Bildungs- einrichtung — wohl der beste Teil amerikanischer Demokratie — können in ihrer Bedeutung für die soziale Gestaltung und Gesinnung des Landes kaum überschätzt werden. Die Zahl der Studierenden auf höheren Schulen reicht gegenwärtig nahe an eine halbe Million! Die Zahl der eingesessenen Staatsbürger ist eben so dünn, dass für einen weit grösseren Bruchteil derselben als irgendwoanders ein über blosser Tagelöhnerstellung liegender Platz im Erwerbsleben frei ist, ja, man kann, trotz des starken Andranges zu allen Bil- dungsstätten und der damit verbundenen Anwartschaft auf ge- hobene. Berufsstellungen, nicht sagen, dass eine Überfüllung auf diesen Gebieten — selbst nur für die absehbare Zukunft — be- fürchtet wird. Im Gegenteil hält die Nachfrage nach geschulten Kräften an. . b) Der soziale Aufstieg der Frau. Die Nachfrage nach schulmässig ausgebildeten Kräften im Erwerbsleben machen sich besonders die Frauen des Landes zu- nutze. Die ungünstigen, völlig proletarischen Arten der weiblichen Beschäftigung haben wir bereits kennnengelernt, so dass noch kurz 1) In’anderen Staaten müssen dies zumeist erst die Gewerkschaften durch tarifvertragliche Ab- machung!lausbedingen. — Vgl, das Beispiel eines amerikanischen Tarifvertrages auf Seite 145 ff. 124 . jewerkschaften bedienen sich bewusst dieses Mittels. Aus der = Tatsache, dass es in den Vereinigten Staaten keine parla- U mentarische Arbeiterpartei gibt, darf keinesfalls geschlossen & werden, dass die Gewerkschaften ohne Einfluss auf die Gesetz- N gebung wären. Im Gegenteil glauben sie, dass sie bei dem gegen- DS wärtigen System einen stärkeren Einfluss ausüben können als 0 ® durch die Schaffung einer selbständigen Arbeiterpartei, wenigstens © auf absehbare Zeit. Gerade diese Überzeugung scheint ein starkes > Hindernis für die Schaffung einer selbständigen Arbeiterpartei zu N sein; denn es liegt auf der Hand, dass der Einfluss in den vor- 8 handenen Parteiformationen sofort aufhören würde, wenn die Ge- S Werkschaften die Gründung einer eigenen Partei propagierten. » In der Geschichte der Federation und ihrer Kongresse nehmen ) die Auseinandersetzungen über die Stellung zur Politik und die 5 Frage einer eigenen Arbeiterpartei einen sehr grossen Raum ein. Im Jahre 1894 wurde sogar eine Urabstimmung darüber in Ver- bindung mit einem politischen Aktionsprogramm vorgenommen, die aber nur bewies, dass die Masse der Mitglieder diesen Fragen überhaupt nur wenig Interesse entgegenbrachte. Auf dem Kon- gress dieses Jahres wurde dann auch die Forderung nach einer selbständigen Arbeiterpartei entschieden abgelehnt, und zwei Jahre später beschloss der Kongress, folgende Bestimmung in das Statut aufzunehmen: „Parteipolitik, mag sie demokratisch, republikanisch, sozialistisch oder sonstwie sein, findet in den Jahresversammlungen des Bundes keinen Platz.“ _ Diese Bestimmung ist natürlich nicht so auszulegen, als ob die Be- S schäftigung mit politischen Fragen ausgeschlossen werden sollte. © Man wollte damit nur festlegen, dass die Federation als solche . sich auf keine bestimmte Partei verpflichtet. Die Absicht, die . Debatte über die Frage einer politischen Arbeiterpartei auf dem £ Jewerkschaftskongress mit dieser Bestimmung abzuschneiden, gelang allerdings nicht. Auf dem Kongress von 1902 hätte ein j Antrag, der die Notwendigkeit einer besonderen politischen Ar- beiterpartei betonte, sogar fast die Mehrheit erreicht. Aber schon . der nächstjährige Kongress verwarf diese Idee wieder mit einer sehr grossen Maiorität. Das wiederholte sich 1907 gegenüber . einem Antrag des Ortskartells Cleveland, der die Gründung einer politischen Partei aus den Gewerkschaften, den Farmerverbänden - v8 und der sozialistischen Partei forderte. w Diese Debatte hatte aber doch die Wirkung, mit veranlasst durch 5 das Aufkommen einer gewerkschaftsfeindlichen Gesetzgebung und © Rechtsprechung, dass die Federation eine grössere Aktivität bei ; den politischen Wahlen entfaltete. Die Gewerkschaftsmitglieder - wurden eindringlichst aufgefordert, bei allen Wahlen nur solche . Kandidaten zu unterstützen, die sich auf die Arbeiter- 9219 Gedanken brachte der einwandernde Deutsche eine Vorstellungen und Erfahrungen der handwerklichen Produk om SC af > Die Entwicklung der Vereinigten Staaten hätte dennoch fick die ihr eigenartige und wohl einzigartige Ric ltung genommen;5\ enn nicht zwei aus jenen Verhältnissen erwachsene Auswitkünge Sich £gewissermassen progressiv gesteigert hätten, U Die eine Auswirkung entstand daraus, das S-Europa sein® umter- nehmungslustigsten Kräfte und die Menschen äch den \Vetgsi igten Staaten abgzab, die geistige Freiheit — an StöHesreligiöfer oder Dolitischer Unterdrückung — suchten. Jeder amerikanische Ein- Wanderer war Individualist. Da das Land #rei war, baute sich jedermann sein eigenes Reich. So strömte der gedankliche Inhalt europäischer Lebens- und Wirtschaftsformen in ein unendlich er- scheinendes, jungfräuliches und praktisch herrenloses Gebiet. Dabei erstickten mit der primitiven Nomadenwirtschaft auch die Ur- einwohner. Die Vereinigten Staaten haben also im europäischen Massstabe keine wirtschaftsgeschichtliche Vergangenheit, keine Jahrhunderte alten und versteinerten Formen, die umgeschliffen, gesprengt, beseitigt und neugestaltet werden müssten, damit sie den Be- dürfnissen der werdenden Zeit gerecht werden. Man denke dem- gegenüber daran, dass in Deutschland eine ganze Generation ihre Kraft verbrauchen musste, die tausend Landesgrenzen und Zoll- schlagbäume des 18. Jahrhunderts zu beseitigen, um den nord- deutschen Zollverein zu verwirklichen. Man erinnere sich, dass der Kampf um die Gewerbefreiheit sich als soziale Revolutionierung auswirkte. Man kann also geradezu von einer Gründung der amerikanischen Wirtschaft sprechen; sie liegt kaum hundert Jahre hinter uns. Dann setzte der gewaltige Menschenzufluss ein. Damit stossen wir auf die andere Voraussetzung der amerika- nischen Wirtschaftsentwicklung: Die Geschichtslosigkeit der amerikanischen Wirtschaft in Verbindung mit der kolonialen Besitz- Srgreifung des Landes gab dem Handel einen mächtigen Impuls. ‚Die Geschichte der politischen Geographie lehrt uns, dass nicht die Gütergewinnung, sondern die Verteilung der Güter sowohl ent- Stehenden wie wachsenden Staatsgemeinschaften den Weg bahnt. Nicht derProduzent, sondern der Händler hat entdeckt und erobert! Die Verkehrsstrassen des Handels waren und sind es, die sich zum wirtschaftlichen Gerippe der jungen Staaten ausbilden. Betrachten wir die Vereinigten Staaten von Nordamerika unter diesem Gesichtspunkt. Dieser Staatenbund hat sich in wenigen Menschenaltern aus einem kleinen atlantischen Küstenstaat zu einem Lande von 7,8 Millionen Quadratkilometern entwickelt. Hinter dem erobernden und besitz- 97 bedingungen in der Untersuchung gar nicht ve ES sind, Ge überhaupt die Arbeitsverhältnisse des Südens (viel weniger ge<“ regelt sind als die des Nordostens, trotzdem Sch dien hmdehS ganz bedeutende Unterschiede aufweist, die abef\ im den grösseren? Berufs- und Industriezweigen immerhin erfassbä r’and auch weit” bekannt sind. ev KL In der bisher betrachteten Tabelle fehlen zunächst Ole“ Berg“ arbeiterlöhne. Diese betrugen durchschnittlich nach den Er- mittelungen unserer Bergarbeiterdelegation pro Schicht: Gedingearbeiter Schichtlöhner Dollar Dollar Weichkohle (1921) 08 EU N era ZZ 7,46 Indiana een En ES Men N an 8,35 7,38 Ohio; 1... 7,86 7,20 Nordwest-Pennsylvanien und Pittsburgbezirk 7,26 7,15 Anthrazitbergbau (1925) Pennsylvanien: A En N 6,49 Schlepper... N a 6,21-—6,47 5,12 Untertagearbeiter.. ...4 7... 0} - 3,13—6,98 Übertagearbeiter . %..;, 5... AAN 3,08—6,75 Auch die Bergarbeiterdelegation stellte, in ähnlicher Weise wie wir, eine unterschiedliche Entlohnung organisierter und unorganisierter Arbeiter fest, und zwar für die immerhin gewerk- schaftlich beeinflussten Bergbaudistrikte Pennsylvanien und West- virginien. Dort ist, ähnlich wie in grossen Teilen der Metall- industrie, die Minderentlohnung der Unorganisierten im Stunden- lohn etwa derart, dass sie durch die längere Arbeitszeit, wie sie in unorganisierten Betrieben üblich ist, im Tages- bzw. Wochenverdienst annähernd ausgeglichen wird. organisierten unorganisierten Schichtlohn in Bergwerken Bergwerken Dollar Dollar Weichkohle (1921) West-Virginien: Schichtlöhner........ 6,92 6,03 Pennsylvanien: Gedingearbeiter........ 7,15 6,54 Schichtlöhner sr 7,09 5,57 Dass in Gegenden, wo jeder, auch indirekte, gewerkschaftliche Finfluss auf die Lohngestaltung fehlt, der Abstand der Löhne zu 167 Der psychologische Zustand („Zufriedenheits“stimmung) des amerikanischen Arbeiters ist ebensowenig gleichmässig, wie seine Lohn- und Arbeitsbedingungen und damit seine soziale Position einheitlich sind. ) Auch hier, im materiellen Fundament des psychologischen Zu- T Standes, drückt sich ein förmliches Gesetz des Gegensatzes n zwischen Deutschland und Amerika aus. T In Deutschland hat sich infolge des Krieges und aus der Um- n bildung der Industrie heraus der Ungelernte in seinem Finkommen dem Lohnniveau des gelernten Arbeiters stark genähert. Die m Inflationszeit hat an diesem Tatbestand im wesentlichen nichts ge- n ändert, die im Gange befindliche Umbildung der Produktions- e methodenin der deutschen Wirtschafterzeugt weiter eine vermehrte n Auswirkung jener Entwicklung. Die soziale Oberschicht der Arbeit- : nehmer, die Angestellten (kaufmännische und technische An- + gestellte, ebenso Werkmeister), sind im besonderen während der It Inflation, aber auch weiterhin aus den schon erwähnten Umbildungs- tendenzen der Wirtschaft heraus der Schicht der gelernten Arbeiter T entgegen, also sozial nach unten gerückt. Die Spanne zwischen ) den Angestelltengehältern und dem Einkommen der gelernten It Arbeiter ist ständig geringer geworden. F Es hat eine Zusammenpressung der einzelnen Schichten der ir deutschen Arbeitnehmer stattgefunden. Zugleich ist die Arbeit- u nehmerschicht in ihrer Gesamtheit in der realen Finkommenshöhe nm und damit in der sozialen Gesamtstufung innerhalb der Gesell- n schaft tiefer gedrängt worden, als sie vor dem Kriege stand. In den Vereinigten Staaten hat die Weltkriegskoniunktur eine ü- wesentlich andere Entwicklung ausgelöst, die auch durch die grosse Tr, Nachkriegskrise in ihrer Tendenz nicht verändert wurde. Ss Der Weltkrieg hob nicht nur die Preise, sondern auch die Löhne. ze Da in den Vereinigten Staaten die soziale Einzelschattierung der Sr Arbeiter ausserordentlich vielgestaltig ist und im wesentlichen der Unterschied zwischen gelerntem und ungelerntem Arbeiter zugleich = I Zwischen gewerkschaftlich organisiertem und unorganisiertem il di an Ist, So vermochten bei der allgemeinen Aufwärtsbewegung ns währe NE der gelernten (gewerkschaftlich organisierten) Arbeiter an elren st Jahre 1914 bis 1918 und dann bis 1920 lebhafter zu rn and an die der übrigen Arbeiter. Dort, wo die persönliche Wider- lie © ib vi ee AM geringsten ist, wo die Energie des sozialen Auf- ne 69S DISAEF nicht organisiert werden konnte — bei den frisch Ein- er an den Negern usw. —, da wurden die Löhne von der r- een C Ger Anfwärtsbewegung naturgemäss am wenigsten mit- le S ZOgen. SO ist seit 1914 in den Vereinigten Staaten nicht eine Zu- “mmenschiebung der einzelnen Arbeiterschichten — wie sie in 35 Durchschnittliche Stunden- und Wochenlöhne in den verschiedenen Industrien der Vereinigten Staaten im Monat Mai 1925*) a Pro Stunde |Pro Woche N5200n Wochen) Dollar ! Dollar Dollar Landwirtschaftliche Maschinen .... 0,582 28,83 1 499,16 Automobilindustrie. .. ..:. +. + 0,655 32,22 1675,44 Schuhindustrie.. 4. 0,509 ı 23,01 1 196,52 Chemische Industrie... 0,535 | 28,21 1 466,92 Baumwollverarbeitung (Norden) ... 0,428; 20,81 1 056,12 Baumwollverarbeitung (Süden) .... 0,300 15,67 | 814,74 Elektrofabrikation. . ......-..:.. 0614 1 28,28 | 1470,56 Möbelindustrie . 0,535 | 24,90 1 294,80 Strumpf- und Wirkwaren ....... 0,416 | 18,79 977,08 Lederbearbeitung ......... 4. 0,514 '| 24,19 1 257,88 Holzbearbeitung... . 4 0,486 | 23,93 ' 1244,36 Schlächterei und Fleischkonservierung 0,512 ı .25,30 | 1318,60 Lack- und Farbenfabrikation ..... 0,517 || 27,88 | 1449,76 Papier- und Kartonnagenfabrik ..... 0,532 | 26,83 | 1395,16 Papierwarenindustrie. ......... 0,501 ' 23,99 I 1247,48 Buch- und Akzidenzdruck ......'. 0,696 32,23 1 1 675,96 Zeitungs- und Zeitschriftendruck ... 0,836 37,74 1 962,48 Gummiindustrie. . 0 0,651 29,44 1530,88 Seidenindusirie .... 0 0,478 “ 22,30 1 159,60 Wollwafenindustfie. ee 0506 2228 1168,56 Eisen- und Stahlerzeugung .....- 0,638 32,78 1 704,56 Giesserei- und Maschinenindustrie .. 0,589 ! 28,70 1 492,40 1. Giessereien, J,999 * 293,33 1 525,16 2. Maschinen und Werkzeuge. ... 0,585 28,48 1 480,96 3. Schwere Eisenwaren ......-. 0,905 8.01 1664,52 4. Klein-Eisenwaren ..... .... Viel wrx 1321,32 Gesamtdurchschnitt ........- 0,560 ! 27,02 || 1405,04 *) Zusammenstellung des „National Industrial Conference Board“. 1823 entwickeln. Das ist etwas, was gegen die Wirtschaftsphilosophie des Amerikaners geht. Er hat einen ganz merkwürdigen staats- Sozialistischen Privatkapitalismus entwickelt (siehe das Kapitel: Der Kampf gegen die Verschwendung in der Industrie). Wir sehen also, dass die Durchdenkung des Betriebes, die Be- obachtung aller den Warenpreis mitbestimmenden Elemente der Produktion, aus sehr realem Zwang entstanden sind. In der wissen- schaftlichen Formulierung nennt man diesen Grundsatz der Organi- Sation, wie er in der amerikanischen Unternehmerwelt praktisch geworden ist: „Die Organisationssumme ist grösser als die arith- metische Summe der sie bildenden Elemente.“ Im Gegensatz zu den Maximumbestrebungen besteht der Grund- satz des Optimums darin, dass versucht wird, ein möglichst grosses Resultat mit möglichst kleinem Energie- und Materialaufwand zu erreichen. Diese Bestrebungen scheinen in Amerika auf zwei Wegen vor sich zu gehen. Einmal versucht man, zu Optimalleistungen durch technische Weiterentwicklung der Betriebe zu kommen, zum anderen ist man bemüht, das Ziel mittels organisatorischer Durch- denkung zu erreichen. Es „wäre ein Irrtum, wenn man annehmen wollte, dass die technischen Apparaturen der amerikanischen Fabriken im all- gemeinen anders wären als in Deutschland. Wir haben gefunden, dass unsere deutschen Unternehmer die technischen Hilfsmittel ihrer Betriebe — Maschinen usw. — häufig schlechter machen, als sie sind. In der Mehrzahl der Fälle unserer Besichtigungen amerika- nischer Betriebe konnten wir feststellen, dass viel weniger uns fremde Maschinen vorhanden waren, als wir angenommen hatten. Bei Betrachtung der technischen Apparatur der Betriebe der Vereinigten Staaten, soweit sie von besonderer Art ist, darf nicht ausser acht gelassen werden, dass die Art und der Leistungsgrad der Maschinen nicht zufällig entstehen. Es müssen bestimmte Auf- gaben erst gestellt sein, ehe der Zwang und damit die Möglichkeit HE sie technisch zu losen. Amerika hat zum Teil andere braucht siche Aufgaben entwickelt als Deutschland, man Pro an den Wolkenkratzerbau, an die Jahresmillionen- anderes De der Automobilindustrie, an die Fleischversorgung und an die aus U denken. Es würde sinnlos sein, technische Apparaturen, ‚CHEN Aufgaben heraus entstanden sind, auf Deutschland mechanisch zu übertragen. U VE ein Beispiel: In den Vereinigten Staaten hat man CT 0 ie derbohrmaschine für die Automobilindustrie ausser- N HN Sl entwickelt. Was aber sollte eine solche Maschine N uischen Unternehmen der Automobilbranche, das täglich nen Wagen (z.B. Audi-A,-G,, Zwickau) herstellt? Die Über- 51 Artikel 10. Es wird vereinbart, dass dieser Vertrag nach Unterzeichnung in Kraft sein soll vom 1. Mai 1925 bis zum 1. Mai 1926 und darüber hinaus, soweit derselbe nicht von einer Partei mit dreissigtägiger Frist gekündigt wird. gez. Für den Internationalen Verband der Maschinenschlosser: Für die Firma: * T * 6. Das Lehrlingswesen. Der vorstehend abgedruckte Tarifvertrag der Maschinen- und Werkzeugschlosser von Chicago regelt auch das Arbeitsverhältnis der Lehrlinge und darüber hinaus — was besonders bezeichnend ist — auch die Art ihrer Ausbildung. Es ist wieder spezifisch anglo-amerikanisch, dass dieses sowohl sozial wie erzieherisch wichtige Gebiet der Sorge und dem Griffbereich des Staates fast vollkommen entrückt ist. Im Staat Wisconsin, in dessen Haupt- industriestadt Milwaukee starke deutsche Finflüsse sind, gibt es anscheinend einige gesetzliche Bestimmungen über die Hand- habung des Lehrlingswesens. Exaktes darüber ist uns nicht be- kanntgeworden. Im ganzen aber sind es hauptsächlich die Gewerk- schaften, die sich in den von ihren Mitgliedern belegten Betrieben die Heranbildung des Nachwuchses angelegen sein lassen, in der Weise, wie es sich aus dem wiedergegebenen Tarifvertrag ergibt. Dadurch haben sie erst eigentlich in das soziale und wirtschaftliche Leben Amerikas das eingeführt, was die guten Europäer aus dem Stände- und Zunftleben des Mittelalters — zum Teil durch die Handwerkerkammern, die Nachfolger der Zünfte — in die kapita- listische Epoche hinübergenommen haben: die Regelung, Abgren- zung und Festlegung der handwerklichen Berufstätigkeiten. Die amerikanischen Gewerkschaften halten noch heute Fachprüfungen ab, die allerdings bei den verschiedenen Verbänden mit sehr un- gleicher Strenge gehandhabt werden. Manche verfahren noch heute so strikt, dass sie von dem Aufnahmesuchenden die prak- tische Vorführung seiner Berufsübung an Werkbank oder Schraub- stock verlangen, also eine regelrechte Lehrlingsprüfung im deutschen hergebrachten Sinne abhalten. Andere, z. B. die Maschinenschloser, beschränken sich darauf, der Aufnahme in den Verband einige formelle Fragen praktischer und theoretischer Art aus dem Berufsleben vorausgehen zu lassen. Dagegen haben fast alle Verbände noch das zunftmännisch-feierliche Zeremoniell der Aufnahme in die „Bruderschaft“ (den Verband), doch ist auch dieses nur noch eine Äusserlichkeit. Der Neuling wird vereidigt auf Kameradschaft, Treue und Pflichterfüllung. In einer grossen Stadt hatten wir Gelegenheit, dieser feierlichen Handlung bei- ‚48 Die Lokalunionen sind in der Regel selbständig in der Fest- setzung von Aufnahmegebühren und der Beiträge. Die Zentral- statuten schreiben nur die Sätze vor, die an die Zentralkasse abgeführt werden müssen. Diese sind oft im Verhältnis zum Gesamtbeitrag ausserordentlich niedrig. Nach einer (nicht voll- ständigen) Zusammenstellung finden wir, dass vier Zentral- vorstände einen Jahresbeitrag pro Mitglied fordern in Höhe von ie 1,15, 2,50, 3,50 und 9,60 Dollar. Acht weitere Vorstände erheben vierteljährlich Beiträge von je 0,50, 1,—, 1,30, 1,50, 2,75 und 3,75 Dollar. Am meisten üblich ist der Monatsbeitrag, wobei der Anteil der Zentralverwaltung festgesetzt ist bei 12 Verbänden zwischen 15 und 30 Cent, bei 14 Verbänden zwischen 35 und 50 Cent, bei 13 Verbänden zwischen 60 und 100 Cent, bei 8 Verbänden bis zu 2 Dollars. Wochenbeiträge fanden wir nur bei 7 Ver- bänden mit Hauptkassenbeiträgen von 10 bis 50 Cent. Der Schuhmacherverband erhebt für die Zentrale zwei Drittel aller Lokaleinnahmen, während die Schiffsheizer und Köche 10 Prozent des Gesamtbeitrages bis zu einem Dollar anfordern. Über die Höhe des Gesamtbeitrages, den die Mitglieder in den Lokalunionen zu zahlen haben, lassen sich zusammenfassend Zahlen nicht geben, da wir eine solche Zusammenstellung nicht vorgefunden haben. Auch darin äussert sich der geringere Zentralismus der ame- rikanischen Gewerkschaftsbewegung, dass selbst im Rahmen der einzelnen Zentralverbände die Hauptvorstände keine genauen Übersichten über die lokalen Einrichtungen ihrer Lokalunionen haben — trotz der grossen Statistikfreudigkeit dieses Landes. Die Mehrzahl der Verbände schreibt zwar für den Beitrag Mindest- sätze vor; aber es ist nicht zu erkennen, inwieweit diese in der Praxis überschritten werden. Die in den Satzungen niedergelegten Mindestsätze bewegen sich zwischen 25 und 40 Cent in der Woche resp. 0,40 und 2,40 Dollars im Monat. Gemessen an der Beitrags- höhe in den deutschen Gewerkschaften, wo die Regel ein bis anderthalb Stundenlöhne in der Woche ist, sind die Gewerkschafts- beiträge in den Vereinigten Staaten verhältnismässig niedrig; sie erreichen vielfach kaum einen Stundenlohn im Monat. Aus den mitgeteilten Zahlen ist zu entnehmen, dass der Anteil der Zentralverwaltung an den Beiträgen relativ klein ist, worin sich eben die grössere Selbständigkeit der Lokalunionen auch in bezug auf die finanziellen Angelegenheiten ausdrückt. Dem- entsprechend beschränken sich die Zentralen zumeist auf eine ver- waltende und propagandistische Tätigkeit, während die Unter- stützungseinrichtungen der Selbstbestimmung der Lokalunionen überlassen bleiben. Selbst die Streikunterstützung bleibt bei den meisten Verbänden völlig den Lokalunionen überlassen. Über den Umfang der sonstigen Unterstützungen, soweit sie von den 9213 Einzelheiten zum Ausdruck kommt. | Der Oberklasse aber fehlen ebenfalls die festigenden Überlieferungen und erblichen Vorrechte. Sie ist von unten aufgestiegen, oft recht schnell und nicht selten aus merkwürdigem Dunkel. Ober- und Unterschicht stehen sich, weil die Grenzlinien weder alt noch streng und unverrückbar sind, in Denken und Verstehen näher, haben keinen Jahrhunderte alten Grenzwall zwischen sich, sind, wenn auch mit ungleichem Glück, vom gleichen Erfolgsstreben erfüllt und gehen von beiden Seiten her noch immer ineinander über. Darum fehlt auch dem Tone und der Sprache zwischen „Vorgesetzten“ und „Untergebenen“ an den Stätten der Arbeit der Gesindeordnungsgeist, der in unserem Lande gar oft in den Bereich der Fabrikschlote verschleppt worden ist. Der industrielle und kommerzielle Kapitalismus Amerikas ist „urwüchsig‘ im Wortsinne: nicht mit Resten einer von ihm über- wundenen Ordnung durchsetzt wie in Europa. Darum konnte er sich drüben die Gesellschaftsform gestalten nach seinem Ebenbild und Herzenswunsch, nach seinen Daseinserfordernissen und Wertvor- stellungen. Für das Studium seines Wesens ist das beachtenswert. Die Gesellschaft ist völlig unhistorisch; ganz Gegenwarts- gebilde. Kapitalistischer Liberalismus und politische Demokratie geben den Grundton*). Wer in diesem Neulande begann, sich seine Zukunft zu gestalten, der tat es unter denselben Rechtsvoraus- setzungen wie seine Mitbürger, mochten auch ökonomische Mittel und Erfolge bei den Individuen noch so verschieden gross sein. Der soziale Rang und die wirtschaftliche Macht kommen und ver- schwinden mit dem Geldbesitz. Wohl dient das einmal erworbene Geld in jedem Falle als Brecheisen der Macht, in zahlreichen Fällen selbst als Mittel der Rechtsbeugung; aber eine in unerreich- barer Höhe erstarrte, vom allgemeinen Erfolgsiagen unberührte Aristokratenklasse hat es bisher noch nicht schaffen können. Es gibt allerdings im Lande ein Bäckerdutzend gefestigter Familienreichtümer und Reichtumsfamilien, deren Geld eine feste Burg ist. Man nennt sie die „Exklusiven“, weil sie sich in Newport, einer flotten Badestadt in Rhode Island, vom „Volke“ abschliessen. Allein sie können ihrer Hoheit nicht froh werden, denn sie müssen ihre „noblesse‘“ immer wieder teilen mit neuen Rittern, welche die neunstellige Vermögensziffer geadelt hat. In der Politik und in den Staatsämtern verhindern gleichfalls besondere Umstände die Entstehung einer. unerschütterlichen Aristokratie. Soweit die Politiker. vonder Macht einzelner Kapitalgruppen getragen sind, 2) Etwas anders lagen und liegen zum Teil noch heute die. Verhältnisse im „aristokratischen“ Süden, (exakter ausgedrückt: Südosten), in den Staaten der Baumwoll- und Tabakpflanzungen, Virginien, Nord- und Südkarolina, Georgien, Alabama, Mississippi usw. Dort existiert eine zewisse: Agrararistokratie und bestand bis 1863 die Sklaverei, der Neger, die heute 35 Prozent bis stellenweise 60 Prozent von den 17 Millionen der gesamten Bevölkerung der am meisten typischen Südstaaten ausmachen. — Siehe die Karten Seite. 110 und 118.- Q4. Eine erstmals im Jahre 1920 in Angriff genommene Einwande- rungsbeschränkung sah die jährliche Zulassung von jeweils 3 Pro- zent der im Jahre 1910 in den Vereinigten Staaten lebenden Aus- länder jeder einzelnen Nation vor. Eine weitere Beschränkung der Einwanderung wurde dann vorgenommen durch das Einwande- rungsgesetz, das im Jahre 1924, allerdings (wie auch aus den Ein- wanderungstabellen für 1924, S. 104 u. 105, hervorgeht) erst etwa um die Jahresmitte in Wirkung trat. Dieses Gesetz mindert die Quote für jede Nation auf 2 Prozent, legt aber der Berechnung nicht die Fremdenziffer des Jahres 1910, sondern diejenige des Jahres 1890 zugrunde. Die Folge dieser Änderung ist ein ent- scheidendes Zurückdrängen der süd- und osteuropäischen Ein- wandererschaft zugunsten der germanisch-nordischen Völker mit dem Ziel der Wiedererlangung der nationalen Zusammensetzung der Bevölkerung, wie sie sich bis um das Jahr 1890 etwa darstellte. Von der Einwanderungsbeschränkung ausgenommen sind Mexiko und Kanada. Für Europa beträgt das jährliche Ge- samtkontingent etwa 162 000 Personen, wovon auf die nordischen Industrievölker — Grossbritannien, Deutschland — allein 113 000 (auf Deutschland 50 229) Personen entfallen. Diese Regelung der Einwanderungsbeschränkung entspricht in ihrem Grundgedanken wohl dem Wunsche der amerikanischen Ge- werkschaften, die ja in der Hauptsache das berufsqualifizierte Element vertreten, das aus den nordischen Industrieländern Europas kommt, und die sich gegen den reichlichen Zufluss billiger Arbeitskräfte mit niederen Lebensbedürfnissen aus Gründen der gewerkschaftlichen Lohnpolitik zu wehren gezwungen sind. 106 Landes. Aus der Gestaltung und dem Geschichtsverlauf der Wirt- schaft entstehen bestimmte, durchaus eigenartige wirtschaftliche Energien, wie Bremskräfte, Entwicklungstendenzen und Pro- duktionsformen. Vergleichen wir vorerst die geographische Grösse der beiden Länder. Nord-Amerika ‚Mexiko Alaska Das Land Europa Kanada Europ. Russland Bild 1 Das Bild 1 zeigt uns die Landgrössen Europas und Nordamerikas. Das alte Europa umfasst 9,9 Millionen Quadratkilometer, davon gehört aber nahezu die Hälfte, 4,6 Millionen Quadratkilometer, dem europäischen Russland. Für die europäische Wirtschaft ist diese Hälfte heute kaum wirtschaftliche Aktionskraft, sie ist wohl erst ein zukünftiges Leistungselement. Deutschland mit seinen rund 470 000 Quadratkilometern Fläche ist knapp ein Zwanzigstel von Europa. 18 5079: x . > it. ı Arbeiterbanken in Tätigke SA Datum | Datum . jakatar Name der Bank Wohnort der Kontrollierende Gewerkschaft Kapital | Reserven Depositen „Mitz Eröffnung (biang Mt. Vernon Savings Bank........ Washington D.C: ...! 5/15/20 Maschinisten ....... $160000 $105 581 |$3 138905/$3 589746 4/6 Bro. Loc. Engineers Coop. Nat’l Bank Cleveland, O0. ..... 11/1/20 Lokomotivführer-Zentrale 1000000 329 348 25 311 122/27 606 291 2/16 ' United Bank and Trust Company ... Tucsön, Ariz. ..... 2/1/21 Ortskartell. .. +... 70 000 16900 | 295977| 382 877, 4/6 Peoples Cooperaive State Bank .... Hammond, Ind. .... 10/17/21 LokomotivführerOrtsverw.| 50 000 28263 1454 021| 1629788 4/6 | Nottingham Savings & Banking Co... Nottingham, O. ....! 4/27/22 LokomotivführerOrtsverw. 75 000 11832 691355 848229 3/30 San Bernardino Valley Bank ...... San Bernardino, Cal. „5/5/22 Eisenbahner-Ortskartell . | 175.000 22411! 1771 679| 2004490 4/6 Amalgamated Trust & Savings Bank . Chicago, Il. ...... 7/1/22 Bekleidungsarbeiter .,. 200000 100000 2597411! 2976 403' 4/6 Transportation Brotherhoods Nat’l Bank of Minneapolis '............. .Minneapolis, Minn. . . 12/18/22 Eisenbahner-Ortskartell . 200 000 22201 1936 N 2 239 423| 5/18 Amalgamated Bank of New York ... New York City .... 14/14/23 Bekleidungsarbeiter ...ı 200000 144 156 5263 622| 5674968 4/6 Labor National Bank of Montana ... Three Forks, Mont... 14/23/23 Lokomotivführer-Ortskart. 25 000 5000 174 zn 204 733| 4/6 | Federation Bank of New York ..... New York City .... 5/1923 Ortskartell. ........ 250000. 277628 8229 799| 8 836 549| 3/25 Telegraphers National Bank. ...... St. Louis, Mo. ..... 6/9/23 Eisenbahntelegraphisten . 500000 102604 5105611 5968 159‘ 4/6 Brotherhood Savings & Trust Co.... Pittsburgh, Pa...... 07/25/23 Eisenbahngewerkschaften 137 800 14113 490 385 659 607 4/9 ' Brotherhood Coop. Nat’l Bank (3)... Spokane, Wash. .... 8/1/23 Eisenbahner-Ortskartell . 200 000 54010 2062 724 2480694 4/6 Brotherhood of Railway Clerks National Cincinnati, O....... 12/15/23 Eisenbahn- und Dampf- 200 000 58316‘ 3139531 3606 746' 4/13 Bank schiffahrt-Angestellte Bro. Loc. Eng. Coop. Trust Co. (2).. New York City. .... 12/2923 LokomotivführerOrtsverw.' 700000 250000! 5572 908| 7409 658! 4/14 United Labor Bank & Trust Co..... Indianapolis, Ind... .., 1/2/24 Ortskartell. ........ 225000 3403 508991) 739030 4/6 International Union Bank ........ New York City ....' 1/5/24 Schneider. 2. 250000 205632 3345477 3 846 889) 3/25 ı' First National Bank in Bakersfield. .. Balersfield, Cal. .... 2/2/24 Ortskartell. ........ 100000 4411] 979215| 1158 627' 4/6 Labor National Bank of Great Falls. . Great Falls, Mont.... 4/3/24 Ortskartell. ........ 100000 9105! 357900| 468587 4/6 Farmers & Workingmens Savings Bank Jackson, Mich, ..... 44/10/24 Eisenbahner-Ortskartell . 100 000 25000 421423| 549514 4/6 | Peoples Bank & Trust Co. ....... Los Angeles, Cal. ... 55/26/24 Oriskartel. .....:-.-- 500000] 80824 2.079435/2 673551 4/6 Bro. Loc. Engineers National Bank ., Boston, Mass. ..... 5/24/24 LokomotivführerOrtsverw. 500000’ 106 058 1773 458! 2479515 4/6 ' Labor Cooperative National Bank ... Paterson, N.J...... 7/26/24 Ortskartell. ........ 200000 123150 1 544 708| 1 889 708 4/6 | Brotherhood State Bank......... Kansas City, Kan ...!' 9/2/24 Eisenbahn-Kesselschmiede| 100 000 15909 376360| 492284 3/23 ' Bro. Coop. Nat’l Bank of Portland. .. Portland, Oregon ...!| 1/3/25 LokomotivführerOrtsverw., 200 000 50 000 691 963| 1014 oil 5/15 Bro. Loc. Eng. Bank & Trust Co.... Birmingham, Ala, ...' 2/2/25 LokomotiviührerOrtsverw. 500 000 52988 1030913! 1583901! 4/6 | Amalgamated Bank of Philadelphia .. Philadelphia, Pa... ...' 4/11/25 Bekleidungsarbeiter ... Bro. Loc. Eng. Title & Trust Co. ... Philadelphia, Pa..... 4/18/25 LokomotivführerOrtsverw.! 500000 | 250 000 565 495/ 1.065 be 4/18 Labor Cooperative National Bank .. Newark. N.J...... 6/27/25 Ortskartell. ........' 250000’ 125 000 20000! 395 000| 6/27 Banken mit stark gewerkschaftlichem Einfluß. Commercial National Bank ....... Washington D.C. ... 10/10/24 Int. Maschinisten”). ...'1000000| 454 031 |14 940 ON 743 615| 4/6 A N a Hae. 7’ 4 4.000.000 | 3 634 143 166 360 796176 075 997) 3/25 *) Inhaber grosser Aktienpakete. 247 246 2 aa 020 N schaftssachverständiger und Dolmetscher 4 N EOS olks- wirt und Angestellter des Verkehrsbund SS Heinig, VölkSwirt und Angestellter des Werkmeisterverband Arnd B.M er, Direktor der Bank der Arbeiter, Ang stell en “Beämfen; W. Eggert, Vorstandsmitglied des Allgemeinen Deutschen Gewerk- schaftsbundes, in seiner Begleitung alsDolmetscher F. Furtwängler, Sekretär des Allgemeinen Deutschen GewerKs Kaftsbun S. Der Plan ging dahin, zunächst als Gesamtabordnung den Gewerk- schaftskongress in Atlantic-City zu besuchen, sich dann aber in ein- zeine Gruppen aufzulösen, von denen nun jede für sich ins Land zu gehen und vorwiegend und in erster Linie das sie am meisten interessierende Gebiet zu durchforschen habe. Die Zusammen- setzung der Abordnung war von vornherein unter dem Gesichts- punkt erfolgt, dass nunmehr jede einzelne Gruppe ihren eigenen Dolmetscher hatte. Die Reisetouren der einzelnen Gruppen im Lande waren in grossen Umrissen bereits vor der Abfahrt in Deutschland festgelegt worden. Sie erfuhren auf dem Schiff während der Überfahrt kleine Ergänzungen und in Atlantic- City, vor unserem Auseinandergehen, sorgfältige Organisierung. Alle jene Behörden und statistischen Bureaus, Universitäten und Hochschulen, Bergwerke und Ölfelder, Wasserwerke und Getreide- mühlen, Grossbetriebe und Verkehrseinrichtungen, Warenhäuser und Druckereien, die wir angesichts ihrer Weltbekanntheit besuchen wollten, standen bereits in diesen Plänen. Abweichungen und Er- gänzungen erfolgten nur insoweit, als der Tag unvorhergesehen Neues brachte, oder insoweit, als sie durch Studium der Arbeiter- verhältnisse erforderlich wurden. Am 17. September 1925 verliess die Gewerkschaftsabordnung auf dem „Columbus“ Bremerhaven und landete am 25. September 1925, einem Sonnenmorgen, im Hafen von New York-Brooklyn. Bei der Landung ging die Erledigung der Passkontrolle und der sonstigen Formalitäten schnell vonstatten. Draussen in der Lan- dungshalle hatten sich die Vertreter der New Yorker Gewerk- schaften zu unserem Empfang versammelt. Einige von ihnen kannten einige von uns persönlich aus der Berufsinternationale. Zwischen beiden Gewerkschaftsvertretungen erfolgte eine überaus herzliche Begrüssung. Auch Vertreter der Presse waren gekommen, um über Zweck und Ziel unserer Reise Auskunft zu erbitten. Unter dem Ein- fluss der New Yorker Gewerkschaftsvertreter war die Zollabferti- gung rasch durchgeführt. Hugh Frayne, der Sekretär des amerika- nischen Gewerkschaftsbundes für den Staat New York, sorgte für den ordnungsgemässen Abtransport unseres Gepäcks, Autos standen bereit — und bald fuhren wir vom Brooklyner Hafen quer durch New York, unseren Hotels zu. br ba a vo -— Dal ji, A K 2 Ing On ı MD 20 Z de pr ] ; don 5 Süd / ; f SA ZA DH EZ Idaho / Dakota Zi 4 nsylanien W . CZ Den Oming AL . Nebraska Py An ) Ze UL AS ) Nevada Vi ne “ Te Veh Colorado 7 RL s 4, INSAS; \ „ . 2 ; Carolina - „nn 855 Süd- © wir 7 Carolina Ä s Neu- G, Arizona Mexiko VER N , | “ A De aa Texas — A # ; en ; Der „Weizengürtel“ (schraffiert). Links davon DE ' i (zwischen den punktierten Linien) die Randländer des Felsengebirges, die sogenannten „Border hill countries“, die von sehr geringer Fruchtbarkeit sind und insgesamt nur 3,3 Millionen Bewohner zählen, u 1 Einheitlichkeit des Geschmacks in Amerika stärker in den Vorder- grund, weil dort rascher verbraucht wird. In der Schuhindustrie ist es ähnlich. Die grösste Fabrik der amerikanischen Schuhindustrie vermag nur sechs Prozent des amerikanischen Schuhbedarfs zu decken. Auch in der Schuh- industrie ist der Konkurrenzgalopp vor der Königin Mode der höchste Sport. Bei ihm brechen sich jahraus, jahrein viele den Hals. Jedes Unternehmen entwickelt seine eigene Schuhform, hat seine eigenen Herstellungsmethoden. Man hält sich zwar an die all- gemeine Modestimmung — z. B.: breite Absätze oder scharfe Spitzen oder stark überstehender Sohlenrand usw. —, im übrigen produziert jede Schuhfabrik ihren eigenen Stil. Noch toller ist das in der Herrenwäscheproduktion. Es wird in Deutschland zu gern von der einen Kragenfabrik erzählt, die in einem Zuschnitt die ganze amerikanische Männerwelt mit Kragen befriedigt. Aber was ist das für eine Normisierung, wenn jedes bessere Ladengeschäft 32 unterschiedliche Arten von Kragenformen führen muss? Hier ist nicht die unterschiedliche Halsweite, sondern die unterschiedliche Krageniorm gemeint! Wir haben in den ganzen Vereinigten Staaten kein Herrenmodengeschäft gesehen, das nur eine Kragenform verkaufte. Ebenso ist es mit der übrigen Unterkleidung. Neben dem modernen „Vollblutamerikanischen“, ärmellosen Unterzeug gibt es die altmodischsten baumwollenen Unterhosen und leinene farbige Unterkleider in den verschiedensten Zuschnitten — auch hier wird die Einheitlichkeit im Zuschnitt nur im Rahmen des Absatzes der einzelnen Firma erreicht. In Colliers „The national Weekly“ schrieb kürzlich einer der typischen amerikanischen Sprüchemacher, dass „von einem Block weit“ (zwei Strassen entfernt) betrachtet, alle amerikanischen jungen Mädchen völlig gleich aussähen. Das gilt auch für. die Männer. Aber die Normisierung des Geschmacks ist noch keine Einheitsware und noch lange keine Einheitstabrikation! Wir haben uns wochenlang mit solchen Feststellungen beschäftigt, die einer Nachprüfung der Behauptung dienen sollten, ob die Zahl der Bettypen mit Sprungfedern und Matratzen im Wirtschafts- bereich der Vereinigten Staaten sich wirklich von 78 auf 4 ver- mindert habe. Bei dem raschen Warenumschlag und der Gleich- artigkeit des Geschmacks quer durch ganz Amerika musste das Resultat der Normisierungsarbeit von Regierung und Industrie im Warenhandel und in den neuesten Hotels feststellbar sein, stammen die erwähnten Normisierungsbeschlüsse doch schon aus den Jahren 1920 bis 1924, Wir wohnten in den Vereinigten Staaten in den verschiedensten Städten in diesen Riesenhotels mit tausend und mehr Zimmern, 61 Eine der unerfreulichsten unter unseren Wahrnehmungen war ferner die Rolle vieler Richter und Gerichte im sozialen Leben. Der Kampf gegen die richterlichen Streik-Einhaltsbefehle, in denen der Richter durch den Erlass des Einhaltsbefehls und durch die Strafverhängung in einer Person als Gesetzgeber und Rechtsprecher auftritt, beschäftigt jahraus, jahrein seit langem die Gewerkschaften. Zwar erlaubt das Bundesgesetz friedliches Streikpostenstehen, und in manchen Staaten wird auch von Fin- haltsbefehlen nur in Fällen von Gewaltverübung oder vorsätzlicher Schadenverübung Gebrauch gemacht, während dagegen andere Staaten oder einzelne Richter ihn auf Wunsch von Unternehmern rücksichtslos handhaben. Da die Richterstellen — mit Ausnahme der obersten, die durch Ernennung vom Präsidenten besetzt werden — Wahlobiekt sind, suchen auch die Gewerkschaften die Richter durch ihre Wahlstimmen zu beeinflussen. Es kommen aber be- zeichnende Fälle vor, wo ein mit Arbeiterstimmen gewählter Rich- ter ebenfalls Urteile nach dem Wunsch der Unternehmer fällt und willkürlich Einhaltsbefehle erlässt. Verursacht dann bei der näch- sten Wahl die Abkehr der Arbeiterschaft seine Niederlage, so ist es schon dagewesen, dass er daraufhin vom Präsidenten in eines der von diesem zu vergebenden hohen Richterämter berufen wurde — „in dankbarer Anerkennung“. Wie die spärlichen Schutzbestimmungen für arbeitende Frauen und Kinder durch die Rechtsprechung unwirksam gemacht werden, ist schon in dem entsprechenden Kapitel gesagt worden. Bei dieser Sachlage ist das Vertrauen der Arbeiter in die soziale Rechtsprechung — selbst für unsere heimischen Gewohnheiten — ein auffallend geringes. Damit mag es auch zusammenhängen, dass der einzige Staat, der durch ein Gesetz den Versuch einer obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit machte, der Staat Kansas, damit einen Misserfolg erlebte. In derselben Ebene liegt eine von einem Redner auf dem letzten Gewerkschaftskongress zu Atlantic City unter grossem Beifall abgegebene Erklärung, die besagte, den Richtern stehe nicht das Recht zu, über die Gestaltung der sozialen Verhältnisse im Lande zu entscheiden. Durch Gesetze von drastischer Schärfe, besonders gegen die radikale Arbeiterbewegung, soll sich an erster Stelle der Staat Californien auszeichnen. Gegen die kommunistische Bewegung und gegen die schon erwähnte syndikalistische Organisation der International Workers of the World wird in der Weise vor- gegangen, dass man schon die blosse Mitgliedschaft strafrechtlich verfolgt. Aber auch die Gewerkschaftsbewegung wird bei dieser Jagd nicht völlig verschont. Zahlreiche Personen sitzen infolge- dessen — anerkanntermassen unschuldig — im Gefängnis. Die Gesetze, die zu dieser Verfolgung gemacht wurden, sind ein 140 Gewerkschaftliche Mindestlöhne pro Stunde im Mai 1925 in Cent*). (Die höchsten Löhne jedes Berufes ST die niedrigsten in schwach Kursiv Instal- || Buch- Yello | Maurer- lnd Ver Mörtel- lateure en HZ Mann ke Pie | träger ; | arbeiter |! Baltimore... 125 (N! 90,9] 100 11 .150° - 1100 Chicago... 125 | 115,9 125 | 150 | 382,5 | 88,8|| 82,5 Cineimnati......j125 || 109,1 125 | 1501 55 ı) 92,5% 92,5 ' Cleveland ......1137 | 104,5) ı25 I 1501 37,5 | 87,51 87,5 WDetreit .... 2... so 105 | zı5 | 15001 (60 Alf 8751175 /Kansas Cily .!... 4 137,51 94,5| 112,5| 150 75 | 90 | 90 /Louisville ......Wıszsf — oo 50H so 90 | 90 New York... eo 120,5 131,3 | 150 u. 106,3 || 100 Philadelphia . .... 115 | 90 112,5] 1500 | 8 100 Pittsburg. ...... ed 100 a 155 Il 100. | 100 St. Louis. ...... 150 | 98 I150 | 175 15 25 |ız15 Milwaukee... Unra5l 9320100 I 125 (758 90 MW - St. Paul. ........ 1100 I 95,5 :-— M 722 055 00 8501785 San Francisco . . 112,5! 115,9|| 104,4! 137 62,5 1100 " 87,5 Südstaaten: New Orleans .... 112,5|| 78,4|| 90,0|| 125 75 175 Memphis (Kentucky) | 1810| 80 / 100 | 150 75 | 62,5 Atlanta (Georgien) 112,5|| 80 | 80 Ilh12-128! A ? Charleston (Süd- Carolina) %..... 100 | 90,9|| 70 “ 100 Birmingham (Alabama) ...... 150 | Il 87,5| 150 *) Septemberheft 1925 der „„.Monthly Labor Review“ des U, S. Department of Labor, 158 der Praxis trotz aller dazu bekanntgegebenen Warnungen bisher für die amerikanische Wirtschaft nicht ernsthafter Natur geworden zu sein. Das ist auch ein „Wunder“ der amerikanischen Wirtschaft, dass sie bisher in alle ihre Haussen hineingewachsen ist und immer noch ihre Wechsel auf die Zukunft bezahlen konnte. Zum Teil mag die Korrektur der Wirklichkeit darin liegen, dass die Nüchternheit des amerikanischen Geschäftslebens doch viel offener die Kredit- Wwürdigkeit prüft, als das bei uns der Fall ist, und dass zum anderen unbedenklich und rücksichtslos jeder unsicher werdende Gläubiger „glattgestellt“ wird. Überdies soll auch die Käufermoral anders Sein als zurzeit bei uns. Der Konsumentenkredit ist zweifelsohne ein starkes Element der Wirtschaitsbehebung, das zeigt das amerikanische Beispiel. Die Höhe der amerikanischen Warenproduktion und die Ge- schwindigkeit des Warenumschlages bedingen neben der Reklame und der eigenartigen Kreditgewährung an den Konsumenten auch noch eine weit ausgedehnte Vermittler- und Agentenapparatur. Es ist wohl überhaupt das Zukunftsproblem der Vereinigten Staaten, ob die Wirtschaft das ständig stärkste Wachstum des Handels, also der Warenverteilung, vertragen kann. Staatssekretär Hoover stellte zufällig zu der Zeit, als die deut- schen Gewerkschafter Amerika bereisten, öffentlich fest, dass während der jüngst vergangenen zehn Jahre in den Vereinigten Staaten die Verteiler sich achtmal so schnell vermehrt hätten als diejenigen, die in der Produktion tätig sind! Mit anderen Worten: Die Entwicklung ist in den Vereinigten Staaten dahin gegangen, dass die Befriebskosten im Preise der Waren ständig kleiner werden, während die Vertriebskosten fortgesetzt anwuchsen. Die amerikanischen Gewerkschafter haben sich dieser Frage sehr eingehend angenommen. Sie geben darüber in ihrem Jahrbuch für 1925 als besonders typisches Beispiel eine Zerlegung des Preises für Äpfel auf Produzenten und Verteiler. Die Tabelle besagt das Folgende: Zerlegung des Preises einer Kiste Äptel: Preis Anteil in Dollar: in Prozent: OS aEr Eee 1,18 23,6 Transportgesellschaften ........... 0,80 16 Verladungsorganisation .............. 0,27 5,4 MR 349 9,8 Grösshöndler 0,39 8 Kieinhändier ST 37,4 30 << 16 69 Standort des Arbeiters aus gepflogen wur Eee es aber ae einen anderen Grund; er liegt en 4 dass der h der Vantität, der durch ganz Amerika gehf,.dem ‚aus autoarmen und häuserniedrigen Europa kommen Er BEUDAENBAN je t die Nüchternheit nimmt. N 2 Mit dieser Feststellung stossen wir au ‚den Kernpunkt/und die Voraussetzung einer obijektiven verglei enden * Ärachtung zwischen Deutschland und den Vereinigten Städte. Der deutsche Gewerkschafter ist der Auffassung, dass der Maschinenpark ebenso wie der geistige Zustand eines Volkes, eines Wirtschaftskörpers, seine Proportionen wie seine Funktionen, organische Teile einer bestimmten Gesellschaftsiormung sind. So stark sein Interesse daran ist, das eigenartige und gewaltige Wirt- schaftsgebilde der Vereinigten Staaten kennenzulernen, dessen Er- fahrungen und Erkenntnisse zu nutzen, ebensoviel Wert legt er darauf, den Nachweis dafür zu erbringen, dass unsere heimische Wirtschaft nicht durch geistlose Kopie, durch Nachahmung ein- zelner Räder der amerikanischen Produktionsmaschinerie oder durch Impfung mit amerikanischem Geist in ihrem Wesen ver- ändert werden könnte. Ebensowenig wie beim Menschen gibt es in der Wirtschaft eine Transfusion für blutunterschiedliche Körper! Die Untersuchung der Gewerkschafter galt deswegen auch der Feststellung, in welchem Grade heute die deutsche und die ameri- kanische Wirtschaft etwa miteinander verwandt sind, inwieweit und in welchem Sinne eine Übertragung von Produktionspraxis und Wirtschaftserkenntnis überhaupt möglich ist. Die Voraussetzung einer objektiven, vergleichenden Betrachtung zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten muss aber noch mehr umfassen, als bisher angedeutet wurde. Jedes ver- gleichende Studium verschiedener Tatbestände verlangt als Vor- aussetzung die Erkenntnis und das sinnliche Erfassen der Unter- schiedlichkeit der zu untersuchenden Objekte. Der Grundfehler der meisten Vergleiche zwischen Deutschland und Amerika, wie sie in Diskussionen und Auseinandersetzungen üblich geworden sind, liegt darin, dass diese beiden Länder als gleichwertige Begriffe behandelt werden. Hier soll deswegen vor- erst einmal die äussere Unterschiedlichkeit der beiden Staats- gebilde dargestellt werden. Deutschland und die Vereinigten Staaten sind weder in der Landgrösse noch in der Menschenzahl oder im Umfang ihrer Wirtschaft schlechthin miteinander vergleichbar. Aus der Grösse eines Landes ergeben sich der Tätigkeitsraum und die natürliche Substanzquantität. Aus der Zahl und der Zuw- Sammensetzung der Bevölkerung erwächst die Mentalität eines 17 mit der europäischen auf derselben Linie. Notwendigerweise folgert aus dieser Erkenntnis auch die Anerkennung des Kampfes zwischen Unternehmern und Arbeitern als einer unvermeid- baren Erscheinung der kapitalistischen Wirtschaft selbst. Diese Auffassung ist aber nicht in dem Masse zu einer abgerundeten Theorie verarbeitet wie in der Arbeiterbewegung der alten Welt, und es fehlt ihr vor allem die Konsequenz, dass nun zur Über- windung dieses Kampfes eine Änderung der Wirtschaitsordnung angestrebt werden muss. Die amerikanischen Gewerkschafter, auch die führenden, dürften in der Mehrheit geneigt sein, die wirt- schaftliche Ordnung als eine gegebene Tatsache anzusehen und die Aufgabe der Gewerkschaften allein darin erblicken, auf dem Boden dieser Tatsache die Interessen ihrer Mitglieder so gut wie irgend möglich zu verteidigen. Es fehlt in der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung offen- kundig jenes Klassenbewusstsein, das in der Überzeugung wurzelt, dass in der kapitalistisch wirtschaftenden Welt der Aufstieg der Arbeiter nicht anders möglich ist als durch das Vorwärtsschreiten der ganzen Klasse. Die unbestreitbare Tatsache, dass die ameri- kanischen Arbeiter durchschnittlich einen erheblich höheren Lebensstandart haben als ihre europäischen Klassengenossen, dürfte allein kaum ausreichen, um diese Gesinnung zu erklären. Das ökonomische und soziale Befriedigtsein hängt nicht nur von der absoluten, sondern mehr noch von der relativen Höhe der Lebenshaltungsbedingungen ab. Auch wenn der Reallohn des amerikanischen Arbeiters höher ist, so ist doch der Unterschied zwischen seinem Einkommen und dem seiner Ausbeuter keines- wegs geringer als in Europa. Auch der amerikanische Arbeiter kann selbstverständlich nicht übersehen, dass sein Lohnanteil grösser werden müsste, wenn er die Erträgnisse seiner Arbeit nicht mit den Besitzern von Kapital und Produktionsmitteln zu teilen hätte. Die ökonomischen Lehren des Sozialismus sind auch in Amerika keineswegs unbekannt; aber trotz einer jahrzehnte- Jangen, unermüdlichen Propaganda haben sie bei der dortigen Ar- beiterschaft keinen Boden gefunden. Um dies zu verstehen, müssen die von den europäischen abweichenden, besonders ökonomischen und gesellschaftlichen Zustände in der Neuen Welt näher beleuchtet werden. Die sozialistische Tendenz in der europäischen Arbeiterbewegung stützt sich, wie oben dargelegt, auf die Erkenntnis der ökonomischen Triebkräfte in der kapitalistischen Wirtschaft. Das Eingehen dieser Erkenntnis in die Köpfe breiter Arbeiterschichten ist aber zweifellos darauf zurückzuführen, dass gewisse psychologische Voraus- setzungen dafür vorhanden waren. Sowohl ökonomisch wie gesell- schaftlich ist die scharfe Klassenscheidung in den europäischen 208 denen in vollorganisierten Betrieben noch viel grösser ist, wurde bereits an anderer Stelle gezeigt mit dem Hinweis darauf, dass das Lohnverhältnis zwischen den organisierten Betrieben von Illinois und den völlig unorganisierten von Kentucky wie zwei zu eins ist. Zu den geringsten Löhnen, die einer bedeutenderen Arbeiter- gruppe gezahlt werden, gehören die der ungelernten Arbeiter bei der Eisenbahn. Es handelt sich zunächst um 338 000 Arbeiter der Tagelöhnerkategorie, die weniger als drei Dollar in :acht- stündiger Tagesarbeit verdienen, sowie des weiteren um an- nähernd 118000 Hilfsarbeiter der Werkstätten, die nur wenig über drei Dollar Tagelohn erhalten. Wir fügen hier eine Auf- stellung der Lohnverhältnisse im Eisenbahnbetrieb bei, bemerken jedoch, dass dieselbe nach anderen Darlegungen eher als zu günstig angesehen werden muss. Im allgemeinen darf übrigens gesagt werden, dass die amerikanischen Sozialstatistiken über Löhne, Lebenshaltung usw. ziemlich verlässlich sind oder zu ‚sein scheinen, da von den Gewerkschaften, die sich selbst in statistischen Ermittelungen betätigen, nicht nur die Statistiken der Regierung, sondern im grossen und ganzen auch diejenigen der grossen Unternehmervereinigung, des „National Industrial Conference Board“, mit wenig Einschränkung verwendet werden, was zwar noch nicht auf deren unbedingte Richtigkeit, aber immer- hin darauf schliessen lässt, dass die Gegenseite das Resultat ihrer Erhebungen nicht durch Rosstäuscherkünste zu korrigieren versucht. Aus den grossen Ölraffinerien ist uns ebenfalls bekannt, dass ein grosser (wahrscheinlich der grösste) Teil der ungelernten Arbeiter unter drei Dollar, manche sogar weniger als zwei Dollar täglich verdienen. In der Konservenfabrikation fanden wir ebenso niedrige Löhne. Es sind meist Neueinwanderer, die sie beziehen. Die meisten dieser Löhne sind statistisch nicht erfasst oder werden nicht veröffentlicht. Die Richtigkeit der vorstehenden statistischen Angaben mag in einzelnen Punkten angezweifelt und kritisiert werden. Im ganzen aber spricht doch für ihre Verwendbarkeit der Umstand, dass der Besucher des Landes durch Augenschein und persön- liche Erfahrung zu sehr ähnlichen Folgerungen gelangt. Unsere gewerkschaftlichen Delegierten, so verschieden der Weg der Reise war, den die einzelnen Teilnehmer wählten, und so ver- schiedenartig die Branchen und Industrien, die sie studierten, hatten alle den übereinstimmenden Eindruck, dass nicht nur gelernte Facharbeiter meist ein Vierfaches des entsprechenden deutschen Nominallohnes und darüber verdienen, sondern dass 168 i) Wie weit ist die Arbeit unterschieden in gelernte und ungelernte, damit gelernte Arbeiter nicht für ungelernte Arbeit bezahlt werden? ij) Besteht eine Norm für die Leistungsfähigkeit der Meister, und wie wird ihre Durchführung gewährleistet? k) Desgleichen für die Arbeiter? 10. Ist die Produktion pro Arbeitsstunde seit 1914 gestiegen oder gefallen, und um wieviel? a) Wenn die Leistung von 1912 mit 100 Prozent bezeichnet wird, wie gross ist die Leistung der Jahre von 1913 an? b) Geben Sie drei Hauptursachen an in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit für die Ab- oder Zunahme der Arbeitsleistung. c) Ist ein Wechsel in der Leistung seit 1920 zu verzeichnen, 1. wie gross, 2. aus welchen Gründen? d) Wie gross ist der Betrag des Arbeitsverlustes? 1. Wirklicher Verlust (= ohne Auftrag), 2. Arbeitsverlust während der eigentlichen Beschäftigung, a) durch absichtliche Verkürzungen der Produktion, b) durch Missbräuche und falsche Angaben bezüglich der tat- sächlichen Ausbeute gegenüber dem Produktionsstandard, c) dadurch, dass gelernte Arbeiter ungelernte Arbeit ver- richten. 3. Arbeiterstreitigkeiten (Streiks, Aussperrungen). 11. Werden alle Verkäufe durch Verkaufsbureaus getätigt? Beantworten Sie einzeln mit allen Ausnahmen folgendes: a) Werden alle Ausgaben in eigener Zuständigkeit getätigt? b) Wer ist für die gekaufte Menge verantwortlich? c) Beruhen die Mengen auf einem Maximal- oder Minimalbestand? d) Wie sind diese Maximal- und Minimalmengen bestimmt? e) Werden Materialien nach irgendeinem Produktionsplan gekauft? f) Welchen Einfluss hat der Marktpreis auf die gekaufte Menge? g) Wer ist verantwortlich für die Güte des gekauften Materials? h) Werden Käufe getätigt, um das Material mit bestimmten Sorten zu vergleichen oder mit bestimmten Proben? i) Werden Proben oder Prüfungen bei Empfang des Materials vor- genommen? j) Welche Verbindung besteht zwischen kaufmännischer Abteilung und Betriebsabteilung bezüglich der zur Beschaffung von Material erforderlichen oder zugestandenen Zeit? k) Welche Methode wird angewandt, um die Lieferung in der vor- geschriebenen Zeit zu gewährleisten? 1) Welche Aufzeichnungen werden gemacht über Käufer, Preise und Lieferbedingungen? m) Schätzen Sie nach dem Lagerbestand den Teil des Materials, der in.sechs Monaten oder in einem Jahre nicht zur Ausgabe kommt, und zwar in Geld oder Waren? n) Bis zu welchem Betrag dürfen sich Wiederverkäufer (Kom- missionäre) eindecken? o) Welches ist die mittlere Lieferzeit für Rohstoffe? 84 Gewerkschaften bedienen sich bewusst dieses Mittels. Aus der Tatsache, dass es in den Vereinigten Staaten keine parla- mentarische Arbeiterpartei gibt, darf keinesfalls geschlossen werden, dass die Gewerkschaften ohne Einfluss auf die Gesetz- gebung wären. Im Gegenteil glauben sie, dass sie bei dem gegen- wärtigen System einen stärkeren Einfluss ausüben können als durch die Schaffung einer selbständigen Arbeiterpartei, wenigstens auf absehbare Zeit. Gerade diese Überzeugung scheint ein starkes Hindernis für die Schaffung einer selbständigen Arbeiterpartei zu sein; denn es liegt auf der Hand, dass der Einfluss in den vor- handenen Parteiformationen sofort aufhören würde, wenn die Ge- werkschaften die Gründung einer eigenen Partei propagierten. In der Geschichte der Federation und ihrer Kongresse nehmen die Auseinandersetzungen über die Stellung zur Politik und die Frage einer eigenen Arbeiterpartei einen sehr grossen Raum ein. Im Jahre 1894 wurde sogar eine Urabstimmung darüber in Ver- bindung mit einem politischen Aktionsprogramm vorgenommen, die aber nur bewies, dass die Masse der Mitglieder diesen Fragen überhaupt nur wenig Interesse entgegenbrachte. Auf dem Kon- gress dieses Jahres wurde dann auch die Forderung nach einer selbständigen Arbeiterpartei entschieden abgelehnt, und zwei Jahre später beschloss der Kongress, folgende Bestimmung in das Statut aufzunehmen: „Parteipolitik, mag sie demokratisch, republikanisch, sozialistisch oder sonstwie sein, findet in den Jahresversammlungen des Bundes keinen Platz.“ Diese Bestimmung ist natürlich nicht so auszulegen, als ob die Be- schäftigung mit politischen Fragen ausgeschlossen werden sollte. Man wollte damit nur festlegen, dass die Federation als solche sich auf keine bestimmte Partei verpflichtet. Die Absicht, die Debatte über die Frage einer politischen Arbeiterpartei auf dem Gewerkschaftskongress mit dieser Bestimmung abzuschneiden, gelang allerdings nicht. Auf dem Kongress von 1902 hätte ein Antrag, der die Notwendigkeit einer besonderen politischen Ar- beiterpartei betonte, sogar fast die Mehrheit erreicht. Aber schon der nächstjährige Kongress verwarf diese Idee wieder mit einer sehr grossen Maijorität. Das wiederholte sich 1907 gegenüber einem Antrag des Ortskartells Cleveland, der die Gründung einer politischen Partei aus den Gewerkschaften, den Farmerverbänden und der sozialistischen Partei forderte. Diese Debatte hatte aber doch die Wirkung, mit veranlasst durch das Aufkommen einer gewerkschaftsfeindlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung, dass die Federation eine grössere Aktivität bei den politischen Wahlen entfaltete. Die Gewerkschaftsmitglieder wurden eindringlichst aufgefordert, bei allen Wahlen nur solche Kandidaten zu unterstützen, die sich auf die Arbeiter- 9219 auf sozialem Gebiet jenen Liberalismus des Gehenlassens und Geschehenlassens befürwortet, und es ist interessant zu sehen, welcher Wechsel sich gegenwärtig auf diesem Gebiet vollzieht, wie der Industrialismus, nachdem er, besonders seit dem Kriege, als Massenerscheinung auftritt, unter der Arbeiterschaft die Psychologie des Industriearbeitervolkes zeitigt, wie der Gedanke des Arbeiterseins als Schicksal aufkeimt, folglich soziale Forde- rungen erhoben werden und die Gewerkschaften für den Arbeiter Sicherungen verlangen gegen die Zufälle der Krankheit, des Verunglückens usw. Bezeichnend hierfür ist die Stellungnahme des Amerikanischen Gewerkschaftsbundes zur Unfallversicherung (siehe Seite 130). Auch der Schutz der Frauen- und Kinderarbeit, gegen welchen die Industriellen und auch die offiziell regierenden Gewalten sich so sehr wehren, muss und wird in absehbarer Zeit sich durchsetzen. Die Löhne sind hoch, sie sind es insbesondere, wenn man sie mit den unsrigen vergleicht. Das gilt nicht nur für die gelernten Arbeiter im engsten Sinne, sondern für weite Arbeiterschichten darüber hinaus. Wenn wir im Durchschnitt auch mehr als ein Drei- faches der deutschen Löhne annehmen, so greifen wir nach dem vorher Berichteten wahrscheinlich nicht zu hoch. Aber auch die „Reallöhne‘“ sind hoch, und wir möchten sie im Durchschnitt auf das annähernd Zweieinhalbfache der deutschen einschätzen, denn diese eine Wahrnehmung, die wir machten, trifft in Amerika mehr als in Deutschland zu: Je niedriger der Lohn, desto höher der verhältnismässige Reallohn! Der ungelernte Arbeiter in Amerika, der zwischen 3 und 4 Dollar pro Tag ver- dient, hat vielleicht nur den dreifachen Nominallohn des deutschen Arbeiters gleicher Art. Aber ein solcher Arbeiter wird den grössten Teil seines Lohnes ausser für die (nach Lebensgewohn- heit und Volkszugehörigkeit verschieden hohe) Miete für Er- nährung und Bekleidung ausgeben. Für diese beiden Posten aber wird er auf seiner bescheidenen Stufe der Lebenshaltung nicht viel (wenn überhaupt) mehr aufwenden müssen als für die gleiche Lebensführung in Deutschland. Diese Tatsache haben wir in sorg- samen Beobachtungen vielfach bestätigt gefunden. Weder stellt sich die im Haushalt zubereitete Kost viel höher als bei uns, noch ist dies in den bescheidenen Speiseanstalten der Fall. In einer solchen haben wir zum Beispiel in Milwaukee ein Eisbein mit Sauerkraut zum Preise von 25 Cent, gleich einer deutschen Mark, erhalten. Man könnte eine Preisfrage daraus machen, wo wir es in Deutschland für diesen Preis erhalten würden. Solche Speise- lokale sind in Amerika allerdings zur Massenabfertigung ein- gerichtet. Weibliche Bedienstete geben dem Gast zugleich mit dem bestellten Essen ein Billett mit dem aufgedruckten Preis, der 195 als landwirtschaftliche Lohnarbeiter, sondern auch in grosser Zahl als Eigentümer und namentlich als Pächter. Aber auch in den Industriestaaten gehören nicht alle Neger zum untersten Prole- tariat. In Chicago haben Neger einen Teil der weissen Bevölkerung gegen sich aufgebracht, weil sie nach und nach die Häuser einer ganzen Strassenreihe käuflich erworben haben. Es gibt unter ihnen viele Tausende wohlhabender und sogar reicher Geschäftsleute, Kaufleute, Tingeltangelbesitzer und andere mehr. Auch Lehrer, Redakteure, Bürgermeister (in Gemeinden mit einer Negermehrheit) fehlen nicht unter ihnen!). Ausserdem haben sie in Betrieben und Bergwerken, deren Arbeiterschaft ganz oder grösstenteils aus Negern besteht, auch leitende Stellungen, z.B. in den Bergwerken West-Virginiens. Und selbstverständlich führen auch die südöst- lichen Einwanderer und deren Nachkommen nicht ausnahmslos die untergeordneten proletarischen Arbeitsleistungen aus. Da sind zunächst unter den Emigranten aus den slawischen Ländern zahl- reiche Juden, die, sofern sie nicht in der Konfektionsbranche als Arbeiter beginnen, sich in allen möglichen Zweigen des Handels bewegen. Von den Griechen ist drüben bekannt, dass sie durch Zusammenhalten und extreme Sparsamkeit sich aus Kellner- und Dienerstellungen manchmal zu Geschäfts- und Restaurations- inhabern emporarbeiten. Das gleiche mag auch Italienern glücken. Und nicht jeder Pole ist ein Bahnstreckenarbeiter oder Fabrik- tagelöhner. Jede dieser Einwanderergruppen hat sicherlich quali- fizierte Handwerker, wohlhabende Gewerbetreibende und An- gehörige der freien, gehobenen Berufe aufzuweisen. Diese gewiss zahlreichen Ausnahmen widerlegen indessen nicht, dass die typische Armut und der Brennpunkt des sozialen Problems — nach unserer eigenen Wahrnehmung und allen uns möglichen Feststellungen — zu einem auffallend grossen Teil unterhalb der „Zivilisationslinie“, „Kulturgrenze“, oder wie man es drüben noch nennt, liegen, d.h. bei jenem farbigen und neu zugewanderten Volks- element, von dem zuvor die Rede war. Der des öfteren schon erwähnte Südosten des Landes ist der Hauptsitz des Negerproletariats. Dort arbeiten sie sowohl als landwirtschaftliche Tagelöhner wie auch als Industriearbeiter in der Roheisengewinnung im Staate Alabama, in den Bergwerken von Westvirginien und besonders auch in der in den Südstaaten heimi- schen Baumwollgewinnung und -verarbeitung, Die Baumwoll- & 1) Abgesehen davon, dass Heiraten zwischen Schwarzen und Weissen in Amerika ungültig sind, ist der Neger in bürgerlicher und politischer Beziehung mit dem Weissen formell völlig gleich- berechtigt. Die politische Gleichberechtigung wird indessen nicht selten von den Weissen zu ihren Gunsten kräftig korrigiert. Das massivste Mittel hierzu sind die Gummiknüppel der Ku-Klux-Klan- Verbindung, die in den Südstaaten den Neger oft gewaltsam an der Wahlausübung hindern. Schmerz- loser, aber wirksamer ist das Verfahren von Behörden und Gesetzgebungen, die das Wahlrecht an die Voraussetzung von Hausbesitz, Vermögensbesitz oder dergl, knüpfen, diese Einschränkungen aber in der Praxis nur gegen die Neger anwenden, während der weisse Bürger ungehindert wählen darf, ohne nach seinem Besitz gefragt zu werden. 109 44-Stunden-Woche die Bautischler und Zimmerer, Betonarbeiter, Buch- und Akzidenzsetzer, Setzmaschinenoperateure, Elektro- monteure, Installateure, Stein- und Marmorhauer, Kesselschmiede und Dampfkesselmonteure und die Eisenkonstruktionsarbeiter. Die Anstreicher, die ebenfalls die 44-Stunden-Woche haben, ar- beiten in Boston, New York und vier weiteren Städten nur 40 Stunden. Die Verputzer und deren Hilfsarbeiter haben ebenfalls neben der regulären 44-Stunden-Woche in einer Reihe von Städten allgemein die 40-Stunden-Woche. Die Former und Metallgiesser arbeiten in zwei Dritteln aller grösseren Städte des Landes gleich- falls 44, in den übrigen 48 Stunden. Die Zeitungsdrucker arbeiten in 27 Städten 42 bis 44, in 8 Städten 44 bis 46, in 34 Städten 48 Stunden. In den gewerkschaftlich organisierten Unternehmungen des Bergbaues wird sowohl unter Tage als auch über Tage acht Stunden gearbeitet und täglich nur eine Schicht (keine Nacht- schicht) verfahren. So ist es wenigstens in den bedeutenden Kohlenbezirken der Industriestaaten Pennsylvania und Illinois durchgeführt. Auch im Bäcker- und Brauergewerbe herrscht der Achtstundentag. Diesen haben ausserdem die Staatsarbeiter und die meisten Gemeindearbeiter. Letztere arbeiten vereinzelt und stellenweise aber auch neun und zehn Stunden. In der Eisen- und Stahlerzeugung besteht, wie wir in den Bethlehem-Stahlwerken sahen, und wie auch für den Landesdurchschnitt festgestellt ist, auch jetzt noch etwa der Neunstundentag, nachdem in dieser Industrie vor etwa drei Jahren die zwölfstündige Doppelschicht abgeschafft wurde unter dem Druck der öffentlichen Meinung und der indirekten Einwirkung der Gewerkschaften. Letztere sind in den Eisenhütten und Stahlwerken selbst so gut wie gar nicht ver- treten. Während der Kriegszeit wurden auch in Bethlehem An- strengungen zur gewerkschaftlichen Organisierung gemacht, die aber in der Folge vom Unternehmertum, das in diesem Kampfe vereint mit der Geistlichkeit und den Behörden der Verwaltung vorging, wieder zerstört wurden. Alle Mittel der Spionage und Provokation, alle Besänftigungsversuche mit Hilfe der Schon be- schriebenen Wohlfahrtseinrichtungen wurden in diesem Feldzuge eingesetzt. Von der verarbeitenden Metallindustrie kann ebenfalls gesagt werden, dass in den meisten unorganisierten Unter- nehmungen neun Stunden gearbeitet wird. Dort zeigt sich am deutlichsten die unmittelbare Wechselbeziehung zwischen gewerk- schaftlichem Einfluss und Dauer der Arbeitszeit. In den organi- sierten Betrieben wird nicht über 48 Stunden pro Woche, oft da- gegen nur 44 Stunden gearbeitet. Eine Ausnahme macht von den grösseren Werken nur der Betrieb von Ford, der, obwohl dem gewerkschaftlichen Einfluss verschlossen, dennoch den Acht- stundentag konsequent durchgeführt hat, 152 Wollten die Gewerkschaften als Sachwalter der Arbeitskraft bei diesen Auseinandersetzungen ein beachtliches Wort aus eigener Er- fahrung mitsprechen, so mussten sie selbst Vertreter nach Amerika schicken. Dies schien um so gebotener, als sie ihr Anrecht auf Be- teiligung an der Führung der Wirtschaft erst auf dem zwölften Ge- werkschaftskongress zu Breslau eindringlicher denn je geltend gemacht hatten. Die Nützlichkeit des Studiums des wirtschaftlichen und sozialen Lebens der Gegenwart in Amerika durch eigene Ver- treter stand somit für die Gewerkschaftsbewegung ausser Zweifel. Aber auch noch aus anderen, nicht minder wichtigen Gründen er- schien die Reise von Gewerkschaftsvertretern nach den Vereinigten Staaten nützlich und notwendig. Wohl waren im allgemeinen die amerikanische Gewerkschaftsbewegung, ihr Umfang und ihre Gliederung bekannt. Weniger bekannt aber waren die vielen wissenswerten Finzelheiten über ihren Charakter, ihre Bestrebungen auf weite Sicht, ihre Taktik, Arbeits- und Kampfmethoden und vor allem über ihre Stellung zu den grossen Problemen, die sich aus der hochkapitalistischen Wirtschaftsentwicklung Amerikas für sie er- geben. Wie findet sich der Arbeiter mit der Arbeit am „laufenden Band“ ab? Wie beeinflusst die neue Arbeitsweise Geist und Körper des Arbeiters? Wie ist der Stand der Arbeitszeit, das Verhältnis von Reallohn und Warenpreisen, das Wohnungswesen, kurz, die ganze Lebenslage der amerikanischen Arbeiterschaft? Das alles musste einmal durch Untersuchungen und eigene Anschauungen von Gewerkschaftsvertretern klargestellt werden. Gleichzeitig galt es, dem in Atlantic-City tagenden amerikanischen Gewerk- schaftskongress einen Besuch abzustatten, um auch hier zu studieren und darüber hinaus Bande der Freundschaft, die der Krieg zer- rissen hatte, zu erneuern und zu befestigen. So entschlossen sich der Bundesvorstand des Allgemeinen Deut- schen Gewerkschaftsbundes, eine Anzahl Gewerkschaften und die Arbeiterbank zur Entsendung von Vertretern nach Amerika. An der Studienreise waren beteiligt: M. Pletfl, Vorsitzender des Be- kleidungsarbeiter-Verbandes; F. Husemann, Vorsitzender des Bergarbeiter-Verbandes, in seiner Begleitung als Wirtschaftssach- verständiger und Dolmetscher Dr. E. Berger, Volkswirt und An- gestellter des Bergarbeiter-Verbandes; F.Schefiel, Vorsitzender des Finheitsverbandes der Eisenbahner, in seiner Begleitung F. Jochade, Mitglied des Generalrats der Internationalen Transport- arbeiter-Föderation; F.Müntner, Vorsitzender des Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter; F. Tarnow, Vorsitzender des Holz- arbeiter-Verbandes, in seiner Begleitung als Dolmetscher F.Wendel, Sekretär des Holzarbeiter-Verbandes; E. Backert, Vorsitzender des Verbandes der Lebensmittel- und Getränkearbeiter; 0. Schumann, Vorsitzender des Verkehrsbundes, in seiner Begleitung als Wirt- @ 7) gemeiner Wirtschaftsfragen zu, der des Bekleidungsarbeiter-Ver- bandes der Konfektionsindustrie, die Vertreter des Bergarbeiter- Verbandes studierten die Verhältnisse in den Bergbaugebieten, die des Holzarbeiter- Verbandes untersuchten ausser den sie interessie- renden Berufsverhältnissen hauptsächlich die allgemeine Struktur, die Taktik und den Charakter der amerikanischen Gewerkschaften, ein Gebiet, das bisher weniger als andere Erscheinungen des ameri- kanischen Lebens in den Berichten deutscher Reisenden behandelt worden ist; ihre Reiseroute führte sie bis weit in die Süd- und ehe- maligen Sklavenstaaten. Der Vertreter des Lebensmittel- und Getränkearbeiter-Verbandes untersuchte die heikle Frage der Wirkung der Antialkoholgesetzgebung, die Vertreter des Einheits- verbandes der Eisenbahner, ferner der Vertreter des Gemeinde- und Staatsarbeiter-Verbandes und die Vertreter des Verkehrsbundes besuchten die Gebiete der grossen Verkehrslinien und die hier herrschenden sozialen Verhältnisse. Sieben Mitglieder der Abordnung waren 54 Tage im Lande, sechs Mitglieder 47 Tage, ein Mitglied 65 Tage. Sie bereisten das Land von der Ostküste bis zu dem etwa in der Mitte des weiten Reiches gelegenen Staate Kansas und in diesem Rahmen von der südlichen bis zur nördlichen Grenze, ein Streckengebiet, an Europa gemessen, von etwa Kopenhagen bis Konstantinopel und von Lissabon bis Moskau. Die Ergebnisse unserer Beobachtungen und Ermittlungen sind in gemeinsamen Beratungen gesichtet und geprüft worden. Eine Redaktionskommission wurde mit der Niederschrift des Berichts beauftragt. Da aber alle Beteiligten ihr reichliches Pensum an täg- licher Gewerkschaftsarbeit zu erledigen haben, dauerte die Druck- legung des Berichts länger, als uns lieb war. Um Nachsicht muss ausserdem gebeten werden, wenn Unebenheiten gefunden werden, die bei einer Kollektivarbeit kaum ganz vermieden werden können. Den Abschnitt „Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten“ verfasste K.Heinig; der zweite Abschnitt „Aus dem sozialen Leben Amerikas“ ist von F. J. Furtwängler, der dritte über „Die Gewerkschafts- bewegung in den Vereinigten Staaten“ von F. Tarnow, das Kapitel über „Die Arbeiterbanken“ von B. Meyer. Als Reisebericht und Beitrag zur Wirtschaftsliteratur über Amerika hat dieses Buch zahlreiche Vorgänger. Wenn wir nichts- destoweniger mit seiner Herausgabe einem Bedürfnis vieler zu ent- sprechen glauben, so namentlich deshalb, weil hiermit erstmals ein Buch über das neue wirtschaftliche Amerika in die Öffentlichkeit gelangt, das vom Arbeiterstandpunkt und von Arbeitergesichts- punkten geschrieben ist, Arbeiterpolitik, Arbeitsverhältnisse und Arbeiterleben nicht auch oder nebenbei behandelt, sondern im Vordergrund stehen hat. Dank unserer guten und zahlreichen Ver- 11 5 er sie in seine Berechnungen nicht ein, so hat er sozialen Konflikt- stoff im Betrieb. | Aus diesen Erkenntnissen ist eine weitere, wieder anders ge- artete Entwicklung der Produktionsmethoden im Sinne des Strebens zum Optimum in den Vereinigten Staaten deutlich erkennbar. Sowohl die organisatorische wie die technische Durchdenkung der Betriebe zeigt überall die gleiche Tendenz: Unkosten in der Produktion zu vermeiden. Zu den Unkosten, die nach amerikanischer Auffassung in jedem Betrieb ständig weiter nach unten gedrückt werden können, ge- hören nicht nur die Ausgaben für die Bewegung des Arbeitsgutes während der Bearbeitung, sondern auch die Unkosten, die sich aus der Umschlagszeit des Kapitals ergeben. Man sieht, dass im Gegensatz zu Deutschland die amerikanischen Rationalisierungsmethoden auch noch etwas anderes sind als Er- sparnisse auf Lohnkonto. Bei uns in Deutschland erschöpft sich häufig die Rationalisierung in dem Hinauswurf von Arbeitern und Angestellten; es gibt Unternehmer, die meinen, dass das Wort „Rationalisierung“ nur das Wort „Abbau“ abgelöst habe, praktisch hätten aber beide den gleichen Sinn, nämlich den, möglichst „viel“ Arbeit durch möglichst wenig Arbeiter verrichten zu lassen. Ein bedeutsamer Unterschied zu deutschen industriellen Be- trieben zeigt sich beim Vergleich mit den Betrieben der Vereinigten Staaten überdies auch darin, dass die dortigen Unternehmungen häufig auf einem verblüffend kleinen Raum zusammengepresst sind. Man rechnet mit den Unkosten, die aus unnötigen Längen der Wege im Betriebe entstehen ebenso selbstverständlich wie mit Un- kosten, die aus zu komplizierter Betriebsleitung folgen. Hier sei eingefügt, dass die Wirtschaftspolitische Abteilung des Deutschen Werkmeister-Verbandes bei einer kürzlich durch- geführten Untersuchung der Veränderung des Grundbesitzes und der Gebäudeausdehnung von 322 deutschen Aktiengesellschaften feststellte, dass von 1913 bis 1925 der Grundbesitz dieser Unter- nehmungen von 225 Millionen Quadratmeter auf 435 Millionen, also UM rund 93 Prozent, gestiegen ist. Die bebaute Grundfläche ist von 26 auf 35 Millionen Quadratmeter, also um rund 35 Prozent, ge- stiegen. Aus der Weiträumigkeit vieler deutschen Betriebe und der in den Vereinigten Staaten üblichen Konzentrierung auf möglichst kleiner Betriebsfläche ergibt sich nicht nur manche Erklärung für Unter- schiede im Arbeitseffekt, sondern auch der Tatbestand der qualita- tiven Intensivierung der Tätigkeit des amerikanischen Arbeiters, die Physisch zu Erleichterungen führen kann, während der deutsche Arbeiter in den zu Weiträumig gewordenen Betrieben physisch 55 seine Reifen aus und macht alten Gummi für die Wiederbenutzung brauch- bar. Jedes chemische Laboratorium beginnt, nach besseren Methoden für die Gummiregeneration zu suchen. Der Landwirt verlangt von seiner Regierung, dass sie synthetische Nitrate produzieren soll. Was die kon- trollierte Ware selbst betrifft, so sucht man in der ganzen Welt nach neuen Versorgungsquellen ausserhalb der kontrollierten Gebiete. Hohe Gewinne regen die Produktion in anderen Gebieten an. Wenn alle diese Kräfte sich bis zum äussersten auswirken, so kann als gemeinschaftliche Wirkung ein Zusammenbruch der ganzen Industrie eintreten, welcher Produzenten, ver- arbeitende Konsumenten und Zwischenhandel ergreift. Hier muss noch eine Gefahr Erwähnung finden, die oft übersehen wird. Der Zwischenhändler und der verarbeitende Konsument solcher kon- trollierten Waren sind gezwungen, grosse Bestände Rohmaterialien im Transit, als Fabrikationsvorräte und im Gang der Fabrikation zu halten. Wenn die Rohstoffpreise steigen, so kann der Fabrikant grosse Verluste an den laufenden Bestellungen seiner Abnehmer erleiden. Sinken sie da- gegen, So muss er seine Fabrikate zu Preisen anbieten, die den Rohstoff- notierungen des Tages entsprechen. Auf diese Weise ist auch ein geschickt geleitetes Unternehmer ständig gefährdet durch Kräfte, die es nicht über- sehen kann. Schon in der Errichtung solcher Kontrollen liegt eine Herausforderung an die ganze konsumierende Welt, mit allen Kräften um ihre Existenz zu kämpfen. Ob sich eine Kontrolle lange Zeit gegenüber diesem Kampf be- nen kann, hängt jedenfalls davon ab, in welchem Grade die betreffende a unentbehrlich ist, welche übrigen Bezugsmöglichkeiten für sie be- stehen und ‚ob Ersatzmittel verwendet werden können. Diese letzteren Faktoren können wahrscheinlich bei landwirtschaftlichen Produkten jede Kontrolle in wenigen Jahren durchbrechen, denn hier bestehen zahlreiche andere Versorgungsmöglichkeiten. Die Kombinationen zur Kontrolle mancher Chemikalien werden vielleicht durch Fortschritte in deren syn- thetischer Herstellung beseitigt werden. Andere wiederum mögen schwerer zu bekämpfen sein. Wie dies aber auch im einzelnen liegen mag, grund- Sätzlich muss folgendes beachtet werden: Alle Gegenmassnahmen wirken sich sehr langsam aus. Inzwischen werden die kontrollierenden Nationen, die den Gang der Entwicklung genau verfolgen, so kalkuliert haben, dass ihre finanzielle Ernte sie für die Folgen der schliesslich möglichen De- Moralisation ihrer produzierenden Industrie voll entschädigen wird. te man die Dinge vom politischen Standpunkt aus — ich spreche wird ORT Politik, sondern von internationalen Beziehungen —, So Gefahrenm inden, dass solche Aktionen und Gegenaktionen voll von dem Fee sind. Solange unser internationaler Handel nur auf Gesetzen ON. der Produzenten und Händler im freien Markt nach den Freuden