der Gesetzgebungsperiode beschließen. Der National- rat wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, den zweiten und den dritten Präsidenten. Zu einem Be- schlusse ist im allgemeinen die Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Mitglieder und die ein- fache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Der Bundesrat ist als Vertretung der Länder, als Länderkammer, gedacht. In ihm sind die Länder im Verhältnis zur Bürgerzahl derart vertreten, daß das Land mit der größten Bürgerzahl zwölf, jedes andere Land so viele Mitglieder entsendet, als dem Verhältnis seiner Bürgerzahl zu der, erstangeführten entspricht; jedem Land gebührt jedoch eine Vertre- tung von wenigstens drei Mitgliedern. Nationalrat und Bundesrat, in gemeinsamer Sitzung vereinigt, bilden die Bundesversammlung. Diese hat nur. vier Obliegenheiten: Die Wahl und Angelobung des Bundespräsidenten, die Beschlußfassung über eine Kriegserklärung, Beschluß über die Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Bundespräsidenten, Er- hebung der Anklage gegen ihn wegen Verletzung der Bundesverfassung. Der Bundesrat hat ein Suspensivveto. Nur gegen die Bewilligung des Voranschlages und die Aufnahme von Bundesanleihen kann der Bundesrat keinen Ein- spruch erheben. Das Schwergewicht der Gesetzgebung und der Politik ist, wie man sieht, in den National- rat verlegt. ; Die überlieferte Einrichtung, daß der Nationalrat — und neben ihm der Bundesrat — an der vollziehenden Gewalt mittelbar und unmittelbar mitwirkt, ist bestehen geblieben. Vor allem bedürfen die politischen Staatsver- träge der Genehmigung des Nationalrates; dann ist jede Kammer befugt, die Geschäftsführung der Regierung zu überprüfen, von deren Mitgliedern Auskünfte zu ver- langen und eigenen Wünschen Ausdruck zu geben. Der Nationalrat wirkt an der Festsetzung von Eisenbahn- tariıfen, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgebühren und Preisen der Monopolgegenstände sowie von Be- zügen der in Betrieben des Bundes ständig beschäftigten Personen mit. Die Verfügung über das Heer isı dem Nationalrat nun auch in der Verfassung gewahrt. Wie früher ist auch jetzt dem Hauptausschuß in bestimm- ten Fällen die Teilnahme an der vollziehenden Gewalt gesichert. In entscheidender Weise beeinflußt er sie von vornherein dadurch, daß die Wahl der Bundes- regierung über seinen Vorschlag vom Nationalrat vorzunehmen ist. Man sieht, die ganze Verfassung atmet den Geist des vollendeten Parlamentarismus unter offener rechtlicher Anerkennung des politischen Parteiwesens. Erwähnt sei noch, daß die Verfassung auch die Einrichtung des Volksbegehrens und der Volksabstimmung vorsieht, letztere insbesonders bei einer Gesamtänderung der Verfassung, ferner bei einer Teiländerung dann, wenn dies ein Drittel der Mit- glieder des Nationalrates oder des Bundesrates ver- lansgt. Neben dem Verfassungswerk kann die Konsti- uierende Nationalversammlung auf eine andere große " eistung ihres zweiten politischen Abschnittes verweisen: \uf das Gesetz über die einmalige große Vermögens- abgabe, welches im Verein mit einigen kleineren Ge- ;etzen (Gemeindeüberweisungsgesetz, Erwerbsteuer- zesetz, Personalsteuernovellen und anderen) für den Aufbau des öffentlichen Haushaltes beträchtliche Mittel flüssig machte. Mehrere Gesetze stellten die Vlilitärjustiz auf neue Grundlagen, andere dienten lem Aufbau der Volksgesundheit, so das Kranken- anstaltengesetz, zwei Spielplatzgesetze, das Gesetz über die Krankenversicherung der Bundesangestellten. Weiters wurden das Urheberrecht und die Pensions- versicherung der Privatangestellten neu geordnet, wirtschaftliche Investitionen durch Steuerbegünstigungen zefördert und die Periode der Elektrifizierung unserer 3ahnen durch das Gesetz über die Finführung der zlektrischen Zugsförderung eingeleitet. Die ganze reiche Arbeit. wurde, abgesehen von den Beratungen in den Ausschüssen, in 102 Vollsitzungen bewältigt. Ein großer Teil der parlamentarischen Arbeiten aber spielte und spielt sich beständig in den zahlreichen Beratungen der Parteiklubs und in Verhandlungen zwischen den Parteien ab, die öffentlich nicht bemerk- ar werden. Zum Wahltag für den ersten. Nationalrat war der 7. Oktober 1920 bestimmt worden. In 25 Wahl- kreisen waren 160 Abgeordnete zu wählen, die mög- lüchst im Verhältnis zur Bürgerzahl auf die Länder verteilt waren. 15 Sitze wurden durch ein zweites Er- nittlungsverfahren als „Reststimmenmandate” nach Vaßgabe unverwerteter Reststimmen verteilt. Kärnten nußte mit der Wahl bis nach der Volksabstimmung über die Grenzen warten und wurde vorläufig durch seine bisherigen Aboseoardneten vertreten. Nationalrat, IL. Gesetzgebungsperiode. (10. November 1020 bis 20. November 1923.) Die politische Entwicklung hatte es mit sich ge- bracht, daß die Ueberzahl der Parteien merklich zu- rückging. Dies hing zum großen Teil damit zusammen, daß die geänderte Wahlordnung die Koppelung der Wahlvorschläge nicht mehr zuließ und die Zuteilung von Reststimmenmandaten vom Gewinn wenigstens aines Abgeordnetensitzes im ersten Ermittlungsver- fahren abhängig machte. Das nötigte zur Sammlung der politischen Kräfte. So war die Zahl der wahlwerbenden Parteien diesmal geringer als bei der letzten Wahl. Nach der Parteiangehörigkeit waren 82 der Gewählten Christ- ichsoziale, 66 Sozialdemokraten, 20 Großdeutsche (und Deutschösterreichische Bauernpartei), 1 Abgeordneter der Bürgerlichen Arbeitspartei; 0 Abgeordnete waren Frauen. Die spätere Wahl in Kärnten änderte nichts an den Parteienverhältnissen. Durch den Erwerb des Burgenlandes stieg dann die Zahl der Abgeordneten