REKLAME UND LESEKUNST 9} Während Schuhmacher, Fleischer, Tischler u. dgl. orts- bekannt waren und einer Ankündigung daher nicht bedurften, weilte der Verkäufer von Büchern, Heilmitteln, Lotterielosen,. meist nur ganz kurze Zeit in einer Stadt, und er mußte daher während dieser Zeit auf ganz besondere Art die Aufmerksam- keit der Bevölkerung auf sich lenken, um den Interessenten seine Anwesenheit bekanntzugeben und sie an sich zu locken. Ähnlich lagen die Verhältnisse bei den Veranstaltungen von Theater- und Zirkusvorstellungen und Kunststücken aller Art. Die älteste geschäftliche Reklame betrifft daher ausschließlich diese Gebiete. ; Auffallend an der Reklame der ältesten Zeit bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts ist die große Anzahl der Illustrationen und Bilder, ein Umstand, der um so mehr ins Gewicht fällt, als ihre Herstellung und Reproduktion in diesen Epochen relativ umständlich und teuer waren. Diese Eigenheit der Reklame ist auf die Unkenntnis des Lesens und Schreibens in den weiten Kreisen der Bevölke ung zurück- zuführen, so daß die bildliche Darstellung das Wort ersetzen mußte. Mit der Verbreitung des Lesens und Schreibens ist durch einige Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hindurch eine Verminderung der Illustrationen und bildlichen Dar- stellungen in der Reklame wahrnehmbar, eine Entwicklung, die allerdings bald wieder in das Gegenteil umschlug. Die Abschaffung des Zunft- und Konzessionswesens in Handel und Produktion in nahezu allen Staaten hatte bald die Folge, daß Produktion und Handel nicht künstlich auf die Deckung des lokalen Bedarfes beschränkt blieben, sondern im Gegenteil, den Bedarf und das Absatzgebiet künstlich zu steigern trachteten. Die mit der steigenden gewerblichen Tätig- keit scharf auftretende Konkurrenz hatte eine immer leb- haftere und großzügigere Reklame zur Folge, eine Tendenz, die noch dadurch beschleunigt wurde, daß in den letzten Jahr- zehnten billige und überaus wirksame Reproduktionsmethoden (Lithographie, Autotypie, Offsetdruck) erfunden wurden; auch die Entwicklung der Elektrizität und der sonstigen Technik wiesen der Reklame neue, ungeahnte Wege. Über den Begriff ‚„‚Geschäftliche Reklame‘“‘ äußert sich Dr. E. Lysinski wie folgt: