DAS GEWERBLICHE UNTERRICHTSWESEN ; Von Sektionsrat Dr. Eduard Zenker. Die Entstehung gewerblich-industrieller Schulen läßt sich auf dem Boden der Republik in der von Maria Theresia für die Wiener Seiden- und Brokatweberei errichteten Manufaktur-Zeichenschule bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück verfolgen. Als dann die Maschine die schaffende Hand zu verdrängen begann, verlangte diese Mechanisierung der Arbeit anders vor- gebildete Menschen, als sie bis dahin dem Handwerke genügt hatten. Durch fast 100 Jahre war nun die stei- gende Verwendung der Dampfmaschine die Leiterin der — verhältnismäßig langsamen — Entwicklung. Erst die nach der Mitte des I0. Jahrhunderts einsetzende Indu- strialisierung und die ungeheure Ausdehnung des Ver- kehres beschleunigte sprunghaft den Entwicklungsgang, der sich zunächst in der Entstehung von Schulen mecha- nisch-technischer Richtung äußerte. Bald wies die Elektrotechnik neue Bahnen. Dazu war nach dem 7alle der alten Stadtbefestigungen überall eine reiche Bautätigkeit gekommen, der das baugewerbliche Schulwesen seine Entstehung verdankte. W. Exners Ge- lanke war es, den theoretischen Unterricht auf das un- bedingt notwendige Maß zu beschränken, dafür aber das Schwergewicht auf das werktägige. Schaffen und die praktische Erprobung der Theorie zu legen und die technich gewerblichen Lehranstalten mit Lehrwerk- ztätten auszustatten. Auf der anderen Seite verlangte die wachsende Selbständigkeit der Frau und deren Heraus- treten aus der Familie immer nachdrüclicher, daß durch Schaffung von Frauenberufsschulen aller Art die Frau für den Kampf um die Selbständigkeit gerüstet und j;onach ihre geistige wie ihre materielle Stellung gehoben werde. So trat im gesamten gewerblichen Bildungswesen die Arbeitsschule in den Vordergrund. Diese grundsätz- liche Lehr- und Lernform wurde nun im Laufe der Zeit auf die verschiedensten Be- dürfnisse, auf Land und Leute, Alter, Vorbildung und Aus- Dildung, abgestellt, den ge- werblichen und industriellen Daseinsformen angepaßt und mit diesen eng verbunden. Trotz derschwierigen finan- ziellen Lage ist von der neu- zeschaffenen Republik das ihr verbliebene gewerbliche Unterrichtswesen im weit- reichenden Maße ausgestal- tet worden. Einerseits mußten eine Reihe von Schultypen neu geschaffen werden, da zum Beispiel durch den Ver- lust der Sudetenländer die Textilindustrie der Alpen- länder ihren Nachwuchs aus den alten und bedeuten- den Textilschulen nördlich der Donau verlor und nur in Wien eine kleine nie- lere Webereischule bestand. Ebenso gingen Fachschulen ür eine Reihe von wichtigen Gewerben, unter anderen ür Ton-, Glas- und Porzellanerzeugnisse verloren; die "rrichtung von Schulen für diese Erwerbszweige war eine ınbedingte Notwendigkeit, um sowohl für den Nachwuchs zu sorgen wie auch der Entstehung von Betriebsstätten für Jliese Gewerbe zu Hilfe zu kommen. Gleichzeitig sollte ıuch der Grund für selbständige neue Gewerbe- und In- lustriezweige gelegt werden, die uns von der Einfuhr lieser Produkte unabhängiger machen und im eigenen ‚and Qualitätsprodukte für die Ausfuhr erzeugen könnten. \ndererseits mußten infolge der veränderten Lebens- und Irwerbsverhältnisse, der neuen Anschauungen in Fach- ınd Erziehungsfragen, der Rationalisierung der Arbeit lie bestehenden Schulen vielfach tiefgehend in ihreı Irganisation umgestaltet und die Lehrpläne der Gegen- wart angepaßt werden. Aus der ehemaligen technischen Militär-Akademie in Wödling wurde eine sämtliche technischen Haupt- ichtungen umfassende Anstalt. Neben den bereits be- cannten Schultypen des Maschinenbaues und der Elektro- echnik wurden zwei Schulgattungen — Höhere Abteilungen ür Hochbau und für Tiefbau — in Organisation und ‚ehrplan völlig neu geschaffen, ebenso eine Fachschule ür Feinmechanik nebst Lehrwerkstätten und eine Höhere ‚ehr- und Versuchsanstalt für Holzindustrie mit einem ichulsägewerke. Dabei mußten, da in der Nachkriegs- ‚eit alles in stetem Flusse war und nichts feststand, lange ‘'ahre Organisation und Lehrpläne den jeweils wechseln- len wirtschaftlichen Verhältnissen rasch angepaßt werden ınd so gestaltet sein, daß sie sich der jeweiligen Ein- ‚tellung auch anpassen ließen. Der gewaltige Aufschwung lieser Lehranstalt zeugt von der Richtigkeit des bisher zegangenen Weges. Die Anstalt ist als Zentralanstalt für Bundeslehranstalt für Textilindustrie, Wien V., Spengergasse Aus der Lehrwerkstätte für Spinnerei A