I. Lübeck und der Ursprung der Ratsverfassung 23 bis auf zehn aneinanderliegende Buden hinaufging, nachweisen. Von ihnen mieten die Handwerker die Buden, die mit dem alleinigen Recht des Verkaufs der Waren ausgestattet und in ihrer Zahl begrenzt waren, wieder ab. Wie wertvoll diese Buden ihren Eigentümern waren, erhellt am besten der Umstand, daß ihre Eigentümer die höchsten über- haupt nachweisbaren Renten aus ihnen verkaufen konnten®). Aus der Verbindung dieser etwa hundert bis hundertfünfundzwanzig Jahre nach der Neugründung der Stadt festzustellenden Verhältnisse mit den <laren Nachrichten, die wir für Freiburg i. Br. besitzen, wird es gewiß in hohem Grade wahrscheinlich, daß die Gründung Lübecks durch eine Gruppe von Unternehmern im Einvernehmen und Auftrage des Stadtherrn unter- aommen wurde, denen als Entschädigung ihrer organisatorischen Arbeit ınter anderem der Markt und die wirtschaftliche Ausnutzung seiner Ein- richtungen überwiesen wurde. Vermutlich erhielten schon damals einzelne Unternehmer einzelne Gruppen der Marktbuden zu ihrer eigenen Ausnutzung — nicht zum eigenen Gebrauch, aber als Objekte bestimmter, durch Ver- mietung zu erzielender Einkünfte überwiesen. Nichts spricht deutlicher für die Annahme eines kapitalistischen Unternehmerkonsortiums, das die Neu- gründung Lübecks ausführte, als gerade dieser spätere massenhafte Besitz von Marktbuden in den Händen einzelner alter Familien. Und zur Gewißheit wird diese Annahme durch die Feststellung, daß noch bei den späteren, durch landesherrliche Einzelunternehmer im ostdeutschen Kolonisations- gebiet ausgeführten Städtegründungen die Unternehmer (locatores) gerade durch Überweisung der Markteinrichtungen entschädigt wurden®). Ihrem Stande nach waren die Lübecker Gründungsunternehmer offenbar, wie die Freiburger, Kaufleute‘). Aber auch das ergibt sich aus dem Vergleich mit Freiburg: die bürgerliche Behörde, in deren Hand Herzog Heinrich die Regelung des Lebensmittelverkehrs legte, kann nur eben dieses Unter- nehmerkonsortium gewesen sein. Durch Herzog Heinrich wurde also das Unternehmerkonsortium zugleich zur bürgerlichen Behörde; dieprivate Vereinigung wurde Träger öffentlicher Rechte®). Ob es angebracht ist, schon die erste Gründung Lübecks unter dem Grafen Adolf mit einem Unternehmerkonsortium in Zusammenhang zu bringen, scheint mir zweifelhaft?®). Wie der heutige Marktplatz Lübecks erst rein topographisch im Zusammenhang mit der Neugründung Heinrichs des Löwen entstand”), so spricht doch auch sonst manches dafür, daß der Anfang einer städtischen Siedelung großen Stils erst bei der Neugründung der Jahre 1157/58 einsetzt’?). Es verdient in diesem Zusammenhang Beachtung, wenn das große Privileg von 1188 von Heinrich dem Löwen als „primus loci jundator“ spricht; erst durch ihn wurde Lübeck der Sitz einer „Regalien- verwaltung“: „statuit illic monetam et teloneum et jura honestissima‘“‘?®); erst durch ihn wieder ein Markt für den Fernhandel’?).