keine et und Nachfrage basiert, üben seine Leiden und aus. Wenn Sol OS auf die Temperatur des nationalen Empfindens Warennreiss U Kontrollen niemals existiert hätten und dennoch die Wären als SLET Weise auf das gleiche Niveau oder noch höher gestiegen Vermehrung. de en den Wirkungen der Kontrollen, so würde dies zur Behallune der Be ON an Stelle der jetzt zu beobachtenden Bei- das National Sschränkung geführt haben. Vor allem aber wäre niemals ationalempfinden erregt worden. Aber sobald eine Regierung direkt 89 zu erzwingen, blieb ohne Erfolg. Es scheint, als ob die Bauunter- nehmer bei diesem Streit ausgesprochen auf seiten der Bautischler stehen, und diese hatten sogar die Genugtuung, auf ihrem letzten Kongress einen Hohlmetallfabrikanten mit einer Rede auftreten lassen zu können, in der er, der sich selbst als ehemaliger Hohl- metallarbeiter bezeichnete, das Recht der Bautischler auf das Ein- setzen und Anschlagen anerkannte. Wie sich denken lässt, gerät die Federation durch solche Streitig- keiten in eine sehr üble Lage. Sie erkennt die moralische Ver- pflichtung an, für die Entscheidungen des National Board einzu- treten, verfügt aber über keine Machtmittel, um die Organisation der Bautischler dazu zu zwingen. Diese Organisation ist nächst den Bergarbeitern die grösste und auch eine der tüchtigsten in der Federation, und sie ist offenbar fest entschlossen, sich von niemand das nehmen zu lassen, was sie für ihr Recht hält. Be- reits ist der Zusammenhalt im Kartell der baugewerblichen Ver- bände durch diese Streitigkeiten ernstlich gelockert, und es ist noch gar nicht abzusehen, welche Folgen für die Gesamtbewegung sich noch weiter daraus entspinnen können. °8. Die Einwanderungsfrage. Bei der grossen Bedeutung, die gerade die amerikanischen Ge- werkschaften auf die Kontrolle des Arbeitsmarktes legen, ist es begreiflich, dass sie auch der Einwanderungsfrage ihre Auf- merksamkeit zuwenden mussten. Seit Beginn der neunziger Jahre haben sie sich andauernd mit diesem Problem beschäftigt und mit immer grösserer Dringlichkeit eine Beschränkung der Einwanderung gefordert. Die Gesetzgebung der neueren Zeit ist diesem Verlangen auch gerecht geworden. Die Einwanderung ist zurzeit auf 2 Prozent der Einwohner fremd- ländischer Herkunft, die im Jahre 1890 in den Vereinigten Staaten lebten, beschränkt worden. Durch diese Bestimmung soll nicht nur die Einwanderung an sich begrenzt, sondern auch das Nationali- tätenbild, das sie vor 1890 zeigte, wiederhergestellt werden. Bis dahin waren es vorzugsweise Angehörige der kulturell fortge- schrittensten europäischen Nationen, besonders auch der deutschen, die in Amerika eine neue Heimat suchten. Später versiegte dieser Strom wegen der günstigeren industriellen Entwickelung im eigenen Lande, und statt dessen ergoss sich ein neuer Auswanderer- strom aus den zurückgebliebensten osteuropäischen Gebieten in die Vereinigten Staaten. Durch die Quotierung auf den Nationali- tätenstand von 1890 wird also diese osteuropäische Einwanderung ganz besonders stark gedrosselt. Im ganzen ist nach dem „Zwei-Prozent-Gesetz‘“ noch eine Einwanderung von höchstens 931 Deutschland Frankreich England Sonstige Belgien Luxemburg Din SO B 25 45 BB 2 1 25 3.25 Be 5% a 5% 3 G He 2 Doheisen Rohstahl 6 1925 198 7925 ——— en > r— S "Andere Länder-| e . —Luxemburg mit en Belgien — und Saar) e N - Frankreich ‚England ohne Ei gß- L Deutschland Oar u.Poln: Oberschlesier GC Chlesien Vereinigte Staaten Biült wild 5 416 93 Lebensmittel preisedes;KÄlerinhande!s Il _ in Milwaukee (Staat Wisconsin) ii . in Erie (Staat Pennsylvania) Nas ! eb In Dollar I Se In Mark | FÜ | In Dollar Il a | In Mark Brot (Weizen oder Roggen). ....... 24Unzen 0,12 1 Pfund 0,37 | 1Pound | 0,10-0,12 | 1 Pfund | 0,46-0,55 Mehl .:......2.0..0.004 7... S50Pound 2,45-2,59 || 1 Pfund | 0,23-0,24 50 Pound 2,40 1 Pfund | 0,22 Fleisch: Schweinefleisch‘. ........ | 1 Pound 0,30 1 Pfund 1,39 — — - — Hammelfleisch. ......... ....... '})Pouad '0,35-0,40 | 1 Pfund | 1,62-1,85 , — — — _— OEL 2 ı 1 Pound 0,35 1 Pfund 1,62 | Pe — : 5 indfleisch mit Knochen... ... .... ıl(1 Pound ' 0,10-0,15 | 1 Pfund | 0,46-0,69 Rindfleisch ohıne Knochen, bess. Qual, /1Poumd 0,27 .1Pfund 1,25 (1; Pound 0.30.08 1 Pfund 1.39-1,62 Speck. ....00..000000.11.. 1Pound 0,50 1Pfund 2,31 ||1Pound 0,35-0,40 1Pfund ' 162-185 Schinken, gekochter .“........, JVPound 0,50 1 Pfund 2,31 - ee _ _— Schinken, roher 44 u = | 1 Pound ' 0,17-0,35 1Pfund 0,79-1,62 Fische: Barsch: 2. 10... 44 Pound 0,12 1 Pfund 0,55 _ — = — Lachsforellen .....‘°......... X1DPound 0,20 ' 1 Pfund 0,92 = = = = Schweineschmalz (la). .......... 1Pound 0,25 1 Pfund 1,16 — m — — Margarine... ......0. 40.4 1LPound 0,27-0,32 | I Pfund 1,25-1,48 - = . = Milch. ee 4 VQuart 0,09-0,10 : ILiter 090,33-:0,37.( 1 Quart | 0,09-0,10 | 1 Liter | 0,33-0,37 Eier (je nach Saison) ........... 1Dtzd. 0,35-0,50 | 1 Dtzd. 1,47-2,10| 1 Dtzd. | 0,85 | 1 Dtzd. 3,57 Bualler: ek er 2 ni: Round 0,50 1 Pfund 2,31 1 Pound | 0,50-0,60 | 1 Pfund | 2,31-2,77 Käse. ..............-.....4 1Pound 0,30-0,40 ı 1 Pfund !1,39-1,85 | 1 Pound | 0,45 1 Pfund 2,08 Schweizerkäse. .. 4 A. 2. Pound 0,50 | 1 Pfund 2,31 > = s — Kartoffelnt: - ....... 0 04.54 VVBushel 1,60 * 10 Pfund 1,23 — — = — Bohnen, getrocknet ... ........ 1Pound 0,09 1 Pfund 0,42 | 1Pound 0,08 1 Pfund 0,37 Erbsen... 1. 0 A 1 Pound ; 0,09 1 Pfund 0,42 — — — in Obst: Frische Pflaumen. ........ 3Pound: 0,25 1 Pfund ! 0,39 '|2Pound. 0,25 | ı Pfunde weP8 # Äpfel (beste Qualität) .......... 3Pound 0,25 1 Pfund 0,39 - = 5 Zucker... .. 0.000040: 00. 7. JTPound 4:0,06 1 Pfund 0,28 | 1 Pound | 0,06-0,07 1 Pfünd“| 0,28:0,32 Kaffee... u TPound 0,45-:0,60 | 1 Pfund 2,08-2,77 1 Pound | 0,45-0,60 1 Pfund | 2,08:2,77 Te ee u 1Pound 0,70:1,— Pfund 3,23:4,62 - ER, Kaka0ı. N a N Pound 0,70 1 Pfund | 1,08 *) Anmerkg.: 1 Pound —0,453 © Ze ; 5 See RE LS LOUnzen 005:0.06 1 Piund 0:87:0,45 VAL | 1 nz und die oft nur „casual“, das heisst von Fall zu Fall. Die Erspar- nisse des einzelnen spielen eine Rolle, an die bei uns nicht mehr zu denken ist. Auf unsere interessierte Frage an amerikanische Ge- werkschaftskreise, was denn in einem Lande ohne Altersversiche- rung aus den alten Leuten werde, erhielten wir wiederholt die fast stereotype Antwort: ein guter Teil von ihnen habe Ersparnisse, viele leben bei ihren Kindern, ein grosser Teil sterbe „in den Sielen“, und nur ein kleiner Teil gehe ins Armenhaus. Eine grössere Bedeutung kommt der sozialen Arbeit privater Vereine, Gesellschaften und Selbsthilfevereinigungen zu. Die Arbeiter selbst — und nicht zuletzt zahlreiche Gewerkschaftsmit- glieder — sind Mitglieder von Vereinen, sogenannten „Bruder- schaften‘. Diese Arbeitervereinigungen pflegen, wie bei uns die konfessionellen Arbeitervereine (jedoch ohne deren agitatorischen Charakter zu haben) die Geselligkeit. Ausserdem besteht ihre Funktion in gemeinschaftlicher Hilfeleistung an Mitglieder, die auf irgendeine Art in Not geraten. Berühmt ist ferner die über das ganze Land verbreitete Gesell- schaft „Moose“, die von dem derzeitigen Staatssekretär des Arbeitsdepartements, Mr. Davis, gegründet wurde, die Waisen- häuser und andere soziale Einrichtungen unterhält und beitrag- leistende Mitglieder aus allen Kreisen der amerikanischen Gesell- schaft hat. Es zeigt sich auch auf diesem Gebiet die echt englische, schemalose, systemlose Lebendigkeit der organischen Gestaltung, die Einrichtungen schafft, wie sich von Fall zu Fall die Notwendig- keit ergibt, und die Probleme anpackt, wie sie aus dem Fluss der Zeiten auftauchen. Bei den verhältnismässig hohen Löhnen, die — auch im Landes- durchschnitt — gezahlt werden, gibt es ausserdem für die staat- liche Sozialversicherung noch einen weiteren — wenn auch nicht immer erfreulichen — Ersatz in der privaten Versicherung, der Arbeiter in viel grösserer Zahl als in irgendeinem anderen Lande beitreten. Zu diesem Ergebnis kam auch eine Untersuchung, die der amerikanische Gewerkschaftsbund über die Beteiligung der Arbeiter an privaten Versicherungseinrichtungen anstellte, Die Lebensversicherungsgesellschaften der Union hatten (1924) einen Geldbestand von 10 Milliarden Dollar angehäuft. Die Zahl der bei ihnen Versicherten hat sich von 1914 bis 1924 vervierfacht. Der Gewerkschaftsbund schätzt, dass allein seine Mitglieder pro Jahr über 100 Millionen Dollar an Lebensversicherungsprämien zahlen, zumeist in der Form der „Sozial-Policen‘“, auf welche die Prämie wöchentlich erhoben wird. Der Gewerkschaftsbund hegt die Absicht, den unverhältnismässigen Gewinn der Versicherungs- gesellschaften ausschalten zu können durch Schaffung eigener Ver- sicherungseinrichtungen, gleichfalls auf der Prämiengrundlage. 134 zukreuzende Fahrschein der deutschen Strassenbahnen ist in Amerika in der Regel durch einen kleinen Kassenautomaten ersetzt, der dem Schaffner in die Hand passt. Der Schaffner hält dem Fahrgast den kleinen Automaten entgegen, dieser steckt die 5 oder 10 Cents hinein, der Schaffner drückt auf einen Knopf, es ertönt ein kleiner Glockenschlag, etwa wie beim Anschlagen einer Fahr- radklingel — das Signal für die ehrliche Bezahlung durch den Fahr- gast und für die ehrliche Quittung durch den Schaffner! Wir fanden auch andere Systeme. So eines, das für den Zonentarif einer Überlandschnellbahn eingerichtet war. An den Stirnwänden des Wagens eine Preisuhr, der Zeiger ist mittels eines langen Stabes im Wagen von jedem Platz aus zu bewegen. Man denke sich an Stelle des Klingelriemens in unseren Strassenbahnwagen einen Stab, der vom Schaffner um seine Achse gedreht wird, bis der Zeiger an, der Preisuhr den entsprechenden Betrag, den der Fahr- gast zahlt, jedem Mitfahrenden anzeigt. Die New Yorker Untergrundbahn hat einen Einheitspreis — 5 Cents —, der Einwurf in den Drehautomaten verschafft den Ein- tritt in den Bahnhof. Es gibt nur Wechselkassen. Der Austritt aus den Bahnhöfen ist frei, respektive nur durch Türen zu erreichen, die eine Rückkehr unmöglich machen. Die Bedienung an den Post- und Eisenbahnschaltern ist im Prinzip die gleiche wie bei uns, nur mit dem Unterschied, dass im besonderen in den Postämtern jeder Beamte seinen Namen an das Schalterfenster steckt. Der Amerikaner will wissen, mit wem er es zu tun hat. Deswegen finden wir überdies auch in den ameri- kanischen Banken die Namen der einzelnen Beamten vor ihren Plätzen; dies geht bis zu den höchsten Angestellten und Beamten. Man verlässt sich auf beiderseitiges anständiges Benehmen und gegenseitige Rücksichtnahme. So ergibt sich auch hier ein Arbeits- tempo, das physisch durchaus keine grössere Intensität verlangt, als das bei uns üblich ist. Über die Arbeitszeit wird im zweiten Abschnitt des Amerika- berichtes ausführlich gesprochen. Es erübrigt sich deswegen, dass hier des näheren darauf eingegangen wird. Vorweggenommen SEl nur, dass der achtstündige Arbeitstag in Amerika wesentlich weiter verbreitet ist als in Deutschland. Eine quantitative Steige- rung des Arbeitseffektes auf dem Wege der langen Arbeitszeit ist in den Vereinigten Staaten im allgemeinen nicht üblich. Das ändert natürlich hichts daran, dass in so manchem Unternehmen, von der chemischen Industrie bis zum Aufwaschbetrieb grosser Hotels und auch an anderen Stellen, immer wieder versucht wird, aus dem Arbeiter quantitative Maximalleistungen durch willkürliche Aus- dehnung der Arbeitszeit herauszupressen. Aber ist das in Deutsch- land nicht ebenso häufig der Fall? 41 oder indirekt diese Kombinationen fördert oder selbst einführt, übernimmt sie hiermit die Verantwortung für die Preisentwicklung. Mögen die Preise vernünftig oder zu hoch sein, die Bevölkerung der konsumierenden Länder wird stets ihre Aufmerksamkeit auf die verkaufende Regierung richten, und die Angelegenheit wird das nationale Empfinden aller Konsumenten erregen. Die betroffenen Völker verlangen sofort ein Einschreiten ihrer eigenen Regierung und erwarten, dass diese alle Kräfte für ihren Schutz einsetzen wird. Im vergangenen Jahre hatten unsere Regierungsstellen Tag für Tag mit solchen Appellen zu tun. Hiermit werden die Handels: beziehungen der Kaufleute in die Sphäre internationaler Beziehungen emporgehoben und werden so zur Brutstätte von Kritik und Hass.. Unsere auswärtigen Amter müssen sich dann früher oder später zu Händlern auf den Warenmärkten entwickeln. Obwohl kaum wegen der Frage der Warenpreise Kriege entstehen werden, liegt in solchen Aktionen sicherlich der Keim zu sehr bösartigen Entwicklungen der internationalen Atmosphäre.“ Aus der Rede Hoovers tritt deutlich die Erkenntnis von der zu- nehmenden Bindung der amerikanischen Wirtschaft durch das Ge- flecht der weltwirtschaftlichen Beziehungen zutage. Man versucht, von starkem nationalen Selbstbewusstsein getragen, sich in freier Kritik die Bahn für einen Ausgleich zu schaffen. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass man die Hooversche Stellungnahme in den Vereinigten Staaten nicht nur als Verteidigung, sondern auch als Angriff verstehen kann. ‚Die wirtschaftsimperialistischen Gross- staaten der Welt werden nicht ohne weiteres dadurch friediertig, dass ihre Produzenten billig einkaufen. Ebensowenigz wird dadurch der soziale Gegensatz im Lande aufgelöst. Am Anfang aller wirtschaftspolitischen Verhandlungen und völkerbundlichen Kon- struktionen steht der Wille zur Verständigung. Bei den amerika- nischen Gewerkschaftern fanden wir diese Freundlichkeit des guten Willens. Und am Ende aller Auseinandersetzungen um die relative Grösse des Anteiles am Ertrage der Arbeit wird in der privat- kapitalistischen Wirtschaftsordnung immer der Kampf stehen. Das haben auch 'die amerikanischen Gewerkschaften erkannt. Deswegen fühlen wir uns ihnen verwandt, trotz aller Unterschiedlichkeit in der Weltanschauung. 90 mit 100 angenommen wurde, dahin, dass in der Bekleidungsindustrie auch die beste Anlage noch 27 Verlustpunkte aufweise, in der Bau- industrie 30, in der Druckereiindustrie 31, in der Schuhindustrie 13, in der Metallindustrie 6 und in der Textilindustrie 28 Punkte. C Die durchschnittliche Minderwertigkeit der Betriebe wurde in der Bekleidungsindustrie mit 64 Punkten als die höchste registriert, in der Metallindustrie war die durchschnittliche Minderwertigkeits- ziffer mit 27 Punkten die geringste. Diese bedeutsamen Untersuchungen sind in ihrem Wesen und im besonderen in ihrer Konsequenz völlig planwirtschaftlicher Natur. Aber auch hier tritt wieder in den Vereinigten Staaten das Eigen- artige ein, was wir weiter oben „staatssozialistischen Privatkapita- lismus‘“ genannt haben. Die Erkenntnis wird gesucht, was für die Gesamtwirtschaft richtig ist, und es wird dem Volke eindeutig genug gesagt, nicht nur wie mangelhaft gewirtschaftet wird, son- dern auch wer dafür verantwortlich ist. Aber an eine ernsthafte Auswirkung in der Gesetzgebung, die einen Zwang zur Ökonomisie- rung darstellen könnte, denkt niemand. Man predigt die Wahrheit, aber überlässt dem einzelnen die Einsicht. Richtig ist natürlich, dass solche eingehende Kritik dennoch ihren Einfluss ausübt. Überdies kann man sich für Deutschland eine gleiche Unter- suchung über die aus der Verschwendung erwachsende Unwirt- Schaftlichkeit nicht gut vorstellen. Dazu gehört ein nationaler Gemeinsinn — und wenn es auch einer von privatkapitalistischer Natur wäre —, den das führende deutsche Unternehmertum nicht aufbrächte. Nachfolgend bringen wir den Fragebogen jener umfassenden Untersuchung. Er gibt wichtige Einblicke. 1. Datum der Erhebung. A. Beschreibt. 2. Industriegruppe (mit statistischer Bezeichnung). 3. Name des Unternehmens. a) Wird das Unternehmen als Aktiengesellschaft, in anderer Gesell- schaftsform oder als Einzelfirma geführt? b) Gründungsjahr. c) Daten der Geschäftsumwandlung (Einträge in das Register). * Sitz der Firma. a) Liegt das Unternehmen günstig bezüglich 1. der Rohstoffe und der Hilfsmittel, 2. des Absatzes der Erzeugnisse, 3. der Fähigkeit und der Zahl der verfügbaren Arbeiter? 5. Wo ist der Sitz der Hauptgeschäftsleitung ? 6. Ort und Gründungsjahr von Schwester- oder Tochterunternehmungen. 7. Kennzeichnung der Geschäfte (Finzelaufträge oder periodisch laufende Aufträge?). 73 Von den weissen Landesbewohnern stammen von Eltern, die beide in Amerika geboren sind 54,0 Prozent von „gemischten“ Eltern (d. h. nur eines von beiden. in Amerika geboren) ............ 73 von eingewanderten Eltern En re wana Rene IS m In Amerika geborene Landesbewohner .... 77,1 Prozent Fingewandert .....................-..... 22,9 ex Diese Einwanderer nach Zahl, Herkunft und Bildungsstand und Erwerbstätigkeit zu betrachten, ist bei jedem Versuch einer Würdi- gung der sozialen Verhältnisse der Vereinigten Staaten unerläss- lich. Die heutige Bevölkerung der Vereinigten Staaten setzt sich nach den Gruppen*) ihrer Abstammung prozentual etwa wie folgt zusammen: a) Germanisch-nordisch: englisch. ....... 022 Prozent deutsch ,..0..... 2 MSc EG 5 skandinavisch ....... 5 holländisch ........ . b) Süd- und osteuropäisch: slawisch ........... 10 Prozent jitaßenischt nf 15 sonstige Romanen .. 3 A €) NEZE ee WE. Prozent Dies sind die Nationalitäten, soweit sie für die soziale Betrachtung in Frage kommen. Die indianischen Ureinwohner machen nur einen Bruchteil eines Prozentes der heutigen Bevölkerung aus, was ebenfalls für die Chinesen und Japaner zutrifft. In der obigen Rubrik „sonstige Romanen“ sind über eine Hälfte Franzosen ent- halten. Da jedoch viele von ihnen, besonders im Grenzgebiet von Kanada, eine Art abgeschlossenes nationales Eigenleben führen, fallen sie für die folgenden Betrachtungen über die Gliederung der amerikanischen Gesellschaft fort. Wenden wir uns nun zu den Einwanderungsziffern für je zehn Jahre während eines Jahrhunderts: 1820 bis 1830 : 13 000 1831: „, 1840 749/000 3841, 1850 171,000 1851 ‚, 1860 2598 000 1861 ‚, 1870 2315000 1571 „ 1880 2812000 1881 „ 1890 5247000 1) Diese Einteilung liegt — unausgesprochen — den Bestimmungen der Einwanderungs- beschränkung durch das Gesetz von 1924 zugrunde und war der Leitgedanke für dessen Befürworter, 102 Umrechnung in deutsche Maße, Gewichte und Geldpreise in Pfennige. Ki SS Ss Yes Ss 3 © | As = | 3585 85 WE AHE: Qp SU En 8! SB SP Sl Bl AS SE Sl SM BEST Ed SR SS EN Sa A aD ESS ER E=lE5 Ss „m ‚ES o © SS 3 { = ze 4 | 3 ‚5 ss CS [<6] OÖ 3. | SS s - = Q, B N _ | N ©) OU Rindfleisch: beste Qual. Pfund 192 201 175|177 191 183 173 207 246 | 212 ' 174 | 166 151 177 158 ‘177 | 157 billigste ;, 71 64 77 / 59 61 57 62 908 5077 546 62 55 728 628 68 68 | 75 Schweinekotelett ... 171 W160" 169 | 177 | 177% 154 1608181 3183 || 178 | 146 154 | 195% 16214 158% 159 | 148 Speck in Scheiben. .-: „ 191 231 | 191 1219 | 21910225 W214 82121 198 i 225 1210 | 2181 265 3201 | 198 | 212 | 202 Schinken in -. 2571124511246 | 261 | 2608254 1122601265 | 268 "| 267 [235 | 23311. 282 1260/11230 | 243 |.234 Hammelkeule ..; ; ;. 19211700182 | 168% 18208164. 1.178 12 186 |" 18911 183% 1538 176 W171 1948 171 | 177 HS er ‚184 175' 193 '] 187 187.152 1671182 1189 | 205{! 167° 1528 197 W157 17381 1564| 175 Lachs (konserv.). . .:. 