{28 Ill. Lübecker Familien und Persönlichkeiten aus der Frühzeit der Stadt schließlich darin, daß die für sie entscheidenden Kräfte sich von Anfang an in ihr auswirken konnten, ohne sich im Kampf mit fremden Einflüssen und Hemmungen verbrauchen zu müssen, Jene alten Römerstädte am Rhein und an der Donau, aber auch die im 10. und 11. Jahrhundert entstehenden Bischofsstädte auf altdeutschem Gebiete waren ihrem Ursprung nach Schöpfungen des Stadtherrn. Erst in zähem Ringen mit der politischen Macht ihres Stadtherrn gelang es hier den Bürgerschaften, ihre autonomen Wünsche mit größerem oder geringerem Erfolge durchzusetzen. Von alledem ist in Lübeck keine Rede, denn die Gründung Lübecks erfolgte zu einer Zeit, da dieses deutsche Bürgertum schon selbständig genug war, um nicht mehr des Gängelbandes herrschaftlicher Führung zu benötigen. Die alten römischen Städte und auch noch die Bischofsstädte bis an die Elbe waren wirtschaftlich und rechtlich Schöpfungen ihrer Bischöfe. Die Bischofs- verfassung, selbst ein Produkt der großstadtreichen Spätantike, war ohne Städte eigentlich undenkbar. Deshalb war aber auch in der Frühzeit der Bischof einer Stadt schlechterdings der Mittelpunkt für das Leben der Bevölkerung. Er und sein Klerus hatten wirtschaftliche Bedürfnisse mancher- iei Art; die Geistlichkeit, als größte Grundherren, hatte aber auch die Mittel in der Hand, diese zu befriedigen. Damit bildeten sie die wichtigste Voraussetzung des Entstehens von Städten in wirtschaftlichem Sinne: das Vorhandensein zahlungskräftiger Konsumenten. Wenn keine zahlkräftigen Konsumenten da sind, ist für das Handwerk usw. kein Abnehmer vorhanden. So ist in den ältesten Bischofsstädten das Leben erst erwacht durch die Bischöfe, Das sieht man deutlich z. B. bei Naumburg, wo neben der Bischofsstadt die Stadt der Kaufleute und Handwerker künstlich ins Leben gerufen wurde, Erst in der späteren Entwicklung entsteht ein selbständiger Fernhandel, der nun selbst in der Lage ist, als Konsument für die Erzeugnisse des Handwerks aufzutreten. Von da an setzt das Streben des Bürgertums ein, seine wirt- schaftliche Selbständigkeit zu einer rechtlichen im Verfassungskampfe mit dem Stadtherrn auszubauen. Gerade als diese Stufe erreicht war, wurde Lübeck 1158 endgültig gegrün- det. Nicht von einem Bischof, sondern von einer Anzahl von Trägern des jungen Groß- und Fernhandels, von Bürgern Westfalens und Niedersachsens, die die Genehmigung erhielten, die Stadt zu errichten. Das ist für die innere Struktur der Stadt von größter Wichtigkeit. An die Stelle, welche die bischöf- lichen Stadtherren einst in den altdeutschen Städten einnahmen, tritt das Unternehmerkonsortium, das dem Handwerk durch den Fernhandel eine Garantie bot für die Möglichkeit eines sicheren Verdienstes durch ständigen Absatz. Von Anfang an fällt hier einer ganz auf den Fernhandel eingestellten Schicht die wirtschaftliche Führung zu; geführt, aber auch abhängig von ihr sind die Handwerker und Krämer. Dieser Gegensatz hat seinen deutlichen Niederschlag in der ganzen Anlage der Stadt gefunden. Das zeigt ein Blick auf