S Landmann, Geschichte des öffentlichen Kredites. 8.5. solange bei noch nicht durchgebildeter Scheidung von‘ rex und regnum auch die Ver- selbständigung der Staatswirtschaft gegenüber der fürstlichen Privatwirtschaft weder verwaltungsrechtlich noch rechnungsmäßig vollzogen ist, kann zwischen fürstlichen Privat- und öffentlichen Staatsschulden nicht wohl unterschieden werden. Dementspre- chend erscheint, soferne es sich nicht lediglich um kleinere Verwaltungsschulden einzelner Aemter oder Kassenstellen handelt, nach dem Wortlaute der Schuldurkunden als Schuld- ner der Landesfürst persönlich, nicht der noch nicht objektivierte Staat. Nur bei kurz- fristigen Vorschüssen, oder bei Prolongierung fällig gewordener älterer Schulden werden bloße Amtsquittungen oder ähnliche, nur von Organen der obersten Finanzverwaltung unterzeichnete Urkunden ausgestellt; die eigentliche Staatsschuld dagegen wird immer in der feierlichen Form einer vom Landesherrn eigenhändig unterzeichneten und mit seinem Siegel versehenen Obligation verbrieft. Dieser persönliche Charakter der Schuldließ deren Bestehen, namentlich wenn sie nicht dinglich gesichert war, beim Ableben des Schuldners gefährdet erscheinen; dies tritt zutage nicht etwa bloß in den Geltungs- gebieten des deutschen Rechtes vor der Zurückdrängung der Singular- durch die Uni- versalsukzession, sondern auch in Frankreich gilt bis zu Beginn des 17. Jhs. der Grund- satz, daß die Schulden des Vorgängers auf den Thronfolger nicht übergehen und von letzterem, wenn überhaupt, nur „par honneur, devotion et charit&“ übernommen werden. Die in allen Schuldurkunden wiederkehrenden, auch die Nachfolger verpflichtenden Formeln („für Uns, Unsere Erben und Nachfolger“, „pour nous, nostre couronne et successeurs en icelle‘) genügen nicht, um der Schuld die Qualität der Unsterblichkeit zu Verleihen, und deshalb wird auch bei pfandversicherten Schulden meist die Mit- unterzeichnung der Schuldverschreibung durch sämtliche Agnaten gefordert. Doch auch diese Vorsichtsmaßnahme schützt die Gläubiger nicht vor Verlusten. Nach dem Er- löschen der Seitenlinie Oesterreich-Tirol, 1665, erkannte der Nachfolger in der Regierung, Kaiser Leopold I., die hinterlassenen Schulden nicht an und sicherte nur „aus gutem Willen“ die Verzinsung für die Dauer von drei Jahren zu, und noch in den 70er Jahren des 18. Jhs., als für gewiß gelten mußte, daß Max III. Joseph, der letzte aus dem Stamme der Ludwige von Bayern, keine Thronerben hinterlassen werde, wurde die Frage lebhaft diskutiert, ob der Fortbestand der bei seinem Tode bestehenden Schulden auch nach dem Uebergang der Herrschaft von der bayrischen auf die pfälzische Wittels- bacher Linie rechtlich gesichert sei. Kann die Schuld nicht durch Bestellung von Unterpfändern gesichert werden, dann treten an deren Stelle typischerweise strenge Einlageverpflichtungen und Bürgschaften. Hofwürdenträger, hohe Beamte und Offiziere, Angehörige des Landesadels und reiche Bürger verpflichten sich neben dem fürstlichen Schuldner als Bürgen und Tröster, teils zur bessern materiellen Sicherung der Schuld, teils zur Besserung der Rechtsstellung der Gläubiger im Falle gerichtlicher Liquidation des Schuldverhältnisses; denn wenn auch die Schuldverschreibungen meist einen förmlichen Verzicht des Schuldners auf seine Standesvorteile im Gerichtsverfahren enthalten, so kann doch der Gläubiger den Lan- desherrn nicht wohl vor Gericht zitieren. Aehnliche, auf Besserung teils der materiellen Sicherheiten teils der rechtlichen Eigenschaften des Schuldverhältnisses gerichtete Interessen führen zu den zahlreichen, den öff. Kredit des 15.—18. Jhs. kennzeichnenden Substitutionen; an Stelle des Landesfürsten treten Korporationen, namentlich Städte und Stände, als Schuldner ein. Die Städte des Mittelalters „leihen ihre Siegel‘ dem Stadtherrn, indem sie ihren bessern Kredit in seinen Dienst stellen. Wie die deutschen Städte zugunsten ihrer Herren, so tritt noch zur Zeit der Königin Elisabeth, allerdings nur bei Inanspruchnahme von Krediten im Auslande, die City von London als Bürge, gelegentlich auch unmittelbar als Schuldner englischer Anleihen auf. In größtem und für die Gestaltung der Staats- schuld bedeutsamem Umfange findet diese Inanspruchnahme des städtischen Kredites zur Befriedigung des landesherrlichen Kreditbedarfes in Frankreich statt. Erstmals im Jahre 1522 wurden der Stadt Paris bestimmte, in Paris erhobene Steuern überwiesen, die nunmehr durch städtische Organe bezogen und deren Erträgnisse verwendet werden sollten zur Erfüllung der Verpflichtungen aus einer durch Vermittlung der Stadt be- gebenen Rentenanleihe (rentes sur 1’Hötel de Ville de Paris, nach demselben Prinzip 490