1281" 1520 1361| 1434| 1480160W 13801364 132 1344| 151 4 1588 131 | 1520141 1481 173 Milch ;. ......., Literm 485 520 441 520 52 48 37 560 446 521 48 41 520 3598 67 70 46 Butter. ........ . Pfund268 22823511246 242 E2320 22200242349 | 246 | 243 217240 257 1244 | 25901241 Oelmargarine .. . "— 133 128 143 148 139 124 128 144 141 145! 129 127 133 157 1401174 147 Nussmargarine .. ... 128911981384. 144 Mı27 Wız8H 127.131 1370137 | 120 {1330 135 14501468 157011136 Nase , 169 W185167 (166 1.1738171 | 1621738117611 177 | 160[. 156 167W 16131524 167 164 Eier... 4... Dizd.al57 | 1708150 | 17015 1680 1504 157207816941 1741| 152 1440 1650 15208 166 1] 159% 158 Brot. ;. 7 Pfund 43 | 46 43| 37| 40 44 42 44 43| 43| 441 47 46 48 50| 48 41 Mehl... . 0... 26 1 25027 | 271427 27 24028. .26% ‚27 2641,27 30 32 34 1 13301. 34 Weisse Bohnen ... 434 4601 40| 451 43 | 4701 440005200 47 | 44 | 42 | 45 ‚480588 150 | IS64 245 Kartoffeln.....‘... 3 148 110 11 12 8| 11 8a 13 17) Bl B 61 196° 15 11 17 15 Zucker, gemahlen. . . I. 31 | 328 33 341 341 36| 32 | 29 29| 33] 34| 368 33% 361 31 | 36 | 31 Tee. ...... . 1353 | 3421347 | 365 |. 340 | 379 11329 | 295 [325 365 | 323 || 337 313 | 456 | 335 | 424 384 Killer 229 | 2380213 | 2441124011 246 0223 | 213° 2121237 | 225 | 24511237 |" 236 | 212 | 249 | 173 Pflatimen .....'. .. vo / 84 | 81 | 88 &/ / 82 80 727 681 91] 907 83.70 81 76 | 91 87 Apfelsinen _. ...... Dutz.|| 236 | 252 | 230 252 | 247 | 224 | 2.7 | 288 | 273 | 249 | 215 | 232 1211 | 216 | 204 | 235 | 210 — Die Zahlen dieser Seite zeigen die amerikanischen Preise in deutschen Pfennigen, und zwar für die umgerechneten Maß- und Gewichtseinheiten, also = lı für Pfund, Liter usw. statt der englisch-amerikanischen Pound, Quart usw, (vorige Seite). ER KR =- aD A WS EFT ae CC + = NO E En ——_—_ BE Plate Printers and Die Stampers’ Unien Label A CRBENN r An 7 W Cd Union Label of Carpenters and Jolnora RB’ Vi f Eu Deskinder Unten Ya Em er International Photo-Engravers‘ Union Label EC GUSTQ ASUS ALORS © Gl VW C ZU ANIZESZ © Hr SI 4 A-E a) > >S EN le IUNG DS L S ES ic s . Nr S (neeıstERED) aremıeaen Local Pressmen’s Union Label I ION 1 ABE = een Hohen Button Button Es ‚Jabel of the Journermen N '’ailors’ Union of America ES U A DR Allied Printing Trades Labol Br ze AL A N Tin rin A tere ar erteaamT era RZ u ff x Apbolsterers f Orgamanh &} PM SOGRAPH) International Wnton us ]8° f “ A al Mara Ayerln On £) 9 «UNION (A ILABE an EA 5 X ST UNION MADE x . THIS #5 TO CERTIPY. 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Nur die Vereinigten Staaten haben eine Konsumentenschaft von weit über hundert Millionen Köpfen, die in einheitlichen Lebenstormen denken und handeln. Sie sind so gleichartig, weil sie nicht aus tausendjähriger Ent- wicklung stammen, sondern im neunzehnten Jahrhundert — aus der Einwanderungsiflut — erwuchsen. Der Zwang des Überflusses hat in Amerika ganz eigene Methoden der Absatzsteigerung entwickelt, die sich bei uns nicht durchsetzen können, weil in Deutschland das Bremselement, die Reaktion der weit über 3000 Kartelle und Preiskonventionen, sich auswirkt, weil — wie schon erörtert — die Mentalität des deutschen Unter- nehmers in historischen Denkfiguren gebunden ist. Die Einstellung des amerikanischen Unternehmers zum Warenpreis ist deswegen in ihrem ganzen Wesen anders als die des deutschen Unternehmers. Seine Maxime ist: Viel umsetzen und vor allem schnell umsetzen. Wenig umsetzen ist sehr teuer, und langsam umsetzen kostet Geld. So entstanden der Sport der Preisherabsetzungen und der so- genannte „Dienst am Kunden“. Sie haben sich nicht überall frei- willig entwickelt. Im besonderen die Preismonopolisten, die Trusts, waren es immer wieder, die versuchten, ihre Vorherrschaft in der Umbildung der hohen Gewinne zu Renten sich auswirken zu lassen. Es hat des- wegen gegen ihre Preispolitik gewaltige Stürme gegeben. Man ist dabei in Amerika an sich gar nicht so trustfeindlich, wie wir gern annehmen. Man schätzt und erkennt an, dass Trustbildungen wirt- schaftliche Rationalisierungen darstellen. Gerade aus dem Gegen- satz dieser Erkenntnis der Allgemeinheit und der gegen sie sich auswirkenden privatkapitalistischen Profitpolitik, die in dem er- wähnten Sinne von den Trustführern fortgesetzt erneut versucht wird, ist die Kritik der Trusts immer lebendig geblieben. Das ist durchaus nicht Trustfeindschaft an sich. Auch die Antitrustgesetz- gebung hat diesen Wandel durchgemacht. Die Stimmung des Amerikaners, der auf dem Boden der mate- riellen Formeln der Wirtschaft vertraut ist, ist den Warenpreisen gegenüber nüchtern. Werden ihm die Waren durch Ermässigungen entgegengebracht, so sieht er darin für sich den Anreiz des Er- sparnisgewinnes. Dann kauft er. Das weiss die Industrie. Sobald AR zu steigern, als die Gütervermehrung abzusetzen. Dieser Fluch lastet jetzt ganz besonders schwer auf Deutschland. So erstaunlich für uns die technischen und arbeitsorganisatorischen Leistungen Amerikas sind, das eigentliche „Wirtschaftswunder“ ist doch mehr darin zu suchen, dass die schnell wachsende Güter- produktion vom Konsum verdaut werden konnte. Neuerdings nehmen zwar auch drüben die Besorgnisse zu, dass es in diesem Tempo nicht weitergehen könne, und die Stimmen mehren sich, die eine „Krise der Überproduktion‘“ prophezeien. Aber selbst wenn früher oder später eine solche Wendung eintreten sollte, so bleibt doch der seit Jahren anhaltende günstige Verlauf der Dinge als eine Tatsache bestehen, die für die Beurteilung der Entwicklungs- möglichkeiten der kapitalistischen Wirtschaft von allerhöchster Wichtigkeit ist. In der sozialistischen Arbeiterbewegung war man früher geneigt, dem Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaft als einer ent- wicklungsgesetzlichen Naturnotwendigkeit entgegenzusehen in der Annahme, dass mit dem zunehmenden technischen Fortschritt und dem Anwachsen der Produktivität „die Produktivkräfite der heutigen Gesellschaft über den Kopf wachsen“ müssten und „immer massen- hafter die Armee der überschüssigen Arbeiter‘“ würde. Auch ohne den Einfluss des amerikanischen Beispiels hat sich in den letzten Jahrzehnten die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Verlauf der Praxis mit einem solchen starren Entwicklungsschema doch nicht ganz übereinstimmt. Eine entsprechende Revision der theoretischen Auffassung hat sich — wenigstens in Deutschland — in aller Form schon vollzogen. Der theoretische Streit darüber, ob unter der Herrschaft einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung für die Arbeiterklasse überhaupt die Möglichkeit besteht, bei wachsender Produktivität an der Vermehrung des Wohlstandes teilzunehmen, oder ob nicht vielmehr alle Vorteile einer solchen Entwicklung den Kapitalisten zufallen müssen, ist erloschen. Die Tatsachen und die Erfolge der Gewerkschaften haben bewiesen, dass es in der kapitalistischen Wirtschaft durchaus kein Naturgesetz gibt, wonach die ökonomische Lage der Arbeiterschaft nicht verbessert werden könne. Diese Erkenntnis ist weit entfernt etwa von einer Aus- söhnung mit demkapitalistischen System selbst, dessen ökonomische Widersprüche und soziale Ungerechtigkeiten nicht dadurch wider- legt sind, dass es immerhin auch der Arbeiterklasse eine Ver- besserung ihrer Lebenshaltung ermöglicht. Inwieweit es der Arbeiterklasse nun tatsächlich gelingt, einen Anteil vom wachsenden Produktionsertrag zu erhalten, erscheint im wesentlichen als eine Frage der sozialen Machtverhältnisse. Eben dadurch wurde ja die Theorie von der wachsenden Ver- elendung der Arbeiterklasse erschüttert, dass die Gewerkschaften 53 7. Steht die Kostenberechnung im Einklang mit der Buchführung? a) Werden die Kosten bestimmt | 1. nach jedem einzelnen Arbeitsstück oder einer Serie, 2. aus allgemeinen Mittelwerten oder Versuchsstücken, | durch Ermittlung aus vereinheitlichten Arbeitsbestandteilen oder aus der Gesamtarbeit? 4. Nach welcher Methode? 5) Werden: die Materialkosten bestimmt nach 1. den tatsächlichen Kaufpreisen, 2; dem mittleren Kaufpreis, 3. dem Normalpreis, 4. dem Marktpreis? c) Wem werden die ermittelten Produktionskosten vorgelegt? d) Werden die Abteilungsleiter und Meister für die Kosten, die in ihrer Abteilung entstehen, verantwortlich gemacht? x. Wird die ungenützte Arbeitszeit des Arbeiters festgestellt? a) Wird sie in Geld oder in Arbeitsstunden zusammengestellt? b) Werden die Einzelursachen ersichtlich‘ gemacht durch Warten L. auf Arbeit, 2. auf Werkzeuge, 3. auf Material, e 4. auf Hilfskräfte, . 5. auf Instandsetzung der Maschinen? c) Angaben der Zahlenwerte für die Jahre 1918 ff. d) Wurde eine Untersuchung der Ursachen nach. ihrer Bedeutung vorgenommen? Welches Ergebnis hatte sie? . e) Welche Verluste erlitten die Arbeitnehmer durch unausgenützte Arbeitszeit, insbesondere der gelernte Durchschnittsarbeiter? 1. Verluste überhaupt in Prozenten der Jahresarbeitszeit, 2. Verluste, verursacht durch Warten ‚auf Arbeit, in. Prozenten der Jahresarbeitszeit gerechnet, * Verluste, verursacht durch andere Umstände als Warten auf Arbeit, in Prozenten der Jahresarbeitszeit gerechnet. Sind diese Angaben nach tatsächlichen Aufzeichnungen oder aus dem Gedächtnis ermittelt? Wurde versucht, die tatsächliche Produktionsergiebigkeit mit einem Produktionsstandard zu : vergleichen?. Geben; Sie vergleichende Zahlenwerte an bezüglich a) der Arbeit, b) der. Arbeiter, ; c) der Abteilungen und Gruppen, d). der Einrichtung. e) Was Seschieht, wenn ein Arbeiter oder eine Gruppe von Arbeitern weniger Produziert, als bestimmt ist? . | j) Ist Sn bestimmter Produktionsstandard, der vom Arbeiter täglich Erreicht werden Soll, für die verschiedenen Arten von Arbeit ermittelt? g) Werden die Arbeiter nach der jeweiligen Eignung zu verschiedenen Arbeiten klassifiziert? h) Werden 'sie nach ihrer Stufe in Schichten eingeteilt? Q5 bindungen mit amerikanischen Arbeitern und Arbeitervertretern deutscher wie englischer Zunge war es unserer Delegation möglich, mit den Lebensverhältnissen der amerikanischen Arbeiter in un- mittelbare Berührung und Vertrautheit zu kommen. Wir können hier nicht im einzelnen, sondern nur im allgemeinen den Dank an alle, die uns bei der Erfüllung unserer Aufgaben behilf- lich gewesen sind, für das freundliche Entgegenkommen abstatten. Aber einen können wir nicht ungenannt lassen. Es ist der Berg- arbeiter Eduard Wick, der aus den Kohlengruben Pennsylvaniens kam und als Beauftragter des amerikanischen Bergarbeiter-Ver- bandes vom ersten bis zum letzten Augenblick mit hingebungsvoller Bereitwilligkeit uns mit seinem klugen Rat zur Seite gestanden hat. Ihm sei neben dem Dank an alle unser besonderer Dank aus- gesprochen. Wir sind uns bewusst, dass zum genauen Erkennenlernen eines so grossen Landes mit seinem vielgestaltigen Leben nicht nur Jahre des Studiums, sondern Jahre der Arbeit und des Lebens in diesem Lande erforderlich wären. Was wir aber in der verhältnis- mässig kurzen Zeit von zwei Monaten gesehen und gehört, er- forscht und festgestellt haben, ist wissenswert genug, es hier zu- sammenzufassen und der Öffentlichkeit zu vermitteln. 19 Minnesota verdient bei wöchentlich 54stündiger Arbeit 24 Dollar in der Woche. Seinem Kollegen in Chicago (Illinois) ist für die gleiche Arbeitsart bei 44 Wochenstunden ein Lohn von 41,80 Dollar tariflich garantiert, und jede über 44 Stunden hinaus geleistete Arbeitsstunde wird ihm doppelt bezahlt! Die Kosten der Lebens- haltung rechtfertigen diesen Unterschied auch nicht. Im Gegenteil hat das Labor Bureau, Chicago, festgestellt, dass ein und derselbe Haushalt in Minneapolis (Minnesota) 4,6 Prozent mehr kostet als in Chicago. Aber in Minnesota machten der Saisonwettbewerb ärmerer Farmer und andere unglückliche Umstände die Schaffung einer starken Organisation bisher unmöglich, Chicago, das gute Organisationen hat, hemmt den „freien Wettbewerb“ durch Tarif- verträge. Und wo immer die gewerkschaftliche Bewegung ihre Wurzeln schlägt, sei es in einem Distrikt oder in einer Industrie, da steigen bei sonst gleichen Voraussetzungen die Löhne und bessern sich die Arbeitsbedingungen. Sind auch die Erfolge nicht immer so krass wie im Fall der weiblichen Konfektionsarbeiter; so beweisen doch die Unternehmer bei neuen Lohnerhöhungen ganz wie bei uns, dass entweder der Betrieb untergeht, oder der Industriezweig, oder die Nation — je nach dem Grade der Gemüts- erhitzung. Also nicht zwischen Tariflöhnen und nichttariflichen Löhnen verläuft die schärfere Scheidelinie hinsichtlich der Lohnhöhe, sondern zwischen den von der Arbeiterbewegung (direkt oder indirekt) irgendwie beeinflussten und den in freier Ausbeutung Zzu- stande gekommenen Lohnfestsetzungen. Damit soll keineswegs in Frage gestellt werden, dass die direkten „union shops“ immer noch bessere Arbeitsbedingungen haben als die nur indirekten Nutz- niesser des gewerkschaftlichen Kampfes. Die „union shops‘ haben durchweg den Achtstundentag, sie leiden nicht unter der Betriebs- spionage, dem heimlichen Beobachtungssystem und seinen Begleit- erscheinungen an üblem Schmarotzertum, Sie beziehen die höchsten Löhne ihres Berufes und stellen sich, weil sie ein Wort mitzureden haben, vor allem auch bei Festsetzung etwaiger Akkordsätze besser. Beispiel eines amerikanischen Tarifvertrages. Tarifvertrag des Internationalen Verbandes der Maschinen- und Werkzeug- schlosser, Distrikt 8 (Chicago und Umgegend). Artikel 1. Hat die Firma Bedarf an Arbeitern, welche unter diesen Tarifvertrag fallen, so ist davon spätestens 24 Stunden vor der beabsichtigten Ein- stellung das Werkstattkomitee*) oder das Verbandsbureau, Machinists’ Hall 113 S Ashland Blvd, Chicago, brieflich oder telephonisch zu benach- # 1) Das Werkstattkomitee („shop committee“) ist kein „Betriebsrat“, sondern eine Gruppe gewerk- schaftlicher Vertrauensmänner, die u. a. auch Beiträge einziehen, 145 Die deutschen Gewerkschaften sind sich bewusst, dass es keine allgemein gültigen Rezepte der Theorie gibt, die nur praktiziert zu werden brauchen, um immerwährenden Sonnenschein zu schaffen. Aber der grosse Gegensatz ist im alten Europa und im besonderen in Deutschland der gleiche wie im jungen Amerika! Die Realitäten des Tages werden über der grossen Perspektive der Zukunft von den Gewerkschaften nicht übersehen. Sie wissen, dass zwischen dem heute und dem Ziel der Weg liegt. Deswegen haben ihre Ver- treter bei der Studienreise in den Vereinigten Staaten nicht An- zeichen der kommenden „grossen Auseinandersetzung‘“ gesucht, sie haben aber die deutlichen Spuren des Weges gefunden, der zu sozialen Erkenntnissen und Kämpfen führen muss. Fbenso wie der amerikanische Arbeiter nur auf seinem eigenen Boden das werden konnte, was in diesem Bericht geschildert wird, so ist auch der amerikanische Unternehmer ein spezifisches Pro- dukt seines Junglandes. Hier sollen nicht die Menschen, sondern ihre Taten und ihr Tun dargestellt und vergleichend untersucht werden. Deswegen sind die praktischen Resultate der deutschen und der amerikanischen Wirtschaft und nicht ihre Theorien mit- einander in Beziehung gesetzt. Dabei ist nach bestem Wissen und Gewissen objektiv verfahren worden. Das Urteil ist häufig dem Leser selbst überlassen, weil es uns selbstverständlich erschien. Der Standpunkt des deutschen Gewerkschafters ist bekannt genug, als dass es notwendig erschiene, ihn fortgesetzt zu wiederholen. 2. Das Tempo der Produktion. Das Tempo der Produktion steht heute im Vordergrund der Dis- kussion. Dabei wird gemeinhin unter „Tempo der Produktion“ das Leistungsauantum des Arbeiters in gegebener Arbeitszeit bei be- stimmter körperlicher Anstrengung verstanden. Hier bleibe noch unerörtert, dass damit unter einem Sammelbegriff, der schon mehr ein Schlagwort ist, sehr Unterschiedliches zusammengefasst wird. Vorerst sei unterstrichen, dass das „Tempo der Produktion“, ganz gleich, was man sich darunter auch vorstellen mag, aus dem Zu- sammenhang des lebendigen Kraftfeldes einer Wirtschaft gelöst, nur bei Berücksichtigung erheblicher Einwendungen beobachtet werden kann. Das „Tempo der Produktion“ — auf den arbeitenden Menschen bezogen — ist in seiner Intensität, nicht nur durch den „guten Willen“ oder — negativ gesehen — den „bösen Willen“, noch allein durch die im Arbeitenden vorhandene physische Kraft bestimmt. Es sind z.B. als das „Tempo“ des Arbeitenden mit beeinflussende Faktoren die besonderen Voraussetzungen der Arbeit zu beachten: 30 Süd-Carolina gezahlt und beträgt dort 1 Dollar, das ist reichlich das Fünffache des Tariflohnes von Gleiwitz. Wahrscheinlich hat die Gewerkschaft der Maurer im Staate Süd-Carolina (den wir nicht ‚durch eigene Anschauung kennenzulernen Gelegenheit hatten) die Neger strikt organisiert, oder aber sie schliesst sie aus dem Beruf völlig aus; denn bei freier Negerkonkurrenz müsste der Lohn dort viel geringer sein. Darauf lassen die Löhne in der Baumwollindustrie und in den Kohlen- und Erzbergwerken des Südens schliessen sowie auch der Umstand, dass in der von uns benutzten und hier wiedergegebenen Tabelle bei den drei typischen Negerstaaten: Georgien, Süd-Carolina und Alabama, die Hilfs- arbeiterlöhne fehlen. Wahrscheinlich sind es typische Negerlöhne, die ausserhalb der gewerkschaftlichen Beeinflussung liegen und so niedrig sind, dass die staatliche Statistik sie wegliess, um das Zahlenbild nicht zu verunzieren, oder um nicht für die Gewerk- schaften unfreiwillige Werbearbeit zu leisten. Den höchsten Hilfsarbeiterlohn im Maurergewerbe hat inDeutsch- land Hamburg mit 1,07 Mk., in Amerika St. Louis mit 1,15 Dollar gleich 4,83 Mk., das ist das Viereinhalbfache. Etwa der niedrigste Lohn dieser Gruppe in Deutschland (Gleiwitz) ist 0,68 Mk., in Amerika (Louisville) 0,50 Dollar, das ist etwas mehr als das Dreifache. War bisher (abgesehen vom Buchdruckgewerbe) nur von Bau- arbeitern die Rede, so wird sich zeigen, dass es in anderen Ge- werben ähnlich steht. Der tarifliche Mindestlohn der Maschinen- und Werkzeug- schlosser in allen von uns besuchten Städten lag zwischen 0,90 Dollar als unterster und 1,10 Dollar als oberster Grenze (abgesehen von Detroit, wo er in der Automobilsaison noch höher ist), beträgt also im Durchschnitt des nordöstlichen industriellen Landesteiles etwa 1 Dollar gleich 4,20 Mk. Das ist fast das Viereinhalbfache des durchschnittlichen Stundenlohnes gelernter deutscher Metall- arbeiter (0,90 Mk.). Andere Metallarbeiter verdienen in Amerika noch wesentlich mehr als die Maschinenschlosser, z. B., wie die Tabelle der Tariflöhne zeigt, die Installateure, die allerdings wieder dem Baugewerbe zugehören, aber auch die Former und Metallgiesser. Im Falle der Metallarbeiter ist jedoch ganz nachdrücklich zu bemerken, dass deren gewerkschaftlich vereinbarte Tariflöhne nicht, wie die der Buchdrucker und namentlich der Bauhand- werker, ohne weiteres auch annähernd der ortsübliche Tagelohn sind. Letztere sind prozentual stärker und durchgreifender organi- siert und sind dadurch, wie schon gesagt, in der günstigen Lage, ihr tarifliches Lohnminimum beinahe zu verallgemeinern. Das trifft für die Metallarbeiter nur in einzelnen, und