Beispiel bei der Bestellung der Staatsregierung, dann die Zustimmung zu gewissen politisch wichtigen Voll- zugsanweisungen) gerichtet waren, der aber nicht, wie der Staatsrat, Vollziehungsgeschäfte zu führen, sondern bloß mittelbar die Vollziehung zu beein- flussen hatte. b) Eine weitere grundlegende Aenderung gegenüber der ersten provisorischen Verfassung betrifft die Stellung der Präsidenten der Nationalversammlung. Während bisher drei gleichberechtigte Präsidenten bestanden, von denen abwechselnd einer den Vorsitz in der Nationalversammlung, ein anderer den Vorsitz m Staatsrat und der dritte den Vorsitz in der Staats- :egierung zu führen hatte, sieht die neue Verfassung vom März 1919 „den” Präsidenten und als seine Stellvertreter den zweiten und den dritten Präsidenten vor. Der Präsident ist aber nicht nur Vorsitzender der Nationalversammlung, sondern ihm sind auch eine. Reihe von obersten Vollziehungsfunktionen übertragen, und zwar solche, die typische Befugnisse eines Staatshauptes sind, wie die Vertretung nach außen einschließlich der Ratifikation von Staatsver- trägen, die Befugnis zur Ernennung der obersten Beamten und Öffiziere, das Recht der Begnadigung, Strafmilderung und dergleichen: Funktionen, die nach der ersten provisorischen Verfassung teils der Staats- rat, teils das Staatsratsdirektorium ausübten. Auch diese Doppelfunktion des Präsidenten zeigt typisch den Charakter der Parlamentsherrschaft, indem dem Vor- sitzenden der Volksvertretung gerade die den Staat repräsentierenden Funktionen zugewiesen sind, c) Die dritte grundlegende Aenderung der Ver- fassung vom 14. März I919 lag darin, daß sich der Nationalrat zugunsten der Landesgesetzgebungen eine Selbstbeschränkung auferlegte, indem er den ıetzteren bestimmte gesetzgeberische Funktionen über- wies. Allerdings waren tatsächlich auch schon in der arsten Phase die an die Stelle der Landtage getrete- nen Landesversammlungen gesetzgeberisch tätig ge- wesen und diese Tätigkeit war dadurch de facto anerkannt worden, daß zu ihren Beschlüssen eine Art Sanktion des Staatsrates in der Form eines Beitrittes ausgesprochen worden war; nunmehr aber wurde ausdrücklich eine Gesetzgebungskompetenz der Landes- versammlungen, nämlich‘ im selben Umfang, wie sie im Kaiserstaat Oesterreich die Landtage gehabt hatten, normiert. Zugleich wurde ein Einspruchsrecht der Staatsregierung gegen Landesgesetzesbeschlüsse und die Möglichkeit, diese wegen Verfassungswidrig- keit vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten, für Landesgesetze, zu deren Vollziehung die Mitwirkung der Staatsregierung notwendig war, aber das Erfordernis der Gegenzeichnung durch den zuständigen Staats- zekretär oder den Staatskanzler eingeführt. 3. In die zweite Phase der ersten Verfassungs- periode fallen die am 10. September IQI9 erfolgte Unterzeichnung des Staatsvertrages von St. Ger- nain-en-Laye und dessen am 16. Juli 1920 ein- zetretene Wirksamkeit. Dieser Staatsvertrag zwischen der Republik Oesterreich und den alliierten und asso- ziierten Mächten erklärt im Eingang als seinen Zweck inter anderem, an die Stelle des Krieges zwischen Jesterreich-Ungarn und den alliierten und assoziierten VMächten „einen festen, gerechten und dauerhaften Trieden” treten zu lassen. Der Staatsvertrag geht also zon dem Standpunkt aus, daß bis zu seinem Inkraft- reten zwischen der Republik Oesterreich und den ınderen Vertragsmächten ein Kriegszustand bestanden abe, der nun zu beenden sei. Wie bereits ausgeführt, teht diese Fiktion in vollem Widerspruch mit der lurch völkerrechtliche und staatsrechtliche Tatsachen zeschaffenen Rechtslage. Der neue Staat, in revolutio- ıärer Weise, nämlich unter Durchbrechung der ‚taatsrechtlichen Kontinuität entstanden, darf in keiner Weise als Rechtsnachfolger der alten Monarchie ıngesehen werden; er konnte keine kriegerischen Be- ziehungen zu anderen Staaten geerbt haben und es war vidersinnig, ihm den Abschluß eines „Friedensver- rages” aufzuerlegen. Daher wird auch nach unserer zechtsordnung der Vertrag nicht als „Friedensvertrag”, ‚sondern als „Staatsvertrag von St. Germain” be- zeichnet. Dieser Staatsvertrag wirkte tiefgreifend auch n staatsrechtlicher Richtung ein; nur in dieser Richtung st er Gegenstand der vorliegenden Besprechung. Er egte uns eine bestimmte Staatsbezeichnung bei - seither ‚eißt unser Staat „Republik Oesterreich” — er ver- »flichtete uns, unsere Staatsgrenzen in einem gegen- iber dem ursprünglich beanspruchten Staatsgebiet jußerst restringierten Bestande festzusetzen und daher lie darüber hinausgehenden Gebietsansprüche aufzu- zeben, er zwang uns, unser Selbstbestimmungsrecht n der Richtung des Anschlusses an das Deutsche Zeich zurückzustellen, er greift grundlegend in unser staatsbürgerrecht ein, indem er die Ueberführung der altösterreichischen Staatsbürger in unsere und in die Staatsbürgerschaft der anderen „Nachfolgestaaten” ‚egelte, er verpflichtete uns, jene Bestimmungen, die ich "auf den Schutz der Minderheiten und gewisse 5Staatsbürgerschaftsnormen beziehen, als Teil unserer Verfassung anzuerkennen, er legte uns die Einführung ajnes bestimmten Wehrsystems, des Söldnerheeres, auf. Ueberdies enthält er mittelbar die Verpflichtung zur Erhaltung der Einheitlichkeit als Wirtschafts- und Zollgebiet. 4. Es wurde bereits hervorgehoben, daß das zwie- ;pältige Vorgehen bei der Gründung unseres Staates las starke Anwachsen einerseits zentralistischer und anderseits föderalistischer Tendenzen zur Folge hatte. Auch riefen die zerrütteten wirtschaftlichen, insbesondere staatsfinanziellen Verhältnisse, die deı neue Staat zunächst durchmachen mußte, in den Ländern starke Strömungen «gegen eine allzu zentrali- tische Führung hervor, während anderseits gerade liese Verhältnisse zur Notwendigkeit einer weitgehen: