DAS ÖSTERREICHISCHE VERKEHRSWESEN Von Sektionschef Dr. Anton Pöschmann, Vorstand der Verkehrssektion im Bundesministerium für Handel und Verkehr. Als vor zehn Jahren auf dem Boden des alten Habsburgerreiches die Republik Österreich ausgerufen wurde, war das Verkehrswesen infolge des Krieges vollständig zerrüttet. Auch hatte der Krieg die zwischen- staatlichen Zusammenhänge gelöst und die Beziehungen nit dem Auslande fast gänzlich unterbunden. Selbst die Grenzen des österreichischen Machtbereiches waren vorerst noch ungeklärt. Unbestimmt war auch die Künftige Gestaltung verschiedener Verkehrsanstalten and die Aufteilung ihres Vermögens auf die Nach- folgestaaten. Durch den Staatsvertrag von St. Germain :rat wohl eine ziemliche Klärung der Verhältnisse ein, doch erforderte eine Reihe Einzelfragen noch umfang- zeiche Feststellungen und eine umständliche Liqui- dierungsarbeit, die in einigen wenigen Belangen selbst heute noch nicht abgeschlossen ist. Eine der wichtig- sten Auseinandersetzungen dieser Art betraf die Fahrparkaufteilung der alten österreichischen Staats- bahnen. Ihr Fahrpark belief sich nach Abzug der Fahrzeuge, die von den ehemaligen Gegnern Öster- reichs aus verschiedenen, mit der Kriegführung zu- sammenhängenden Rechtstiteln in Besitz genommen worden waren, noch immer auf 6680 Lokomotiven, 18.837 Personen-, Post- und Dienstwagen und unge- fähr 108.000 Güterwagen. Jeder der Nachfolgestaaten trachtete zunächst seinen faktischen Besitzstand, wenn schon nicht zu vergrößern, so doch wenigstens zu sichern, eine Finstellung, die die Aufrechterhaltung eines geordneten Verkehres zeitweise erheblich gefähr- dete. Erst aus den Friedensbedingungen ergab sich, daß ein Sachverständigenausschuß die Aufteilung zu dewirken hätte, der von den alliierten und assoziierten Regierungen ernannt werden und in dem auch Öster- reich vertreten sein sollte. Diese unter englischem Vorsitze eingesetzte Fahrparkaufteilungskommission trat im November I919 in Wien zusammen. Schon die Zusammenstellung des für die Aufteilung zur Verfügung stehenden Materiales war eine ungeheure und außerordentlich zeitraubende Arbeit. Zur einver- nehmlichen Festsetzung eines Schlüssels für die Auf- teilung ist es angesichts der einer Einigung entgegen- stehenden Schwierigkeiten gar nicht mehr gekommen. Um wenigstens eine vorläufige Regelung zu treffen, wurde daher schon auf der im November I021 in Portorose - abgehaltenen Wirtschaftskonferenz be- schlossen, daß vom I. Jänner 1922 an jeder Güter- vagen des gemeinsamen Fahrparkes der ehemaligen ANonarchie bei seinem Austritt aus dem Gebiete eines ler Nachfolgestaaten mit dem Figentumsmerkmale les betreffenden Staates angeschrieben werden muß. Jamit hat jedes Fahrzeug wenigstens einen vorläu- igen, für seine Erhaltung verantwortlichen Besitzer »ekommen. Da den fortgesetzten Versuchen, zu einer ndgültigen Aufteilung nach einem bestimmten Schlüssel zu kommen, kein Erfolg beschieden war, einigte sich lie Fahrparkaufteilungskommission schließlich dahin, laß der provisorische Besitzstand im großen ınd ganzen als endgültig anerkannt werden ;ollte. Um sich vor ungünstigeren Entscheidungen zu bewahren, brachte Österreich hiebei das Opfer, ıus seinen Beständen noch 165 Lokomotiven, 372 Per- ;onenwagen und 4000 Güterwagen abzugeben. Die ibrigen nach den Beschlüssen von Portorose mit dem ;sterreichischen Hoheitszeichen angeschriebenen Fahr- zeuge verblieben Österreich als endgültiges Eigentum md als Grundstock für die weitere Ausgestaltung ;eines Fahrparkes. Auch die Neuordnung: der österreichischen z5üdbahn, deren. administrative und technische Re- »rganisation nach den Staatsverträgen von St. Germain ınd Trianon durch ein besonderes Übereinkommen zwischen der Gesellschaft als Konzessionärin und den ‚erritorial beteiligten Staaten zu regeln war, bot große 5chwierigkeiten. Nach langwierigen Verhandlungen ist lieses Abkommen am 20. März 1923 in Rom von len an der Südbahn beteiligten vier Staaten und ler Südbahngesellschaft unter Beitritt des Komitees, las die Besitzer der von dieser Gesellschaft ausge- gebenen Obligationen vertritt, unterzeichnet worden. Bsterreih hat von dem im Abkommen den Staaten »ingeräumten Rechte, die auf ihrem Staatsgebiete ge- legenen. gesellschaftlichen Linien selbst zu betreiben, Gebrauch gemacht und diesen Betrieb gemäß den zesetzlichen Bestimmungen der Unternehmung „Öster- 'eichische Bundesbahnen” übertragen. Langwierige Arbeiten bei der Durchführung des eben erwähnten ömischen Akkords verursachte insbesondere die Auf- ‚eilung des Südbahnfahrparkes. Eine technische Kom-