Geographische Verhältnisse. daß manche Länder, z. B. Chile, durch hohe Gebirge von der Hauptmasse des Erdteils abgeschnitten und fast ganz auf sich selbst angewiesen sind. So kam es, daß die Be- wohner des südlichen Amerika ganz ausgeschlossen blieben von der kulturellen Befruchtung, die sich die Bewohner der alten Welt gegenseitig angedeihen ließen, um sie bis zum Ausgang des Mittelalters auf eine Höhe zu führen, die den iberischen Eroberern Süd- Amerikas eine unwiderstehliche Überlegenheit über die schwachen einheimischen Urvölker verlieh. Es war ein Verhängnis für das heutige lateinische Amerika, daß es von Angehörigen der in Europa selbst als die weniger leistungsfähig sich. erweisende Rasse erobert wurde, denn sein wirtschaftlicher Tiefstand ist auf Rechnung der. kolonisatorischen Unfähigkeit der romanischen Eroberer zu Setzen, die nichts für das Land, sondern alles für ihre Tasche taten, d. h. sich nur an den vOrhandenen und er- reichbaren Bodenschätzen bereicherten, in ‚erster Linie den Edelmetallen, ohne für die Entwickelung der in den ver- schwenderischen Fülle von der Natur fast auf den ganzen Erdteil verstreuten Schätze Sinn und Ausdauer zu besitzen. In Mittel- und Südamerika sind nur die Gebirge und das südliche Patagonien von Natur unproduktiv. Die riesigen Wälder und Grasilächen liefern nach der Urbarmachung, wie in den Vereinigten Staaten, den besten Getreideboden. Mäch: tige Ströme gestatten den Verkehr an der Küste bis weit in das Innere, und es scheint, daß bei richtiger Ausnutzung der natürlichen Leistungsfähigkeit dieser Erdteil mehr Rohstoffe und Feldfrüchte zu liefern vermöchte als irgendein anderer *). Es wären also von Natur alle Verhältnisse gegeben, die. es einer, zielbewußten Regierung durch Entwickelung eines auf die reichen Naturerzeugnisse sich stützenden Handels längst ermöglicht hätten, die für die Gründung einer einheimischen Industrie nötigen Kapitalien zu bilden. Inwieweit das Ver- hältnis der kolonisierenden Europäer zu den Eingeborenen hierbei eine Rolle spielen muß, soll in einem späteren Ab- schnitt gezeigt werden. 2. Einfluß des Klimas. Wie zu Anfang dieses Abschnittes erwähnt, gehört mit Ausnahme von Argentinien, Uruguay, Süd- und Mittel-Chile und des nördlichen Mexiko das ganze lateinische Amerika 1) Vgl. Kundt: Die Zukunft unseres Überseehandels. S. 16.