DIE UNFALLVERSICHERUNG DER ARBETITTER Von Dr. phil., Dr. jur. Karl Mumelter, Ministerialrat im Bundesministerium für soziale Verwaltung. Die österreichische Arbeiter-Unfallversicherung, die durch das Gesetz vom 28. Dezember 1887, RGBl. Nr. I aus 1888, geschaffen wurde, beruht auf ähnlichen Grund- sätzen wie die des Deutschen Reiches, die einige Jahre vorher, als erste in der Welt, zustande gekommen war. Wie bekannt, hat diese Versicherung den Ersatz des Schadens zum Gegenstande, der den in den sogenannten gefährlichen Betrieben Arbeitenden oder deren Hinter- bliebenen bei Betriebsunfällen durch Körperverletzung oder durch den Tod des Verletzten erwächst. Die nach der Gefährlichkeit der Betriebe abgestuften Beiträge zahlen die Unternehmer der unfallversicherungspflichtigen Betriebe, die hiefür von der Haftpflicht, bis auf die Fälle des Vorsatzes oder des groben Verschuldens, befreit sind. Die Versicherung wird durch örtlich abgegrenzte Versicherungsanstalten und die Unfallversicherungsanstalt der österreichischen Fisenbahnen durchgeführt, die sich unter paritätischer Mitwirkung der Unternehmer und Arbeiter selbst verwalten. Nach dem Umsturz mußte vor allem getrachtet werden, die Folgen der Geldentwertung, die die bei den Unfallversicherungsanstalten angesammelten, zur Auszahlung der laufenden Renten bestimmten Deckungs- kapitalien nach und nach völlig zerstörte, auszugleichen und die Unterversicherung möglichst wieder auf das Maß der vor dem Weltkriege bestandenen Versorgung zu heben. Dies geschah einerseits dadurch, daß die Hödhst- Brenze, bis zu der Löhne in der Unfallversicherung anzurechnen sind, immer wieder, im ganzen zwölfmal, erhöht, also Beiträge und Versicherungsleistungen für die Zukunft den herrschenden Geldverhältnissen an- Sepaßt wurden, anderseits dadurch, daß zu den Renten der Altrentner, falls diese nicht ihren vollen Lebens- Unterhalt aus Arbeits- oder anderweitigem Einkommen bestreiten, zuerst Teuerungszulagen gegeben wurden (die siebenmal erhöht werden mußten), dann, ab I. April 1924, ohne Rücksicht auf die Bedürftigkeit diese Renten selbst erhöht wurden. Daß bei der Aufwertung der Beiträge und Leistungen nur Schritt für Schritt vor- Begangen werden konnte und diese heute noch be- trächtlich hinter denen der Vorkriegszeit Zurückbleiben — die gegenwärtige Höchstgrenze von 2400 S steht erheblich unter der des Stammgesetzes (2400 K) — hat seinen Grund darin, daß die Öster- Teichische Industrie eine allzu rasche Aufwertung der Beiträge nicht ertragen könnte, noch mehr aber darin, daß, weil die Geldentwertung schließlich die Deckungs- kapitalien der Unfallversicherungsanstalten völlig ver- Nichtet hatte, die jeweilige Erhöhung der Altrenten allein aus den laufenden Versicherungsbeiträgen gedeckt Werden mußte. Wenn auch die Versicherungsbeiträge ZU diesem Zwecke auf der Höhe des Kapitaldeckungs- beitrages erhalten wurden, konnten daraus doch nicht die in dem Menschenalter des Bestandes der Versicherung angefallenen Altrenten völlig aufgewertet Werden. Allerdings dürfte, da die Arbeiterlöhne in Öesterreich im allgemeinen, einzelne Berufszweige aus- 8enommen, noch beträchtlich unter der Friedenshöhe stehen, doch nur ein kleiner Bruchteil der Versicherten ıicht voll - versichert sein, wenn auch jenes Verhältnis, laß nahezu alle Arbeiter mit ihren vollen Löhnen ver- ichert sind, wie es zur Zeit der Einführung der Jnfallversicherung bestand, noch nicht wieder er- 'eicht ist. Die Schwierigkeiten, die aus diesen Arbeiten er- vuchsen, namentlich die Unmöglichkeit, höhere Mittel ıufzubringen, hinderten umwälzende Fortschritte auf dem Zebiete der Unfallversicherung, insbesondere die Aus- lehnung der Unfallversicherung auf die Arbeiter aller, ‚uch der sogenannten ungefährlichen Betriebe, die auf ler VIL Internationalen Arbeitskonferenz in Genf vom 'ahre 1925 unter tatkräftiger Mitwirkung Oesterreichs zur Weltregel erhoben wurde und die Oesterreich auch ;einem Arbeiterversicherungsgesetz vom Jahre 1927, das noch nicht voll in Kraft gesetzt wurde, zugrundegelegt 1at. Dessenungeachtet wurden in den vergangenen zehn lahren bedeutsame Fortschritte auch in der Unfallver- äicherung erzielt. Schon in der IV. Novelle zum Unfallversicherungs- zesetz, die mit I. Juli I919 in Kraft trat, wurde — außer ler Aufwertung von Beitrag und Leistung durch Er- 1öhung der Höchstgrenze — den Unfallsgeschädigten das ziecht auf die Versorgung mit Körperersatzstücken ınd orthopädischen Behelfen und auf Wiederherstellung ınd Erneuerung dieser Stücke zugesprochen und die \rbeiter-Unfallversicherungsanstalten ermächtigt, den <rankenkassen jederzeit das Heilverfahren für Unfall- ‚erletzte abzunehmen. Eine weitere wichtige Verbesserung st das Fallenlassen der in der Novelle von 1917 für die 3Zemessung der Löhne von nicht oder nicht vollentlohnten Jersonen festgesetzten Grenzen, so daß vom I. Juli 1919 ın die Renten solcher Personen nach dem Jahresarbeits- ‚erdienst der niedrigst bezahlten voll entlohnten Arbeiter »der Betriebsbeamten jener Beschäftigung zu bemessen :ind, für die sie ausgebildet werden. In der VIIL Novelle, die am I. April 1922 in Kraft trat, nußte die Zeit, nach der die Rente bemessen wird, von nem Jahr auf drei Monate herabgesetzt werden, um lie Verletzten nicht durch Einrechnung von Löhnen einer 'ängst entwerteten Währung zu schädigen, eine Notmaß- regel, die erst in der XVII Novelle vom 16. Februar 1928 wieder behoben werden konnte. Um die Mitte des Jahres 922 mußte die Bundesregierung ermächtigt werden, den Arbeiter-Unfallversicherungsanstalten zur Bestreitung der Miehrauslagen, die sich durch die rasch aufeinander- folgenden Erhöhungen der Renten und Teuerungszulagen ergaben, Vorschüsse.zu gewähren, und noch durch einige Zeit mußten den Unternehmern Anzahlungen auf den 1albjährig im Nachhinein fällig werdenden Versicherungs- »eitrag auferlegt werden, um den Rentendienst der An- ;talten zu sichern. In der XII Novelle vom 3, Juli 1923 wurden, um eine‘ Aufwertung der Renten der Schwer- verletzten zu ermöglichen, die Unfallversicherungsanstalten armächtigt, Kleinrenten von nicht mehr als 25% der Voll- ;ente aus der Zeit vor 1922 abzufertigen und in der venige Tage später zum Gesetz gewordenen XL Novelle