2 Zweiter Teil. rühren wir bereits das Problem der freien Liebe. Die Problem- lösung des Rechts auf die freie Mutterschaft ist aber dabei theo- retisch von dem anderen Problem des Komplexes, dem der freien Liebe als Selbstzweck oder auch ‚als geadelte Geschlechtsliebe zum Mann, völlig zu trennen. Denn im Recht auf die freie Mutterschaft ist dem Manne nur die niedere Funktion des, even- tuell sofort wieder eliminierbaren, Begatters zugedacht, ist er nur Mittel zum Zweck. Die extremste Richtung der Mutter- schaftsrechtlerinnen müht sich sogar ernstlich mit dem Ge- Böhlau, Recht der Mutter. In Schweden fand die genannte Richtung in Ellen Key eine begabte Vorkämpferin (Essays, fünfte deutsche Aufl., Berlin (905, Fischer, S. 87—127). In der Frauenrechtsliteratur begegnen wir ainer guten Darstellung bei Anna Bernau, Hunger und Liebe in der Frauenfrage, Münster i. W. 1901, Brunn; sowie bei Helene Stöcker, Die Liebe und die Frauen, Minden i. W. 1905, Brunn, S. 82, und: Die Liebe der Zukunft, Leipzig 1922, Klinkhardt, S. 17. — Die heutige bürgerliche Frauenbewegung weist die Lösung der Sexualfrage durch die freie Mutter bekanntlich ab (Marie Bernays, Die. deutsche Frauen- bewegung, Leipzig 1900, Teubner, S. 63). — Das Recht auf Mutter- schaft ist natürlich grundsätzlich zu trennen von der ungewollten Gelegen- heits- oder Verlegenheitsmutterschaft, die bisweilen a posteriori ja auch zu Gefühlen des Mutterglückes führen kann. Es mag freilich auch gerade bei vereinsamten Mädchen vorkommen, daß sie, nach Überwindung des ersten Schmerzes, ihr uneheliches Kind als einen Trost im Elend und endlich gefundenen Weggenossen durchs Leben empfinden (Andre Vernieres, Camille Frison. Ouvri&re de couture, Paris 1908, Plon, p- 181; J. H. Rosny, La Brute, Paris, Librairie Mondiale, p. 62). Außereheliche Geschlechtsliebe zum Manne aus Willen zum Kinde auch bei Victor Margueritte, La Gargonne, Paris, Charpentier, p. 161. — Aus dem von dem amerikanischen Experimentalpsychologen Lindsey (in Ben B. Lindsey and Wainwright Evans, Revolt of modern youth [New York 1925, Boni and Liveright], deutsche Übersetzung: Die Revolution der modernen Jugend, Stuttgart 19277, Deutsche Verlagsanstalt, p- 67—770) mitgeteilten Beispiel der Frances ergibt sich eine der bisherigen allgemeinen An- schauung durchaus widersprechende Tatsache, die Bernard Shaw in „Mensch and Übermensch“ vertritt. Shaw sagt nämlich, daß das Weib sich den Mann gefügig macht, damit er ihm das Verlangen nach Mutterschaft stillt. (Bernard Shaw, Man and Superman. A Comedy and a Philosophy. London 1911, Constable, p. ırı.)