bei weitem nicht in den grössten Berufszweigen zu. Ausserdem sind in den Metall- 1692 Soweit sich übersehen lässt, berührt auch dieses Problem unmit- telbar bedeutend weniger das alteingesessene Amerikanertum. als vielmehr die Neueingewanderten, deren schlechtbezahlte Erwerbs- arten es oft nötig machen, dass die Familienmitglieder mit ver- dienen. Ganz bestimmt aber trifft dies zu für die Heimarbeiter, die es heute noch in den Grossstädten des Ostens gibt. Wir haben ihre Behausungen in den trostlosen Stadtvierteln New Yorks kennen- gelernt. Sie arbeiten Putzmacherei allerlei Art, machen Schmuck- gegenstände und Spielereien, billige’ Halsbänder, Armbänder usw. Wenn die Frau und zwei Kinder von morgens bis abends arbeiten, bringen sie es allenfalls auf 1% Dollar oder 1% Dollar im Tage. Ihre Wohnung besteht aus zwei Räumen, die in gesundheitlicher und ästhetischer Hinsicht der Beschreibung spotten. Nach unserer Er- kundigung sind sie so gut wie restlos aus der. neueren Ein- wandererschicht. Die Frauenarbeit beschränkt sich gewiss nicht auf die ärmere Schicht der Neueingewanderten und auf die farbigen Rassen. Im Gegenteil: immer mehr Frauen aus den bessergestellten Schichten nehmen den Wettbewerb mit dem Manne im Berufsleben auf und haben oft genug Stellungen inne, die ihnen mehr einbringen, als der Mann im gleichen Berufe durchschnittlich verdient. In den niedrigsten Betätigungsarten aber, wo häufig Hunger- löhne gezahlt werden, ist wieder die Frau aus den ersten Genera- tionen der Neueinwandererschicht geradezu auffallend stark ver- treten. Das ergibt sich — ebenso wie der starke Anteil der Kinder- arbeit — schon durch den schlechten Verdienst der meisten Männer dieser Kategorie. In Chicago arbeiten Frauen ungarischer, italieni- scher und slawischer Herkunft in Waschanstalten täglich zehn Stunden und sogar länger, um einen Wochenlohn von 10bis 12Dollar (was am gleichen Orte ein Dienstmädchen, jedoch bei freier Ver- pflegung und Wohnung, erhält!) und manchmal darunter zu ver- dienen. Wahrscheinlich ist dies auch in anderen Städten nicht besser, sondern eher schlechter, denn im allgemeinen gehören sowohl die Organisations- wie die Arbeitsverhältnisse von Chicago, und anscheinend vom Staate Illinois überhaupt, zu den besten des Landes. Ja, die genannten Arbeiterinnen haben dort gerade zur Zeit unseres Aufenthaltes einen erfolgreichen Anfang gemacht, sich gewerkschaftlich zusammenzuschliessen, um so ihre Arbeitsbedin- gungen zu verbessern. Vielleicht haben sie sich dabei die Arbeite- rinnen der Bekleidungsfabrikation zum Vorbild genommen, die vor noch nicht langer Zeit in ähnlicher Weise ausgebeutet wurden und nunmehr, seitdem sie eine gewerkschaftliche Organisation haben, in 44 Wochenstunden in ‚Akkordarbeit (z. B. in Cleveland) bis zu 50 Dollar verdienen, ein Lohn, der sich neben dem eines 119 Kraftausgaben vermehrt leisten muss, ohne damit auch nur quan- titativ irgendeinen Arbeitseffekt zu erreichen. Es soll — damit keine Missverständnisse entstehen — hier deut- lich unterstrichen werden, dass der Trieb zur Konzentration auf möglichst kleiner Fläche beim amerikanischen Unternehmer nicht etwa nur von organisationswissenschaftlicher Erwägung ausgeht. Der Unternehmer sieht seinen Vorteil bei dieser Enge. Der Vorteil ist auch in den Vereinigten Staaten für den Unternehmer ein Be- weggrund, von dem er sich gern dazu verführen lässt, alle anderen Rücksichten nicht zu beachten. Deswegen sind die amerikanischen Betriebe häufig lebensgefährlich eng, und betriebshygienisch sind sie vielfach mit unseren modernen Betrieben nicht zu vergleichen. Die älteren Betriebe sind ja allerdings auch in Deutschland keine Musteranstalten. d) Die Normisierung. Ein bedeutsames Element der Produktionssteigerung ist für die Vereinigten Staaten zweifelsohne die „Uniformität“ der Ware. Dar- über werden in Deutschland gern Wunderdinge erzählt. Als klassisches Beispiel gilt gemeinhin die amerikanische Automobil- produktion. Der innere Zusammenhang zwischen Massenproduktion und Einheitsfabrikat ist aber in den Vereinigten Staaten ein ganz anderer, als bei uns zumeist angenommen wird. Es wird in den Vereinigten Staaten durchaus nicht nur eine Motortype hergestellt. Wir registrierten 54 marktgängige Auto- mobil-Motortypen. Die üblichen Wagentypen sind selbstverständ- lich noch viel zahlreicher. Es gibt zurzeit in den Vereinigten Staaten nach den eigenen Angaben der Automobilfabriken genau 495 einzelne Ausstattungstypen, die sämtlich in mehr oder weniger grossen Serien hergestellt und verkauft werden. In der nachfolgenden Tabelle bringen wir eine Zusammenstellung der amerikanischen Motortypen. Bei jeder einzelnen sind die Zahl der mit ihr. hergestellten Wagentypen und dahinter der Preis ver- merkt. Nicht übersehen darf bei dieser Tabelle werden, dass eine Reihe der genannten Motorenfabriken in sich wieder Produktions- konzerne bilden. So existiert z. B. die General Motor Co., sie hat eine ganze Reihe von Automobilgesellschaften organisatorisch zu- sammengefasst; dies gilt aber mehr für Einkauf und Verkauf als für die Produktion. Das Prinzip der Vereinheitlichung des amerikanischen Autos liegt also weder im Aussehen, noch in der Qualität der Automobile. Es liegt darin, dass die Grundlagen der Automobilproduktion, Wagenrahmen, Motor, Kühler, Räder, Magnet, Vergaser, Laternen, 56 wahrscheinlichen monatlichen Konsum von einem Zentner Kar- toffeln und fünf Viertelzentnern Schwarzbrot einsetzen, So ergäbe sich bezeichnenderweise eine verhältnismässig bedeutend höhere Ausgabe als bei Einsetzung der wirklich konsumierten höher- wertigen Nahrungsmittel. Das Schwarzbrot steht drüben, weil es kein allgemeines Volksnahrungsmittel, sondern eher ein Kuriosum ist, im Preise ebenso hoch wie das Weissbrot, und aus demselben Grunde sind auch die Kartoffeln verhältnismässig teuer, zeigen in den verschiedenen Gegenden gewaltige Preisunterschiede und kosten an den teuersten Orten das Dreifache gegenüber den billigsten. (Vgl. Tabelle Seite 178.) Nähme man umgekehrt die in amerikanischen Familien konsumierten Lebensmittel als Massstab, die etwa dem nahekommen, was in unseren üblichen „bürger- lichen Restaurants“ geboten wird, so wäre dies wieder auf den deutschen Arbeiterhaushalt unanwendbar. Es bliebe also zunächst die eine Vergleichsmöglichkeit, für be- stimmte Waren und Bedürfnisse die amerikanischen Preise an- zugeben und dem den Stundenverdienst eines Arbeiters zur Seite zu setzen. Dies haben wir in Milwaukee versucht. Die dortigen Lebens- haltungskosten halten sich etwas über der Mitte im Gesamtdurch- schnitt verschiedener Städte des industriellen Nordostens. Wir haben die Lebenshaltungskosten in verschiedenen Städten des Nordostens und der Westküste, wie sie das Labor Bureau zu Chicago errechnet hat, in Verhältniszahlen zu Milwaukee gleich 100 umgesetzt und dabei folgendes Bild erhalten: Los Angeles 109 Minneapolis‘ .....4. 4. 107 San Francisco 4.0.4.0 107 Chicago 102 Milwaukee EEE AO Philadelphia 4 Brock New Vor Rochester NS Reading (Pennsylvania) .. 57 Schenectady (New York).. &° Bezeichnenderweise ist die Verhältniszahl für die grossen Städte Philadelphia, Brooklyn, New York und Rochester niedriger und auch für Chicago nur wenig höher als für Milwaukee, so dass wir mit unserer Rechnung nicht unter, sondern über den Durchschnitt gegriffen haben. Nun haben wir in Milwaukee nachfolgende Preise ermittelt und diesen die zur Bezahlung erforderlichen Arbeitsstunden eines un- gelernten Arbeiters am Orte, welcher durchschnittlich 50 Cent oder einen halben Dollar verdient, gegenübergestellt: 173 hältnissen emporgearbeitet haben. Wenn sich die Vahlpropagärida, nur zur Hälfte auf wahre Tatsachen stützte, dürfte/eS’in den höchsten? Stellungen nur wenige Persönlichkeiten geben; Bene iS Stiefelputzer oder Zeitungsjunge angefangen Haben.‘ Als in Kr jungen deutschen Republik ein ehemaliger Arbeit Reichspräsident wurde, sahen weite Kreise darin den sichtbarst@i ‚Ausdru k we Sittenverderbnis und einer ganz und gar verrückte ät as in „Sattlergeselle“ sich anmassen durfte, das höchste StaatSamt zu bekleiden. Auch solche, die unumwunden die hervorragende staats- männische Eignung Fritz Eberts anerkannten, kamen doch über den „dunklen Schatten“ seiner Arbeitervergangenheit nicht hinweg. In Amerika versucht jeder Bewerber um ein hohes politisches Amt krampfhaift, solche „dunklen Punkte‘ in seiner Vergangenheit nach- zuweisen, um damit die Stimme der öffentlichen Meinung für sich zu gewinnen. Das sind typische Äusserungen einer allgemeinen Volkspsyche, die sich sehr von derjenigen in europäischen Ländern unterscheidet, und die nicht ohne Einfluss ist auf die ideologische Einstellung auch der Arbeiterbewegung. n * 2. Aus der Entstehungsgeschichte des Gewerkschaftsbundes ( American Federation of Labor) Die Entstehung der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung hat sehr viel Ähnlichkeit mit derjenigen in europäischen Ländern. Die Zunitverfassung des Gewerbes führt die Handwerksgesellen der einzelnen Berufe in lokalen Verbindungen zusammen. Zweck der Vereinigung ist die Pflege von Unterstützungseinrichtungen. Ursprünglichineiner organisatorischen Verbindung mit den Meistern, tritt allmählich eine Trennung ein, und mit der zunehmenden Indu- strialisierung gerät das gemeinsame Handwerksinteresse mehr und mehr in Konflikt mit dem besonderen Arbeitsinteresse. Damit voll- zieht sich der Übergang zur modernen Gewerkschaftsbewegung. Schon in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts traten Ar- beiterkongresse zusammen, auf denen die Gründung von nationalen und internationalen Fachverbänden beschlossen wurde (ebenso wie heute noch verstand man unter „nationalen“ Organisationen solche, die sich auf das Bundesgebiet beschränkten, während die „inter- nationalen“ Kanada, früher auch Mexiko einbegriffen). Indie Zeit von 1850 bis 1880 fällt die Gründung der meisten heute bestehenden Zentralverbände. Nach einer Statistik von 1884 gab es damals deren 41 mit zusammen 434 550 Mitgliedern. Die Zahl der Mitglieder in nicht zentralisierten Lokalverbänden wurde auf 75 000 geschätzt, und weitere 200 000 gehörten dem gewerkschaftlichen Geheimorden der „Ritter der Arbeit‘ an. 207 1. Das Unfall- und Hinterbliebenen-Gesetz. Das unerhört rasche Anschwellen der Industriearbeiterzahl und damit natürlich auch der Zahl der Unfälle sowie der materiellen Unsicherheit hat auch die besser gestellte, organisierte Arbeiter- schaft — trotz der heute noch weitverbreiteten Neigung zu liberalen Auffassungen — zu der Erkenntnis geführt, dass es notwendig sei, sich gegen Schicksalslaunen und Berufsgefahren auf irgendeine Weise gesichert zu wissen. In einer Äusserung des amerikanischen Gewerkschaftsbundes zur Unfallgesetzgebung heisst es zustimmend: „Der Industrialismus, der die heutige Zivilisation beherrscht, ist auf- gebaut auf der Grundlage der Kollektivität. Die Gruppen der Produktion unterliegen der Arbeitsteilung. Aus dieser Gruppenorganisation der Industrie ergeben sich eine Reihe von Folgerungen, die die Einführung der kollektiven Methode in immer weitere Gebiete und Tätigkeiten nahelegen. Eine der tiefgreifendsten Entwicklungen besteht in dem Übergang von dem früheren Begriff der Unfallhaftung des Unternehmers zur Arbeiter-Unfall- entschädigung oder Sozialversicherung. Die Unternehmer-Haftpflicht ging davon aus, dass das Arbeitsverhältnis ein Verhältnis zwischen Individuen sei und folglich jeder Arbeiter ein gewisses Risiko bei beruflichen Unfällen zu tragen habe. Aus der Wirk- samkeit des Unternehmer-Haftpflichtgesetzes heraus entwickelte sich ein klareres Verständnis des Verhältnisses zwischen Berufsunfällen und mechanischer Massenproduktion sowie der Methoden für die Gewähr- leistung angemessener Entschädigung derer, die in der Produktion Unfall erlitten. In Erkenntnis der Tatsache, dass industrielle Unfälle nicht völlig vermeidbar sind, hat die Industrie in zunehmendem Masse die Ver- antwortung übernommen für die in der Produktion erlittenen physischen Schäden.“ Schliesslich musste sich auch der staatliche Liberalismus und das unternehmerliche Freibeutertum dieser sozialen Notwendigkeit bequemen. So trat in jüngster Zeit an Stelle einer sehr beschränkten Haftpflicht des Arbeitgebers (die sich lediglich auf den Fall der „Fahrlässigkeit‘“ erstreckte) eine ausgebaute Unfall- und Hinter- bliebenengesetzgebung, die in 42 von den 48 nordamerikanischen Staaten heute in Kraft ist und von den Unternehmern sowie teil- weise (namentlich hinsichtlich der Verwaltungsorganisation) vom Staate finanziert wird. Ausgenommen von diesem Versicherungsgesetz sind die Arbeiter der Land- und Hauswirtschaft, in einigen Staaten auch die Bureau- und kaufmännischen Berufe durch die Bestimmung, dass nur Be- triebe mit „Berufsgefahren‘“ unter das Versicherungsgesetz fallen. Gleichfalls sind in einigen Staaten die kleinen Unternehmer mit drei-bis fünf Arbeitern von der Versicherung befreit. Dagegen unterstehen die Bundesstaaten und die Bundesregierung als Arbeit- geber ebenfalls dem Gesetz. 130 ziehung je nach der Gesetzgebung und nach der Verwaltungspraxis der einzelnen Staaten. Wir sagten hier, dass nach dem Bundes- gesetz nur Erzeugung und Vertrieb, nicht aber das blosse Trinken von Alkohol strafbar sei. Es gibt aber daneben in einzelnen Staaten verschärfende Sondergesetze, wonach nicht nur öffentliche Trunken- heit, sondern der Alkoholgenuss überhaupt bestraft wird. So wurde uns von einem Staat des Mittelwestens erzählt, dass es dort schon ausreichend sei, nach Alkohol zu riechen, um in den Höllen- pfuhl der Vorbestraften zu versinken. Von einem anderen Staat wissen wir, dass jedes Automobil einfach beschlagnahmt wird, bei dessen Insassen man auch nur die geringste Menge Alkohol vor- findet. — Sehr nachsichtig ist man hingegen im Staate New York. In der Stadt selbst sahen wir auf einem mitternächtlichen Spazier- gang in der Gegend des Times Square in Zeit von einer halben Stunde drei Betrunkene, welche ihren Mageninhalt in wenig appetit- licher Weise übers Zahngehege beförderten. Das Auge der aus- übenden Gerechtigkeit blickte gütig lächelnd auf diesen Ver- fassungsbruch, und dem einen der übelgewordenen Übeltäter half sogar die Hand des Gesetzes in den herbeigepfiffenen Taxi hinein Am bedauerlichsten werden die fraglichen 45 Prozent Alkohol- konsumbeschränkung durch den Schaden an der öffentlichen Moral kompensiert. Man muss sich gegenwärtig halten, was die staatliche Verfassung einstmals dem Amerikaner bedeutete. Schon den Zöglingen der Elementarschulen wurde sie nebst der Bibel als Gegenstand inbrünstiger Verehrung präsentiert. Jetzt wird sie täglich gebrochen. Tausende wandern wegen Übertretung der Prohibition ins Gefängnis, und da man dies Gesetz oft und gern übertritt, so gilt eine solche Strafe nicht einmal als besondere Schande. Wer aber kann noch genau unterscheiden zwischen dieser Art von der allmächtigen öffentlichen Meinung im voraus be- gnadigten „Verbrechern‘“ und denen, die silberne Löffel stehlen? Die letzteren werden mit Vorliebe sagen, sie hätten wegen Whisky- trinken gesessen, und sich vor den Augen der Gerechten die Märtyrerkrone aufs schuldbeladene Haupt stülpen. Denn als Märtyrer fühlen sie sich alle, die Hunderttausende von Übertretern des Schnapsverbotes. Und wenn der schulpflichtige Junge draussen vor der Tür Posten steht, derweil sein Erzeuger im tiefen Keller oder in der Waschküche den „homebrew“ fabriziert, so muss sich die Familie vorkommen wie eine kleine Urchristengemeinde in Roms Katakomben unter Nero und Diokletian oder die Hersteller sozialdemokratischer Flugschriften unter Bismarcks Verfolgungs- gesetz. Der zähe Widerstand dieser Gesetzesbrecher hat zuweilen etwas Imponierendes und wäre einer besseren Sache würdig. „Man bricht jetzt in diesem Land alltäglich ein Gesetz und will schliesslich nicht einsehen, warum man nicht auch ein anderes gelegentlich soll 190 jene vorwärtstreibende „Erwerbstüchtigkeit“ ebenso abgeht wie angeblich der Mehrzahl der Einwanderer aus den süd- und ost- europäischen Agrarländern, so gibt es noch viele unglückliche Um- stände, die einzelne an der Höherentwicklung hindern oder sie von einer höheren Stufe wieder herabgleiten lassen; diese. Umstände können allgemein-menschlicher Art sein oder in den besonderen Verhältnissen des Landes begründet liegen, und diese Verhältnisse sind auf sozialem Gebiete so vielgestaltig, dass man sich hüten muss, sie auf bequeme Formeln bringen zu wollen. Die etwa 60000 Mitglieder jener syndikalistisch-revolutionären Arbeiter- organisation mit dem Namen „International Workers of the World“ (1.W.W.), meist arme Teufel, die in der Mehrzahl in den west- lichen Staaten des Landes als Transportarbeiter, Farmtagelöhner, Holzfäller, Hüttenarbeiter, Werit- und Textilarbeiter usw. bei schlechtem Lohn ein unstetes Leben führen, sind zum nicht ge- ringen Teil ihrer Herkunft nach „Vollbürger“. Desgleichen gibt es in der schlecht zahlenden Textilindustrie und den Berg- werken, Walzwerken und Eisenhütten des Südens zum Teil solche Leute ebenso wie in manchen Industrien des Nordens. An dieser Stelle sollen auch die landwirtschaftlichenErntearbeiter nicht unerwähnt bleiben, die als eine der merkwürdigsten sozialen Erscheinungen des Landes dastehen. Auch sie sind wohl der Mehr- zahl nach alteingesessene Staatsbürger. Ihr Problem hat Professor D. D. Lescohier von der schon erwähnten Universität Madison untersucht und uns darüber schätzbare Informationen gegeben. Es handelt sich um jährlich 100000 bis 200000 Arbeiter, die in den Monaten zwischen Juni und September als Erntearbeiter im so- genannten „Weizengürtel“, in den Staaten Texas, Kansas, Missouri, Illinois, Jowa, North- und South Dakota und Minnesota arbeiten. Sie beginnen ihre Saisonarbeit im Juni und durchziehen die Weizen- staaten in der aufgezählten Reihenfolge, wobei sie oft bis ins kanadische Gebiet hineingelangen. Auf jeder Farm, die sie an- stellt, arbeiten sie während etwa 10 bis 20 Erntetagen, um dann an einem anderen Orte die Ernte mitzumachen. Nicht alle machen den ganzen Weg vom Süden zur Nordgrenze. Viele von ihnen sind ärmere Farmer, die im Stall oder auf dem Felde Unglück hatten, oder die schwere Pachtzinsen zahlen müssen und mit der Ge- legenheitsarbeit ihre Habe ein wenig ergänzen. Farmer und Farm- arbeiter machen zusammen ein reichliches Drittel bis zwei Fünftel der Saisonarbeiter aus. Diese wohnen meist selber in den ge- nannten Weizenstaaten. Der grössere Rest sind städtische Arbeiter (etwa 30 Prozent) sowie 15 Prozent Mechaniker, die die Traktoren, Mäh- und Erntemaschinen bedienen. Sechs Prozent 118 die wir besuchten, können wir guten Gewissens dasselbe berichten, und weder die Kellner noch die Barbiere zu New York bewegen sich flinker als in Berlin. Dagegen haben wir einen höheren Arbeits- effekt gefunden unter anderem und vor allem in verschiedenen Zweigen der Metallindustrie. Dies hat zwei augenfällige und ganz verschiedene Ursachen. Typisch für die erste ist der Fordbetrieb. Die „Vorleute“, ein Zwischenglied zwischen eigentlichen Werk- meistern und Arbeitern, haben für die Beschaffung der Zeichnungen und ähnlicher erforderlicher Hilfsmittel Sorge zu tragen. Zerbricht der Arbeiter ein Werkzeug, einen Hammerstiel u. dgl., so legt er das zerstörte Stück beiseite. Irgendein Tagelöhner, der zu diesem ausschliesslichen Zweck immer die betreffende Abteilung durch- wandert, greift das Werkzeug auf und schafft in wenigen Minuten den Ersatz heran. Diese Ersparnis unnötiger Verrichtungen setzt sich in höheren Produktionseffekt um; aber was beweist das für den besseren Willen des amerikanischen Arbeiters? Wer die Wallfahrten deutscher Metallarbeiter von einer Abteilung in die andere nach einer Zeichnung aus eigener Erfahrung kennt, wer die Konferenzen und Massenversammlungen vor den Werkzeug- ausgaben in unseren Maschinenfabriken schon erlebt hat, der weiss, dass der deutsche Arbeiter viel darum gäbe, wenn er dank einer entsprechenden Betriebsorganisation diese ärgerlichen Trödeleien in ein rhythmisches Arbeitstempo umsetzen könnte. Eine solche Organisation ist auch in Amerika nicht überall durchgeführt. Wir sahen Reparaturwerkstätten der Eisenbahn im Landinnern, wo an Gemütlichkeit des „Arbeitstempos“, gekreuzten Beinen und Spazier- gängen nach der Werkzeugstelle nichts zu wünschen blieb. Dann gibt es aber ausserdem den Typ von Betrieben mit „forschem Arbeitstempo“. Es sind dies technisch rückständige Betriebe, die jedoch nach echter Unternehmersehnsucht die mangelnde Ergiebigkeit ihrer technischen Einrichtung durch An- treiben ihrer Arbeitskräfte ersetzen. Sie beschäftigen mit Vorliebe hilflose Leute, Kinder, Frauen, sprachunkundige Einwanderer, die nicht überall Beschäftigung finden usw. Diese Art „Tempo“ findet man in kleinen und kleinsten Schokoladenfabriken, Konserven- fabriken, Metallwarenfabriken usw., aber auch in grösseren Unter- nehmen. Die riesigen Schlächtereien und Fleischfabriken von Chicago dürften z.B. nach unseren Eindrücken eine Kombination der erstgenannten und der letzteren Art der Arbeitsbeschleunigung darstellen und wahrscheinlich auch das grosse Versandgeschäft von Sears Roebuck in Chicago, das mit einer vortrefflichen Be- triebstechnik und dabei mit meistenteils weiblichen Kräften arbeitet. In der Hauptsache ist es aber die überaus bedeutende und rasend schnell gross gewordene Metallwaren- und Maschinenindustrie, die eine überlegene Betriebsorganisation aufweist. 