VOM HOFTHEATER ZUM BUNDESTHELEATER Als vor zehn Jahren der alte Kaiserstaat zerfiel, da wurde die neuerstandene Republik Figentümerin des in ihrem Staatsgebiet befindlichen beweglichen und un- beweglichen sogenannten hofärarischen Vermögens. Dar- anter verstand man im allgemeinen jene Vermögen- schaften, die von den Hofstäben verwaltet wurden. Nach Bildung des Kriegsgeschädigtenfonds ging der größte Teil des hofärarischen Vermögens an diesen Fonds über; ein ganz wesentlicher Bestandteil aber wurde ausgenommen und verblieb im Eigentum der Republik: die beiden Hoftheater: das k. k. Hofburgtheater und die k. k. Hof- oper. Diese, so wie alle in Hinkunft vom Staate errich- teten oder betriebenen Theater wurden mit der Voll- zugsanweisung der Staatsregierung vom 21. Mai 1920, StGBl.Nr. 229 als „Österreichische Staatstheater“ dem Unterrichtsamt unterstellt. Seit dem Übergang zur bundesstaatlichen Verfassung heißen sie Österreichische Bundestheater und unterstehen dem Bundesministerium für Unterricht. Mit diesem Übergang aus dem Eigentum des Hofes in das Eigentum des österreichischen Staates war ein zroßer Wendepunkt in der Geschichte dieser Institute eingetreten. Der Wiener Hof — außer dem russischen — der reichste Europas, hatte diese Kunststätten mit reichen Mitteln ausgestattet. Wien war der Mittelpunkt eines großen Reiches und das wirtschaftliche und politische Zentrum der gesamten Monarchie; seine Theater, be- sonders die Hoftheater, waren Anziehungspunkte für alle kunstliebenden Kreise des großen alten Staates. Plötzlich sah sich nun eine kleine Republik, die mit An- spannung aller Kräfte um ihre Existenz rang, als Eigen- :ümerin und Betriebsführerin dieser großen Bühnen, deren Aufwand aus den nunmehr äußerst beschränkten Mitteln zu decken war. Wien als Hauptstadt dieses kleinen Staates hatte mit den schwersten Nahrungssorgen zu kämpfen und es ist nur zu gut erinnerlich wie sehr diese einst reiche Stadt damals auf fremde Hilfe angewiesen war. Es schien, daß unter solchen Umständen für diese Stätten des höfischen Prunkes und Aufwandes kein Raum mehr sei. In den Zeiten der Inflation machte sich insbesondere auch in der Staatsoper bei den Kunst- kräften eine leicht begreifliche zentrifugale Tendenz aach den valutastarken Ländern geltend; nach der Stabili- sierung, die ein Abströmen der Fremden und ein Zer- rinnen des Inflationsgewinnes im Inland brachte, trat wie bei allen Theatern so auch bei den alten Hoftheatern ein starker Rückgang des Besuches ein. Es war eine schwere bange Zeit für diese Institute. Mit aufrichtiger und tiefer Freude muß es erfüllen, daß es gelungen ist, die finsteren Wolken zu zerstreuen und daß beide Theater diese shweren Zeiten über- standen haben, ohne etwas von dem ererbten Glanz und der künstlerischen Höhe einzu- büßen. Geleitet von der Frkenntnis, daß es sich hier uam Werte handelt, die, einmal verloren, nie mehr wieder geschaffen werden können, wurden trotz aller ;chwierigkeiten die zur Erhaltung notwendigen Mittel »ereitgestellt. Allerdings mußte mit größter Sparsamkeit 1ausgehalten und jede unnötige Ausgabe vermieden verden. Es zeigte sich aber auch bald, daß die für die "heater aufgewendeten Mittel keineswegs unproduktiv ind. Vor allem fließt ja ein großer Teil der vom Staat »ewilligten Zuschüsse in der Form von Steuern und Ab- saben, die von den Instituten oder ihren Angestellten »ezahlt werden, wieder an den Staat oder an andere ’ffentlich-rechtliche Körperschaften zurück. Der große 3edarf an Sachgütern verschiedenster Art bedingt es, laß große Beträge durch verschiedenste Bestellungen ‚nd Aufträge der inländischen Industrie und dem heimi- chen Gewerbe zufließen und so deren Steuerkraft er- 1ıöhen. Endlich bilden diese vielleicht einzig dastehen- len. Kunstinstitute wieder gewaltige An- ziehungspunkte für den Fremdenverkehr ıuf den das junge Österreich mehr denn je angewiesen st. Die Konsolidierung der Verhältnisse und das eiserne "esthalten an der künstlerischen Tradition hatten aber ıuch zur Folge, daß die obenerwähnte Tendenz der ı1eimischen Kunstkräfte, ins Ausland zu gehen, nicht ıur zum Stillstand kam, sondern im Gegenteil ‚sich die Möglichkeit ergab, mehrere der bedeutendsten aus- ändischen Künstler an die Wiener Theater zu ver- AAlichten, und so den Instituten in jeder Richtung wieder hre alte Anziehungskraft zu sichern. Um den Bundesländern, die ja zur Erhaltung der rüheren Hofbühnen nunmehr ganz wesentlich beitragen, len Beweis zu erbringen, daß das aufgewendete Kapital sut und fruchtbringend angelegt ist, wurden in den etzten Jahren in den Bundesländern ‚eine Reihe on Gastspielen der Bundestheater veranstaltet, die ;roße Erfolge brachten. Auch das Ausland, dem be- ;onders während der Beethoven-Zentenarfeier m Vorjahr Gelegenheit geboten war, sich von der zünstlerischen Höhe unserer Bühnen zu überzeugen, ist viederholt mit dem Wunsche herangetreten, es möge? zastspiele in auswärtigen Städten veranstaltet werden: m Rahmen des Möglichen wurde diesen Wünschen ent- ;prochen und insbesondere das Gastspiel der Wiener Staatsoper in Paris im Mai 1 J. hat bewiesen, daß lie Bundesbühnen mit triumphalen Erfolg österreich!“ ;cher Kunst und Kultur im Ausland Siege erkämpfen die nicht nur diesen Bühnen selbst, sondern dem ganze? ;taat zu Nutzen gereichen. Nach schweren Zeiten lacht also wieder hoffnungsfroh die Sonne für unsere Bundesbühnen und es ist ZU hoffen, daß es in der Folge gelingen wird, immer neue? Ruhm zu jenem ehrwürdigen ererbten Glanz zu fügel- ler unsere Kunstinstitute umstrahlt und der selbst 19 len schwersten Tagen fledkenlos erhalten wurde-