| Einleitung negative Stellung gegenüber jeder abstrakten Theorie über -«- haupt einnahm, versuchte die andere Richtung eben bloß eine abstrakte Theorie zu konstruieren und kam dabei zu einer Reihe von sehr geschickt erdachten „scheinbaren Erklärungen‘, die aber gerade dort sich als untauglich erwiesen, wo die Theorie Marx’ besonders stark ist, nämlich in den Fragen der Dynamik der heutigen kapitalistischen Gesellschaft. Die klassische Volks- wirtschaftsschule suchte bekanntlich die allgemeinen, d. h. die „abstrakten“ Gesetze des Wirtschaftslebens zu formulieren, und ihr hervorragendster Vertreter, Ricardo, gab staunenswerte Bei- spiele für diese abstrakt-deduktive Forschung. Umgekehrt ent- stand die „historische Schule“ als eine Reaktion gegen diesen „Kosmopolitismus‘“ und „Perpetualismus‘‘ der Klassiker‘. Dieser Unterschied hat seine tiefen sozial-wirtschaftlichen Wur- zeln. Die klassische Theorie mit ihrer Lehre vom Freihandel war trotz ihres „‚Kosmopolitismus‘‘ sogar sehr „national“: sie war das notwendige theoretische Produkt der englischen Industrie. England, das infolge einer Reihe von Umständen die ausschließ- liche Herrschaft auf dem Weltmarkte erhielt, befürchtete keine Konkurrenz und hatte keine künstlichen, d. h. gesetzgebenden Maßnahmen nötig, um seinen Sieg über die Konkurrenten zu sichern. Deshalb hatte es die englische Industrie nicht nötig, sich auf die speziellen englischen Verhältnisse zu berufen, um irgend- welche Zollmauern zu rechtfertigen. Die Theoretiker der eng- lischen Bourgeoise brauchten darum auch nicht ihre Aufmerk- samkeit auf die spezifischen Besonderheiten des eng- lischen Kapitalismus zu richten: obschon sie die Interessen des englischen Kapitals zum Ausdruck brachten, sprachen sie von den allgemeinen Gesetzen der wirtschaftlichen Ent- wicklung. Ein ganz anderes Bild stellte die wirtschaftliche Ent- wicklung des europäischen Kontinents und Amerikas dar*. 3 Unter Kosmopolitismus versteht Knies die Anschauung der Klassiker, daß die volkswirtschaftlichen Gesetze für jedes Land und Volk die gleichen sind; unter Perpetualismus — die analoge Anschauung der klassischen Schule in bezug auf die verschiedenen historischen Epochen — siehe Knies: „Die politische Oekonomie vom ‚geschichtlichen Standpunkte‘‘, Neuauflage 1883, S. 24. 4 Als erster Theoretiker der historischen Schule kann Friedrich List be- trachtet werden, der eine protektionistische Politik forderte. Siehe: „Das nationale System der politischen Oekonomie“, 1841. ZZ