1m 196 auch in den Riesenkarawansereien, wie sie erst neuerdings die Statlergesellschaft in den grössten amerikanischen Städten gebaut hat und baut. Wir fanden kein Einheitsbett, auch nicht in den aller- neuesten, eben erst eröffneten Betrieben dieser Art. Häufig fanden sich in jeder Etage, mitunter sogar auf den gleichen Stockwerken und in den einzelnen Zimmern, verschiedene Bettformen. Die Betten waren nicht nur in der Form und im Material, sondern auch in den Grössen, in der Fusshöhe usw. durchaus unterschiedlich. Es war nicht der Zimmerpreis, der das Aussehen des Bettes bestimmte! Das gleiche ergab sich überdies auch für die Bettwäsche, ob- wohl die Normisierungskommission mit Stolz berichtet, dass sie Bettdecken- und Bettüchergrössen in der Typenzahl von 78 auf 12 herabgedrückt habe. Aber in den Hotels konnten ja Geschäfts- gründe irgendwelcher Art gegen die Normisierung gesprochen haben. Wir gingen in die Möbelabteilungen der Warenhäuser für den Mittelstand und in die Kaufhäuser, in denen die Arbeiter kaufen, studierten die Kataloge der grossen Versandhäuser, die an Millionen von Farmern liefern. Wir fanden einige hundert verschiedene Bett- typen und -arten. (Wir sprechen hier nicht von gleichen Typen in unterschiedlicher Qualität!) Wir befragten uns in den Kaufhäusern über die „Standard“betten, über diejenigen in der Fülle der vorhandenen Typen, die Massen- umsätze ergeben. Zu unserem Erstaunen wurde uns immer wieder gesagt, dass zu den meistgekauften Marken die verschiedensten Bettypen gehörten. (Wir sprechen hier wieder nicht von ver- schiedenen Preistypen, sondern von unterschiedlichen Typen in etwa gleicher Preislage!) Wir befragten die amerikanischen Gewerkschafter; sie lachten über die Reklamelüge, auf die man hereingefallen sei. Wir befragten amerikanische Unternehmer; sie antworteten, dass Normisierung ... sehr notwendig sei! Wir fragten nach der grössten Bettstellenfabrik Amerikas; aber auch „Simons“ hat mit seinem Metallbett noch nicht das normisierte Einheitsfabrikat erreicht. Und dann der Unterschied der Preise! Ein schweres, weiss lackiertes Metallbett, die Hauptteile aus Eisenrohr von etwa vier Zentimeter Durchmesser, kostet etwa 10 Dollar. Den Patentfeder- rahmen, den es überdies in den verschiedensten Ausführungen gibt, kann man ebenso für etwa 10 Dollar haben. Dazu kommt die Matratze, sie existiert wieder in vielen Ausführungen und Grössen. Die mittlere Qualität kostet etwa 25 Dollar. Dieses so von jedem einzelnen Käufer nach seinem Geschmack und nach seinem Geld- beutel kombinierte Metallbett ist aber durchaus nicht das Ziel aller Amerikaner, Das Metallbett steht in Idealkonkurrenz mit dem heute 69 IV. KAPITEL: DIE ARBEITERBANKEN anderen Federation (American Federation of Labor), die im Lande emporwuchs. Eine oder die andere muss untergehen!“ Selbstverständlich legten die Verurteilten Berufung ein. Nach- dem die nächste Instanz das Urteil bestätigt hatte, wurde es vom Obersten Bundesgericht im Mai 1911 aufgehoben, aber mehr aus einem formalen Grunde und mit der Massgabe, dass es dem zu- ständigen Richter freistehe, eine neue Untersuchung einzuleiten. Das geschah dann auch, und es erfolgte ein neues Urteil mit den- selben Gefängnisstrafen, die dann von der Berufungsinstanz in Geldstrafen umgewandelt wurden. Im Jahre 1914 stand die Sache erneut vor dem Obersten Bundesgericht zur endgültigen Ent- scheidung. Hier erfolgte Freispruch, jedoch ohne Klärung des rechtlichen Sachverhalts, wegen Verjährung zur Zeit des zweiten Untersuchungsverfahrens. Es war also nicht möglich, auf dem ordentlichen Rechtswege eine Klärung herbeizuführen. Daneben waren die Gewerkschaften aber unausgesetzt bemüht gewesen, eine Änderung des Antitrustgesetzes selbst herbei- zuführen. Viele Jahre dauerte es, bis endlich 1914 das Parlament sich bereit fand, das Cherman-Gesetz durch einen Zusatz ( Clayton- Bill) zu ergänzen. Darin heisst es grundsätzlich: „Die Arbeit eines menschlichen Wesens ist nicht eine Ware oder ein Handels- artikel.“ Und dann wird bestimmt: „Was in den Antitrustgesetzen enthalten ist, darf nicht dahin ausgelegt werden, um den Bestand und die Tätigkeit von Hilfs- vereinen, Arbeiter-, Konsumenten-, Ackerbauer- und Gartenbauer- Organisationen zu verbieten, die zum Zwecke gegenseitiger Hilfe errichtet wurden, die kein Aktienkapital besitzen, noch um Gewinn fätig sind. .....“ „Kein Gericht und kein Richter in den Vereinigten Staaten darf einen Einhaltsbefehl herausgeben bei Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Unternehmern oder zwischen Arbeitern unter- einander, welche die Arbeitsbedingungen zum Gegenstand haben, ausser wenn es notwendig ist, um Eigentum oder um Eigentums- rechte der antragstellenden Partei gegen die Zufügung nicht wieder gutzumachenden Schadens zu schützen, und wenn die Schädigung durch kein anderes Rechtsmittel abzewendet werden kann.“ Mit diesen Gesetzesänderungen schien die Gefahr für die Ge- werkschaften endgültig abgewendet zu sein. Und tatsächlich machte sich auch bald‘ eine starke Abnahme der richterlichen Einhaltsbefehle bemerkbar. Im Jahre 1921 hat dann aber die Angelegenheit eine neue und überraschende Wendung zuungunsten der Gewerkschaften genommen, indem nämlich der Oberste Gerichtshof die Clayton-Bill für verfassungswidrig und ungültig erklärte! Zur Zeit seines Prozesses hatte Samuel Gompers einmal die Absurdität der richterlichen Machtansprüche durch die Worte 294 C. Technisches. . Welche organisatorischen Beziehungen bestehen zwischen Werk- leitung und a) eigener Industrie, b) verwandten Industrien, c) abhängigen Industrien? Ist ein Werkplan vorhanden? a) Dient er nur Versicherungszwecken? b) Zeigt er die verschiedenen Abteilungen, Maschinen- und Arbeits- plätze? c) Zeigt er den Gang des Materials oder den Produktionsprozess an? d) Wann wurde er aufgestellt? e) Ist er auf den heutigen Stand gebracht? f) Sind Mittel für ihn ausgeworfen, und ist jemand dafür verant- wortlich? z) Werden Planänderungen schon auf Vorschlag der Werkmeister oder nur als Ergebnis einer Untersuchung durch leitende Kräfte vorgenommen? ‘') Wie gross ist die überbaute Fläche in Quadratmetern für 1. Arbeitsräume, 2. Lager, 3. Bureau? ‘) Beschreibung der Kraftanlage (Wasserkraft, Dampfkraft?). 1. Eigene Erzeugung, 2. Fremdkraft. i) Sind automatische Feuerlöscheinrichtungen (Sprinkler) vorhanden? Wird ein Inventar geführt? a) Wird Buch geführt über Instandsetzung, Ersetzung und Abschrei- bung einzelner Maschinen oder Maschinengruppen, und wird es auf dem laufenden gehalten? b) Ist jedes Inventarstück numeriert? c) Wird die Inventur auf dem laufenden gehalten? ' Gibt es Einheitsausrüstungen zur Ausführung einzelner Arbeiten? a) Welche Ersparnisse werden durch diese Einheitsausrüstungen er- zielt? b) Ist ein einschneidender Wechsel in der Ausrüstung, den Maschinen und Werkzeugen während der letzten zwanzig Jahre zu verzeich- nen, der die Ergiebigkeit in Ihrer Industrie verbessert? Geben Sie Zzutreffendenfalls an, worin diese Änderungen bestanden. c) Welche Ersparnisse brachte die Verwendung von Spezialmaschinen und -ausrüstungen? d) Welche Ersparnisse brachte die Verwendung von Automaten und Halbautomaten? e) Werden hier Rechenschieber oder Tabellen für Drehzahl und Vor- schub verwendet? 79 berichtet, dass ihnen bei Lohnforderungen von Unternehmern, die Deutschland gesehen haben oder gesehen haben wollen, gesagt worden sei: „Meine Herren, Sie sollten einmal in Deutschland leben müssen, dann wüssten Sie erst, was es heisst, fürs tägliche Brot zu arbeiten.“ Solche Reden zeigen, wie auch die „Arbeiter- aristokratie‘“ Amerikas ihren Unternehmern jeden Cent in hartem Kampf abringen muss. Wenn man diese Arbeiter, statt in Ver- gleichung zu ihren schlechter gestellten Mitarbeitern oder zu denen anderer Länder, einmal in ihrer Stellung im Rahmen ihrer eigenen Gesamtwirtschaft und -gesellschaft betrachtet, so sieht man nur allzu deutlich, dass auch sie, bei aller höheren Lebenshaltung, eben nur Lohnarbeiter sind, mit deren Kämpfen und mit deren Existenz- unsicherheit. Und dies wird noch deutlicher zutage treten, wenn erst die kühne Bahn der Gründeriahre endgültig zurückgelegt ist und das Wirtschaftsleben sich auf einer normalen Ebene bewegt. Dann wird das Unternehmertum seine Politik von 1921 in ver- schärfter Form fortsetzen und auf die Löhne drücken. Mit dem Versiegen des Einwandererstroms infolge der stark einschränken- den Gesetzgebung wird gleichzeitig die Regenerierung der unteren Lohnarbeiterschaft aufhören, was einer weiteren Begünstigung der Tendenz zur Nivellierung gleichkommt. Das nächstliegende wäre allerdings, dass die Einwanderersperre fürs erste lohnsteigernd wirkt. Allein eine solche allgemeine Lohnsteigerung ist — selbst wenn die Fernhaltung der Einwanderer nicht durch eine stärkere Bevölkerungsvermehrung im Innern beantwortet werden sollte — von geringer sozialer Bedeutung gegenüber dem allmählichen Finschmelzen der bisherigen Oberschicht in eine werdende, mehr oder weniger homogene, Arbeitermasse. Denn die frühere Ein- wandererschaft wird sich ein Stück weit dem älteren Stamme angleichen und aufhören, die billige Konkurrenz zu sein. Das Unternehmertum aber, dem dann dieses Rekrutenmaterial fehlt, wird versucht sein, sich durch einen allgemeinen Druck auf die Löhne schadlos zu halten und mehr noch als bisher auch die Oberschicht herabzudrücken. Der letzteren und ihren Nach- kommen wird sich auch der Weg zu höheren Stellungen ver- schliessen in dem Masse, wie die Ersatztruppe der Einwanderer- schaft ausbleibt; sie wird mit den anderen zum Grundstock der industriellen Arbeiterschaft — zur „Arbeiterklasse“: Lasciate ogni speranza! Dieser Prozess wird wiederum das Gesicht der Arbeiter- bewegung verändern. Ihr wird es zu einer rein defensiven Not- wendigkeit werden, immer weitere Kreise, auch der Ungelernten, der süd- und osteuropäischen Einwanderer, der weiblichen Arbeiter, der Jugendlichen, der Neger, überhaupt aller Lohnarbeiter, ein- zubeziehen, den Rahmen der Berufsorganisationen zu überschreiten und auszuwachsen zu einer allgemeinen Arbeiterbewegung. 198 In der ersten Zeit des Bundes spielten die Differenzen mit den „Rittern der Arbeit“ eine grosse Rolle. Eine Reihe von Gewerk- schaften blieb aus diesem Grunde der Federation fern, bemühte sich aber, einen Ausgleich zwischen beiden Richtungen herbeizuführen. Ein von diesen Gewerkschaften im Dezember 1886 nach Columbus einberufener Kongress veranlasste die Federation, im gleichen Ort und zu gleicher Zeit ihren eigenen Kongress abzuhalten. Es kam zu gemeinsamen Verhandlungen, bei denen der Versuch einer Ver- ständigung mit den „Rittern der Arbeit“ aufgegeben wurde, wo- gegen eine Vereinigung mit den genannten Gewerkschaften zu- stande kam. Bei dieser Gelegenheit änderte der Bund seinen bis- herigen Namen in „American Federation ot Labor“. u 3. Umfang, Gliederung und Aufgaben. Die äussere Entwicklung des Bundes wird gekennzeichnet durch folgende Ziffern: |Zentral- | Mit |Staaten-|| Orts- ha Mit- In as Bundeskasse Jahr ver- Local | VET- vartelle Schlossene glieder Ein- Aus- “' bände + unions ! bände Lokal- ins- nahmen | gaben a. „„ verbände gesamt Dollar | Dollar 1881 | © 10 75 | 45000 175 036 1885 7 51 — 130 000 584 451 1890 7 2 131 1 199 500 | 23850 21871 1895 34 3: 15) 23 | 207100 13752 15612 1900 63 11 44: 61; 548321 71126 68373 1905 118 331 8599| 1046! 1494 300 207418 196 170 1910 || 120 391) 632 647| 1562 112 193471 177859 1914 | 110121 460 43 647, 570 2020671 263167 265737 1919 | 1 1'33825 45 816| 884 3260068 654688 587518 1925 | 107 '32 157 491 855 436 2865979 509702 533295 Die innere Gliederung des Bundes wird durch die graphische Dar- stellung auf Seite 210 verdeutlicht. Das Fundament sind die lokalen Berufsvereine (local unions). Sie sind in der Regel zusammen- gefasst in zentralen Berufs- oder Industrieverbänden. Daneben gibt es zurzeit noch 436 lokale Fach- und Arbeiterverbände (local trade and federal labor unions), die dem Gewerkschaftsbund direkt angeschlossen sind, und für die ein Zentralverband noch nicht be- steht. In 850 Orten bestehen Gewerkschalftskartelle (city central bodies), die beschickt werden sowohl von den Local unions der Zentralverbände wie von den selbständigen lokalen Gewerkschaften. In jedem Einzelstaat des amerikanischen Staatenbundes hat die F.o.L. eine Bezirksorganisation (state federation) gebildet aus 209 Der Automobilverkehr hat in den Vereinigten Staaten bessere Strassen zur Verfügung; sie sind nicht wie die unsrigen auf einen gemischten Verkehr, vom grossen Lastwagenzug und dem schweren Erntefuhrwerk bis zum Kleinauto und — am Rande — für den Fussgänger und Radfahrenden eingerichtet, sie sind in erster Linie dem Automobilverkehr angepasst. In Amerika zieht man den leichteren, aber wendigen und schnelleren Lastwagen den schweren deutschen Typen vor. So ergibt sich bei der guten Zu- Sammenpassung der Verkehrsmittel mit den für sie gebauten Strassen eine ziemlich hochliegende durchschnittliche Verkehrs- geschwindigkeit. Sie sinkt überdies in den Grossstädten durch die Unterbrechungen bei der Verkehrsregelung viel weiter als bei uns. Die Strassenbahnen haben in den Vereinigten Staaten zu einem erheblichen Teile andere Funktionen als in Deutschland. Sie dienen, etwa nach dem Prinzip, wie es bei uns im besonderen in Rheinland- Westfalen schon etwas entwickelt worden ist, mehr dem inter- lokalen Verkehr. Dieser Verkehr ist entsprechend der Weite des amerikanischen Gebietes häufig unter dem Gesichtspunkte des Schnellbahnverkehrs (Eilgüterverkehr!) ausgebaut. Dabei ist man in der Kombination ausserordentlich beweglich. Als Beispiel sei nur darauf hingewiesen, dass die Züge der Flachschnellbahn, die zwischen Chicago und Milwaukee verkehren, über die Hochbahn- gleise Chicagos geführt werden. Mit der Strassenbahn, die in New York bis heute noch längs des Broadway fährt, sich abgeben, heisst genau soviel Zeit haben, wie bei uns notwendig ist, wenn man in den Grossstädten mit der Strassenbahn im Innern der Stadt längere Wege zurücklegen will. Einzelne unserer Über- landschnellbahnen entwickeln die gleichen Geschwindigkeiten wie die durchschnittlichen gleichartigen Verkehrsmittel in den Ver- einigten Staaten. Das Tempo der amerikanischen Autobusse in den Grossstädten ist nicht anders als in unseren Grossstädten. Bei den Arbeitsmaschinen in den Betrieben, von den Holz- bearbeitungsmaschinen der Tischlereien bis zu den Fräsen der Maschinenfabriken, den Nähmaschinen der Bekleidungswerkstätten und den Rechenmaschinen in den Bureaus, sind die Bewegungs- und Umdrehungsgeschwindigkeiten nicht wesentlich anders als bei uns. Davon kann keine Rede sein, dass bei gleichen Maschinen in den deutschen und den amerikanischen Betrieben diese höhere Leistungen Srzielten, weil sie ihre technischen Apparaturen schneller arbeiten lassen. Auffallend Unterschiedlich im Tempo zu unseren deutschen Ver- hältnissen arbeiten in den Vereinigten Staaten viele Maschinen, die vertikale Distanzen überwinden: Fahrstühle, Ladebäume, Krane. 45 Das junge Nordamerika umfasst über 21 Millionen Quadrat- kilometer, davon ist über ein Drittel — 7,8 Millionen Quadrat- kilometer — Gebiet der Vereinigten Staaten. Das noch grössere Kanada — 9,7 Millionen Quadratkilometer —, Mexiko mit seinen 2 Millionen und Alaska mit 1,5 Millionen Quadratkilometern ver- wachsen seit Jahrzehnten ständig inniger mit der Wirtschaft der Vereinigten Staaten. . Man kann sagen, dass zurzeit die Ausstrahlung der Wirtschaft der Vereinigten Staaten im besonderen nach Kanada und Mexiko Viel kräftiger ist als etwa die des alten Europa nach dem euro- Däischen Russland. . Der Vergleich zeigt uns, dass schon unter dem Gesichtspunkt der geographischen Grösse die Voraussetzungen der Wirtschaften Deutschlands und der Vereinigten Staaten recht unterschiedlich sind. Noch deutlicher wird diese Unterschiedlichkeit, wenn die beiden Staatsgrössen in ihrer Entwicklung während des jüngst ver- gangenen Jahrhunderts und bis zur Gegenwart einer vergleichenden Betrachtung unterzogen werden. Betrachten wir das Tempo der geographischen Raumentwicklung. Die Vereinigten Staaten entstanden 1790 mit 2,1 Millionen Quadratkilometer Fläche. Das Deutsche Reich entstand erst 1871, und mit einer Fläche von 570 000 Quadratkilometern. Die Ver- Quadrat- | Kilometer "70 Millionen _. _ 9 u AM BÜT) 3 Verleinigte bogfen | A WS = 7 Bad 1 A VER 5 5 ! Tilo A ml . #90 800 10° 20 30 40 50 60 % 80 90 790010 20 36 Bis 2 Sta 19 Amerikareise deutscher Gewerkschaftsführer Berlin1926 Verlagsgesellschaft des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes GmbH., Berlin S 14