rönnen, muß das Neugeborene die vollkommen neuen physio- logischen Vorgänge des Atmens und des Saugens ausführen, lie in ihm instinktiv entstehen. Analoge Erscheinungen müs- sen also auch bei der Entstehung einer neuen sozialen Ge- sellschaft stattfinden. Der dem Profit nachgehende Unter- nehmer, der bisher den ganzen wirtschaftlichen Mechanismus der Gesellschaft in Bewegung setzte, verschwindet in der neuen Gesellschaft. Neue Triebfedern müssen im Wirtschafts- 'eben entstehen. Allein ... die Gesellschaft ist doch kein Or- zanismus, und sie ermangelt darum irgendwelcher richtung- gebender Instinkte. Die neuen Vorgänge, die in einem orga- nischen Lebewesen instinktiv entstehen, müssen vielmehr, wenn sie in einem sozialen Verband stattfinden sollen, erst vorher von dessen leitenden Kreisen überlegt werden. Wenn nun die kapitalistische Gesellschaft, die die Befriedi- zung ihrer wichtigsten Bedürfnisse der freien Initiative ihrer Mitglieder überläßt und die ökonomischen Funktionen des Staates nur auf eine gewisse Regelung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Bürger beschränkt, wenn diese. Gesellschafts- ordnung die Wissenschaft der Wirtschaftspolitik hervorge- dracht hat, um wieviel notwendiger ist eine solche Wissen- schaft für eine sozialistische Gesellschaft, in der dem Staate aine unendlich verantwortlichere, unendlich mannigfaltigere, ınendlich kompliziertere wirtschaftliche Tätigkeit zufällt! ... Die Tatsache, daß der Sozialismus als aufbauende Lehre 'nnerhalb des Marxismus bisher ein brachliegendes Feld dar- stellt, können wir uns nicht nur dadurch erklären, daß die Marxisten nicht den Mut besaßen, die Lösung eines Problems zu versuchen, das von Marx selbst ungelöst gelassen worden war. Für die Erfüllung jener praktischen Aufgabe, die Marx sich vor allen Dingen stellte, für die Organisation einer ein- 3eitlichen internationalen Arbeiterbewegung, war eine ver- iefte Ergründung der Theorie der sozialistischen Wirtschaft zeineswegs absolut notwendig. Um das Proletariat für einen Kampf gegen den Kapitalismus zu organisieren, genügte es rielmehr, die Schattenseiten der kapitalistischen Wirtschafts- ordnung kritisch und grell zu beleuchten und ihr den Sozialis- mus nur in den allgemeinsten. verlockenden Umrissen gegen- überzustellen. Allein nach Marxens Ableben schritt doch die zsozialökonomische Entwicklung unausgesetzt fort und ge- wann das Problem der sozialen Umwälzung und des Aufbaus einer neuen Gesellschaftsordnung eine immer größere Ak- 190