- Die Persönlichkeit Jesu geführt, daß die herrschenden Klassen die Erforschung der Anfänge des Christentums überhaupt verboten, daß sie der Kirche einen göttlichen Charakter beilegten, der überhalb und außerhalb jeder menschlichen Kritik zu stehen hatte. Der bürgerlichen Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts gelang es endlich, diesen göttlichen Nimbus gründlich zu zer- stören. Damit erst wurde eine wissenschaftliche Erforschung der Entstehung des Christentums möglich. Aber merkwürdiger- weise hielt sich auch im neunzehnten Jahrhundert die weltliche Wisssenschaft von diesem Gebiet fern, tat so, als gehöre es noch immer ausschließlich in das Gebiet der Theologie und gehe sie nichts an. Eine ganze Reihe von Geschichtswerken, verfaßt von den bedeutendsten bürgerlichen Geschichtschreibern des neunzehnten Jahrhunderts, die von der römischen Kaiser- zeit handeln, huschen vorsichtig an der wichtigsten Erscheinung dieser Zeit vorbei, der Entstehung des Christentums. So handelt zum Beispiel Mommsen im fünften Bande Feiner römischen Geschichte sehr ausführlich von der jüdischen Ge- schichte unter den Cäsaren, er kann nicht umhin, nebenbei gelegentlich auch des Christentums zu gedenken, aber es tritt bei ihm unvermittelt als fertige Tatsache auf, die als be- kannt vorausgesett wird. Es waren bisher im wesentlichen nur die Theologen und ihre Widersacher, die freidenkerischen Propagandisten, die sich für die Anfänge des Christentums interessierten. Indes brauchte es nicht notwendigerweise Feigheit zu sein, was die bürgerliche Geschichtschreibung, soweit sie eben nur Geschichtschreibung und nicht auch Kampfliteratur sein wollte, davon abhielt, sich mit dem Ursprung des Christentums zu befassen. Schon der trostlose Zustand der Quellen, aus denen wir unsere Kenntnis dieses Gebiets zu schöpfen haben, mußte sie davon abschrecken. Die herkömmliche Auffassung sieht im Christentum die Schöpfung eines einzelnen Mannes, Jesu Christi. Und diese Auffassung ist bis heute nicht überwunden. Wohl gilt Jesus,