DIE ÖSTERREICHISCHE SCHIFFAHRT NACH DEM WELTKRIEG Von Ministerialrat Dr. Franz Srbik, Vorstand des Schiffahrtsamtes im Bundesministerium für Handel und Verkehr. Das Österreich der Vorkriegszeit, das in so zahl- :eichen und wichtigen Belangen sich des Besitzes großer wirtschaftlicher Werte rühmen durfte, war, vegünstigt durch seine geschichtlichen und geographi- schen Voraussetzungen, in der glücklichen Lage, auch die wesentlichen Erfordernisse für einen lebenskräftigen Schiffahrtsverkehr sein eigen zu nennen. Vor allem zesaß jenes Österreich eine ausgedehnte Seeküste. Mit dem Ende des Weltkrieges sind hier grund- ‚egende Änderungen eingetreten. Österreich hat Triest und mit ihm seine gesamte Seeküste verloren ınd ist zur Gänze auf die Benützung der über das Ausland dorthin führenden Verkehrsmittel ange- wiesen. Aber auch der andere unmittelbare Weg des alten Österreich zur Übersee, nämlich der über das deutsche Wirtschaftsgebiet zum Ausfallstor der Elbe, wurde ihm dadurch verschlossen, daß Öster- reich seinen Anteil am Laufe der Elbe verloren hat und ihm außerdem eine seinen Zwecken entspre- chende Tarifpolitik hinsichtlich der zu den großen Elbeumschlagplätzen führenden Bahnen unmöglich zemacht wurde. Die einzige große Wasserstraße, die dem neuen Österreich geblieben ist, auf der es die Schiffahrt betreiben und auch seinen natürlichen Weg ins Freie suchen kann, ist die Donau. Schon lange vor dem Weltkriege vollzog sich der Güteraustausch zwischen den landwirtschaftlichen Gebieten Ungarns and den Ländern der unteren Donau auf der einen and zwischen den Industriebezirken Österreichs auf der anderen Seite zum großen Teile auf dem Donauwege. Diese Bedeutung des Donauweges als Wirtschafts- straße mußte durch die eingangs gekennzeichneten, im Gefolge des Weltkrieges für Österreich fühlbar gewordenen grundlegenden Änderungen, ebenso aber auch durch die in seinen inneren wirtschaft- lichen Verhältnissen zutage getretenen Umwälzungen zwangsläufig noch um ein Vielfaches anwachsen, ja in manchen Belangen in die allererste Reihe vor- rücken, Zunächst hat der Krieg und seine Aus- wirkungen den allgemeinen Charakter des Donau- verkehres in einer ganz einschneidenden Weise berührt. Die Verminderung der. Produktion, die Beschränkung der Märkte, der Kapitalsmangel, die sinkende Kaufkraft des Geldes, die Höhe der Steuern, die Belastung der Staatsfinanzen usw. machten sich auch auf dem Gebiete des Donau- verkehres hindernd bemerkbar und können nur allmählich und mit der allgemeinen wirtschaftlichen Gesundung überwunden werden. In erster Linie waren es aber die im Gefolge des Weltkrieges in ganz Mitteleuropa hervorgerufenen Änderungen der Staatsgrenzen, die auf den Donau- verkehr einschneidenden Einfluß nahmen. Vor dem Kriege wurzelte die Donauschiffahrt vor allem in dem großen einheitlichen Zollgebiete der öster- reichisch-ungarischen Monarchie. Die Länge der innerhalb dieses Zollgebietes gelegenen Strecke von Engelhartszell bis Semlin betrug 1028 km, unterhalb Semlins bildete die Donau die Grenze. der Monarchie bis Orsova (210 km). Der Ausgang des Krieges führte dagegen zur Errich- tung von Zollschranken zwischen den neuentstan- denen Staaten. Hiemit waren eine Anzahl streng von- einander geschiedener, der Gebietshoheit einer Reihe von Uferstaaten unterstehender Stromabschnitte der Donau gegeben. Produktion und Absatz wurden. recht häufig zum Nachteil der Schiffahrt, gezwungen; neue Wege zu suchen. Die Art und die Hand- habung der Zoll- und Paßvorschriften, sowie das Bestreben, den handelspolitischen Grundsatz des Schutzes der nationalen Wirtschaft in weitestge- hendem Maße auch auf die in so vielen Belangen als international zu wertende Donauschiffahrt zur Anwendung zu bringen, sind gewiß geeignet, den Donauverkehr auf das schwerste zu beeinträchtigen. Weiters begünstigte die Zeit nach dem Kriege vielfach die Handelsbeziehungen zwischen den West- staaten und den Staaten der unteren Donau, Be- ziehungen, die eine Ablenkung gewisser Güter vom Donauwege auf den Seeweg mit sich brachten. Hiezu kam noch die zeitweise Billigkeit der Seefracht, die insbesondere den für die Donau seit jeher so bedeutungsvollen Getreideverkehr anstatt zu Berg in großen Mengen talwärts über die See nach ein- zelnen Westhäfen führte. Schließlich war auch der Wettbewerb zwischen Hamburg und Triest mit seinen tarifarischen Auswirkungen geeignet, den Donauweg in gewissem Sinne zu benachteiligen. Die Tragweite dieser Änderungen zeigt sich deutlich in dem Umstande, daß beispielsweise gegenüber dem ür das Jahr 101 ermittelten Gesamtumfange des Donauverkehres von 6°8 Millionen Tonnen der des Jahres 1023 nur 3'02 Millionen Tonnen und der des Jahres 1924 nur 376 Millionen Tonnen betragen hat. Doch waren es nicht allein die Änderungen auf politischem und rein wirtschaftlichem Gebiete, die in der Nachkriegszeit so sehr fühlbar wurden. Auch in anderer Beziehung hat die für Österreich doppelt wichtig gewordene Donauschiffahrt ihr Antlitz völlig geändert. Vor dem Kriege war vor allem die Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellshaß die älteste und